Geschichten vom Ferd

Von Kristin Kopf

Lietu­vis hat in einem Kom­men­tar zum Pfin­g­sten-Beitrag fol­gende Bemerkung gemacht:

Im Nord­deutschen ist anlau­t­en­des /pf/ auch zu /f/ gewor­den, ich kenne nie­man­den, der einen Unter­schied zwis­chen “Pfund” und “Fund” macht (bei­des /fund/), oder zwis­chen “Pferd” und “fährt” […]”

In dem Beitrag ging’s darum, dass west­ger­man­is­ches /p/ im Althochdeutschen zu /pf/ wurde. Allerd­ings haupt­säch­lich im Süden des Sprachge­bi­ets. In Mit­teldeutsch­land kon­nte sich in eini­gen Posi­tio­nen das /p/ hal­ten und im niederdeutschen Gebi­et sind dialek­tal über­haupt keine /pf/s zu find­en. (Wenn das zu ver­wirrend klingt: Im ange­sproch­enen Beitrag ist es noch ein­mal aus­führlich erklärt.)

Pferd oder Ferd? Oder Pony?

Pferd oder Ferd? Oder Pony?

Ich kenne das Ferd-Fänomen auch, habe allerd­ings noch nie darüber nachgedacht, wo und wie es ent­standen ist. Glück­lich- und zufäl­liger­weise kon­nte ich kür­zlich nach Monat­en der Suche der “Deutschen Mundartkunde” von Schir­mun­s­ki (1962) hab­haft wer­den und habe gle­ich mal nachgeblättert …

Wo? Das Ferbreitungsgebiet

Im ost­mit­teldeutschen Gebi­et (“hin­ter Kas­sel”) sagt man dialek­tal im Anlaut (und nur! im Anlaut) f-, wo man im Hochdeutschen pf- sagt. Nach Süden stellt die Lin­ie Meinin­gen – Rudol­stadt – Greiz – Zwick­au – Chem­nitz – Freiberg – Dres­den die Gren­ze zum pf-Gebi­et dar. Word­Press will nicht, dass ich hier eine Karte ein­füge, aber ich habe sie natür­lich trotz­dem gebastelt: Guckt hier! (Die Lin­ie im Osten ist die pf-vs.-f-Lin­ie, die im West­en die pf-vs.-p-Lin­ie, wobei ich bei let­zter­er keine beson­ders belast­baren Dat­en in Form von Ort­sna­men hat­te, das werde ich mod­i­fizieren, sobald ich wieder bei meinen Büch­ern bin.)

Aber auch im niederdeutschen Sprachge­bi­et, also ganz im Nor­den, kommt f- vor. Über den Orts­di­alekt von Stolzen­hain, also im Gren­zge­bi­et zwis­chen Ost­mit­teldeutsch und Niederdeutsch, schreibt (Schir­mun­s­ki 1962:291):

Das anlau­t­ende pf- wird in ein­er Rei­he von Wörtern, wie gewöhn­lich bei Ein­wirkung der hochdeutschen Norm auf eine niederdeutsche mundartliche Grund­lage (im gegebe­nen Fall aber vielle­icht auch unter unmit­tel­barem Ein­fluß der ost­mit­teldeutschen Aussprache), durch f- erset­zt, z.B. fen ‘pfeifen’ (neben dem alten pipen), fen­nik ‘Pfen­nig’, fund ‘Pfund’, féršike ‘Pfir­siche’, aber pef­fer.”

Das Phänomen scheint also beim Vari­etäten- bzw. Sprachkon­takt mit pf- vs. p- als Kom­pro­miss aufzutreten.

Lei­der habe ich keine aktuelle Karte gefun­den, die anzeigt, wie ver­bre­it­et das Phänomen im West­en ist – also ob es in der heuti­gen Umgangssprache bere­its im west­mit­teldeutschen Gebi­et ein­set­zt, oder erst weit­er nördlich, im niederdeutschen Gebi­et. Ich hoffe drauf, bei König im “Atlas zur Aussprache des Schrift­deutschen in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land” was zu find­en, da werde ich rein­schauen, wenn ich das näch­ste Mal an der Uni bin.

Wie? Die Entstehung

Das ost­mit­teldeutsche Gebi­et war ursprünglich slaw­is­ches Sprachge­bi­et und wurde erst später von Sprech­ern deutsch­er Dialek­te besiedelt. Die kamen aus zwei Gegen­den: ein­mal aus Hes­sen (→ Thürin­gen → Sach­sen → Schle­sien) und ein­mal aus dem oberdeutschen Sprachge­bi­et (→ Main­tal → Vogt­land → Kur­fürsten­tum Meißen). Schir­mun­s­ki beze­ich­net das anlau­t­ende f- in diesem Gebi­et als “Merk­mal der Sied­lungsmis­chung”, also als Resul­tat aus der Ver­mis­chung der ver­schiede­nen Dialek­te. Ein Laut, den es so nicht gab, wurde durch einen ähn­lichen erset­zt. Her­aus­ge­fun­den hat das Herr Wrede, und Schir­mun­s­ki (1962:273) schreibt dazu:

[…] die den nördlichen deutschen Mundarten und damit einem Teil der Siedler fremde Affrikate pf- wurde durch den Reibelaut f- erset­zt, der in ihrem Laut­sys­tem jen­er am näch­sten stand. [Das] wird dadurch bestätigt, daß über­all auf dem Gebi­et der heuti­gen nieder- und mit­teldeutschen Mundarten, wo das mundartliche p- ver­drängt wird, sich in ursprünglich­er unvoll­ständi­ger Über­nahme der hochdeutschen lit­er­arischen Norm f- statt pf- aus­bre­it­et.”

Im niederdeutschen Gebi­et kön­nte am Gren­zge­bi­et zum Mit­teldeutschen die ost­mit­teldeutsche Aussprache an der Durch­set­zung des f- mit­gewirkt haben. Unab­hängig davon hat sich aber wahrschein­lich ein­fach der­selbe Prozess wie im Ost­mit­teldeutschen erneut vol­l­zo­gen, es wurde ein Kom­pro­miss zwis­chen dem Niederdeutschen und dem sich aus­bre­i­t­en­den Hochdeutschen geschlossen.

6 Gedanken zu „Geschichten vom Ferd

  1. Monika

    Hal­lo Kristin,

    nun möcht ich auch kurz was dazug­ben, schon eine Weile lese ich deinen Blog mit Begeis­terung, jongliere ich doch zu gerne mit Wörtern und erfinde auch neue 🙂

    Als geborene Berliner­in kenn ich das PF fast nur als FF.. und mußte beim Schreiben ler­nen erst den stillen Buch­staben lernen… 

    OOOh, F‑F! Fiele Fannkuchen!” 

    war mein Aus­pruch, den ich hoch begeis­tert eines Sylvester­abends mit 4 oder 5 Jahren vor einem großen Haufen Pfannkuchen (so heißen die Berlin­er in Berlin 😉 ) von mir gab. 

    Ich kon­nte schon einige Buch­staben und wollte zeigen, daß ich schon etwas buch­sta­bieren konnte :))

    Ich bin sehr an regionalen Sprachen und Dialek­ten (nicht nur an deutschen) inter­essiert und lese sowas immer gerne, schreib weiter.

    Ach übri­gens, “Pferd” wäre dann “Feaad” oder “Feeat” bei uns gewe­sen. Siehe deine let­zten Postings 🙂

    Schreib doch mal was über das g zu j, wie mans in Berlin hat, z. B. “gut” wird zu “juut” oder “ju-et” ‑wo gibts das eigentlich noch?

    Her­zl­liche Grüße aus dem Norden,
    Monika

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    1. Kristin Beitragsautor

      Hey Moni­ka, vie­len Dank für die nette Anek­dote 🙂 Das mit g und j behalte ich im Kopf, vielle­icht wird ja mal ein Beitrag draus.

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  2. Lietuvis

    Slavis­ches Sub­strat, das würde meine Frage erk­lären, wieso es nur bei /pf/ und nicht bei /ts/ passiert, schließlich haben die slavis­chen Sprachen diesen Laut ja auch im Anlaut.

    Nur muss ich damit meine schöne The­o­rie von wegen hohem artiku­la­torischem Aufwand ver­w­er­fen. *g*

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    1. Kristin Beitragsautor

      Ich bin mir nicht sich­er, ob wirk­lich slaw­is­ches Sub­strat gemeint ist. Ich hat­te von der For­mulierung her eher den Ein­druck, dass es sich um einen Aus­gle­ich inner­halb der deutschen Dialek­te der Siedler han­delte. Allerd­ings kenne ich mich mit der Sied­lungs­geschichte lei­der nicht aus und habe keine Ahnung, wie das Zusam­men­leben der ger­man­is­chen und slaw­is­chen Stämme sich in dieser Ecke gestaltete.

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  3. Holger

    Also, ein Ferd, im Sinne eines Reit­tiers, gibt es bei uns im Rhein­gau nicht! Wenn jemand vom Ferd spricht, dann meint er damit den Fer­di­nand. Allerd­ings ist die Vokalqual­ität in Ferd, von Fer­di­nand ein­deutig ein [æ] und nicht [fɛɐt], wie das Pferd. Dieses wird bei uns als Gaul beze­ich­net, und das wird uff de Ebsch-Sait ach nit anner­ster soi. 🙂

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