Sprachbrocken 25/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die sprach­liche Nachricht der Woche war fra­g­los „‚Tweet‘ kommt ins Wörter­buch“. Das Wörter­buch, um das es dabei ging, war das Oxford Eng­lish Dic­tio­nary, das tweet war das englis­che Verb to tweet. Und tat­säch­lich find­et sich der entsprechende Ein­trag bere­its in der Online-Ver­sion des Wörter­buchs, eben­so, wie der für das Sub­stan­tiv tweet. Dabei ist nicht das Wort selb­st neu, denn das stand bish­er natür­lich schon mit der Bedeu­tung „einen kurzen, hohen Ton oder eine Serie solch­er Töne machen“ (für das Verb) und „kurz­er, hoher Ton wie ihn ein klein­er Vogel macht“ (für das Sub­stan­tiv) im größten Wörter­buch der englis­chen Sprache. Nun kom­men zwei Verbbe­deu­tun­gen hinzu. Eine für das Verb ohne Objekt (z.B. John tweets): „einen Beitrag auf dem sozialen Net­zw­erk­di­enst Twit­ter machen. Auch: Twit­ter regelmäßig oder gewohn­heitsmäßig ver­wen­den“. Und eine für das Verb mit Objekt (z.B. John tweet­ed a pic­ture of a cat): „eine Nachricht, eine Infor­ma­tion auf Twit­ter veröf­fentlichen“. Als Erst­be­leg für Verb und Sub­stan­tiv gibt das OED derzeit einen Blog­beitrag auf dem Blog NevOn vom 15. März 2007 an – für Sprach­fans eine klare Her­aus­forderung, einen früheren Beleg zu finden.

Mit diesem noch sehr jun­gen Erst­be­leg hat das OED übri­gens, wie unter anderem der Inquir­er berichtet, bei der Auf­nahme des Wortes eine haus­in­terne Regel gebrochen, nach der sich ein Wort min­destens zehn Jahre im all­ge­meinen Sprachge­brauch hal­ten muss, um in das Wörter­buch aufgenom­men zu wer­den. Warum hier eine Aus­nahme gemacht wurde, ist unklar, aber wenig­stens lässt sich auss­chließen, dass das OED sich bei der Fir­ma Twit­ter beliebt machen wollte. Denn die Lexikograf/innen des OED haben sowohl das Sub­stan­tiv als auch das Verb klein geschrieben, und damit den all­ge­meinen Sprachge­brauch kor­rekt abge­bildet aber eine Anweisung ignori­ert, die Twit­ter vor einiger Zeit allen Nutzer/innen dieses Wortes auf den Weg gab: „Please remem­ber to cap­i­tal­ize the T in Twit­ter and Tweet.“

Der Duden, auch das wurde stel­len­weise berichtet, war übri­gens deut­lich schneller als das Oxford Eng­lish Dic­tio­nary: Schon seit 2009 ist das Verb twit­tern dort zu find­en (allerd­ings nur in sein­er objek­t­losen Vari­ante). Auch das Sub­stan­tiv Tweet hat schon seit län­gerem einen Ein­trag. Der Duden definiert die Wörter übri­gens ohne jeden Bezug auf die Fir­ma Twit­ter (die nur bei der Wortherkun­ft erwäh­nt wird): ((Wo man den Kurz­nachrich­t­en­di­enst kurioser­weise als „Dien­stleis­tung­spro­gramm“ beze­ich­net.)) Der Tweet is definiert als „beim Twit­tern gesendete Nachricht“, und das Verb als „Kurz­nachricht­en über das Inter­net senden und emp­fan­gen“. Das dürfte den Marken­recht­san­wäl­ten von Twit­ter miss­fall­en, aber der Duden entspricht damit zumin­d­est meinem Sprachge­brauch. Denn ich würde auch Sätze sagen wie „Ich muss diesen Blog­beitrag noch auf App.net twit­tern“ oder „Auf identi.ca stand vorhin ein lustiger Tweet“.

Statt mit neuen beschäftigt sich Bodo Mrozek ja mit alten Wörtern. Wörtern, die er vom Ausster­ben bedro­ht sieht, wie Klein­od, Xan­thippe, Hagestolz und andere Nüt­zlichkeit­en. Auf SCHWAEBISCHE.DE erzählt er, wie alles anf­ing und warum er kein Sprach­schützer ist. Selb­st ver­wen­den will er die bedro­ht­en Wörter übri­gens nachvol­lziehbar­er Weise nicht, denn, wie er richtig beobachtet, würde man dabei „ja heutzu­tage oft nicht mehr ver­standen, son­dern schräg angeguckt“. Er illus­tri­ert das mit dem schö­nen alten Satz Da über­holt eine Baby­brumme einen Fuß­gasaf­fen in ein­er Sch­neck­en­schleud­er, der für mich eher nach frei erfun­den­em Fün­fziger-Jahre-Slang als nach ausster­ben­den Wörtern klingt. Oder vielle­icht nach einem Twit­ter­mem #wort­fik­tio­nen.

Ein Gedanke zu „Sprachbrocken 25/2013

  1. Muriel

    Denn ich würde auch Sätze sagen wie „Ich muss diesen Blog­beitrag noch auf App.net twit­tern“ oder „Auf identi.ca stand vorhin ein lustiger Tweet“.

    Oah nee. Damit käme ich ja gar nicht klar.

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