Crowdsourcing, Oxford-style

Von Anatol Stefanowitsch

Don’t men­tion it – in etwa „nicht der Rede wert“ – ist im Englis­chen eine der Stan­dar­d­ant­worten auf Dankes­bekun­dun­gen. Das Oxford Eng­lish Dic­tio­nary hat dieses Mot­to so verin­ner­licht, dass man sich dort gar nicht erst bedankt. Man stellt zwar ein Online-For­mu­lar bere­it, über das Nutzer/innen Erst­belege, Wortvorschläge, Fehler und anderes melden kön­nen – Crowd­sourc­ing hat beim OED eine lange Tra­di­tion, schon die erste Auflage stützte sich stark auf Sprach­belege, die von bele­se­nen Sprachliebhaber/innen eingeschickt und in der Redak­tion des Wörter­buchs von Hand sortiert und in Zettelkästen ver­wahrt wur­den (für unsere jün­geren Leser/innen: Das Inter­net gab es im neun­zehn­ten Jahrhun­dert noch nicht). Aber eine Reak­tion bekommt man auch dann nicht, wenn der gemeldete Vorschlag umge­set­zt oder Man­gel behoben ist.

Wie vor eini­gen Monat­en beschrieben, hat­te ich im Ein­trag zu shit­storm – einem Wort, das uns im Sprachlog aus offen­sichtlichen Grün­den beson­ders am Herzen liegt – einen fehler­haften Erst­be­leg gefunden.

So sah der Ein­trag damals aus:

Eintrag zu *shitstorm* im OED mit falschem Erstbeleg

Das ange­blich 1940 erschienene Buch, aus dem der Erst­be­leg stammte, ist näm­lich eigentlich 1982 erschienen. Es ist nur bei Google Books falsch datiert – wom­it auch klar sein dürfte, mit welchen Quellen man heutzu­tage beim ein­st­mals ehrwürdi­gen OED arbeitet.

Ich teilte dies der Redak­tion über besagtes Online-For­mu­lar natür­lich umge­hend mit, denn beim shit­storm und sein­er lexiko­grafis­ch­er Doku­men­ta­tion ver­ste­hen wir über­haupt keinen Spaß. Eine Reak­tion blieb aus, aber als ich let­zte Woche zufäl­lig mal wieder nachgeschaut habe, war der Ein­trag korrigiert:

Eintrag zu *shitstorm* im OED mit richtigem Erstbeleg

Dass man im neun­zehn­ten Jahrhun­dert nicht allen Einsender/innen von Bele­gen, Vorschlä­gen und Fehlern einzeln danken kon­nte, sehe ich ein – das Por­to hätte den Ver­lag schnell ruiniert, von den Kosten des Brief­pa­piers ganz zu schweigen. Nicht zu vergessen die armen Kinder, die in einem still­gelegten Berg­w­erk die Briefum­schläge hät­ten anleck­en müssen.

Aber dass man im 21. Jahrhun­dert nicht ein­mal eine kurze Dankes-E-Mail ver­schick­en kann, von mir aus automa­tisiert, ent­täuscht mich dann doch sehr. Da kön­nte ich ja stattdessen gle­ich bei der Wikipedia mitar­beit­en, da bekomme ich zwar auch keinen Dank, aber wenig­stens kön­nte ich die Änderun­gen selb­st vornehmen. Und dann gäbe es einen Löschantrag wegen fehlen­der Rel­e­vanz und eine lange Diskus­sion die immer kurz davor stünde, sich zu einem anständi­gen Shit­storm auszuwachsen.

2 Gedanken zu „Crowdsourcing, Oxford-style

  1. elian

    Da muss ich doch mal eine Lanze für die Wikipedia brechen: Es stimmt nicht, dass man dort keinen Dank bekommt. Ich arbeite jet­zt schon seit eini­gen Jahren nicht mehr mit und trotz­dem schla­gen noch regelmäßig Leute auf mein­er Diskus­sion­s­seite auf, die sich sehr nett für den einen oder anderen mein­er Texte bedanken. Und wenn ich auf die Diskus­sion­s­seit­en ander­er Nutzer schaue, finde ich auch dort viele Dankeschöns und fre­undlich­es Feed­back. Das Prob­lem der Wikipedia ist nur, dass man gar nicht soviele Dankeschöns bekom­men kann, dass sie die rüpel­haften Bemerkun­gen selb­ster­nan­nter Wikipolizis­ten aufwiegen.

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  2. Kalef

    Ich wette, Sie waren des Danks nicht würdig, weil Sie beim Aus­füllen des For­mu­la­rs an ein­er bes­timmten Stelle den einen Tab, d.h. die optis­che Ein­rück­ung nicht geset­zt haben, die doch seit 400 Jahren beim Aus­füllen ebendieses For­mu­la­rs britis­che Norm und ehren­werte Tra­di­tion ist.

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