Kandidaten für den Anglizismus 2013: instagrammen

Von Kristin Kopf

Im Sep­tem­ber 2012 twit­terte @PSchydlowski das vielfach im Inter­net und in Zeitun­gen weit­er­ver­bre­it­ete Foto eines Schildes mit der Aufschrift:

BITTE HIER IM RESTAURANT DAS ESSEN NICHT INSTAGRAMMEN!

(Diesen Zettel bitte auch nicht!)

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Sym­bol­fo­to

Unser Kan­di­daten­wort beze­ich­net eine kul­turelle Prax­is, die, jede Wette, in mod­erne Ben­imm­rat­ge­ber einge­hen wird: Das Fotografieren mit einem mobilen Endgerät, ver­bun­den mit dem Teilen des Fotos im Web 2.0. Das scheint beson­ders häu­fig Mahlzeit­en zu betr­e­f­fen, aber auch Son­nenun­tergänge und Selb­st­por­traits (also Self­ies) sind gut mit dabei. Dass das Phänomen ein­er starken gesellschaftlichen Bew­er­tung unter­liegt, zeigen Tum­blrs wie Pic­tures of hip­sters tak­ing pic­tures of food oder die Nick­el­back-Par­o­die Look at this Insta­gram (Col­lege Humor).

Das »Insta­gram­men« ist eine Hand­lung, die sowohl off- als auch online stat­tfind­et und von der immer nur ein Teil für die Umge­bung sicht­bar ist: Das Fotografieren selb­st oder das Pro­dukt des Fotografierens in Form eines Sta­tusup­dates bei Insta­gram, Twit­ter, Face­book und wie sie alle heißen.

Symbolfoto

Sym­bol­fo­to

Das Wort geht zurück auf die App Insta­gram, die die Nach­bear­beitung und das Onlinestellen der Fotos übern­immt. Dabei kommt ein qua­dratis­ches Bild her­aus, das meist auch in der Far­bge­bung – gewoll­ter­weise – an ein Sofort­bild­kam­er­afo­to erin­nert. (Also anschlussfähig für Hip­ster (( Für die habe ich auch den schö­nen Satz ich insta­gramme insta­grammte Bilder und lad sie irgend­wo hoch in einem Lied von Mad Maks gefun­den. )) .)

In diesem Beitrag will ich der Frage nachge­hen, woher das Verb kommt, ob es im Deutschen über­haupt eine nen­nenswerte Ver­bre­itung erre­icht und ob es eine Lücke im Wortschatz stopft.

Instagram, das instant telegram

Ist insta­gram­men über­haupt ein Anglizis­mus? Das ist gar nicht so leicht zu beurteilen. Ähn­lich wie bei per­for­men stellt sich die Frage, wie das Verb gebildet wurde: Es kön­nte im Deutschen vom Eigen­na­men Insta­gram abgeleit­et sein, es kön­nte aber auch vom englis­chen to insta­gram kom­men. Die Basis ist allerd­ings unum­strit­ten: Bei Insta­gram han­delt es sich um den Namen eines US-Online­di­en­stes. Woher er kommt, erk­lärt der auf sein­er Inter­net­seite: ((Natür­lich muss man bei solchen Grün­dungsmythen immer etwas skep­tisch sein.))

Where does the name come from?

When we were kids we loved play­ing around with cam­eras. We loved how dif­fer­ent types of old cam­eras mar­ket­ed them­selves as “instant” — some­thing we take for grant­ed today. We also felt that the snap­shots peo­ple were tak­ing were kind of like telegrams in that they got sent over the wire to oth­ers — so we fig­ured why not com­bine the two? (Quelle)

Symbolfoto

Sym­bol­fo­to

Der ganze Name ist also ein Kof­fer­wort aus den bei­den englis­chen Wörtern instant und telegram. Darin steckt das Adjek­tiv instant ’sofor­tig’, das in der Kind­heit der App-MacherIn­nen für die Ver­mark­tung von Klein­bild­kam­eras benutzt wurde. Der zweite Bestandteil, -gram, kommt vom Telegramm, weil man das gegen­seit­ige Zusenden ähn­lich fand. ((Erscheint mir nicht so durch­dacht, weil Insta­grams ja weniger ver­schickt als gepostet werden.))

Die lexiko­graphis­che Erfas­sung unseres Kan­di­dat­en lässt schon in der Geber­sprache zu wün­schen übrig: Wed­er als Substantiv/Eigenname noch als Verb ist insta­gram im OED verze­ich­net. Beim Collins Eng­lish Dic­tio­nary gibt es zwar auch keinen Ein­trag, aber dafür einen Vorschlag von NutzerIn rhir­ji, über den noch entsch­ieden wer­den muss. Die vorgeschla­gene Def­i­n­i­tion lautet:

1. Pop­u­lar pho­tog­ra­phy and pho­to shar­ing appli­ca­tion 2. The act of tak­ing or shar­ing a pho­to via Instagram

(1. Beliebte App zum Fotografieren und Teilen von Fotos 2. Ein Foto mit Insta­gram machen oder teilen)

Wie oft instagrammt man?

An Dat­en zu kom­men, ist auch fürs Deutsche schwierig. Wörter­buchein­träge hat das Wort keine. Auch im DeReKo, also ein­er Auswahl deutschsprachiger Zeitun­gen, ist es nicht belegt. (( Das Sub­stan­tiv Insta­gram tritt dort 2011 zum ersten Mal auf, allerd­ings auss­chließlich als Eigen­name, in Bezug auf die Fir­ma oder die App. Die meis­ten Eigen­na­men­ver­wen­dun­gen kom­men in der Berichter­stat­tung über die Face­book-Über­nahme und die kurzfristig geän­derten AGBs vor, also 2012. Davor qua­si nichts, danach bedeu­tend weniger. Eine Ver­wen­dung in der Bedeu­tung ‘mit dem Smart­phone gemacht­es qua­dratis­ches Foto, das in sozialen Net­zw­erken geteilt wird’ ist darunter nicht zu find­en – im Netz gibt es das aber durchaus:

))

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Tre­f­fer für insta­gram­men gibt es nur im Netz, wo ich sie nicht sys­tem­a­tisch auswerten kann. Für einen Zeitraum von ins­ge­samt zwei Wochen im Dezem­ber habe ich ein­mal alle Tweets gesam­melt, die <insta­gram­men> enthiel­ten – von 190 Tre­f­fern waren nur 29 brauch­bar. Der Rest bestand aus nieder­ländis­chen oder skan­di­navis­chen Tweets. Also auch sehr mager – meist spricht man bei Twit­ter eben nicht über Insta­gram­fo­tos, son­dern set­zt ein­fach einen Link rein.

Die Inte­gra­tion ins deutsche Ver­bal­sys­tem ver­läuft erwart­bar: Flek­tierte For­men tauchen auf (( Gesucht wurde nach <instagram(m)e>, <instagram(m)st>, <instagram(m)t>, <geinstagram(m)t>: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 )) und wer­den mit den nor­malen Endun­gen schwach­er Ver­ben verse­hen. Ein notorisch­er Zweifels­fall ist die Form des Par­tizip II:

Bei insta­grammt ver­hält sich die Form wie tele­foniert (nicht getele­foniert), designt (nicht gedesignt) und viele weit­ere – daneben gibt es aber auch gein­sta­grammt, wie gerufen und gebook­markt. Die dritte denkbare Vari­ante, instage­grammt, wie angerufen und down­ge­loaded, habe ich nicht gefun­den, ins­ta- wird also, ety­mol­o­gisch zurecht, nicht als trennbare Par­tikel wahrgenommen.

Ein Lückenfüller?

Eigentlich eignet sich insta­gram­men, ähn­lich wie twit­tern, sehr gut als Verb: Es beschreibt einen im Gegen­satz zu Bil­dun­gen wie face­booken rel­a­tiv klar zu fassenden Vor­gang, der die Nutzung eines sehr pop­ulären Inter­net­di­en­stes beschreibt. Dabei ist das Instra­gram­men auch über das Inter­net hin­aus sicht­bar – wenn man es ken­nt. Andern­falls sieht es nach ganz nor­malem Fotografieren aus. (( Natür­lich kann man sich als Beobach­terIn nie ganz sich­er sein, ob das Foto auch online gestellt wird. )) Gegenüber dem Twit­tern hat das Insta­gram­men den Nachteil, dass es keine Nachricht­en­quelle darstellt, seine Erwäh­nung in Print­me­di­en also schon deshalb unwahrschein­lich­er ist.

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Als Spezial­form des Fotografierens kann die erste Bedeu­tungskom­po­nente von insta­gram­men auch mit dem entsprechen­den Vok­ab­u­lar beze­ich­net wer­den: knipsen, fotografieren, ein Bild/Foto machen/schießen, einen Schnapp­schuss machen. Wenn man für eine größere Öffentlichkeit schreibt, die mit der App nicht ver­traut ist, ver­mit­teln die Foto-Wörter einen besseren Ein­druck des Vor­gangs, und entsprechend find­en sie sich auch in jour­nal­is­tis­chen Tex­ten. Der zweite Bestandteil, das Onlinestellen, kommt darin allerd­ings nicht zum Aus­druck und wird daher umschrieben:

In einem Restau­rant wird mir vom Betreiber unter­sagt, Fotos vom Essen zu schießen und anschließend im Inter­net zum Beispiel bei Insta­gram zu posten. Ist das recht­ens? (Der Tagesspiegel)

So wie die Frau im Restau­rant fotografieren derzeit viele Men­schen ihre Mahlzeit­en. Die Bilder stellen sie in sozialen Net­zw­erken wie Face­book, Twit­ter und Insta­gram online, um sie mit der Inter­net­ge­meinde zu teilen. (Mit­tel­bay­erische)

Eine der­ar­tiger Aufwand lohnt sich dann, wenn man expliz­it über das Phänomen des Insta­gram­mens berichtet und davon aus­ge­hen muss, dass es der Leser­schaft fremd ist. Genau das scheinen die Kon­texte zu sein, in denen aktuell über die Nutzung von Insta­gram berichtet wird.

Der näch­ste Schritt, die Über­nahme des Verbs mit Fremd­markierung (Typ immer mehr Men­schen »insta­gram­men« ihre Haustiere oder das soge­nan­nte Insta­gram­men greift an Schulen um sich), ist noch nicht erre­icht und von ein­er ganz unmarkierten Ver­wen­dung, wie sie im Inter­net schon auf­taucht, ist erst recht nichts zu bemerken. Ob sich das ändern wird, ver­mag ich nicht zu beurteilen – wir soll­ten in ein paar Jahren noch ein­mal nach­schauen. Wenn es die App (oder eine ver­gle­ich­bare) dann noch gibt, sehe ich Chan­cen. Dieses Mal ist es für insta­gram­men aber noch zu früh.

Symbolfoto

Sym­bol­fo­to

Her­zlichen Dank an den edlen Spender der Instagrambilder!

5 Gedanken zu „Kandidaten für den Anglizismus 2013: instagrammen

  1. Stef

    Ist ein biss­chen off-top­ic, aber es geht mir ger­ade nicht mehr aus dem Kopf: Haben Sie sich hier im Blog irgend­wo mal mit dem Wort “teilen” (als Über­set­zung des englis­chen Worts “share” beschäftigt)? Das ist ja inzwis­chen über­all im deutschsprachi­gen Web zu finden. 

    Mich stört es intu­itiv (auch wenn ich son­st nichts gegen Anglizis­men habe), weil ich bei “Bild teilen” oder “Beitrag teilen” instink­tiv immer eine Schere vor Augen sehe… und das ist ja nicht gemeint. Bilder “mit anderen Usern teilen” stört mich da weniger, denn da ist klar, dass wohl nie­mand das Foto in der Mitte durch­schnei­den wird. “Ein Bild sharen” wäre mir per­sön­lich sym­pa­this­ch­er, aber das scheint sich nicht durchzusetzen.

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  2. Zeddi

    Insta­gram­men … hab ich noch nie gehört, vill. weil ich nicht zur Hip­ster-Kul­tur gehöre?
    Wenn man hier™ irgend­wie Bilder “teilt”, dann idr. mit What­sApp “Ich schick es per What­sApp rum” e.t.c. — und das idr. durch alle Altersstufen mit denen ich zu tun habe (ca. 16 bis 60) 

    Teilen find ich eigentlich eine super Über­set­zung, man “teilt” sich ja auch ein mal, ganz ohne eine Schere anzuset­zen, oder man nimmt an den Prob­le­men von jemand teil, auch hier ganz ohne Schere oder das man irgen­det­was mit den Prob­le­men macht.

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