Googlehupf gegoogelt

Von Kristin Kopf

Patrick hat im Mai bemerkt, dass ich <gegooglet> schreibe statt <gegoogelt>:

Mir ist auch aufge­fall­en, dass Du „gegooglet“ schreib­st, obwohl Präskrip­tivis­ten „googel-“ als Stamm vorschreiben (vgl. hier). Wäre mal inter­es­sant rauszufind­en wie oft dieser „Fehler“ so im Schnitt passiert.

2009-07-28-gegooglet

Ich habe natür­lich einen Grund für meine Schrei­bung, und zwar die Tat­sache, dass Google drin­steckt. Da das Verb eine Ableitung des Eigen­na­mens ist, erscheint es mir höchst gewagt, diesen Eigen­na­men schriftlich zu entstellen, in googel. Genau das tun aber Wörter­büch­er wie der Duden. Und haben dafür zugegeben­er­maßen auch einen guten Grund: Es gibt eine ganze Menge deutsch­er Ver­ben auf -eln, in die sich googeln aus­geze­ich­net einfügt:

  • han­deln, ich han­dle – gehandelt
  • lächeln, ich läch­le gelächelt
  • googeln, ich google gegoogelt

Die 1. Per­son Sin­gu­lar spielt hier eine wichtige Rolle: Statt ich han­dele, lächele kann es auch ich han­dle, läch­le heißen. Den Aus­fall des e im Wortin­neren beze­ich­net man als “Synkope”. Dadurch entste­ht eine Form auf -le, die dem Ende von Goog-le gle­icht. Das bietet eine Art Anknüp­fungspunkt für das neue Verb: In der 1. Per­son Sin­gu­lar kann es unverän­dert bleiben, in den anderen fügt es sich in die Rei­he der anderen l-Ver­ben ein. (Diesen Vor­gang nen­nt man “Analo­gie”.)

Dass die 1. Per­son Sin­gu­lar in den deutschen Ver­ben aus der Rei­he tanzt (ich handle, du handelst, er handelt; wir/sie handeln, ihr handelt) ist zwei ver­schiede­nen Tilgung­sprozessen geschuldet. Das e in han­dle ist näm­lich nicht das­selbe wie in handeln: Bei han­deln gehört es zum Wort­stamm, bei han­dle ist es die Flexionsendung.

Vor langer, langer Zeit (im Mit­tel­hochdeutschen, 1050–1350) hat­ten ein­mal sowohl Stamm als auch Endung immer ein e:

Stamm Endung
Infini­tiv handel en
ich handel e
du handel est
er/sie/es handel et
wir handel en
ir handel et
sie handel en

Dann wurde das Endungs-e synkopiert, und zwar

  • bei allen Ver­ben in der 2./3. Sg. und der 2. Pl. (du mach­est > du machst)
  • bei Ver­ben, deren Stamm auf -er oder -el endet im Infini­tiv und der 1./3. Pl. (sie han­de­len > sie han­deln).

Es bleibt also nur die 1. Per­son Sin­gu­lar be-e-t:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich handel e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Nun gibt es aber noch eine zweite e-Tilgung. Dies­mal ist sie frei­willig und bet­rifft das e im Stamm. Bei Ver­ben, die auf -el enden, kann es in der 1. Per­son Sin­gu­lar getil­gt wer­den, also ich han­dele oder ich han­dle. Ersteres sieht man aber m.E. wirk­lich nur noch in schriftlich­er Form:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich hand(e)l e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Daraus resul­tierend ist das vorher dreisil­bige Wort in allen Präsens­for­men zweisil­big gewor­den: han-deln, han-dle, … Dadurch wird das Wort ohne Infor­ma­tionsver­lust kürz­er und bekommt das trochäis­che Beto­nungsmuster (betonte Silbe – unbe­tonte Silbe), das generell im Deutschen sehr beliebt ist.

Die gesproch­ene Sprache ist vielerorts noch viel weit­er und hat mit­tler­weile alle e-Laute eli­m­iniert: ich han­dl, du han­dlst, er han­dlt, wir/sie han­dln, ihr han­dlt. Deshalb ist die Debat­te darüber, ob man <googlen> oder <googeln> schreibt für das gesproch­ene Deutsch auch ziem­lich irrel­e­vant – gesprochen heißt es ein­fach gugln.

Ich habe mal gegooglet (“Seit­en auf Deutsch”), und zwar den Infini­tiv (goog[el/le]n) und das Par­tizip (gegoog[el/le]t):

  • -le: 726 000 (gesamt) – Infini­tiv: 644.000, Par­tizip: 82.000
  • -el: 964 000 (gesamt) – Infini­tiv: 543.000, Par­tizip: 421.000

Ins­ge­samt hat also die Duden­lö­sung die Nase vorn, allerd­ings gibt es große Unter­schiede zwis­chen Infini­tiv (googlen dominiert leicht) und Par­tizip (gegoogelt dominiert extrem). Google selb­st scheint das Wort übri­gens nicht zu gebrauchen.

9 Gedanken zu „Googlehupf gegoogelt

  1. Patrick

    Jet­zt wo ich deine Aufmerk­samkeit habe… 😉

    Ist dir etwas über die dialek­tale Verteilung der­er, die „Ich kegelheute Abend“ und der­er, die „Ich Kegle heute Abend“ sagen, bekan­nt? Würde mich mal inter­essieren, ich komm blos nicht dazu selb­st zu recher­chieren. Rein sub­jek­tiv würde ich sagen, dass die ‑el-Vari­ante hier (unter uns Ure­in­wohn­ern Sach­sens) ten­den­tiell häu­figer vorkommt als die ‑le-Vari­ante.

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Hm, ja … ich glaube ja, dass da im Stamm gar kein Schwa mehr übrig ist. Also ich kegl vs. ich kegle.
      André hat dazu mal ne Mini­um­frage gemacht, vielle­icht hat er ja Ergebnisse?
      Meine Büch­er geben lei­der nichts geografisch ver­w­ert­bares her, ich werde aber die Augen offenhalten.

      Antworten
  2. memo

    Google hat auch einen (guten?) Grund, das Verb nicht zu gebrauchen. Sie befürcht­en, dass es dem Marken­na­men schaden kön­nte, wenn die Bedeu­tung ganz gener­isch zu ‘das Inter­net durch­suchen’ verkommt. Andere Stim­men meinen, dass das doch “the ulti­mate com­pli­ment” ist, aber Google hält wohl an sein­er Mei­n­ung fest.
    Genaueres z.B. hier:
    http://news.cnet.com/Google-wants-people-to-stop-googling/2100–1030_3-6106479.html

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Hey­ho, aber reicht es da nicht aus, sich gegen den Gebrauch des Verbs in Bezug auf andere Such­maschi­nen zu wehren?
      Oder ist die Tat­sache, dass der Marken­name den üblichen Wort­bil­dungsregeln fol­gt, schon Indiz genug dafür, dass er sich vom Ergonym zum Appel­a­tivum entwick­elt hat?

      Google hat wohl auch dafür gesorgt, dass die Def­i­n­i­tion im Duden von ‘im Inter­net, bes. in Google suchen’ zu ‘mit Google im Inter­net suchen’ geän­dert wurde. (hier)

      Im von Dir ver­link­ten Artikel sind ja noch zahlre­iche weit­ere Marken­na­men zu find­en, die zu nor­malen Gat­tungs­beze­ich­nun­gen wur­den, u.a. im englis­chsprachi­gen Raum to xerox für ‘kopieren’. Das gab’s in Rumänien auch, die Deutschen dort sagten xerox­ieren 🙂

      Antworten
      1. memo

        Naja, vielle­icht denken sie, dass es ein­fach­er ist, den Gebrauch des Verbs ganz zu ver­hin­dern als den Gebrauch in bes­timmten Bedeu­tun­gen, bzw. dass es dann nur noch ein slip­pery slope ist zur gener­ischen Bedeutung.
        Diese Duden-Geschichte find ich aber nicht ganz in Ord­nung; sollte der nicht rein deskrip­tiv sein? Da aber fast jed­er Google benutzt, wäre es wohl auch schwierig, festzustellen, ob die Leute trotz­dem googlen sagen wür­den, wenn sie eine andere Such­mas­chine benutzten.

        Antworten
        1. Kristin Beitragsautor

          Ja eben, ich frage mich halt auch, woher sie wussten, dass googeln auch all­ge­meines Suchen im Inter­net heißen kann. Darauf lassen ja die ganzen Vorkom­men in Zeitun­gen etc. nicht schließen, außer es ste­ht expliz­it da “ich hab mit Yahoo gegoogelt”.
          Dafür gibt’s bei Google 7 Tre­f­fer, wovon es nur einen bere­its 2004 gab, ein bißchen mager. Wenn man lange genug herum­sucht, auch mit anderen Such­maschi­nen­na­men, kriegt man vielle­icht ein paar Belege zusam­men, aber ob das aus­re­icht? Das hät­ten ja auch die “Feinde” von Google geschickt platzieren können 😉

          Für mich per­sön­lich geht googlen nur, wenn ich auch wirk­lich Google benutze. Da ich das aber die meiste Zeit tue, habe ich let­ztlich kein Prob­lem mehr. Bei anderen Such­maschi­nen würde ich halt ein­fach suchen sagen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sich das eines Tages ändert, à la Tem­po und Nutel­la.

          Übri­gens ist mir grade noch ein weit­eres Beispiel für Wort­bil­dun­gen mit Google als Basis einge­fall­en: ergoog[le/el]t ‘durch Googlen gefun­den’. Davon lassen sich auch wun­der­bare Adjek­tive machen wie ergoogelte/r/s. (Vgl. auch Canoo.net) Und vergoog[le/el]t gibt’s auch, allerd­ings nicht mit ein­heitlich­er Bedeutung.

          Zum Hin­weis auf bes­timmte Marken:
          Das gibt’s im Duden ab und an, z.B. auch bei

          A|s|pi|rin ®, das; ‑s (ein Schmerzmittel)

          Walk|man ® [‘:], der; ‑s, ‑s u. …men […] (klein­er Kas­set­ten­reko­rder mit Kopfhörern)

          (Bei­de Ein­träge aus der 22. Auflage.)
          Allerd­ings ist da die Fir­ma nir­gends Teil der Definition.

  3. Achim

    Wenn ich es schreiben würde, würde ich ohne­hin gugeln schreiben. Eine andere Vari­ante, die ich gele­gentlich höre, ist “Tante Gugel fragen”.

    Ich lasse aber in der Regel Metager für mich suchen, die wollen sich nicht für immer merken, für was ich mich so interessiere 😉

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Mit gugeln bist Du aber ganz schön in der Min­der­heit — so pro­gres­siv war man im Inter­net nur 10.400 Mal für das Par­tizip gegugelt (plus neun­mal gegu­glet), der Infini­tiv lässt sich lei­der nicht suchen, weil es ein gle­ich­lau­t­en­des Wort gibt, das eine mit­te­lal­ter­liche Kopf­be­deck­ung beze­ich­net. (Kopf­be­deck­ung und Inter­net­suche tauchen zusam­men 108.000 Mal auf — unter den ersten 50 ist acht­mal googlen gemeint.)

      Ich nehme an, wenn Du gugeln schreiben würdest, würdest Du Dich bewusst für die Schrei­bung entschei­den, oder? Würdest Du das tun, um Dich z.B. über das Unternehmen lustig zu machen, indem Du seinen Namen “entstellst”? Oder willst Du ein­fach nur eine Schrei­bung, die den deutschen Buch­stabe-Laut-Kor­re­spon­den­zen folgt?

      Ich bin so neugierig, weil man sich im Deutschen generell davor scheut, Fremd­wörter in der Schrei­bung einzudeutschen, das dauert immer eine ganze Weile. Wir schreiben ja auch nicht sör­fen oder Kom­pjuter.
      In scherzhaften Kon­tex­ten wird es aber doch ab und an getan.

      Antworten

Schreibe einen Kommentar zu memo Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.