Es woar dә Mutius

Von Susanne Flach

Wenn, in sein­er wirk­lich ein­fach­sten und stark verkürzten Form, der bes­timmte Artikel einen Ref­er­enten (z.B. ein Objekt oder eine Per­son) als bes­timmt oder definit markiert, dann ist der Artikel in vie­len im vorigen Beitrag ange­führten Kon­tex­ten eigentlich über­flüs­sig. Ein Früh­ling, in welchem ich nach Eng­land fahre, ist immer noch der gle­iche Früh­ling, ob mit oder ohne bes­timmten Artikel.

Noch “unl­o­gis­ch­er” wird es bei Artikeln in Verbindung mit Namen. 

Namen beze­ich­nen Per­so­n­en und diese sind in den aller­meis­ten Kon­tex­ten inhärent definit, oder anders aus­ge­drückt: sie kön­nen nicht unbes­timmt sein. Der Artikel ist hier also unl­o­gisch. In meinem Kor­pus habe ich einige rare Beispiele — neben kon­ven­tion­al­isierten Kon­struk­tio­nen mit Rev­erend (the Rev John Smith) — in denen der Artikel mit Namen oder Titeln ver­wen­det wird:

And if you see any of them give My Respects to Mrs Kil­patrick and the Miss Bars [Fer­managh, Ulster, 1890]

In vie­len Sprachen ist der Artikel vor einem Per­so­nen­na­men sog­ar oblig­a­torisch. Und wir müssen noch nicht mal ins Griechis­che oder Hebräis­che schauen: In allen südlichen Dialek­ten des Deutschen klingt das Weglassen des Artikels vor einem Per­so­nen­na­men* höchst selt­sam und würde jeden Dialek­tim­i­ta­tor ver­mut­lich sofort überführen.

  1. Frag mol d’Petra.
  2. Michael isch krank.
  3. Sell hat mir Daniel gsait.

Apro­pos über­führen: die Tat­sache, dass der anonyme Anrufer in einem Radio Tatort** bei einem Dro­han­ruf in son­st lupen­reinem Bairisch den Artikel vor einem Per­so­nen­na­men ver­gaß, über­führte ihn als einzi­gen Nichteinge­bore­nen im Dorf tat­säch­lich als Täter.

Für mehr Lin­guis­tik in Drehbüchern!

*Der ange­sproch­ene Artikel­ge­brauch in diesen Dialek­ten (z.B. Ale­man­nisch, Bairisch) ist in nicht-abschätziger Bedeu­tung und ohne Funk­tion eines Demon­stra­tiv- und/oder Rel­a­tivpronomens gemeint; also nicht wie z.B. bei ‘der Thomas, nicht dieser’, ‘der Thomas, der gestern hier war’. Im (gesproch­enen) Hochdeutsch ähneln die Demon­stra­tiv- und Rel­a­tivpronomen (Deix­is-DER bzw. der, die, das ‘welch­er, welch­es, welche’) den bes­timmten Artikeln in Form und Funk­tion. In einem solchen Fall (DER Thomas, der gestern hier war) wäre der Artikel also notwendig/möglich, auch — aber nicht nur — für beson­dere Beto­nung und Fokusierung.

**Men­schen, die lin­guis­tisch nördlich des Weißwurschtäqua­tors zu Hause sind: viel Spaß bei eurem ersten fremd­sprach­lichen Tatort! Das Drehbuch hat ein extremes, aber im deutschen Medi­end­schun­gel lei­der sehr sel­ten gewor­denes Lokalkolorit. (Äh, so neben­bei — für mich ist Lokalkolorit maskulin, aber sei’s drum. Der Herr Duden sagt, es sei ein Neu­trum; Google favourisiert n:m 4:1.)

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