Asylgegner und Asylbefürworter

Von Anatol Stefanowitsch

Eins der Unwörter, das mir in der Berichter­stat­tung über Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkün­fte bish­er ent­gan­gen ist, ist das Wort Asyl­be­für­worter. Tat­säch­lich kon­nte ich zunächst kaum glauben, dass es wirk­lich ver­wen­det wird, als ich es heute früh in diesem Tweet des MDR Sach­sen las:

Eine schnelle Recherche ergab dann aber, dass das Wort tat­säch­lich von den Medi­en ver­wen­det wird – nicht nur vom MDR, son­dern z.B. auch von der säch­sichen Freien Presse, von Spiegel Online, der Bild, dem Han­dels­blatt, dem Deutsch­land­funk und der Tagess­chau.

Anders als die Wörter Asylkri­tik­er (das in den Medi­en nur noch sel­ten ver­wen­det wird) und Asyl­geg­n­er (das sich nach wie vor find­et) ist Asyl­be­für­worter kein offen­sichtlich­er Euphemis­mus: die so beze­ich­neten – näm­lich die Men­schen, die sich seit Monat­en schützend vor Flüchtling­sheime stellen – dürften tat­säch­lich starke Befür­worter des Asyl­rechts sein.

Trotz­dem ist es natür­lich schon auf den ersten Blick eine aus­ge­sprochen unglück­liche Wortschöp­fung, und zwar aus min­destens zwei Grün­den. Erstens ist es offen­sichtlich ein sym­metrisches Gegen­stück zum Asyl­geg­n­er oder -kri­tik­er und wird oft auch so verwendet:

  1. den Frem­den­fein­den, Ras­sis­ten und Recht­en ent­ge­gen­stel­lenEt­wa 200 Asyl­geg­n­er aus dem recht­en Lager standen 350 Asyl­be­für­wortern gegenüber. (Spiegel Online)
  2. Anson­sten sei es der bish­er ruhig­ste Abend der Woche gewe­sen, die 100 Asyl­geg­n­er und die 100 Asyl­be­für­worter hät­ten sich friedlich ver­hal­ten… (Säch­sis­che Zeitung)
  3. Es sei nicht aus­geschlossen, dass sich Asyl­geg­n­er und Asyl­be­für­worter gewalt­tätige Auseinan­der­set­zun­gen liefern kön­nten. (Welt)
  4. Laut Angaben der Polizei trafen am Mittwoch etwa 80 Asyl­be­für­worter auf 160 Asyl­geg­n­er. (Dres­d­ner Neueste Nachricht­en)
  5. Wie die Polizei berichtet, hat­ten sich von Fre­itag­mit­tag bis in die Nacht­stun­den in der Nähe der Unterkun­ft teil­weise bis zu 150 Per­so­n­en, sowohl Asylkri­tik­er als auch Asyl­be­für­worter, aufge­hal­ten. (Freie Presse)

Inter­es­san­ter­weise geschieht diese sym­metrische Gegenüber­stel­lung häu­fig in Zitat­en der Polizei und ander­er Behör­den (wie in den Beispie­len 2 bis 5).

Es ist klar, wo hier das Prob­lem liegt: Das Wort Asyl­be­für­worter trägt dazu bei, die schon im Wort Asyl­geg­n­er angelegte euphemistis­che Vorstel­lung zu stärken, hier gin­ge es um eine sach­liche Auseinan­der­set­zung bezüglich des Asyl­rechts und der Asylpoli­tik. Das Wort Asyl­be­für­worter legit­imiert also das Wort Asyl­geg­n­er – und zwar auch dort, wo es nicht sym­metrisch ver­wen­det wird, wie in den fol­gen­den Beispielen:

  1. Dres­d­ner Recht­sex­treme attack­ieren Asyl­be­für­worter (Spiegel Online)
  2. In Fre­ital hat ein aus­län­der­feindlich­er Mob erst im Juni nächte­lang unwider­sprochen vor ein­er Unterkun­ft protestiert, es kam zu gewalt­täti­gen Angrif­f­en auf Asyl­be­für­worter. (Han­dels­blatt)

Hier wer­den die Angreifend­en zwar real­is­tisch benan­nt, aber das Wort Asyl­be­für­worter stellt die Sit­u­a­tio­nen trotz­dem so dar, als ob die Angriffe der befür­wor­tenden Hal­tung zur Asylpoli­tik gel­ten. Tat­säch­lich sind die Angriffe natür­lich dadurch motiviert, dass die „Asyl­be­für­worter“ – größ­ten­teils linke Aktivist/innen – bei den Recht­en min­destens genau­so ver­has­st sind, wie die Asyl­suchen­den selbst.

Und tat­säch­lich, und das ist der zweite Grund dafür, dass das Wort in ser­iösen Medi­en nichts zu suchen hat, han­delt es sich bei Asyl­be­für­worter aller Wahrschein­lichkeit nach um eine rechte Wortschöp­fung: die früh­esten Belege find­en sich auf recht­en Web­seit­en und in Foren- und Blogkom­mentaren mit recht­en Inhal­ten. Der Asyl­be­für­worter ste­ht damit auf ein­er Ebene mit dem Gut­men­schen – die Beze­ich­nung klingt zwar von der wörtlichen Bedeu­tung her pos­i­tiv, ist aber abschätzig gemeint. Das Wort find­et sich auch heute noch im recht­en Sprachge­brauch im sprach­lichen Umfeld von Wörtern wie Antifant, Asyl­fa­natik­er und links-rot-grün-ver­siffter Gut­men­sch.

Noch ein­mal: Man kann und darf gegen das deutsche Asyl­recht und die deutsche Asylpoli­tik sein und das auch zum Aus­druck brin­gen. Aber das tut man nicht, indem man sich vor Flüchtling­sheime stellt und Has­s­parolen skandiert. Das wäre, wie Herr Häkelschwein es so tre­f­fend for­muliert hat, so, als demon­striere man gegen die Fam­i­lien­poli­tik, indem man sich vor Kindergärten stellt und die Kinder anschre­it. Stattdessen tut man es, indem man dor­thin geht, wo die Regierung einen hört. Und die Regierungsparteien sind ja derzeit die größten Asyl­geg­n­er – sie ver­schär­fen das Asyl­recht, schreien nach (ver­fas­sungswidri­gen) Ober­gren­zen für die Auf­nahme von Flüchtlin­gen und dro­hen dann noch, sich wegen eines zu laschen Umgangs mit dem Asyl­recht gegen­seit­ig zu verk­la­gen. Echte Asyl­geg­n­er dür­fen also damit rech­nen, mit ihrer Asylkri­tik auf offen­ste Ohren zu stoßen.

Man kann und darf auch für das deutsche Asyl­recht sein, und man darf fordern, dass es beibehal­ten oder aus­geweit­et wird. Wie gesagt gehe ich davon aus, dass das bei vie­len Men­schen der Fall ist, die sich Frem­den­fein­den, Ras­sis­ten und Recht­en ent­ge­gen­stellen, wenn die vor Flüchtling­sun­terkün­ften het­zen und ran­dalieren. Aber diese Men­schen ste­hen dort nicht, um für das Asyl­recht zu demon­stri­eren, son­dern eben, um sich den Frem­den­fein­den, Ras­sis­ten und Recht­en ent­ge­gen­zustellen. Es sind – ob sie sich selb­st so nen­nen oder nicht – Antifaschist/innen. Wir soll­ten alle froh sein, dass es sie gibt und wir soll­ten ihre Moti­va­tion nicht mit dem lauwar­men Wort Asyl­be­für­worter verhüllen.

13 Gedanken zu „Asylgegner und Asylbefürworter

  1. Maike

    Aber selb­st zwis­chen “Asyl­geg­n­ern”, die ihre Mei­n­ung auf adäquate, nicht gewalt­tätige, Form und am dafür geeigneten Orte zum Aus­druck brin­gen und den “Asyl­be­für­wortern” beste­ht m. E. keine Symmetrie.
    Die Asylgegner*innen stellen sich ja außer­halb des gel­tenden Ver­fas­sungsrechts. Wenn Linke das tun, wird das idR nicht so tol­er­ant gehand­habt und deren Sor­gen ver­standen. Und so ganz neben­bei finde ich ja auch, dass die ver­fas­sungsrechtliche Garantie von Asyl für poli­tisch Ver­fol­gte sowas wie Teil unser­er “deutschen Leitkul­tur” sein dürfte.

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  2. Lupino

    Ich bezwei­fle doch sehr, dass die Men­schen, die sich schützen­der Weise vor Wohn­heime stellen, Befür­worter des Asyl­rechts in sein­er gegen­wär­ti­gen Form sind. Muss halt vor­sichtig sein, “Recht auf Asyl” nicht mit “Asyl­recht” zu verwechseln.

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  3. Mycroft

    Häh?
    “Asyl­be­für­worter” klingt jet­zt vllt. etwas “aus­gedacht”, aber dass das Wort ein Unwort sein soll, weil es indi­rekt “Asyl­geg­n­er” legit­imiert, ist doch wohl erst Recht konstruiert.
    “Atom­geg­n­er” gibt es ja auch in ver­schiede­nen Ver­sio­nen: solche, die sich durch Demos, Wahlen und andere demokratis­che Mit­tel gegen Atom­kraft engagieren, und solche, die Gewalt­tat­en und andere Rechts­brüche einsetzen.
    Ob die Angriffe in Beispiel 6+7 aus anderen Grün­den als der Pro-Asyl-Hal­tung der Ange­grif­f­e­nen erfol­gte, geht aus den Artikeln neben­bei _nicht_ her­vor. Meinen Sie, sog. “bürg­er­liche” Asyl­geg­n­ergeg­ner­In­nen wären nicht ange­grif­f­en wor­den? Warum?

    Aber desse­nungeachtet, was wäre denn ein besser­er Begriff? Asyl­geg­n­ergeg­ner­In­nen? AsylverteidigerInnen?

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  4. Marcus

    Mein Vorschlag wäre ja Grund- und Men­schen­rechts-Befür­worter bzw. ‑Gegen­er, lei­der etwas unge­lenk aber treffend :>

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  5. J. Nämlich

    Asyl­be­für­worter” legt eine falsche Assozi­a­tion hin­sichtlich der Hand­lungsmo­ti­va­tion nahe: “Befür­worter” sind in anderen poli­tis­chen Diskus­sion­szusam­men­hän­gen in mein­er Wahrnehmung meis­tens solche, die eine Verän­derung in ihrem Sinne erwirken wollen. Grex­it-Befür­worter, Reform­be­für­worter, TTIP-Befür­worter, Befür­worter der Homo-Ehe. In unserem Falle haben wir es aber eher mit “Asylvertei­di­gern” zu tun: diese ste­hen auf der Stel­lung eines Abwehrge­fechts (und das oft genug wortwörtlich-physisch und daher in prekär­er Lage). Die bei “Asyl­be­für­worter” in meinen Ohren auch mitschwin­gende Sug­ges­tion, dass es sich um Aktive han­dle, um “Angreifer” gewis­ser­maßen, passt ganz tre­f­flich zur Denkungsart und Sprachregelung von “Flut”, “Schwemme” und “über­ran­nt wer­den”: Asyl­be­für­worter sind Volksver­räter, Kol­lab­o­ra­teure, die von innen die Schleusen oder Stadt­tore öff­nen. Die Evoka­tion der Idee aber, dass Asylvertei­di­ger auch Vertei­di­ger von gefährde­ten Errun­gen­schaften sein kön­nten, wird vom Begriff “Asyl­be­für­worter” eher unwahrschein­lich gemacht.

    Und auch wenn es mit Befür­wortern etwa der Kernen­ergie auch Befür­worter auf eher in Vertei­di­gung­shal­tung befind­lichen Posi­tio­nen gibt: im Befür­worten schwingt mit, dass man etwas, das immer­hin diskutabel ist, für eine gute Idee hält. Begriffe wie Men­schen­rechts­be­für­worter oder auch (im heuti­gen mit­teleu­ropäis­chen Kon­text) Demokratiebe­für­worter haben etwas Absur­des: sie rel­a­tivieren die Posi­tion der so Beze­ich­neten. Aus ein­er einzu­fordern­den Selb­stver­ständlichkeit wird nur noch eine von mehreren diskutablen Möglichkeiten.

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  6. slowtiger

    Du bist ja auch so ein Asylbefürworter!” -
    “Äh, was? … Achso … ver­ste­he. Nein, du benutzt das falsche Wort. Was du eigentlich meinst, ist: Mensch.”

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  7. Mycroft

    @J. Näm­lich:
    “Asyl­be­für­worter” “klingt” für mich danach, dass jemand befür­wortet, dass jemand (anders) Asyl, also das dauer­hafte Bleiberecht, bekommt.
    Auf die meis­ten, auf die diese Vok­a­bel ange­wandt wird, trifft dies anscheinend zu.

    Asyl”, nicht “Asyl­recht”, wäre hier das Äquiv­a­lent zum “Grex­it” oder zur “Homoe­he”.

    Wenn jemand ein (neues oder noch nicht vorhan­denes) Asyl­recht befür­worten würde, wäre das ein Asyl­recht­be­für­worter oder Asyl­re­form­be­für­worter. Oder ‑in, natürlich.

    Dass man Zeitungs­be­griffe auch kaputtdisku­tieren kann, ist anson­sten nichts neues. Mein Lieblingsbeispiel:
    Gen­mais ist ein Lebe­we­sen, und Bio­mais enthält Gene. Wo ist also der Unter­schied, der diese Vor­sil­ben rechtfertigt?

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    1. J. Nämlich

      @ Mycroft:
      Mir geht es um Assozi­a­tio­nen, um Mitschwin­gen­des oder vom Begriff nahegelegtes. Das auszu­graben, halte ich bei der Bew­er­tung poli­tis­ch­er sprach­lich­er Belange für wichtiger als eine Pass­ge­nauigkeit von Begrif­f­en in einem gle­ichungsar­ti­gen logis­chen Gefüge.

      An Kaputtdisku­tieren glaube ich übri­gens nicht. So etwas existiert nicht.

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  9. Mycroft

    Na gut, ich halte die Genauigkeit von Begrif­f­en, _Pass_genauigkeit ist zuviel ver­langt, eben für wichtiger als Assozi­a­tio­nen. Vor allem, weil Assozi­a­tio­nen so unscharf und sub­jek­tiv sind.

    Kaputtdisku­tieren” löst wohl die falschen Assozi­a­tio­nen aus, ich nehme das Wort von daher zurück. 😉

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  11. Tim Wöhrle

    Warum eigentlich ‘Ras­sis­ten’ und nicht ‘Rassist/innen’, aber dafür ‘Antifaschist/innen’
    Ihnen ist die Gen­der-Gerechtigkeit son­st so wichtig?
    Ist Ihnen da ein Lap­sus unter­laufen (der Ihnen son­st nie unter­läuft) oder wollen Sie andeuten Rassisten=Männer?
    Was ich prob­lema­tisch und — ja — lei­der auch sex­is­tisch fände, zumal es noch nicht mal stimmt: recht­sex­trem­i­tis­che Ein­stel­lun­gen sind unter Frauen lei­der genau so ver­bre­it­et wie unter Män­nern; siehe
    http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf Seite 38f

    Es inter­essiert mich wirk­lich, ob Absicht dahin­ter stand oder Unacht­samkeit, und für eine ehrlich Auskun­ft Ihrer­seits wäre ich dankbar!

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