Blogspektrogramm 29/2016

Von Kristin Kopf

Hur­ra, hur­ra, das Spek­tro­gramm ist wieder da! Heute gibt’s Spracherken­nungssoft­ware, eine Stop­puhr, ein paar Über­set­zung­prob­leme und einen tragis­chen Fall qua­si kollek­tiv­en moralis­chen Ver­sagens in der Linguistik.

  • Googles automa­tis­che Spracherken­nung ist auf männliche Stim­men hin opti­miert, stellt Rachael Tat­man auf MAKING NOISE & HEARING THINGS fest, und das ist schlecht: »This is a real prob­lem with real impacts on people’s lives. Sure, a few incor­rect Youtube cap­tions aren’t a mat­ter of life and death. But some of these appli­ca­tions have a lot high­er stakes. Take the med­ical dic­ta­tion soft­ware study. The fact that men enjoy bet­ter per­for­mance than women with these tech­nolo­gies means that it’s hard­er for women to do their jobs. Even if it only takes a sec­ond to cor­rect an error, those sec­onds add up over the days and weeks to a major time sink, time your male col­leagues aren’t wast­ing mess­ing with tech­nol­o­gy. And that’s not even touch­ing on the safe­ty impli­ca­tions of voice recog­ni­tion in cars.« Wie das passiert, erk­lärt der Artikel wunderbar.
  • Ein kleines Tool zur Mes­sung von Rededauer gibts auf der Sin­gle-Pur­pose-Seite arementalkingtoomuch.com. Lei­der fehlt die Möglichkeit, anzugeben, wie viele Män­ner und Frauen über­haupt am Gespräch teil­nehmen, um den Wert rel­a­tiv berech­nen zu kön­nen, aber in manchen Kon­tex­ten vielle­icht doch brauchbar.
  • In der SÜDDEUTSCHEN hat sich Jörg Häntzschel (schon vor ein paar Wochen) über­legt, welche Prob­leme sich bei der Über­set­zung von (police) shoot­ing und to shoot ergeben und man kann ihm ein wenig beim Nach­denken zuse­hen: »Nicht ein­mal für das tran­si­tive Verb to shoot gibt es ein Äquiv­a­lent. Im Englis­chen bleibt erst mal offen, was genau die Kugel angerichtet hat. Sie hat das Opfer getrof­fen, Blut fließt — das zählt. Im Deutschen hinge­gen muss man, um den Vor­gang über­haupt beschreiben zu kön­nen, noch bevor der Pul­ver­dampf ver­zo­gen ist, klären, ob das Opfer erschossen oder “nur” angeschossen wurde.«  Manche sein­er Über­set­zung­sprob­leme sind sich­er keine so großen — die deutschen Wörter kön­nen ihre Bedeu­tung ja verän­dern, um auch die englis­che Bedeu­tung mitzuer­fassen, eben dadurch, dass sie in neuen Kon­tex­ten genutzt wer­den, aber das leichte Unbe­ha­gen, das dem voraus­ge­ht, wird hier ganz gut erfasst. (Via @check_live)
  • Rory Car­roll schreibt im GUARDIAN über Genie, ein Mäd­chen, das 1970 im Alter von 13 Jahren das erste Mal in Kon­takt mit der Außen­welt und mit Sprache kam. Der Artikel streift die sprach­wis­senschaftlichen Aspek­te nur, ist aber den­noch (oder erst recht) lesenswert: »Over time, Genie slipped from head­lines – Viet­nam was burn­ing, the Bea­t­les were in the midst of break­ing up – but she retained the atten­tion of sci­en­tists, espe­cial­ly lin­guists. She was a prize spec­i­men for hav­ing grown up with­out lan­guage or social train­ing. Could she now learn language?«

5 Gedanken zu „Blogspektrogramm 29/2016

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  2. Mycroft

    zu Jörg Hentzschels Artikel: das ein “Shoot­ing” (jemand oder eine Gruppe schießt auf mehrere andere Men­schen) nicht das­selbe ist wie eine “Schießerei” (mehrere Men­schen schießen aufeinan­der), ist für die Über­set­zung natür­lich blöd. Aber wieso ist ein “Schütze” nur jemand, der in einem Tra­cht­en­vere­in eine Arm­brust trägt? Das ist ja wohl über­trieben. Ist auf einem “Schützen­panz­er” ein mit­te­lal­ter­lich­es Kat­a­pult mon­tiert? Genau­sogut kön­nte er sich Sor­gen machen, seine Leser­schaft dächte an das Tierkreiszeichen.
    Und wenn im Englis­chen nicht dif­feren­ziert wird zwis­chen “er-” und “anschießen”, ist das eigentlich eher ein Manko des Englis­chen. Mich als Hörer/Leser würde es schon inter­essieren, ob ein Men­sch lebt oder stirbt.

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  4. Christoph Päper

    Hier ist es durch Mod­er­a­tion und man­gels Mate­r­i­al ja sel­ten gewor­den, aber in den Kom­mentaren zu diesem Scilogs-Artikel kann man ger­ade wun­der­bar beobacht­en, was passiert, wenn der VDS zum Shit­storm aufruft. Lei­der scheinen die Namen über den Kom­mentaren mal wieder das Klis­chee der wüten­den (alten) weißen Män­ner zu bestäti­gen und ich würde gerne mal einen Ver­gle­ich der demographis­chen Mitl­gieder­struk­tur von bspw. Pegi­da, AfD, CSU und VDS sehen.

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