Frauen natürlich ausgenommen

Von Anatol Stefanowitsch

Nach­dem ich vor eini­gen Wochen über die grund­sät­zlich diskri­m­inierende Struk­tur von Sprache geschrieben habe, möchte ich heute auf ein spezielles Prob­lem des Deutschen (und viel­er ander­er Sprachen) zurück­kom­men, das auch hier im Sprachlog schon mehrfach zu erhitzten Debat­ten geführt hat: Das soge­nan­nte „gener­ische Maskulinum“. Es hält sich, sowohl im Sprachge­brauch selb­st als auch in der Diskus­sion über Sprache, hart­näck­ig das Gerücht, man könne bei geschlechtlich gemis­cht­en Grup­pen von Men­schen ein­fach masku­line Beze­ich­nun­gen ver­wen­den, also etwa eine Gruppe von Stu­dentin­nen und Stu­den­ten ein­fach als Stu­den­ten beze­ich­nen, und die weib­lichen Mit­glieder dieser Gruppe seien dann „mit­ge­meint“.

Bemühun­gen, diese Art der sprach­lichen Unsicht­bar­ma­chung von Frauen zu ver­mei­den — etwa durch explizite Nen­nung bei­der Gen­era (Stu­dentin­nen und Stu­den­ten), durch kom­binierte For­men wie die Schrägstrich­form (Student/innen) oder das Binnen‑I (Stu­dentIn­nen) oder durch die Schaf­fung inklu­siv­er For­men (Studierende) — stoßen bei vie­len Men­schen auf Ablehnung.

Wenn über­haupt ein­mal sach­liche Argu­mente für diese Ablehnung genan­nt wer­den, dann sind das nor­maler­weise die folgenden:

  1. Das „gener­ische Maskulinum“ sei nun ein­mal weit ver­bre­it­et und jed­er wisse, dass Frauen hier eingeschlossen seien. Es sei deshalb albern/überflüssig/Teil eines Plans zur fem­i­nis­tis­chen Weltherrschaft, auf sprach­lichen Alter­na­tiv­en zu bestehen.
  2. Geschlecht­sneu­trale und geschlechterg­erechte For­mulierun­gen seien umständlich und behin­derten das Leseverständnis.

Wenn diese Aus­sagen stim­men wür­den, wäre das nicht unbe­d­ingt ein Grund, auf eine sprach­liche Gle­ich­be­hand­lung der Geschlechter zu verzicht­en. Es ist auch umständlich und über­flüs­sig, die Flagge eines Staats­gastes vor dem Reich­stags­ge­bäude zu hissen, Men­schen nett zu begrüßen und sich nach ihrem Befind­en zu erkundi­gen oder mit Mess­er und Gabel zu essen. Trotz­dem gel­ten diese Gesten als Zeichen von Respekt, Inter­esse und gutem Benehmen. Genau­so kön­nte es umständlich und über­flüs­sig sein, statt eines „gener­ischen Maskulinums“ eine der anderen Alter­na­tiv­en zu ver­wen­den — ein Zeichen für das Ziel ein­er all­ge­meinen Gle­ich­berech­ti­gung wäre es trotzdem.

Aber stim­men die Aus­sagen denn über­haupt? Sagen wir es so: Die Forschungslage in diesem Bere­ich reicht aus, um bei­de Aus­sagen stark in Zweifel zu ziehen.

Das gener­ische Maskulinum. Begin­nen wir mit der Behaup­tung, es gäbe ein „gener­isches“ Maskulinum, bei dem Frauen mitver­standen wür­den. Aus­geschlossen ist das ja nicht, obwohl es stutzig machen sollte, dass es von sein­er Form her unun­ter­schei­d­bar von einem tat­säch­lich nur auf Män­ner bezo­ge­nen Maskulinum wäre.

Und tat­säch­lich zeigt eine Rei­he von Arbeit­en, dass „gener­ische“ Maskuli­na mehrheitlich eben nicht gener­isch inter­pretiert wer­den. Eine der aktuell­sten und method­isch am sauber­sten gear­beit­ete Studie ist Gygax et al (2008). Die Autor/innen dieser Studie über­prüften die Inter­pre­ta­tion von Maskuli­na, indem sie Ver­suchsper­so­n­en zunächst einen Satz mit einem (ange­blich) „gener­ischen“ Maskulinum, wie den in (1) auf einem Mon­i­tor präsentierten:

(1) Die Sozialar­beit­er liefen durch den Bahnhof.

Nach­dem die Ver­suchsper­so­n­en einen solchen Satz gele­sen hat­ten, erschien entwed­er ein Satz wie der in (2) oder ein­er wie der in (3)

(2) Wegen der schö­nen Wet­ter­prog­nose tru­gen mehrere der Frauen keine Jacke.

(3) Wegen der schö­nen Wet­ter­prog­nose tru­gen mehrere der Män­ner keine Jacke.

Die Ver­suchsper­so­n­en mussten dann durch drück­en ein­er Taste sig­nal­isieren, ob sie den zweit­en Satz für eine „mögliche Fort­set­zung“ des ersten Satzes hiel­ten oder nicht. Dabei wurde auch die Zeit gemessen, die sie für ihre Antwort benötigten.

Die Idee hin­ter diesem Exper­i­ment ist klar:

  • Wenn Maskuli­na automa­tisch gener­isch inter­pretiert wer­den, müssten die Sätze (2) und (3) gle­icher­maßen als mögliche Fort­set­zun­gen erkan­nt werden;
  • Wenn Maskuli­na nur mit einem gewis­sen gedanklichen Aufwand gener­isch inter­pretiert wer­den, müssten Sätze wie der in (3) schneller als mögliche Fort­set­zung erkan­nt wer­den als der in (2);
  • Wenn Maskuli­na nicht gener­isch inter­pretiert wer­den, dürften Sätze wie der in (2) gar nicht als mögliche Fort­set­zung erkan­nt wer­den, Sätze wie (3) hinge­gen schon.

Allerd­ings gibt es noch eine zusät­zliche Kom­p­lika­tion: Manche Berufs­beze­ich­nun­gen kön­nen unab­hängig von ihrem gram­ma­tis­chen Geschlecht eher als „typ­isch männlich“ oder „typ­isch weib­lich“ ver­standen wer­den: Aus anderen Stu­di­en ist bere­it bekan­nt, dass Ver­suchsper­so­n­en z.B. bei Polizis­ten, Sta­tis­tik­ern oder Physik­stu­den­ten eher an Män­ner denken, bei Kassier­ern, Kos­metik­ern oder Psy­cholo­gi­es­tu­den­ten eher an Frauen (Gabriel et al. 2008). Es ist also möglich, dass die Antwort auf die Frage, ob es sich bei Sätzen wie denen in (2) um eine „mögliche Fort­set­zung“ han­delt, von der Art der Berufs­beze­ich­nung abhängt. Gygax und Kolleg/innen wählten deshalb zu je einem Drit­tel „typ­isch männliche“, „neu­trale“ und „typ­isch weib­liche“ Berufs­beze­ich­nun­gen. Wenn stereo­type Berufs­bilder einen Ein­fluss auf die Entschei­dung der Ver­suchsper­so­n­en haben, kann man diesen so vom Ein­fluss des gram­ma­tis­chen Geschlechts unter­schei­den, in dem die Berufs­beze­ich­nung präsen­tiert wird.

Das Exper­i­ment wurde dann mit englis­chen, franzö­sis­chen und deutschen Mut­ter­sprach­lern in ihrer jew­eili­gen Sprache durchge­führt. Da es im Englis­chen kein gram­ma­tis­ches Geschlecht gibt, war die Vorher­sage, dass sich dort höch­stens Stereo­typ­iz­ität­sef­fek­te find­en wür­den, im Franzö­sis­chen und Deutschen dage­gen kön­nte es zusät­zlich oder stattdessen einen Effekt des gram­ma­tis­chen Geschlechts geben.

Bei den englis­chen Mut­ter­sprach­lern gab es tat­säch­lich den erwarteten Stereo­typ­iz­ität­sef­fekt: Wenn im ersten Satz ein „typ­isch männlich­er“ Beruf erwäh­nt wurde, wurde der nach­fol­gende Satz schneller als „mögliche Fort­set­zung“ bew­ertet, wenn dort von Män­nern die Rede war und langsamer, wenn von Frauen die Rede war. Bei „typ­isch weib­lichen“ Berufen war es umgekehrt. Das Ergeb­nis zeigt zunächst nur, dass stereo­type Vorstel­lung von Beruf und Geschlecht sich in diesem Ver­suchs­de­sign sys­tem­a­tisch auf die Reak­tion­szeit auswirken können.

Die inter­es­sante Frage ist nun natür­lich, was in der franzö­sis­chen und deutschen Ver­sion des Exper­i­ments passierte. Zunächst ver­schwand der Stereo­typ­iz­ität­sef­fekt voll­ständig — obwohl auch deutsche und franzö­sis­che Muttersprachler/innen stereo­type Assozi­a­tio­nen von bes­timmten Berufen mit einem bes­timmten Geschlecht haben, bee­in­flussten diese die Reak­tion­szeit­en nicht signifikant.

Stattdessen gab es in bei­den Sprachen einen sig­nifikan­ten Effekt des gram­ma­tis­chen Geschlechts: Wenn im zweit­en Satz von Män­nern die Rede war, wurde der Satz sig­nifikant häu­figer als „mögliche Fort­set­zung“ kat­e­gorisiert, als wenn von Frauen die Rede war. Wenn Maskuli­na gener­isch inter­pretiert wür­den, wäre dieses Ergeb­nis nicht erk­lär­bar. Zweit­ens, und fast noch wichtiger: Im deutschen Exper­i­ment waren die Reak­tion­szeit­en sig­nifikant schneller, wenn im zweit­en Satz von Män­nern die Rede war. Selb­st dort, wo die Ver­suchsper­so­n­en bere­it waren, das Maskulinum gener­isch zu inter­pretieren und einen zweit­en Satz über Frauen als „mögliche Fort­set­zung“ zu inter­pretieren, braucht­en sie für diese Entschei­dung länger; das zeigt, dass die gener­ische Inter­pre­ta­tion nicht spon­tan erfol­gte, son­dern erst nach ein­er Art strate­gis­chem Umdenken.

Das „beweist“ zwar nicht, dass Maskuli­na nicht gener­isch inter­pretiert wer­den, denn Wis­senschaft ist ein fort­laufend­er Prozess der Hypothe­sen­bil­dung und ‑über­prü­fung. Aber da diese Studie nur das bestätigt, was eine lange Rei­he von vor­ange­hen­den (teil­weise method­isch weniger soli­den) Stu­di­en schon vorher gezeigt hat­te, ist es Stand der Forschung, dass ein „gener­isches Maskulinum“ im Deutschen (und Franzö­sis­chen) aus psy­cholin­guis­tis­ch­er Sicht nicht existiert. Wer das Gegen­teil behaupten will, muss sehr gute Belege dafür vorbringen.

Ver­ständlichkeit und Les­barkeit. Wie ste­ht es nun mit der ange­blich schlechteren Ver­ständlichkeit von geschlecht­sneu­tralen oder geschlechterg­erecht­en For­mulierun­gen im Ver­gle­ich zum „gener­ischen Maskulinum“? Auch zur Beant­wor­tung dieser Frage gibt es eine Rei­he von Stu­di­en, von denen ich stel­lvertre­tend eine auswäh­le, die method­isch sehr sorgfältig ist. Braun et al. (2007) ließen drei Grup­pen von Ver­suchsper­so­n­en drei ver­schiedene Ver­sio­nen ein­er Pack­ungs­beilage für ein Medika­ment lesen: die erste ver­wen­dete das „gener­ische Maskulinum“ (z.B. Dia­betik­er, Patien­ten), die zweite neu­trale For­men oder Bei­d­nen­nun­gen (Per­so­n­en, Dia­betik­erin­nen und Dia­betik­er) und die dritte das Binnen‑I (Dia­betik­erIn­nen, Pati­entIn­nen). In jed­er der drei Grup­pen waren gle­ichviele Män­ner und Frauen. Die Forscherin­nen erhoben dann erstens, wie gut die Ver­suchsper­so­n­en sich an den Inhalt des Gele­se­nen erin­nern (ein objek­tives Maß für die Ver­ständlichkeit) und zweit­ens, wie „ver­ständlich“ und „les­bar“ die Ver­suchsper­so­n­en den Text fan­den (ein sub­jek­tives Maß für die Verständlichkeit).

Beim Erin­nerung­stest waren im direk­ten Ver­gle­ich der Geschlechter die Erin­nerungsleis­tun­gen der Män­ner bei der Bei­d­nen­nung bess­er als die der Frauen, die der Frauen war beim „gener­ischen Maskulinum“ und beim Binnen‑I bess­er als die der Män­ner. Die Effek­te waren aber rel­a­tiv schwach und inner­halb der Geschlechter­grup­pen auch nicht signifikant.

Bei der sub­jek­tiv­en Bew­er­tung sah es anders aus: Während die Frauen alle drei Textfas­sun­gen im wesentlichen als gle­icher­maßen ver­ständlich und les­bar werteten, bew­erteten die Män­ner die Fas­sung mit dem „gener­ischen Maskulinum“ (die sie objek­tiv am schlecht­esten ver­standen hat­ten) am besten.

Mit anderen Worten: Geschlechterg­erechte Sprache hat keinen neg­a­tiv­en Ein­fluss auf die Ver­ständlichkeit und Les­barkeit von Tex­ten. Wohl aber hat sie einen Ein­fluss auf die Ein­bil­dung männlich­er Leser.

Im Deutschen gibt es kein gener­isches Maskulinum und die „gener­ische“ Ver­wen­dung masku­lin­er For­men bringt keinen prak­tis­chen Vorteil mit sich. Das braucht natür­lich nie­man­den davon abzuhal­ten, trotz­dem auf masku­li­nen For­men zu behar­ren. Es zwingt aber jeden, der darauf behar­rt, über seine Motive dafür noch ein­mal gründlich nachzudenken.

 

BRAUN, Friederike, Susanne OELKERS, Karin ROGALSKI, Janine BOSAK und Sabine SCZESNY (2007) „Aus Grün­den der Ver­ständlichkeit …“: Der Ein­fluss gener­isch masku­lin­er und alter­na­tiv­er Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen auf die kog­ni­tive Ver­ar­beitung von Tex­ten. Psy­chol­o­gis­che Rund­schau 58(3), 183–189.

GABRIEL, Ute, Pas­cal GYGAX, Oraine SARRASIN, Alan GARNHAM, und Jane OAKHILL (2008) Au-pairs are rarely male: Role names’ gen­der stereo­type infor­ma­tion across three lan­guages. Behav­ior Research Meth­ods, 40(1), 206–212.

GYGAX, Pas­cal, Ute GABRIEL, Ori­ane SARRASIN, Jane OAKHILL und Alan GARNHAM (2008) Gener­i­cal­ly intend­ed, but specif­i­cal­ly inter­pret­ed: When beau­ti­cians, musi­cians, and mechan­ics are all men. Lan­guage and Cog­ni­tive Process­es 23(3), 464–485.

[Hin­weis: Die Diskus­sion zu diesem Beitrag ist inzwis­chen geschlossen.]

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

127 Gedanken zu „Frauen natürlich ausgenommen

  1. Dierk

    Mir fällt dazu immer der Sekretär ein, der bis zum WK1 ein vor­wiegend männlich­er Beruf war, was sich im gram­ma­tis­chen Geschlecht wider­spiegelte. Als zunehmend Frauen den Beruf ausübten — zum Teil, weil es schlicht nicht genug Män­ner gab, zum Teil, weil sich das Berufs­bild wan­delte -, änderte sich das gram­ma­tis­che Geschlecht. Ein Indiz dafür, dass es kein gener­isches gram­ma­tis­ches Geschlecht gibt.
    Heute tren­nen wir in den Beruf ‘Sekretärin’ und das Möbel­stück ‘Sekretär’, die männliche Beze­ich­nung wird nur in spez­i­fis­chen Fällen — wenn nicht die Funk­tion, son­dern ein ganz bes­timmter Funk­tion­sträger [sic!] gemeint ist — auf den Beruf ange­wandt. Es stößt uns richtgge­hend auf, wenn jemand von Sekretär spricht statt von Sekretärin.

  2. fatmike182

    aus­ge­sprochen…
    Auf deine guten Beiträge kann man sich eben ver­lassen… Danke!
    Ich möchte noch ein drittes Argu­ment nach­schießen, das exk­lu­siv gegen B_innen sprich: die gesproch­ene Sprache. Bei vor­ge­tra­ge­nen Tex­ten fällt es schw­er, die bei­dgech­lechtliche Form in einem Wort ein Mal weib­lich & ein Mal männlich zu lesen.
    Zwar schreibe ich für gewöhn­lich Bin­nen-Is mit _, hoffe aber auf massen­haft inklu­siv­er Formen.
    ad Gygax et al (2008)
    Wie alt waren die Testpersonen?

  3. Caldrin

    Man­gel­nde Alternativen
    Ich halte es für eine ungewöhn­liche Inter­pre­ta­tion der Ergeb­nisse, wenn Sie aus ‘Die Stu­di­en­teil­nehmer erkan­nten das gener­ische Maskulinum als gener­isch, wenn sie eine Weile darüber nach­dacht­en’ ableit­en “dass ein „gener­isches Maskulinum“ [..] nicht existiert”. Offen­bar existiert es, man muss nur darüber nach­denken, ähn­lich wie das bei der Frage, ob Auto ein Fahrzeug oder das griechis­che Wort für “selb­st” ist.
    Geht man davon aus, dass eine Ver­schiebung der Bedeu­tung des Maskulinums von ‘primäre Bedeu­tung “männlich”, sekundäre Bedeu­tung “gemis­chte Gruppe“ ‘ nicht oder nicht in akzept­abler Zeit möglich ist, braucht man also eine Alter­na­tive. Dafür find­en wir im obi­gen Text drei Ansätze:
    1.) Binnen‑I
    2.) Geschlecht­sneu­trale Alternativbezeichnungen
    3.) Beidnennung
    1.) Das Binnen‑I ist offen­sichtlich eine Vari­ante, die nur in der Schrift­sprache funk­tion­iert. Ich bezwei­fle auch, dass zumin­d­est die Form mit Großschrei­bung des I wirk­lich zu klar­er Unter­schei­d­barkeit führt. Wir hät­ten dann ein gener­isches und ein nicht gener­isches Fem­i­ninum, die min­i­mal unter­schiedlich geschrieben wer­den. Gibt es eine Studie darüber, ob beim obigem Sozialar­beit­er-Beispiel das Wort “Sozialar­bei­t­erIn­nen” zu besseren Ergeb­nis­sen führt — also bei­de weit­er­führen­den Sätze gle­ich schnell und gle­ich oft akzep­tiert werden?
    2.) Ich denke, es ist offen­sichtlich, dass das keine all­ge­me­ingültige Lösung des Prob­lems sein kann. Es gibt ein­fach deut­lich zu wenig geschlecht­sneu­trale Alter­na­tiv­en, so dass im All­ge­meinen ein Bedeu­tungsver­lust hin­genom­men wer­den müsste (“Die Per­so­n­en gin­gen über den Bahn­hof” ver­sus “Die Sozialarbeiter…”)
    3.) Die Bei­d­nen­nung ist auch keine all­ge­me­ingültige Lösung, weil damit manche Aus­sagen schlicht nicht darstell­bar sind. “Frau Merkel ist der erste weib­liche Bun­deskan­zler” kann wed­er zu “Frau Merkel ist die erste weib­liche Bun­deskan­z­lerin” noch zu “Frau Merkel ist (der/die/das?) erste weib­liche Bun­deskan­z­lerin und Bun­deskan­zler” umge­formt wer­den. Hier ist eine gener­ische Form notwendig.
    4.) Als 4. nicht genan­nte Alter­na­tive böte sich an, ein eigenes Gener­ikum einzuführen, dass bspw. als Endung einem Wort gener­ische Bedeu­tung gibt (z.B. es). Das wäre klar erkennbar, dass der Kan­zler ein Mann, die Kan­z­lerin eine Frau und das Kan­zleres eins von bei­den ist. Das hätte auch den Vorteil, dass damit auch jene Per­so­n­en einge­bun­den sind, die sich nicht in das Schema männlich/weiblich ein­fü­gen wollen (Her­maph­ro­diten, Trans­sex­uelle, ..). Die Chan­cen eine solche Änderung an der Sprache durchzuset­zen, mag jed­er sel­ber einschätzen.
    Zus­sam­men­fassend: Das gener­ische Maskulinum mag nicht die per­fek­te Lösung sein um gemis­chte Grup­pen zu beze­ich­nen. Die Alter­na­tiv­en sind aber noch schlechter. Die Lösung für das Diskri­m­inierung­sprob­lem wäre also, den gener­ischen Aspekt des Maskulinums in der Sprache stärk­er zu ver­ankern (durch Texte, die häu­fig “Die Sozialar­beit­er ..” mit “Die Frauen” fortsetzen).

  4. Christoph Päper

    Schwierigkeit­en beim Nachvollziehen
    Die erste Studie scheint am ehesten – wie ich es erwartet hätte – die mit­tlere der drei möglichen Hypothe­sen zu bestätigen:

    Wenn Maskuli­na nur mit einem gewis­sen gedanklichen Aufwand gener­isch inter­pretiert wer­den, müssten Sätze wie der in (3) schneller als mögliche Fort­set­zung erkan­nt wer­den als der in (2);

    Es ist mir darum unver­ständlich, warum der Text unbeir­rt sug­geriert, die dritte wäre zutreffend.
    Zu behaupten, dass es im Deutschen kein gener­isches Maskulinum gäbe, wäre mor­phol­o­gis­ch­er Unsinn, schließlich gibt es ganz offen­sichtlich (sexus-)markierte For­men, aber üblicher­weise nur für ein Geschlecht, näm­lich auf {-in}. Psycho‑, neu­ro- und sozi­olin­guis­tis­che Unter­suchun­gen zum The­ma kön­nen nicht her­aus­find­en, ob es ein gener­isches Maskulinum über­haupt gibt, son­dern lediglich, wie stark aus­geprägt die Gen­er­al­ität des unmarkierten Falls (syn­chron noch) ist.
    Nach­na­men sind im Deutschen und Englis­chen auch gener­isch (mit weni­gen frei­her­rlichen Aus­nah­men). Wenn Putin „Clin­ton“ die Schuld an Demon­stra­tio­nen zuweist, dann frage ich mich zuerst, was der Expräsi­dent momen­tan so treibt, von dem ich nichts mit­bekom­men, bevor ich mich daran erin­nere, dass auch die derzeit­ige US-Außen­min­is­terin so heißt (und zufälliger‑, aber unwichtiger­weise mit ersterem ver­heiratet ist), von deren Aktiv­itäten man ähn­lich wenig hört. Mglw. sagte er im Orig­i­nal „Клинтона“ – das hätte mir in diesem Fall geholfen, aber die ger­man­is­chen Sprachen sind deswe­gen nicht diskri­m­inieren­der als die slaw­is­chen, son­dern im Gegen­teil: sie unter­schei­den bei Namen weniger stark nach (biol­o­gis­chen, genetis­chen, sozialen, sex­uellen …) Geschlecht und über­lassen es damit der kollek­tiv­en wie indi­vidu­ellen Vorstel­lungswelt, an wen aus dem Deno­ta­tions­feld in welchem Kon­text primär gedacht wird.
    Was die Ver­ständlichkeit ange­ht, müsste ich mir die Studie genauer anguck­en, aber davon abge­se­hen bleibt die Frage, was man mit der expliziten Mit­nen­nung oder mit abstrak­teren Syn­ony­men erre­ichen möchte: Ver­ständlichkeit, Gerechtigkeit, Höflichkeit, soziales Prob­lem­be­wusst­sein (Aware­ness), soziale Verän­derung, Unan­greif­barkeit, …? Für manche Ziele kann ver­meintlich neu­tralere, fairere Sprache näm­lich kon­traduk­tiv sein.

  5. Debe

    Schrift­sprache / gesproch­ene Sprache
    Lieber Blog-Gastgeber,
    vie­len Dank für diesen schö­nen Artikel, der mir bes­timmt ein­mal als sach­liche Grund­lage in ein­er Diskus­sion dienen wird.
    Ich ver­misse allerd­ings noch die Besprechung des Unter­schieds zwis­chen Schrift­sprache und gesproch­en­er Sprache. For­men wie das Binnen‑I lassen sich nicht (vernün­ftig) aussprechen und wür­den beim Zuhör­er die männlichen Grup­pen­mit­glieder deut­lich auss­chliessen, selb­st wenn vor dem “I” eine kurze Pause und das “I” betont gesprochen wer­den. Damit ent­fällt diese ver­gle­ich­sweise unauf­dringliche schriftliche Form im Gespräch. Ich finde es aber unan­genehm, jedes­mal “Kol­le­gen und Kol­legin­nen” zu sagen (sic, wenn ich denn bei­de For­men nenne, dann auch manch­mal die männliche Form zuerst, was bei Binnen‑I und /innen und _innen ganz ent­fällt und die Rang­folge-Debat­te zum Glück im Schriftlichen erspart). In ein­er Schule hörte ich Lehrkräfte (ein inklu­sives Wort, wie schön) von “den Suss” reden und brauchte eine Weile, um das mit “SuS”, ein­er anscheinend dort gebräuch­lichen Abkürzung für “Schü­lerin­nen und Schüler”, übere­in zu brin­gen. “Ler­nende” will man wohl ver­mei­den, um das nicht mit “Lehrende” durcheinan­der zu wer­fen, zumal hier im Rhein­land die tran­si­tive Ver­wen­dung von “Ler­nen” bekan­nt ist (“De Herr Schmitz lernt de Pänz das Rech­nen”), “Kinder” würde die Zehn­tk­lässler ausgrenzen…
    Wenn keine Par­tizip-1-Form oder ein Auswe­ich­wort in Frage kommt, dann ist das gener­ische Maskulinum mein­er Mei­n­ung nach in der gesproch­enen Sprache nicht vol­lkom­men abzulehnen. Beispiel: Bei der dreizehn­ten Wieder­hol­ung von “Fließban­dar­bei­t­erin­nen und Fließban­dar­beit­er” in der Verkün­dung des neuen Tar­ifver­trags ver­knotet sich son­st die Zunge 🙂

  6. Christoph Päper

    2. markierte Form
    Dierk: „4.) Als 4. nicht genan­nte Alter­na­tive böte sich an, ein eigenes Gener­ikum einzuführen, …“.
    Eine zweite markierte Form wäre in der Tat die beste, aber gle­ichzeit­ig auch die unwahrschein­lich­ste Lösung. Etwas wahrschein­lich­er und kaum weniger sin­nvoll ist der Weg­fall der ersten markierten Form. Es wäre aber nicht sin­nvoll, die kürzere, unmarkierte Form für den männlichen Sexus beizube­hal­ten, son­dern die sollte neu­tral sein, während die zweite wie {-in}{nen} län­gere, markierte Form sexus-maskulin wer­den würde.
    Dierk: „Die Alter­na­tiv­en sind aber noch schlechter.“
    … oder schwieriger durchzusetzen.
    Dierk: „[…] gener­ischen Aspekt […] stärk­er zu ver­ankern (durch Texte, die häu­fig “Die Sozialar­beit­er ..” mit “Die Frauen” fortsetzen).“
    Sich­er, wenn es inhaltlich gerecht­fer­tigt und sin­nvoll ist, aber das erin­nert mich ein biss­chen an die hier im Sprachlog noch wenig behan­delte Pronomen­prob­lematik, welche so ziem­lich das einzige rel­e­vante The­ma der geschlechterg­erecht­en Sprache im Englis­chen ist. Texte, in denen bewusst she statt des tra­di­tionellen he ver­wen­det wird oder aber bei­des abwech­sel­nd bzw. munter durcheinan­der ohne inhaltliche Begrün­dung und bei iden­tis­chem Ref­eren­zob­jekt, erzeu­gen bei mir, weil es im Lese­fluss störend auf­fällt, einen Reflex: „Hör auf, mir ständig dein soziales Bewusst­sein sprach­lich in einem Text vorzuführen, der abso­lut nichts damit zu tun hat! Tu lieber was konkretes, weniger banales in der richti­gen Welt!“ An das „sin­gu­lar they“ gewöh­nt man sich hinge­gen ziem­lich schnell, rezep­tiv wie produktiv.

  7. Muriel

    Inter­es­sant.
    An dem Prob­lem hat man als Möchte­gern­schrift­steller auch immer wieder zu beißen.
    Mein Argu­ment war bish­er neben dem Kom­fort (Und ja, ich bin auch gegen das Hissen von Flaggen für Staats­gäste.) unge­fähr dieses:
    Das Bemühen um eine gegen­derte (Ich sag das mal so.) Sprache wirkt frem­dar­tig, weil unsere All­t­agssprache eben bish­er nicht so ist. Insofern ist das auf­fäl­lige Bemühen, Frauen in der Sprache beson­ders her­vorzuheben, eher eine andere Vari­ante der Diskri­m­inierung, weil man damit die Notwendigkeit ein­er Unter­schei­dung betont. Etwa wie in “Meine Damen, meine Her­ren, liebe Neger” statt ein­fach z.B. “Liebe Zuhör­er”. In ein­er Anrede mag sowas noch ange­hen, aber wenn man in einem Text per­ma­nent den natür­lichen Sprach­fluss umleit­et, um hier noch ein “innen” und da noch ein “ierende” einzufü­gen, läuft man m.E. Gefahr, ihrem Anliegen einen Bärin­nen­di­enst zu erweisen.
    Welche Schlüsse ich daraus jet­zt ziehen kann, weiß ich aber auch noch nicht genau.

  8. Ralf

    Eine kleine Anmerkung aus der Kat­e­gorie ›nicht alles was hinkt ist ein Vergleich‹.
    Die Beispiele, die Sie nen­nen (Flagge hissen, fre­undlich begrüßen, mit Mess­er und Gabel essen), sind in der Tat umständlich. Und tat­säch­lich auch oft unhöflich sie nicht zu machen und zeu­gen von man­gel­nden Respekt. Sie unter­stellen mit dem Ver­gle­ich der gener­ische Maskulinum sei eben­so respek­t­los. Das ist aber erst­mal nur Ihre Sichtweise.
    Das Argu­ment der Ver­fechter des gener­ischen Maskulinums ist ja ger­ade, dass es umständlich und eben NICHT respek­t­los ist.
    Wenn es die All­ge­mein­heit so sähe, dass der gener­ische Maskulinum respek­t­los ist, würde diese Diskus­sion wohl kaum geführt wer­den müssen.

  9. Markus Gerstel

    Nicht beant­wortete Frage…
    Die Rezip­i­tion von “Sozialar­beit­er” als rein männliche Gruppe im Fort­set­zung­sex­per­i­ment wurde gezeigt. Dass “Sozialar­beit­er” vs “Sozialar­bei­t­erin­nen” dann im Kopf des Empfängers einen Unter­schied aus­macht nehme ich gerne an. Was Ihrer Beschrei­bung nach in der Studie nicht behan­delt wurde, ist ob “Sozialar­bei­t­ende” (im Sinne von ‘Studierende’) nun einen sig­nifikan­ten Unter­schied gegenüber der “Sozialarbeiter”-Gruppe darstellt. Lässt sich das gener­ische Maskulinum dadurch umge­hen, dass man neue, (möglicher­weise) inkludierende Wortkon­struk­te erschafft?

  10. impala

    Wie bere­its mehrfach ange­merkt, funk­tion­iert das Binnen‑I im mündlichen Sprachge­brauch über­haupt nicht und kann deshalb wohl keine Alter­na­tive zum gener­ischen Maskulinum sein. Ich finde es auch ästhetisch nicht ansprechend (genau­so wenig wie die Schrägstrich­lö­sung), aber das ist natür­lich nur meine per­sön­liche Meinung.
    Darüber hin­aus hat das Binnen‑I aber auch im Schrift­ge­brauch ein Prob­lem, wenn die Plu­ral­en­dung der fem­i­ni­nen Form mit der der masku­li­nen Form nicht übere­in­stimmt, z.B. Beamte vs. Beamtin­nen.

  11. Hans

    Ein­fach abwechseln?
    Was hal­ten Sie den von fol­gen­der viert­er Möglichkeit deut­lich zu machen, dass Män­ner und Frauen gle­icher­maßen gemeint sind: die männlichen und weib­lichen For­men ein­fach bunt durcheinan­der abwech­sel­nd verwenden?Also etwa so: “Nach unten gezo­gene Seit­en­fen­ster im Fahrerhaus kön­nen dazu beitra­gen dass die Lkw-Fahrerin ungeschützte Verkehrsteil­nehmer (Fußgän­gerin­nen, Rad­fahrer, Ska­terin­nen …) bess­er erken­nen kann.”
    In der Regel gibt man ja eher län­gere zusam­men­hän­gende Texte von sich und im Zusam­men­hang wird dann auf jeden Fall deut­lich, dass man nicht nur Frauen auf Skate­boards oder Män­ner auf Fahrrädern meint. Ich habe schon öfter Texte so geschrieben und denke, das funk­tion­iert (meis­tens).

  12. Statistiker

    Män­nin oder Frau?
    Das erin­nert mich an die Diskus­sion, die hier vor ca. 15 Jahren im Lan­des­diesnst hin­sichtlich weib­lich­er Amts­beze­ich­nun­gen stattfand.
    Bei Rat/Rätin, Sekretär/Sekretärin etc. war dies ja kein Prob­lem, aber was machen wir mit dem Amtsmann?
    Da kam zuerst der Vorschlag “Amtsmän­nin”, den ich sel­ten däm­lich fand. Man hat sich dann doch auf “Amts­frau” verständigt.
    PS: Als bei der Bun­deswehr Frauen auch in schießen­den Ein­heit­en zuge­lassen wur­den, wurde ohne große Diskus­sion aus dem “Ver­trauensmann” die “Ver­trauensper­son”. Sowohl im Sin­gu­lar als auch im Plur­al abso­lut passend.

  13. Feathers McGraw

    Innen­wahrnehmung
    Die ganze Diskus­sion hier hat schon irgend­wie etwas von “Män­ner gegen das Frauen­wahlrecht (Weil die Schlangen am Wahllokal dann so lang werden)”

  14. MR

    Viertes Genus?
    Vom mor­phol­o­gis­chen Stand­punkt aus kann man statt der üblichen drei vier Gen­era unter­schei­den: Maskulinum, Fem­i­ninum, Neu­trum und Gener­ikum. Wie das Maskulinum trägt es den Artikel „der“, bildet seinen Plur­al aber wie pro­to­typ­is­che Fem­i­ni­na auf „-en“. Beispiele wären „der Präsi­dent“ — „die Präsi­den­ten“ oder „der Autor“ -„die Autoren“. Während sich das Neu­trum als Oppo­si­tion zu Maskulinum und Fem­i­ninum entwick­elt haben kann, im Sinne eines „Wed­er-noch“, kön­nte das Gener­ikum ein „Sowohl-als-auch“ zum Aus­druck brin­gen. Man hätte dann eine Sub­stan­tivk­lasse, die sexus­neu­trale Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen erfasst und einen eige­nen Dek­li­na­tion­styp prägt. Insofern wären diese Sub­stan­tive die besten Kan­di­tat­en für ein „gener­isches Maskulinum“ und mich würde inter­essieren, ob sie in den von Ihnen genan­nten Stu­di­en anders abschneiden.
    Eisen­berg, P.: Das vierte Genus? In: Angemessene Struk­turen: Sys­te­mor­gan­i­sa­tion in Phonolo­gie, Mor­pholo­gie und Syn­tax. Hrsg. v. Bit­tner, A. u. a. Hildesheim u. a. 2000, 91–105.

  15. impala

    @MR
    Das würde – wenn über­haupt – nur Sinn ergeben, wenn die anderen Dek­li­na­tion­stypen des Deutschen auch genus­ab­hängig wären. Das sind sie aber aller­höch­stens teilweise.

  16. Anatol Stefanowitsch


    @fatimike182: Die Ver­suchsper­so­n­en waren Studierende, genauere Alter­sangaben gibt es nicht.
    @Caldrin: Es ist halt ein Unter­schied, ob eine Form eine bes­timmte Bedeu­tung hat, oder ob man durch nach­denken darauf kom­men kann, dass sie in ein­er bes­timmten Ver­wen­dung etwas bes­timmtes bedeuten soll. Ich kann sagen „Meine Stu­dentin­nen sind echt gut, vor allem der Typ mit dem Voll­bart“, und mein Gegenüber kann dann durch nach­denken darauf kom­men, dass ich aus irgen­deinem Grund mit Stu­dentin­nen eine gemis­chte Gruppe meine. Das heißt aber nicht, dass Stu­dentin­nen diese Bedeu­tung tat­säch­lich hat.
    Selb­stver­ständlich funk­tion­ieren die Alter­na­tiv­en, und zwar in jedem denkbaren Kon­text. Dass man(n) sich manch­mal etwas Mühe geben muss, die zu find­en, mag sein. Das „gener­ische Maskulinum“ ist nicht nur „nicht die per­fek­te Lösung“ für die einge­bildete Alter­na­tivlosigkeit, es ist über­haupt keine Lösung.
    @Debe, impala: Das Binnen‑I lässt sich in der gesproch­enen Sprache prob­lem­los in eine Bei­d­nen­nung auflösen (die Kurz­form Sus finde ich nett).
    @Muriel: Die Frem­dar­tigkeit von heute ist die Nor­mal­ität von mor­gen! Davon abge­se­hen ist es doch eine schöne Her­aus­forderung, ger­ade für Sprach­schaf­fende, hier Lösun­gen zu find­en, die gerecht und sprach­lich schön sind.
    @ Markus Ger­s­tel: Ich glaube, es gibt eine Studie mit geschlecht­sneu­tralen For­men, aber ich finde sie ger­ade nicht. Ich trage das nach, wenn ich sie habe. Aus der englis­chen Studie lässt sich aber die Ver­mu­tung ableit­en, dass bei neu­tralen For­men wieder die Stereo­typ­iz­ität­sef­fek­te sicht­bar werden.
    @Hans: Das kann manch­mal sich­er eine Möglichkeit sein, aber ich halte es eher für eine Brück­en­tech­nolo­gie als für eine dauer­hafte Lösung.
    @Feathers McGraw: Wieder mal sehr tre­f­fend [es hil­ft eben immer, einen Pin­guin an der Diskus­sion zu beteiligen ;)].
    @MR: Ob For­men mit expliziter masku­lin­er Mor­pholo­gie anders abschnei­den als solche mit implziter, ist nicht getestet wor­den. In der Tat kön­nte man solche For­men zu Gener­i­ka machen, man müsste dazu im Sin­gu­lar aber zulassen, dass sie maskulin oder fem­i­nin sein kön­nen — der Stu­dent, die Stu­dent, der Präsi­dent, die Präsi­dent, usw. Luise Pusch hat das schon vor vie­len Jahren angedacht. Ob sich das im Sprachge­brauch durch­set­zen ließe? Ich bezwei­fle es.

  17. icke

    einige Begriffe
    Inter­es­sant, wären doch auch mal Aus­führun­gen, warum Pflegekräfte im Gesund­sheitswe­sen immer nur Kranken­schwest­ern sind, obwohl dort uch Män­nchen rum­laufen und arbeiten.
    Des weit­eren wären auch Aus­führun­gen inter­es­sant, warum bei Begrif­f­en wie “Ter­ror­ist” plöt­zlich das gener­ische Maskulinum nun doch wieder kein Prob­lem darstellt.
    [Da diese Behaup­tun­gen frei erfun­den sind, wären Aus­führun­gen dazu nur mäßig inter­es­sant. — A.S.]

  18. alter Jakob

    Gygax et al (2008)
    Ein zusät­zlich­er Grund, warum die Reak­tion­szeit bei der Frauen­fort­set­zung (2) länger dauert kön­nte aber auch sein, dass die For­mulierung “einige *der* Frauen” impliziert, dass die Gruppe Sozialar­beit­er nur aus Frauen bestanden hätte. Dann hätte man in Satz (1) allerd­ings “Sozialar­bei­t­erin­nen” geschrieben. Eine andere For­mulierung wäre da vielle­icht bess­er gewe­sen (bspw. “einige Frauen…”). Wom­it ich allerd­ings nicht sagen will, dass das Ergeb­nis großar­tig abgewichen wäre.
    Etwas anderes: “Die Autor/innen” ist doch irgend­wie unklar ud benachteiligt die Män­er. Klar, ich weiß sofort was gemeint ist (und das reicht ja auch), aber wenn man schon gerecht sein will, dann doch bitte auch richtig. Denn “Die Autorin­nen” ist der einzige sin­nvolle Begriff, der klar zu lesen ist. “Die Autor” ist Blödsinn und “Die Autoren” wer­den nicht klar abge­gren­zt. Vielle­icht “Die Autor(inn)en”? Oder bess­er gle­ich inklu­siv mit “Die Autorenden”?
    [Zum ersten Absatz: Ein guter Ein­wand. Gygax et al. haben das bedacht und vorher sep­a­rat getestet, ob Ver­suchsper­so­n­en auf diese Inter­pre­ta­tion kom­men. Das war in ein­er extrem gerin­gen Zahl der Fälle so, sodass der Effekt dadurch nicht erk­lärt wer­den kann. — A.S.]

  19. h.weltschaft

    @icke Natür­lich gibt es auch Sprache die Män­ner diskri­m­iniert. Aber darf man daraus den Schluss ziehen, dass es deshalb in Ord­nung ist Frauen sprach­lich zu diskri­m­inieren? Weil jed­er ja mal ein biss­chen lei­den muss? z.B. Frauen bei den Berufen und Män­ner bei den Straftat­en? Gle­icht sich schon irgend­wie aus?
    Wäre es nicht eine schönere Welt wenn sich nie­mand diskri­m­iniert fühlen würde?

  20. MR

    Viertes Genus?
    Ich habe Eisen­bergs Gedanken sicher­lich nicht ein­wand­frei wiedergegeben. Aber ich ver­ste­he es so: Wenn man das Genus nicht nur nach dem Artikel zuweist und sich auf ein viertes Genus ein­lässt, dann müssen diese Sub­stan­tive nicht eine masku­line und eine fem­i­nine Form im Sin­gu­lar aufweisen, denn sie sollen ja ger­ade sexus­neu­tral sein. Sie sind also von vorn­here­in sowohl fem­i­nin als auch maskulin — eben gener­isch. Will man das Sexus allerd­ings spez­i­fizieren, hat man immer die Möglichkeit zu Movieren: „der Stu­dent“ (sexusun­ab­hängige Per­so­n­en­beze­ich­nung) zu „die Stundentin“

  21. Tom

    Oh Gott und Göttin
    Wenn ein Prof “Liebe Stu­den­ten” sagt meint er ganz sich­er alle im Hör­saal und nicht nur die Jungs. Daran kön­nen auch irgendwelche Stu­di­en nichts ändern.
    Ich empfinde es dur­chaus als anstren­gend bis ner­vend, wenn ich in Reden ständig “Genossin­nen und Genossen” oder “Stu­dentin­nen und Stu­den­ten” höre.
    Stu­dentIn­nen kann man nicht sagen son­dern muss es aus­for­mulieren oder lassen. Daher sind diese Schreib­weisen nur gekün­stelt und haben nichts mit nor­maler Sprache zu tun.
    Wie ste­ht es eigentlich mit “Emanzen”? Sind das nur die Män­ner, weil Frauen ja eigentlich Emanzin­nen sein müssten? 😉
    Ich mach es mir per­sön­lich recht ein­fach. Wer auf solchen Abson­derun­gen ern­sthaft beste­ht, mit den rede ich eh nicht. Gott sei dank kenne ich genug nor­male Menschen.

  22. Stephan Packard

    Gibt es auch wis­senschaftliche Erken­nt­nisse darüber, warum dann viele Sprech­er (und sog­ar manche Sprecherin­nen) erstens meinen, es gebe ein gener­isches Maskulinum und die ver­schiede­nen Mehrfach­nen­nun­gen wären umständlich und ver­wirrend, und warum sie zweit­ens Wider­stand gegen die Ein­führung der Mehrfach­nen­nun­gen empfind­en? Denn wenn es wed­er ein gener­isches Maskulinum gibt, noch die Ver­wen­dung der kom­plex­eren Beze­ich­nun­gen Nachteile bringt, wäre doch die ein­fach­ste Prog­nose, daß auch kein Sprech­er, keine Sprecherin Anlaß hat, daran zu glauben, und daß alle Sprecherin­nen und Sprech­er dann beim ger­ing­sten poli­tis­chen Druck gerne umsteigen — oder?

  23. textgruen

    Bequem­lichkeit vs. Entwicklungschancen
    Her­vor­ra­gende Aus­führung und Zusam­men­fas­sung zur Prob­lematik sub­jek­tiv­er Sprach­wahrnehmung im All­t­ag vs. exper­i­menteller Objektivierung!
    Inter­es­sante Kom­men­tarmis­chung, bleibt mir grad die Zeit nicht, um auf Einzelnes einzugehen.
    Aber ein Aspekt scheint mir bish­er nicht genan­nt — den möchte ich gern beleuchten:
    Was mir sofort auffiel… Wenn in der zweit­en vorgestell­ten Studie männliche Ver­suchsper­so­n­en sich genau die Art Texte bess­er gemerkt haben, die ihnen sub­jek­tiv als weniger ver­ständlich erschien, dann stellt sich mir die Frage, ob nicht das Stolpern und Fremdeln, verur­sacht durch Sprach­for­men, die das ange­blich inklu­sive Gener­ikum umgin­gen, die Aufmerk­samkeit wachge­hal­ten hat für die Inhalte der Texte? Hinge­gen bedeutete das, dass die als “ver­ständlich­er” emp­fun­dene Lek­türe mit ver­traut masku­li­nen For­men let­ztlich für den männlichen Leser nur “beque­mer” ist, aber den zu erin­nern­den Inhal­ten weniger Chan­cen der men­tal­en Auseinan­der­set­zung und damit auch der Infor­ma­tionsver­ar­beitung schlechtere Voraus­set­zun­gen bietet.
    Oder kurz gesagt: Wenn von männlichen Adres­sat­en bess­er behal­ten wird, was ihnen beim Lesen öfter auf­stößt — selb­st wenn es eher neg­a­tiv bew­ertet wird -, dann ergäbe sich daraus ein Argu­ment gegen sprach­liche Ein­heit­slö­sun­gen und “verord­nete Stan­dards”, stattdessen kön­nen wir als Schreibende unsere Ideen mit diesem Wis­sen ganz anders und ggf. geschlechtsspez­i­fisch auf­bere­it­en, um nach­haltigere Lesewirkung zu erzielen.
    Und warum trat der Effekt, den ich hier lustvoll zer­lege, bei Frauen so nicht auf?
    Möglicher­weise, weil weib­liche Lese- und Erleb­niswel­ten tat­säch­lich anhand des so genan­nten “männlichen Gener­ikums” von Anbe­ginn kindlichen Sprach­ler­nens und geschlechtlichen Dif­feren­zierens an zur sub­jek­tiv­en Abstrak­tion immer wieder genötigt wer­den, um sich nicht selb­st durch Sprache aus­geschlossen zu fühlen und sich in der Diskus­sion über Inhalte auch nicht auss­chließen zu lassen (daher ja der anhal­tende fem­i­nis­tis­che Impe­tus zu sprach­lich­er und gesellschaftlich-fak­tis­ch­er Inklusion).
    Lesende wie schreibende Frauen sind also möglicher­weise im Schnitt aufmerk­samer, geübter im Hin­ter­fra­gen des gemein­ten Bezugs als Män­ner. Sie kom­pen­sieren den Mythos vom männlichen Gener­ikum seit Jahrhun­derten, so oder so.
    Komme jet­zt aber nie­mand und schließe:
    Dann kann ja alles bleiben, wie es ist, die Frauen kom­men doch eh mit klar, und die Män­ner fühlen sich son­st nicht wohl.
    Denn genau darum geht es, dass, wenn wir Teil­habe und gle­ich­berechtigten Zugang zu Ressourcen als soziale, gar glob­ale Ziele nicht nur nen­nen, son­dern meinen, dass dann ger­ade die Bere­itschaft zur Selb­stre­flex­ion und als Aspekt davon die Aus­bil­dung gegen­seit­iger sprach­lich­er Sen­si­bil­ität notwendi­ge Schritte sind, für die wir Moti­va­tion und Werkzeuge entwick­eln kön­nen und müssen — Denk- und Sprach-Werkzeuge, vor denen auch “der gener­ische Mann” keine Scheu empfind­en sollte…

  24. impala

    @MR

    Wenn man das Genus nicht nur nach dem Artikel zuweist und sich auf ein viertes Genus ein­lässt, dann müssen diese Sub­stan­tive nicht eine masku­line und eine fem­i­nine Form im Sin­gu­lar aufweisen, denn sie sollen ja ger­ade sexus­neu­tral sein.

    Im Deutschen kann das Genus aber nur ein­wand­frei am Artikel erkan­nt wer­den, da die Dek­li­na­tion­stypen eine Kat­e­gorisierung nach Genus eben nicht zulassen, siehe starke Sub­stan­tive oder die berüchtigte s‑Klasse (Pro­l­lo, Handy, Oma). Selb­st wenn würde das Genus nur in den Flex­ions­for­men sicht­bar, die auch eine Flex­ion­sendung bekommen.

  25. Hans Retep

    der, die, das
    Es ist nur eine hal­bern­ste Anmerkung, aber ich kann sie mir nicht verkneifen. Kön­nte es nicht sein, dass die deutsche Sprache geschlechter-gerechter ist als es durch die Konzen­tra­tion auf das gener­ische Maskulinum zum Aus­druck kommt? Immer­hin wird in der Mehrzahl stets der weib­liche Artikel genutzt, auch wenn er total unpassend ist:
    die Frau — die Frauen
    das Kind — die Kinder
    der Mann — die Männer

  26. David

    Bedeu­tung und Nachdenken

    Es ist halt ein Unter­schied, ob eine Form eine bes­timmte Bedeu­tung hat, oder ob man durch nach­denken darauf kom­men kann, dass sie in ein­er bes­timmten Ver­wen­dung etwas bes­timmtes bedeuten soll.

    Es gibt allerd­ings dur­chaus Fälle, die sich gut so inter­pretieren lassen, daß man manch­mal nur durch Nach­denken darauf kommt, daß etwas eine bes­timmte Bedeu­tung (nicht) hat. Betra­chtet man sich etwa die Ergeb­nisse des Wason Selec­tion Task, so stellt man fest, daß die offen­bar von vie­len mit wenn … dann spon­tan ver­bun­dene Bedeu­tung ohne gewisse Mühen nicht mal vernün­ftig explizier­bar ist. Außer­dem wer­den sicher­lich die meis­ten Proban­den (sofern sie falsch lagen) nach kurzen Hin­weisen von sich aus ein­se­hen, daß sie falsch lagen — aber ganz ohne Nach­denken geht das eben nicht.
    Darum wäre auch inter­es­sant, den Ver­such ganz ähn­lich in der Umkehrung zu wieder­holen. Ich vemute nicht, daß auch mit noch so viel Nach­denken irgend­je­mand zu dem Schluß kom­men würde, “Einige der Män­ner haben einen Rauschebart” sei eine voll akzept­able Fort­set­zung von “Ich unter­richte derzeit 50 Studentinnen”.
    Deswe­gen finde ich den Schluß von dem Umstand, daß die eventuell gener­ische Ver­wen­dung langsamer erkan­nt wird als die masku­line darauf, daß es die gener­ische gar nicht gebe, auch etwas vorschnell. Ich frage mich ger­ade eher: Wäre nicht schon das langsamere Ver­ständ­nis ein Grund, von ein­er Ver­wen­dung der eventuell gener­ischen Form abzusehen?

  27. gnaddrig

    @ Hans: Abwechseln
    Kann man machen, finde ich aber problematisch.
    Es stört den Lese­fluss, weil man beim Lesen immer über­legen muss, ob jet­zt alle *erin­nen und *er gemeint sind oder nur jew­eils die expliz­it genan­nten, in Ihrem Beispiel also die Fahrerin­nen, Verkehrsteil­nehmer, Fußgän­gerin­nen, Rad­fahrer, Ska­terin­nen. Nicht in jedem Text dürfte es so offen­sichtlich sein wie hier. Und dann hätte man eine ver­mei­d­bare Unschärfe („Ist wirk­lich das gemeint, was da ste­ht, oder muss ich mir das Gemeinte erst noch irgend­wie erschließen?“).
    Wenn man alternierend die fem­i­ni­nen und masku­li­nen For­men ver­wen­det, kann man nicht mehr ohne weit­eres expliz­it auf die männlichen oder weib­lichen Per­so­n­en ver­weisen. Wenn man das kon­se­quent durchzieht, hätte man bei der näch­sten Aufzäh­lung vielle­icht Fahrer, Verkehrsteil­nehmerin­nen, Fußgänger, Rad­fahrerin­nen, Skater usw. Wie kann man dann ohne möglicher­weise aufwändi­ge Hil­f­skon­struk­tio­nen deut­lich machen, dass ich in einem bes­timmten Fall nur die (weib­lichen) Verkehrsteil­nehmerin­nen meine und nicht auch die (männlichen) Verkehrsteil­nehmer? In vie­len Fällen dürfte die Unter­schei­dung nicht so wichtig sein, aber wenn sie mal nötig ist, ist das dafür geeignete Werkzeug (gram­ma­tis­ches Geschlecht) durch Zweck­ent­frem­dung abgenutzt und greift nicht mehr recht.
    Natür­lich hat man densel­ben Effekt auch, wenn man das gener­ische Maskulinum ver­wen­det, nur hier ist er auf eine Rich­tung beschränkt. Da weiß man bei *erin­nen, dass nur die Frauen gemeint sind. Da ist die Unschärfe der sprach­lichen Äußerun­gen nicht ganz so stark wie bei alternieren­der Ver­wen­dung. Bleibt das Prob­lem, dass masku­line For­men so ver­wen­det wer­den, dass die Frauen mit­ge­meint sein kön­nen (aber nicht müssen). Man wird wohl um neu­trale For­mulierun­gen nicht herumkom­men, wenn man nicht sprach­lich diskri­m­inieren will und Wert auf präzise Aus­drucksmöglichkeit­en legt.

  28. gnaddrig

    @ Tom: … genug nor­male Menschen
    Was ein­er sagt und was ein­er meint ist nicht notwendi­ger­weise das­selbe. Wenn die Hau­sor­d­nung ein­er Uni­ver­sität etwa Regelun­gen darüber enthält, was „die Stu­den­ten“ nicht dür­fen, kön­nte jede Stu­dentin das Ver­botene trotz­dem machen. Das Argu­ment, der Text spreche nicht über Stu­dentin­nen, wäre stich­haltig. (Angenom­men, die Hau­sor­d­nung enthalte keinen Hin­weis darauf, dass mit „Stu­den­ten“ eben „Studierende unab­hängig von ihrem Geschlecht“ gemeint sind. Und das Antidiskri­m­inierungs­ge­setz mal außen vorgelassen.)
    P.S.: Hal­ten Sie Leute, die sich bemühen, nie­man­den zu diskri­m­inieren und alle Men­schen als gle­ich­w­er­tig zu behan­deln, wirk­lich für anormal?

  29. frauschmitt

    Schwierige Sache
    Als Autorin und Wer­be­tex­terin ver­misse einen Aspekt in dem Artikel: die Sprachäs­thetik. Denn nicht alles Geschriebene ist eine Gebrauch­san­weisung, bei der es auss­chließlich auf Ver­ständlichkeit ankommt. Die Texte sollen auch gefäl­lig zu lesen sein. Es gibt Inhalte, bei denen kommt es zu ein­er solchen Häu­fung der Bei­d­nen­nung, dass der Text schließlich hässlich wird. Wenn man zum X. Mal “Bürg­erin­nen und Bürg­er” oder “Münch­ner­in­nen und Münch­n­er” geschrieben hat, fängt es an sper­rig zu wer­den und ich frage mich dann oft, ob man die Leserin­nen und Leser (da haben wir’s wieder, ich hätte viel lieber “die Leser” geschrieben) nicht für doof hält. Als ob sie nicht wüssten, dass mit “die Münch­n­er Bürg­er” alle gemeint sind.
    Ich ver­suche das Prob­lem zu lösen, in dem ich von Fall zu Fall entschei­de, ob ich jet­zt wirk­lich eine Bei­d­nen­nung brauche. Das Binnen‑i ist für mich aus ästhetis­chen Grün­den keine Lösung, es liest sich ein­fach unschön und die weib­liche Form ist aus mein­er Sicht hier überbetont.

  30. Phaeake

    Echte Fra­gen an Her­rn Stefanowitsch
    Lieber Herr Stefanowitsch,
    ich habe zwei bis drei echte Fra­gen an Sie, über deren Beant­wor­tung ich mich freuen würde.
    Schließen Sie, wenn Sie von der “unverbesser­lichen Seichtigkeit der Sprach­nör­gler” sprechen, wirk­lich weib­liche Sprach­nörgel­nde aus? Wenn ja, mit welchem sach­lichen Grund?
    Angenom­men, die Frauen und Män­ner, die Ihre Vor­lesun­gen und Sem­i­nare besuchen, wür­den Ihnen an einem Tag ein­mal furcht­bar auf die Ner­ven gehen und Sie kämen reich­lich ärg­er­lich und erzürnt nach Hause. Ihr lieb­ster Men­sch würde besorgt fra­gen, warum Sie denn so schlecht gelaunt sind. Seufzen Sie dann: “Mich haben heute die Studieren­den so gen­ervt.” oder “… die Stu­dentin­nen und Stu­den­ten …” oder nicht vielle­icht doch ein­fach “… die Studenten …”?
    Besten Dank im Voraus.

  31. Daniel

    Dur­chaus eine inter­es­sante Studie und es wäre span­nend, wenn man dieses (auch von Seit­en des Blogin­hab­ers stark ide­ol­o­gisch aufge­ladenene The­ma tat­säch­lich mal sach­lich disku­tieren könnte.
    An der Studie so wie sie im Artikel beschrieben ste­ht, find­en ich 2 Dinge sehr störend:
    1. Rel­e­van­ter als der Apfel-Bir­nen-ver­gle­ich mit anderen Sprach- und Kul­tur­räu­men wäre IMO ein deutsch­er Blind­test gewe­sen: Zeigt sich bei Sätzen wie “Die Men­schen gehen über den Bhf” wirk­lich eine Gle­ichverteilung der Inter­pre­ta­tion männlich/weiblich?
    2. Wieso muss man sich in der Studie für männlich ODER weib­lich entschei­den? Die Argu­men­ta­tion bzgl. des “gener­ischen Maskulinum” hebt doch spez­i­fisch auf GEMIS­CHT­geschlechtliche Grup­pen ab.
    3. Es gibt doch beliebig viele Abstu­fun­gen und Sit­u­a­tio­nen in denen man von Stu­den­ten oder Student/Innen sprechen/schreiben kann.
    Denkt man bei Stu­den­tenkneipe auch nur an Män­ner? Und wenn ja liegt das nicht vllt eher am Wort­teil Kneipe als am Wort­teil? Und wie sieht es mit Stu­den­ten­städten und dem Stu­den­ten­leben aus?

  32. impala

    @ Hans Retep
    Der Artikel ist im Plur­al für alle Gen­era gle­ich und enst­pricht der Form des fem­i­ni­nen Artikels im Sin­gu­lar, dadurch wer­den aber nicht alle Sub­stan­tive im Plur­al Feminina.

  33. Mareike Kaa

    Ein­wand
    Wenn ein Arbeit­ge­ber zu mir sagt: “Die meis­ten mein­er Mitar­beit­er sind ver­heiratet und haben Kinder”, würde ich erst mal davon aus­ge­hen, dass er sowohl von seinen männlichen als auch von seinen weib­lichen Mitar­beit­ern spricht. Denn son­st würde er sagen: “Die meis­ten mein­er männlichen Mitar­beit­er sind usw.”
    Was ich damit sagen will: Ich glaube nicht, dass die zitierte Gygax-Studie son­der­lich aus­sagekräftig ist. Nor­maler­weise hat man näm­lich immer einen Kon­text, der einem viel darüber mit­teilt, wie man bes­timmte Wörter zu ver­ste­hen hat, seien es das vor­ange­gan­gene Gespräch, Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen, Gestik, Mimik, oder aber die Art der Publikation.
    Wenn ich alles richtig ver­standen habe, wer­den einem in der Test­si­t­u­a­tion nur jew­eils zwei Sätze präsen­tiert und man soll dann unter Zeit­druck entschei­den, ob sie zusam­menge­hören oder nicht. Da greift man in der Not schon mal auf Kat­e­gorien wie das gram­ma­tis­che Geschlecht des Sub­jek­ts zurück, wenn man son­st keine Anhalt­spunk­te hat.
    Ich will nicht bestre­it­en, dass es auch in län­geren Tex­ten unein­deutige Pas­sagen geben kann; dann ist es sin­nvoll, sprach­lich deut­lich zu machen, dass man Män­ner und Frauen meint. Aber das bei tat­säch­lich sämtlichen Grup­pen­beze­ich­nun­gen zu machen, halte ich nicht für notwendig.
    (Extra-Info: Ich habe mich selb­st – allerd­ings nur mündlich – in mein­er Zeit an der Uni des Öfteren als “Stu­dent” beze­ich­net, obwohl ich weib­lich bin.)

  34. impala

    Und wie sieht es mit Stu­den­ten­städten und dem Stu­den­ten­leben aus?

    Haha ja, da sprechen wir dann wohl bess­er auch von Stu­dentin­nen- und Stu­den­ten­städten, damit nie­mand glaubt, dass es sich um Städte voller Män­ner han­delt, die alle studieren.

  35. Chris

    Zur Studie “gener­isches Maskulinum”
    Die Studie zeigt lediglich, daß die per­ma­nente Ver­wen­dung von
    * Bürg­erin­nen und Bürger
    * Stu­dentin­nen und Studenten
    bere­its dazu geführt hat, daß das gener­ische Maskulinum als solch­es nicht (mehr) erkan­nt wird.
    Lei­der ist es nicht möglich, aber gäbe es ver­gle­ich­bare Stu­di­en vor 5/10/20 Jahren, würde die hier erwäh­nte evtl. mehr Aus­sagekraft erlangen.
    Auch das Her­anziehen von Beipackzetteln, die an sich schon unver­ständlich sind, halte ich für absurd.
    Beispiel gefällig?:
    Der Kan­ton­stier­arzt beziehungsweise die Kan­ton­stierärztin oder der beziehungsweise die an sein­er beziehungsweise ihrer Stelle einge­set­zte Tier­arzt beziehungsweise Tierärztin leit­et in fach­lich­er Hin­sicht die Tätigkeit der Fleischin­spek­toren beziehungsweise Fleischin­spek­torin­nen und Fleis­chkon­trolleure beziehungsweise Fleischkontrolleurinnen.

  36. Achim

    dies & das
    Ich habe ein paar Anmerkungen:
    1. Wenn ich mich richtig an die lange zurück­liegen­den Isländis­chstun­den erin­nere (die nicht wirk­lich zu ein­er aktiv­en Sprachkom­pe­tenz geführt haben ;-), ver­wen­det Isländisch bei gemis­cht­en Grup­pen in der 3. Per­son Plur­al die Neu­trum­form. Und ein Blick in den entsprechen­den Wikipedia-Artikel bestätigt dies: “Anders als im Deutschen find­et eine Unter­schei­dung nach Geschlechtern auch im Plur­al der 3. Per­son statt. Dabei kommt die masku­line Form þeir nur bei rein männlichen Grup­pen zur Anwen­dung, die fem­i­nine Form þær nur bei rein weib­lichen Grup­pen, während die Neu­trum­form þau für gemis­chte Per­so­n­en­grup­pen (und damit am häu­fig­sten) benutzt wird.” Eigentlich eine ele­gante Lösung. Wohl dem, der über eine reich­haltige Mor­pholo­gie verfügt 😉
    2. Gibt es der­ar­tige Unter­suchun­gen auch für Schwedisch (oder auch Dänisch oder Nor­wegisch)? Im Schwedis­chen sind mask. und fem. in der Kat­e­gorie utrum zusam­menge­fall­en, und einige weib­liche Gewährsper­so­n­en leg­en Wert auf die Berufs­beze­ich­nung lärare statt lärarin­na, denn let­zteres kon­notiert offen­bar ein stark rück­ständi­ges Berufsbild.
    3. Das Binnen‑I ist aus einem ganz ein­fachen Grund prob­lema­tisch: Blinde und sehbe­hin­derte Men­schen rezip­ieren Texte entwed­er per Sprachaus­gabe am PC, auf der Braillezeile am PC oder in Braille auf Papi­er. Braille ken­nt meines Wis­sens keine Unter­schei­dung in Groß- und Klein­buch­staben (jeden­falls 6‑Punk­te-Braille auf Papi­er, bei 8‑Punk­te-Braille auf der Braillezeile mag das anders sein), und für die Sprachaus­gabe ist der Unter­schied zwis­chen “Stu­dentin­nen” und “Stu­dentIn­nen” nicht erkennbar. Bei der Auf­sprache von Tex­ten für Audiome­di­en stellt sich die Frage, wie “Stu­dentIn­nen” denn aus­ge­sprochen wer­den soll.
    4. Ein­er der Kom­mentare ver­mutete, dass der erhöhte Aufwand beim Ver­ar­beit­en von Sätzen zu ein­er besseren Erin­nerung führt. Da ist wahrschein­lich was dran, aber schön­er wäre es, die weggedäm­merten Leser durch stilis­tis­che Kun­st­griffe zu weck­en und nicht durch schw­er zu parsenden Input 😉

  37. Marcel Anacker

    Mein Vorschlag wäre die Endung ‑on, Plur­al ‑ons mit Neu­trum als Genus. Somit hat man neben ein­er Bil­dungsvorschrift für ein Fem­i­ninum auch eine fürs Neutrum.
    Bsp.:
    Wir suchen ein Sekretäron zur Sofortanstellung.
    Die Stu­den­tons beset­zen die Mensa.
    Die Sozialar­beit­erons liefen durch den Bahnhof.
    Ganz ern­st­ge­meint ist der Vorschlag nicht, aber wesentlich kün­stlich­er als die Bin­nen-I-Form finde ich das auch nicht.

  38. D. Müller

    Eine gute Studie (von Gygax et al.) mit sagen wir mal gewagten Schlussfol­gerun­gen (von A.S., in ver­mut­lich pro­voka­torisch­er Absicht — das Priv­i­leg des Blogs gegenüber der Fachzeitschrift).
    Eine andere Frage: Wer forscht auf diesem Gebi­et mit welch­er Inten­tion? Nur Wis­sens­gewinn, ohne poli­tis­che Hintergedanken?

  39. Astra

    @ Chris
    Das ver­meintlich altherge­brachte sog. gener­ische Maskulinum ist eine recht junge Entwick­lung. Ursprünglich wurde das Neu­tum als gener­isches Genus ver­wen­det, z.B.: “Jemand Fremdes hat mich nach dem Weg gefragt” (vgl. http://www.linguistik-online.com/…doleschal.html).

  40. Michael J. Hußmann

    Bei der Hypothese eines gener­ischen Maskulinums stellt sich mir die Frage, wie es ent­standen sein sollte. Die deutsche Sprache hat­te schließlich nie Prob­leme, Män­ner und Frauen durch das Genus zu unter­schei­den. Soll­ten wir annehmen, dass es in den Jahrhun­derten, in denen Sol­dat­en und Stu­den­ten tat­säch­lich stets Män­ner waren, bere­its ein gener­isches Maskulinum gab? Dass also die Sprach­be­nutzerIn­nen bei „Sol­dat­en“ und „Stu­den­ten“ immer schon die irgend­wann unauswe­ich­liche Emanzi­pa­tion der Frau mitgedacht und Sol­datin­nen oder Stu­dentin­nen zumin­d­est seman­tisch inkludiert hät­ten, auch wenn im konkreten Fall immer nur Män­ner gemeint waren? Schon Occam’s Razor würde die weit sim­plere Erk­lärung nahele­gen, dass wer die masku­line Form benutzte, nicht nur Män­ner beze­ich­nete, son­dern auch Män­ner meinte. Das gener­ische Maskulinum müsste dem­nach erst später ent­standen sein.
    Was sich dann aber tat­säch­lich verän­dert hat, war zunächst ein­mal nicht die Sprache, son­dern die Gesellschaft, insofern die Frauen erst die Hochschulen und später auch die Armee erobert haben. Die Annahme, in dieser Zeit sei ein gener­isches Maskulinum ent­standen, bedeutete, dass sich die Sprache verän­dert hätte, ger­ade indem der Sprachge­brauch gle­ich blieb und weit­er­hin von Stu­den­ten und Sol­dat­en die Rede war. Die Sprache hätte mithin allein durch ihr Behar­rungsver­mö­gen ein neues Kon­strukt, eben das gener­ische Maskulinum, gewon­nen. Aber mit ein­er solchen Vorstel­lung hätte ich doch erhe­bliche Probleme.
    Die zitierten Unter­suchun­gen weise doch vielmehr darauf hin, dass Sprache und Gesellschaft divergieren, was ganz konkret erlebt wird, wenn beispiel­sweise „Sozialar­beit­er“ einge­führt wer­den und dann im näch­sten Satz von Frauen die Rede ist. Unser Wis­sen über die gesellschaftliche Real­ität sagt uns, dass Frauen wie Män­ner Sozialar­beit leis­ten und dass die Ver­wen­dung der masku­li­nen Form allein dem Behar­rungsver­mö­gen der Sprache geschuldet sein mag, aber der Wider­spruch zwis­chen sprach­lich­er Form und gesellschaftlich­er Real­ität irri­tiert für kurze Zeit und verur­sacht die beobachtete Verzögerung der Antwort.

  41. serotonic

    Ich finde Ihre Argu­men­ta­tion aus #com­ment-35213 inter­es­sant. Sie schreiben:
    “Ich kann sagen „Meine Stu­dentin­nen sind echt gut, vor allem der Typ mit dem Voll­bart“, und mein Gegenüber kann dann durch nach­denken darauf kom­men, dass ich aus irgen­deinem Grund mit Stu­dentin­nen eine gemis­chte Gruppe meine.”
    Sofern man diese Argu­men­ta­tion FÜR das gener­ische Maskulinum ein­set­zt, ist das Gege­nar­gu­ment schnell bei der Hand: Es wäre diskri­m­inierend, von Frauen zu ver­lan­gen, sich diese Bedeu­tung aus dem Kon­text zu erschließen.
    Ich habe mich zeitlebens als Frau vom gener­ischen Maskulinum ange­sprochen gefühlt und stimme Caldrin zu, dass eine stärkere Ver­ankerung seines geschlecht­sneu­tralen Gebrauchs eine zufrieden­stel­lende Lösung sein könnte.

  42. Peer

    @Caldrin
    “Frau Merkel ist die erste deutsche Bun­deskan­z­lerin” sagt genau das aus, was sie wollen. Das Wort “weib­lich” ist dann redun­dand. Denn Bun­deskan­z­lerin ist ja bere­its die fem­i­nine Form 🙂

  43. D. Müller

    >ent­standen sein sollte. Die deutsche >Sprache hat­te schließlich nie Prob­leme, >Män­ner und Frauen durch das Genus zu >unter­schei­den. Soll­ten wir annehmen, dass >es in den Jahrhun­derten, in denen Sol­dat­en >und Stu­den­ten tat­säch­lich stets Män­ner >waren, bere­its ein gener­isches Maskulinum >gab? Dass also die Sprach­be­nutzerIn­nen bei
    Jet­zt wird’s lustig. Schweiz­er waren in früheren Jahrhun­derten wohl auch nur Män­ner. Doch wie haben die sich vermehrt?

  44. Caldrin

    Bei­d­nen­nung
    A.S. schrieb:
    “Das Binnen‑I lässt sich in der gesproch­enen Sprache prob­lem­los in eine Bei­d­nen­nung auflösen”.
    Sie haben von mehreren Kom­men­ta­toren genan­nt bekom­men, warum Bei­d­nen­nung keine Lösung ist. Ihre Antwort darauf lässt sich als „Ich bin ander­er Mei­n­ung, sage aber nicht, warum“zusammenfassen. Nach Ihren eige­nen Kom­men­tierungsregeln müssten Sie den Kom­men­tar löschen.
    Natür­lich haben Sie als Haush­err das Recht, sich nicht an die eige­nen (sin­nvollen) Regeln zu hal­ten. Wenn Sie auf diese Art disku­tieren wollen und der zitierte Kom­men­tar nicht nur ein Aus­rutsch­er wäre, fände ich es fair, wenn Sie das dazusagen. Einen argu­ment­basierten Kom­men­tar zu for­mulieren ist ziem­lich­er Aufwand. Dieser Aufwand lohnt sich nicht, wenn bspw. ein über 400 Worte umfassender Text darüber, warum die Alter­na­tiv­en schlecht sind mit “einge­bildete Alter­na­tivlosigkeit” abgeschmettert wird.
    Ein (soweit ich sehe) noch nicht genan­ntes Argu­ment gegen Bei­d­nen­nung ist, dass es eine Bdeu­tungsän­derung gegenüber dem Gener­ikum mit sich bringt. Nehmen wir den Satz “ÄrztIn­nen gehen zum ÄrztIn­nenkongress”, dann wird (wenn wir ÄrztIn­nen als Gener­ikum akzep­tieren) nicht gesagt, wieviele davon männlich und wieviele weib­lich waren. Es kön­nten auch alles Män­ner oder alles Frauen sein. Wenn wir das aber als “Ärztin­nen und Ärzte gehen zum Ärztin­nen- und Ärztekongress”, dann muss mind. eine männliche und mind. eine weib­liche Arzt­per­son da hin gegan­gen sein, nach meinem Sprachge­fühl sog­ar jew­eils mehrere. Diese Bedeu­tungsän­derung kann sog­ar auf andere Satzglieder ausstrahlen. Beispiel: “Sieben ÄrztIn­nen …” würde zu “Sieben Ärztin­nen und Ärzte”. Es gibt mind. 3 Sprech­er die das ohne Nachzu­denken als “Je sieben Ärztin­nen und sieben Ärzte” verstehen.

  45. Caldrin

    @Peer
    Peer schrieb:
    > “Frau Merkel ist die erste deutsche
    Bundeskanzlerin”
    > sagt genau das aus, was sie wollen.
    Nicht ganz, denn ist nicht bedeu­tungs­gle­ich zu “Frau Merkel ist der erste weib­liche Bun­deskan­zler” (gener­isches Maskulinum). In let­zterem Fall wird der Akspekt “weib­lich” betont. Als Pro­gram­mier­er würde ich sagen “Frau Merkel war das erste Objekt der Klasse “Bun­deskan­zler” mit dem Attrib­ut “weib­lich”. Das sagt aber impliz­it, dass es vorher andere Bun­deskan­zler gab, die eben nicht weib­lich waren. Diese Aus­sage fehlt in Ihrem Satz. “Merkel war die erste Bun­deskan­z­lerin nach Schröder” und “Merkel war der erste Bun­deskan­zler nach Merkel” (wenn man das gener­ische Maskulinum akzep­tiert). “Merkel war der erste weib­liche Bun­deskan­zler nach Schröder” klingt für mich falsch.

  46. Verena Leija

    tief im Wissen
    Sehr gut erk­lärt, detail­re­ich und für mich sehr auf­schlussre­ich. Würde es gerne mein­er ehe­ma­li­gen Mit­stu­dentin zeigen, die genau diese Erk­lärun­gen für ihr masku­lines Schreiben ver­wen­dete. Ich bin stolz bei meinen Schreiben immer alle Geschlechter zu nen­nen, jawohl!

  47. gnaddrig

    @ D. Müller: Schweizer
    Früher ™ war es in der Regel so, dass nur der Mann als voll­w­er­tiger Men­sch galt. Die Frau wurde oft als eine Art funk­tion­al­ität­sre­duziertes Hil­f­swe­sen auf Men­schen­ba­sis betra­chtet (weniger Kör­perkraft, dumm bzw. weit­ge­hend bil­dung­sun­fähig, nur zum Kinderkriegen und für die unan­genehmen Auf­gaben geeignet sowie als Sexliefer­an­tin). Frauen hat­ten in Europa über Jahrhun­derte kaum Rechte, gal­ten prak­tisch als Eigen­tum ihres Vaters oder Ehe­manns, waren nicht oder nur sehr eingeschränkt geschäfts­fähig und wur­den vom Geset­zge­ber sys­tem­a­tisch benachteiligt. Da ist es kein Wun­der, wenn eben nur von Schweiz­ern gesprochen wurde und nicht auch von Schweiz­erin­nen. Die Volk­szuge­hörigkeit der Frau dürfte weit­ge­hend egal gewe­sen sein.
    Ich bin kein His­torik­er und bin mir bewusst, dass diese Darstel­lung über­spitzt, grob vere­in­facht und viel zu all­ge­mein ist (“in Europa” und “über Jahrhun­derte” impliziert eine großflächige Ein­heitlichkeit, die so wohl nicht gegeben war), aber ich denke, dass ich im Prinzip nicht allzuweit daneben­liege. Wann haben Frauen das Wahlrecht erhal­ten, z.B. in der Schweiz? Eben.

  48. Michael J. Hußmann

    Zurück zum Thema
    Hier wurde von mehreren Kom­men­ta­toren einge­wandt, geschlecht­sneu­trale Vari­anten wie das Binnen‑I wären im Gebrauch umständlich, wären nicht in die gesproch­ene Sprache über­trag­bar und so weit­er. Aber so inter­es­sant solche Diskus­sio­nen auch sein mögen: War das über­haupt das The­ma? Es ging doch eigentlich darum, ob die Hypothese eines gener­ischen Maskulinums im Deutschen halt­bar ist. Wenn die Dat­en dieser Hypothese wider­sprechen, müssen wir sie als wider­legt anse­hen, ganz gle­ich, ob uns das Deutsche bere­its per­fek­te Alter­na­tiv­en anbi­etet. Also: Wenn die Annahme eines gener­ischen Maskulinums unhalt­bar ist und es an guten Alter­na­tiv­en fehlt, dann ist die Annahme immer noch unhalt­bar. Wis­senschaft ist doch kein Wun­schkonz­ert. Wenn alle Dat­en gegen die Exis­tenz des Wei­h­nachts­man­ns sprechen, kann man ja auch nicht ein­wen­den: „Das geht doch nicht; wer soll denn dann die Geschenke bringen?“

  49. Statistiker

    Nach­frage
    @ caldrin, ich ver­misse Ihr “warum”, so bleibt es eine Unterstellung.
    A.S. hat seine Mei­n­ung im Blog­beitrag sehr deut­lich gemacht, und auch ich sehe keinen Grund, warum man nicht X und Xin­nen sagen sollte, wenn es keinen neu­tralen Aus­druck gibt.
    Bitte liefern Sie doch Argu­mente, damit man darauf einge­hen kann.

  50. Katja

    Wegen der schö­nen Wet­ter­prog­nose tru­gen mehrere der Frauen keine Jacke.”
    Zumin­d­est für mich impliziert dieser Satz, dass es sich bei den Sozialar­beit­ern nur um Frauen gehan­delt hat — dann hätte man allerd­ings gle­ich “Sozialar­bei­t­erin­nen” schreiben kön­nen. Da dies nicht der Fall war, würde ich auch von Män­nern aus­ge­hen. Insofern hat nicht der erste, son­dern der Nach­folge­satz den Auss­chlag gegeben.
    Des Weit­eren frage ich mich ja, ob bei den Mut­ter­sprach­lern nur Män­ner befragt wur­den, denn von Mut­ter­sprach­lerin­nen ist ja hier gar nicht die Rede! Stattdessen hätte man vielle­icht “Englän­der, Englän­derin­nen, Fran­zosen und Französin­nen” aus­führlich erwäh­nen sollen? Natür­lich wird das ab einem gewis­sen Grad wirk­lich absurd! Von mir aus Ansprache im all­ge­meinen Brief, in dem Män­ner wie Frauen gle­icher­maßen gemeint sind — aber bei jed­er Kleinigkeit auf ein gener­isches Maskulinum zu verzicht­en, weil es ange­blich nicht existiert?
    Ich als Frau füh­le mich mit “Stu­dent” genau­so ange­sprochen und halte es eher für weib­liche Über­he­blichkeit, wenn ich mit “Du bist doch Stu­dentIN” verbessert werde. Zwar bin ich son­st in vie­len Bere­ichen ver­mut­lich die erste, die auf­schre­it, wenn es um Ungerechtigkeit auf­grund eines fehlen­den Penis geht — aber ger­ade im der­ar­ti­gen Sprachge­brauch füh­le ich mich nun wirk­lich nicht ausgeschlossen.
    [Zu Ihrem ersten Punkt: Siehe meine Antwort zum Kom­men­tar von „alter Jakob“ oben. — A.S.]

  51. Studierendenfutter

    Dass das Maskulinum prob­lem­los gener­isch inter­pretiert wer­den kann, ist eine Tat­sache. Der lebende Beweis sind die neuen Bun­deslän­der. Wenn Frauen im öffentlichen Leben sicht­bar sind, benöti­gen sie keine ver­bale Sicht­bar­ma­chung, denn sie sind bere­its sicht­bar und Teil des Generischen.
    Die Frage ist aber eine ganz andere: Schafft man Gerechtigkeit, wenn man Frauen geson­dert benen­nt? Und welche Gerechtigkeit soll das sein? Oder muss Gerechtigkeit anders hergestellt wer­den, und sprach­liche Gym­nas­tik ist die Flagge eigen­nütziger Sym­bol­poli­tik? Oder ist das The­ma­tisieren des Geschlecht­es sog­ar eine Form von Oth­er­ing, eine Markierung von Frauen als die Anderen, die nicht männlichen, die man Kennze­ich­nen muss?
    [Das ist eine Behaup­tung, kein „leben­der Beweis“. — A.S.]

  52. phaeake

    @Michael J. Huß­mann Zurück zum Thema
    Sehr gerne noch ein­mal zum sprach­lichen Befund, den halte ich wirk­lich für diskussionswürdig:
    Ich habe es Her­rn Ste­fanow­itsch oben auch schon gefragt. Aber vielle­icht ist es ja auch inter­es­sant, Sie als Ste­fanow­itsch-Lesenden zu fra­gen: Ver­ste­hen Sie Her­rn Ste­fanow­itschs Attack­en gegen “Sprach­nör­gler” so, dass nur Män­ner gemeint sind?
    Wie wür­den Sie eine gemis­cht-geschlechtliche Drück­erkolonne benennen?

  53. Jan Gretschuskin

    Mein­er Erfahrung sind die Assozi­a­tio­nen im Wesentlichen auf dem Erfahrungss­chatz aufgebaut:
    ‑die Bauar­beit­er sind immer noch eine vornehm­lich männliche Gruppe
    ‑die Kindergärt­ner sind nach wie vor eine haupt­säch­lich weib­liche Gruppe
    Bei het­ero­generen Grup­pen mit in etwa gle­ichen Anteilen habe zumin­d­est ich
    das Prob­lem, dass expliz­it männliche Grup­pen her­vorge­hoben wer­den müssen:
    ‑Die Stu­den­ten feierten eine wilde Party
    ‑Den Bäck­ern bran­nte das Brot an
    Hier habe ich expliz­it eine gemis­chte Gruppe im Kopf — selb­st wenn der Ver­fass­er vielle­icht nur die Män­ner gemeint hat.
    Ger­ade bei älteren Jahrgän­gen mag bei Stu­den­ten eine rein männliche Assozi­a­tion vorherrschen, dies liegt wohl daran, dass es für die Unter-30 Gen­er­a­tion inzwis­chen selb­stver­ständlich ist, unge­fähr gle­iche Anteile bei den Stu­den­ten zu haben.
    Lediglich wenn ich von “die Infor­matik-Stu­den­ten feierten eine wilde Par­ty” spreche, kehren die “ich denke nur an Männer”-Momente zurück, eben weil die Erfahrung zeigt, dass der Frauenan­teil sehr niedrig ist.
    Daraus schließe ich, dass bei ein­heitlichen Grup­pen sowohl rein männliche als auch rein weib­liche Grup­pen sprach­lich beson­ders her­vorge­hoben wer­den müssen.
    [Inter­es­sant ist hier aber, dass diese Art von Stereo­typ­iz­ität­san­nah­men über die Zusam­menset­zung von Grup­pen nur in der englis­chen Ver­sion des Exper­i­ments einen Ein­fluss auf die Reak­tion­szeit­en hat­te (also dort, wo es kein gram­ma­tis­ches Geschlecht gibt). Im Deutschen und Franzö­sis­chen gab es solche Effek­te nicht. — A.S.]

  54. MCBuhl

    nicht jed­er gener­ische ist gleich
    das ist jet­zt schon wieder umständlich aus­ge­drückt… Nicht jede Ver­wen­dung von männlichen For­men und “mit meinen” von Frauen ist gle­ich — in den Kom­mentaren oben ist das Beispiel der Bürg­er Münchens genan­nt, bei dem es deut­lich leichter fällt, bei der männlichen Form auch die Frauen mit zu ver­ste­hen — anders als bei den Sol­dat­en. Inter­es­san­ter­weise kom­men­tieren einige Damen, dass sie sich bei “Stu­den­ten” mit­ge­meint fühlen (trotz der Exis­tenz des Worts “Studierende”). Mir scheint der Kom­men­tar von
    — Michael J. Huß­mann: Zurück zum The­ma — abso­lut zutr­e­f­fend — die Sprache deckt sich nicht mit der gesellschaftlichen Wirk­lichkeit und es wird sich eine sprach­liche Lösung find­en. Wir wis­sen nur noch nicht wie sie ausse­hen wird; einige Vorschläge sind ja zu find­en, sind aber nicht Gegen­stand des Artikels: only time will tell, gell?

  55. LMK

    Gibt es eigentlich irgend eine Beze­ich­nung im Fem­i­ninum, bei der automa­tisch auch die Män­ner mit­ge­meint sind? Der Begriff “gener­isches Fem­i­ninum” ist mir bish­er noch nicht aufgefallen.

  56. Michael J. Hußmann

    @phaeake
    [quote]Verstehen Sie Her­rn Ste­fanow­itschs Attack­en gegen “Sprach­nör­gler” so, dass nur Män­ner gemeint sind?
    Wie wür­den Sie eine gemis­cht-geschlechtliche Drück­erkolonne benennen?[/quote]
    Nein, ich ver­stand Her­rn Ste­fanow­itsch nicht so (obwohl Sprach­nör­gler wohl tat­säch­lich im Regelfall Nör­gler und keine Nör­g­lerin­nen sind; das entspricht jeden­falls mein­er Erfahrung). Aber es geht doch nicht darum, auch bei Ana­tol Ste­fanow­itsch mal einen Fehler, eine Schlu­dri­grigkeit oder Inkon­se­quenz zu find­en. In der Schule mag es einem ja eine gewisse Befriedi­gung ver­schaf­fen, dem Lehrer mal einen Fehler nach­weisen zu kön­nen, aber sind wir dafür nicht zu alt?
    Und was die Drück­erkolonne bet­rifft: Ich kann mir alle möglichen Vari­anten vorstellen, die vielle­icht sper­rig oder irri­tierend wirken und von vie­len nicht akzep­tiert wür­den, aber die Suche nach guten und prak­tik­ablen Lösun­gen für geschlecht­sneu­trale For­mulierun­gen ist eben ein The­ma für sich. Die Frage, die hier anste­ht, ist die nach der Exis­tenz eines gener­ischen Maskulinums im Deutschen. Ana­tol Ste­fanow­itsch hat seine Argu­mente dage­gen genan­nt und mit dem Ver­weis auf empirische Unter­suchun­gen unter­mauert; ich finde sie ins­ge­samt überzeu­gend. Das ist aber nur Wis­senschaft und noch nicht die Lösung von Prob­le­men des Sprachge­brauchs. Wenn man sein­er Argu­men­ta­tion fol­gt, heißt das zunächst ein­mal nur, dass eine ein­fache und daher oft favorisierte Lösung keine ist, da sie auf Wun­schdenken grün­det – wir kön­nen nicht guten Gewis­sens weit­er das Maskulinum ver­wen­den und behaupten, es sei ein gener­isches Maskulinum. Denn eben dieses gäbe es ja gar nicht (im Deutschen).

  57. Gast

    Unter­suchungsvorschlag
    Wie waere es denn mal mit ein­er Unter­suchung, ob die massen­weise Ver­wen­dung von /innen die Erken­nung des “gener­ischen Maskulinum” geistig aufwaendi­ger macht?

  58. Mela

    Gen­der­gap
    Wie sieht das mit dem Gen­der­gap aus? Län­gere Texte mit Gen­der­gap empfinde ich per­sön­lich als unles­bar, kürzere als entnervend.

  59. Iwanuschka

    @Christoph Päper
    > Mglw. sagte er im Orig­i­nal „;8=B>=0“
    Fremd­sprachige Namen haben im Rus­sis­chen keine geson­derten männlichen oder weib­lichen For­men, Sie Experte.

  60. phaeake

    @ Michael J. Hußmann
    Es geht mir keines­falls darum, Her­rn Ste­fanow­itsch nachzuweisen, mit der Ver­wen­dung des Begriffs “Sprach­nör­gler” eine Schlu­drigkeit began­gen zu haben. Vielmehr würde ich darin, dass er diesen Begriff — Ihres Eracht­ens — frauenein­schließend ver­wen­dete und Sie und ich ihn auch so ver­standen haben haben, einen Beweis für die Exis­tenz des gener­ischen Maskulinums sehen und damit — Ihrem Wun­sch entsprechend — zum The­ma zurückkehren.

  61. digiom (Jana Herwig)

    Danke sehr
    Statt müh­selige Nicht-Diskus­sio­nen zu führen mit Per­so­n­en, die sich von meinem Gen­dern moralisch ermah­nt fühlen*, werde ich ab jet­zt ein­fach auf diesen Artikel verweisen.
    *: Ein merk­würdi­ger Effekt, auf den ich immer wieder stoße — Per­so­n­en meinen, ich gen­derte, um andere auf ihr Nicht-Gen­dern aufmerk­sam zu machen. Ich gen­dere, weil ich mich selb­st nicht als im gener­ischen Maskulinum mitadressiert fühle.

  62. Centrum

    Dierk: SekretärIn
    Es stößt uns richtgge­hend auf, wenn jemand von Gen­er­alsekretärin spricht statt von Generalsekretär.

  63. D. Müller

    @gnaddrig: Ihre Darstel­lung ist nicht nur über­spitzt, sie hat auch mit der Argu­men­ta­tion, auf die sie sich bezieht, wenig zu tun. Es geht hier nicht um die Bin­sen­wahrheit, dass Frauen früher generell (und in vie­len Län­dern noch heute) weniger Rechte hat­ten als Män­ner, son­dern um die lin­guis­tis­che Frage, ob das gener­ische Maskulinum mit dem Ver­weis auf bes­timmte Grup­pen, die früher im Gegen­satz zu Schweiz­ern oder Finnen (Erste­in­führer des Frauen­wahlrechts) tat­säch­lich rein maskulin waren, als Mythos ent­larvt wer­den kann. Die Antwort lautet nein.
    Entschei­dend ist, ob sich Frauen beim gener­ische Maskulinum ange­sprochen fühlen. Die Antwort lautet: ein klares Jein.

  64. Matthias

    Da ja wieder­holt die Frage aufge­wor­fen wurde, ob sich Frauen beim soge­nan­nten gener­ischen Maskulinum mit­ge­meint fühlen, möchte ich fra­gen: Was heißt eigentlich “mit­ge­meint fühlen”? Ich kann natür­lich Mädchen/jungen Frauen im Rah­men ihrer Erziehung und Aus­bil­dung qua­si-axioma­tisch ein­trichtern, dass sie immer mit­ge­meint seien, wenn jemand von “Stu­den­ten” oder “Bürg­ern” spricht. Basierend auf dieser Indok­tri­na­tion wird sich die junge Frau dann wom­öglich “mit­ge­meint fühlen”, nur ist das gar nicht das Zielkri­teri­um: Die Frage ist doch, ob die Frauen bei der Benutzung ver­meintlich gener­isch­er For­men *tat­säch­lich* mit­ge­meint sind. Dass die Evi­denz in Form method­isch sauber gear­beit­eter Empirie eher dage­gen spricht, ist doch oben schön dargelegt worden.
    Es kommt hinzu, dass des selb­ständi­gen Denkens mächtige Frauen (und das sind mehr als viele Män­ner wahrhaben wollen…) die Def­i­n­i­tion “männliche For­men meinen auch Frauen” zwangsläu­fig irgend­wann hin­ter­fra­gen wer­den: Wieso soll ich mit­ge­meint sein, wenn doch gle­ichzeit­ig die Fem­i­ni­na “Stu­dentin” und “Bürg­erin” existieren?

  65. Tom

    @gnaddrig
    “P.S.: Hal­ten Sie Leute, die sich bemühen, nie­man­den zu diskri­m­inieren und alle Men­schen als gle­ich­w­er­tig zu behan­deln, wirk­lich für anormal?”
    Nein, ganz und gar nicht. Gle­ich­be­hand­lung ist ist richtig und wichtig. Sich aber an solchen Kleinigkeit­en hochziehen und das Leben unnötig verkom­plizieren (ger­ade ihr Beispiel mit der Hau­sor­d­nung) ist für mich unnötig. Da wer­den die wichti­gen Sachen und Fak­ten in viel schw­er­er ver­ständlichem “Blah­Blah” ver­steckt und gehen unter. Men­schen, die sowas ern­sthaft machen, sind mir unsym­pa­thisch. Ich habs halt lieber klar und deutlich.

  66. gnaddrig

    @ Iwanusch­ka:
    Stimmt schon, aber weib­liche aus­ländis­che Namen wer­den im Rus­sis­chen nicht dek­lin­iert, männliche schon: #;8F0 0@;0 0@:A0 — Uliza Kar­la Mark­sa, aber #;8F0 ;0@K &5B:8= — Uliza Klary Zetkin. Wenn also von ;8=B>=0 die Rede ist, muss sich das eigentlich auf einen männlichen Clin­ton beziehen.
    @ Tom:
    Stimmt, manche Leute brin­gen es mit solchen Sachen auf bemerkenswerte Pen­e­tranz, ganz unab­hängig davon, ob das Anliegen an sich berechtigt ist und sie in der Sache recht haben.

  67. Matthias

    Gibt es eigentlich Unter­suchun­gen, wie Frauen (oder auch Män­ner) die jugend­sprach­liche Anrede “Alter” (oder bess­er: “Alder”) empfind­en? Ich höre nicht sel­ten, dass selb­st in einem Gespräch unter weib­lichen Teenagern am Ende eines Satzes noch ein “Alder” ange­fügt wird (z.B. “Wie spät iss­es eigentlich, Alder?”), ohne dass Sprecherin oder Adres­satin sich dabei merk­würdig vorkom­men. Man mache auch nicht den Fehler und weise die Mädels darauf hin, dass es doch “Alde” heißen müsste. 😉
    In eine möglicher­weise ähn­liche Schublade gehört das englis­ches “you guys”, das als eine Art inof­fizielle “ihr”-Form benutzt wird, selb­st für eine rein weib­liche Gruppe, obwohl “guys” eigentlich “Ker­le” bedeutet. Offen­bar ver­wen­den selb­st viele Frauen diese Wen­dung, wen­ngle­ich es auch den (gefühlt deut­lich weniger ver­bre­it­eten) Ersatz “you gals” (=girls) gibt.

  68. merti

    Eine Frage
    In ein­er Schweiz­er Zeitung ste­ht heute: “Die Per­sön­lichkeit des Jahres hat für das ‘Time’-Magazin 2011 keinen Namen: Die US-Zeitschrift entsch­ied sich bei ihrer tra­di­tionellen Wahl für den anony­men Demon­stran­ten und ehrte damit die Men­schen, die von den Protesten in der ara­bis­chen Welt bis zur Occu­py-Bewe­gung in New York auf die Strasse gegan­gen sind.”
    Auf dem Titel­blatt der Times ist eine Frau, eine Demon­stran­tin also, abge­bildet. Die Wirkung ist irri­tierend, denn unter dem im Text erwäh­n­ten “anony­men Demon­stran­ten” stelle ich mir defin­i­tiv einen Mann vor.
    Hat jemand eine Idee, wie man dieses Dilem­ma lösen kann?

  69. Monika Hendlmeier

    gener­isches Femininum
    @LMK
    Zitat: “Gibt es eigentlich irgend eine Beze­ich­nung im Fem­i­ninum, bei der automa­tisch auch die Män­ner mit­ge­meint sind? Der Begriff “gener­isches Fem­i­ninum” ist mir bish­er noch nicht aufgefallen.”
    Ein Wort, das mir auf Anhieb ein­fällt, ist “Geschwis­ter”.
    [Geschwis­ter ist ein Neu­trum. — A.S.]

  70. Monika Hendlmeier

    Münch­ner­in­nen und Münchner
    @ frauschmitt
    Sie schreiben: “Wenn man zum X. Mal […] “Münch­ner­in­nen und Münch­n­er” geschrieben hat, fängt es an sper­rig zu werden. […]
    Ich ver­suche das Prob­lem zu lösen, in dem ich von Fall zu Fall entschei­de, ob ich jet­zt wirk­lich eine Bei­d­nen­nung brauche. Das Binnen‑i ist für mich aus ästhetis­chen Grün­den keine Lösung, es liest sich ein­fach unschön und die weib­liche Form ist aus mein­er Sicht hier überbetont.”
    Aus der aktuellen Sta­tis­tik von München:
    München
    1.330.440 Einwohner:
    — 643.090 Männer
    — 687.350 Frauen
    Da es in München also mehr Frauen als Män­ner gibt, empfinde ich die Nen­nung der weib­lichen Form nicht als “über­be­tont”.
    Das Prob­lem ließe sich ganz ein­fach lösen, indem man nur von “Münch­ner­in­nen” spricht. Diese sind schließlich die Mehrheit und selb­stver­ständlich ist bei der Beze­ich­nung “Münch­ner­in­nen” auch die Min­der­heit der Münch­n­er Män­ner mitgemeint.

  71. David

    Ein Wort, das mir auf Anhieb ein­fällt, ist “Geschwis­ter”.

    Warum soll das ein Fem­i­ninum sein?

  72. Phaeake

    Ein­fache Lösung für merti
    “Auf dem Titel­blatt der Times ist eine Frau, eine Demon­stran­tin also, abge­bildet. Die Wirkung ist irri­tierend, denn unter dem im Text erwäh­n­ten “anony­men Demon­stran­ten” stelle ich mir defin­i­tiv einen Mann vor.”
    Ganz ein­fach: Man muss “The Pro­test­er” eben zutr­e­f­fend mit “Die Demon­stran­tin” über­set­zten. Natür­lich kann das englis­che Wort auch “Der Demon­strant” heißen, aber die Redak­tion des Mag­a­zins hat doch ganz klar gemacht, dass sie an eine Frau gedacht hat, also ist diese Über­set­zung im Sinne des Autors des Ursprung­s­textes klar vorzugswürdig. Kein männlich­er Demon­stri­eren­der sollte Schwierigkeit­en haben, sich mit­geehrt zu fühlen.
    Als geschlecht­sneu­trale Benen­nung fiele mir nur “DEMONSTRIERENDER Men­sch” ein.

  73. kwen

    @ mer­ti
    ich finde grade dieses irri­tierende moment span­nend und bin all­ge­mein für mehr ver­wirrung, was die beze­ich­nung der geschlechter (egal ob nun sex oder gen­der) ange­ht. ich stelle mir unter dem demon­stran­ten ehrlich gesagt auch eine männliche per­son. nicht nur das: die per­son in meinem kopf ist auch noch weiß, het­ero­sex­uell und mitte 20…

  74. Achim

    @ cen­trum: Sekretärin
    Die Vor­vorgän­gerin des inzwis­chen ja auch schon wieder abgängi­gen Her­rn Lind­ner war eine gewisse Frau Pieper (deren Vorgänger übri­gens ein gewiss­er Herr West­er­welle). Und ja, es wäre mir aufgestoßen, wenn Frau Pieper als Gen­er­alsekretär beze­ich­net wor­den wäre. Sie war doch Generalsekretärin.

  75. jm2c

    i
    Wie wäre es mit den Suf­fix “i” für het­ero­gen Gruppen?
    Z.B:
    Beamte + Beamtin­nen = Beamti
    Arbeit­er + Abei­t­erin­nen = Arbeiteri
    Kan­zler + Kan­z­lerin = Kanzleri
    Hebam­mer­er(?) + Hebam­men = Hebammeri
    jm2c

  76. DIYicus

    to love.to be loved…and to be a banker
    Eine weit­ere (fün­fte?) Möglichkeit, das gener­ische Maskulinum zu feminisieren:
    “die Herrschaft”,
    “die Sozialarbeiterschaft”,
    “die Sekretärschaft”.
    Indizienbeweis:
    “Frau Merkel ist die fün­fte Bun­deskan­zler­schaft aus der CDU.”

  77. Phaeake

    @jm2c Was aber wenn
    Schöne Idee!
    Was aber, wenn schon das Maskuli­um auf ‑i endet — wie z.B. “der Ossi” — und man der unter anderem von ZDF-Jour­nal­ist Wolf­gang Her­les vertrete­nen Auf­fas­sung fol­gt, dass das Fem­i­ninum dann fol­gerichtig “die Ossa” laut­en muss? Wie beze­ich­nen Sie dann eine Gruppe ost­deutsch­er Män­ner und Frauen. “Die Ossis” wäre (drei Kreuze) eine Aus­gren­zung der Frauen. Die Ossii? Die Ossi‑i? Die Ossierenden?

  78. Heiko C.

    Ich finde ja, und das mag rein sub­jek­tiv sein, die For­men mit Schrägstrich, Binnen‑I oder Gener_gap unglaublich hässlich.
    For­men wie “Studierende” finde ich okay, denke jedoch, dass solche For­men nicht für alle Beruf­s­grup­pen möglich sind. (Pilo­tende, Polizierende)
    Trotz­dem ver­ste­he ich schon das Prob­lem, denke aber, dass es ohne größere Ein­griffe in die Sprache nicht zu beheben ist.Am besten man ver­wen­det für alle Berufs­beze­ich­nun­gen und per­son­lisierte Ver­ben den säch­lichen Artikel.
    Das wäre min­destens eine Gen­er­a­tion unglaublich nervig für alle, die es anders gel­ernt haben, jedoch zu machen, wenn die Medi­en das nur früh kon­se­quent genug übernehmen.

  79. Phaeake

    @Heiko C.
    Meinen Sie das im Ernst? Wollen Sie dann für diejeni­gen, die nicht auss­chließlich aktuelle Texte lesen, auch die Lit­er­aturbestände durchgendern?
    “Nun war dieses braves Lehrer
    Von dem Tobak ein Verehrer”

  80. at

    Selek­tive Logik
    Bei der Auf­nahme von Anglizis­men darf sich die Sprache also entwick­eln, aber ein gener­isches Maskulinum gibt es nicht, weil … nun, weil es das eben bis­lang nicht gab.
    [Sie dür­fen gerne ver­suchen, ein gener­isches Maskulinum zu entwick­eln (man fragt sich allerd­ings, warum Sie das tun wollen). Zum Unter­schied zwis­chen gerechter Sprache und Sprach­puris­mus siehe anson­sten hier. — A.S.]

  81. Anatol Stefanowitsch


    @frauschmitt: Sprachäs­thetik sollte besten­falls ein Ans­porn sein, schön und diskri­m­inierungs­frei zu schreiben.
    @phaeke: 1.) Es sind tat­säch­lich fast immer Män­ner! Ich habe deshalb das Maskulinum bei Sprach­nör­gler schon ein­mal irgend­wo gerecht­fer­tigt, finde die Stelle aber ger­ade nicht. 2.) Ich sage tat­säch­lich häu­fig die Studieren­den, manch­mal aber auch ein­fach die Stu­dentin­nen — näm­lich dann, wenn (wie es in unserem Fach nicht ungewöhn­lich ist) auss­chließlich Frauen das Sem­i­nar besuchen.
    @Daniel: zu 3) — Kom­posi­ta sind in der Tat oft ein beson­deres Problem.
    @Mareike Kaa (und ähn­liche Kom­mentare): Es hat wenig Zweck, Ihre eigene Intu­ition höher zu bew­erten als die Ergeb­nisse wis­senschaftlich­er Stu­di­en. Wenn unsere Intu­ition ver­lässlich wäre, bräucht­en wir keine Wissenschaft.
    @Achim: zu 3): Man müsste die Audioaus­gabe instru­ieren, ein Binnen‑I in „X und X‑innen“ aufzulösen. Tech­nisch sollte das kein Prob­lem sein.

  82. OH

    Aus­sagekraft?
    @A.S.:
    Zitat:
    “Die Ver­suchsper­so­n­en waren Studierende, genauere Alter­sangaben gibt es nicht.”
    Dann halte ich es aber für gewagt, Ergeb­nisse dieser Studie in irgen­dein­er Art und Weise zu ver­all­ge­mein­ern. Eine repräsen­ta­tive Stich­probe der All­ge­mein­heit ist das nicht. Als solch­es ist der Stu­di­en­auf­bau alleine schon nicht in der Lage, die gestellte Frage zu beant­worten — damit erübrigt sich prinzip­iell auf die Erörterung weit­er­er Schwächen
    “@Mareike Kaa (und ähn­liche Kom­mentare): Es hat wenig Zweck, Ihre eigene Intu­ition höher zu bew­erten als die Ergeb­nisse wis­senschaftlich­er Stu­di­en. Wenn unsere Intu­ition ver­lässlich wäre, bräucht­en wir keine Wissenschaft”
    Sor­ry, aber das ist doch Klit­terei und verken­nt die Bedeu­tung der Intu­ition für die Wis­senschaft. Ins­beson­dere in Anbe­tra­cht der Tat­sache, dass Intu­ition auch in Stu­di­en ein­fließt, ins­beson­dere ins Stu­di­en­de­sign, bei dem immer bes­timmte Annah­men zugrun­deliegen. Und genau deswe­gen sollte man mit dem Inter­pretieren auch sehr vor­sichtig sein, und anstatt mit freud­e­strahlend mit ein­er Studie zu wedeln, die die eigene (vorge­fasste) Mei­n­ung bestätigt lieber erst­mal ver­suchen, Löch­er in die Studie zu schießen.
    Wer wis­senschaftliche Stu­di­en als Wahrheit™ ansieht, hat großen Nach­holbe­darf in Wissenschaftstheorie.

  83. phaeake

    @ A.S.
    Her­zlichen Dank. Im Bewusst­sein des Risikos, in einen Haarspal­terei­wet­tkampf mit Her­rn Wulff einzutreten: Ver­ste­he ich Sie richtig, dass bei ein­er sehr starken Überzahl männlich­er Sprach­nörgel­nder das Maskulinum erlaubt ist, von Stu­dentin­nen sprechen Sie aber nur, wenn *wirk­lich alle* Studieren­den weib­lich sind?

  84. NörglerIn

    @ OH Aussagekraft?
    Die einzige zitierte Studie, die im Netz frei ver­füg­bar zu sein scheint, ist Gabriel et al. (2008). Daraus ergibt sich, daß sich dort das Alter der Test­per­so­n­en zwis­chen 18 und 35 bewegte, aber auch, daß die englis­chen Test­per­so­n­en fast auss­chließlich Frauen waren.
    Fern­er fan­den die Tests zu Franzö­sisch und Deutsch bei­de in der Schweiz (Neucha­tel und Bern) statt (worauf die Autoren kor­rek­ter­weise aus­drück­lich hinweisen)
    Ein Ver­gle­ich der englis­chen und der Schweiz­erischen Testergeb­nisse ver­bi­etet sich daher von selb­st, in welch­er Hin­sicht auch immer. Auch eine Ver­all­ge­meinerung der Schweiz­erischen Ergeb­nisse auf den franzö­sis­chen und deutschen Sprachraum ist zumin­d­est nicht ohne weit­eres möglich.
    Keine Angaben finde ich in dieser Studie über die Fachrich­tun­gen der beteiligten Stu­den­ten. Han­delte es sich vielle­icht nur um Stu­den­ten der Sprach­wis­senschaft? Oder waren natur- und geis­teswis­senschaftliche Fäch­er repräsen­ta­tiv vertreten?
    Faz­it: irgendwelche all­ge­meine Schluß­fol­gerun­gen aus dieser Studie zu ziehen, ist zumin­d­est sehr gewagt. Selb­st die Autoren sind mit ihren Schluß­fol­gerun­gen sehr vor­sichtig (“we hope to have pro­vid­ed excel­lent mate­ri­als for fur­ther investigations”).

  85. Nele

    zur Gen­er­al­isier­barkeit von Studien
    Hal­lo Oh und SprachnörglerIn,
    ich bin Psy­cholo­gi­es­tu­dentin und habe mich exzes­siv genug mit klas­sis­chen Stu­di­en beschäftigt, um Ihnen ver­sich­ern zu kön­nen: Wann immer möglich, wer­den solche Stu­di­en an Studieren­den durchge­führt, die dafür kein Geld, son­dern Stu­di­en­punk­te erhal­ten (und oblig­a­torisch an solchen Stu­di­en teil­nehmen müssen). Die Ver­suchsper­so­n­en sind zumeist Studierende der Psy­cholo­gie (eventuell auch der Lin­guis­tik, A.S.?), da in den meis­ten anderen Stu­di­engän­gen solche fürs Studi­um oblig­a­torischen VP-Stun­den unbekan­nt sind.
    Es sei Ihnen ver­sichert, es gibt bere­its eine Debat­te über die Gen­er­al­isier­barkeit solch­er Stu­di­energeb­nisse — und den Sinn und Unsinn solch­er Zwangsverpflich­tun­gen. Allerd­ings wäre es auch nicht sin­nvoll, deshalb gle­ich ein­deutig erkan­nte Effek­te sofort wegzure­den (Warum sollte dieser Effekt *nur* in dieser Stich­probe auftrete?). Aber wenn’s Ihnen Spaß macht, kön­nen Sie mit diesem Argu­ment auch gerne gle­ich einen Großteil der human­wis­senschaftlichen Forschung der let­zten Jahrzehnte vom Tisch wis­chen — auch gut belegte und oft replizierte Unter­suchun­gen, wie z.B. die Studie von Katz und Braly zu ras­sis­tis­chen Stereo­typen, die bere­its 1932 gerne ihre Studieren­den dafür benutzten (Stich­probe: 100 Princeton-Studierende).
    Da hil­ft kein Nörgeln, son­dern nur mehr Forschungsgelder.
    *Ich kann bei Inter­esse gerne die genauen Zahlen nachreichen.

  86. Nele

    Entschuldigung!
    Es hieß Nör­g­lerIn, nicht “Sprach­nör­g­lerIn”! (Immer dieser Freud!)

  87. Rene Brosig

    richtige Beobach­tung — falsch­er Schluss
    Die Aus­führun­gen erin­nern mich zuweilen an Marx. Eine her­vor­ra­gende Analyse, die lei­der in falschen Schlüssen mündet.
    Sofern mit dem Gener­ikum ein Maskulinum ver­bun­den wird, was nach der Studie ja der Fall zu sein scheint, ist es wenig zielführend die Sprache zu ändern. Ist es nicht viel sin­nvoller die Assozi­a­tion mit dem Maskulinum zu ändern?

  88. stefle

    @LMK
    Zitat: “Gibt es eigentlich irgend eine Beze­ich­nung im Fem­i­ninum, bei der automa­tisch auch die Män­ner mit­ge­meint sind? Der Begriff “gener­isches Fem­i­ninum” ist mir bish­er noch nicht aufgefallen.”
    Was ist mit “Per­son”?

  89. Juliana

    Logik des Exper­i­ments und Intuition
    @OH @NörglerIn
    Die Ergeb­nisse exper­i­menteller Stu­di­en abzu­tun, indem man darauf hin­weist, dass die Ver­suchsper­so­n­en keine repräsen­ta­tive Stich­probe der Bevölkerung sind, heißt, die Logik eines Exper­i­ments nicht ver­standen zu haben. Im Gegen­satz zu Umfra­gen, bei denen tat­säch­lich eine repräsen­ta­tive Stich­probe entschei­dend ist, funk­tion­iert ein Exper­i­ment so, dass man unter kon­trol­lierten Bedin­gun­gen EINE Vari­able manip­uliert und misst, ob und welchen Effekt dies hat. Dazu braucht man (im Gegen­satz zu Umfra­gen) eine klare Hypothese, die durch die Ergeb­nisse entwed­er fal­si­fiziert oder bestätigt (nicht bewiesen) wird, näm­lich dann, wenn eine Verän­derung der einen (unab­hängi­gen) Vari­able eine sta­tis­tis­che sig­nifikante Verän­derung des Ver­hal­tens der Ver­suchsper­so­n­en (der abhängi­gen Vari­able) bewirkt. Alles andere muss möglichst kon­stant gehal­ten wer­den — eine möglichst homo­gene Gruppe von Ver­suchsper­so­n­en ist daher oft eher wün­schenswert als eine Schwäche des Ver­such. Diese Bedin­gun­gen sind in den vor­liegen­den Stu­di­en erfüllt wor­den. Inner­halb der Gruppe der Ver­suchsper­so­n­en hat eine Vari­a­tion des sprach­lichen Inputs zu unter­schiedlichen Reak­tion­szeit­en und Akzept­abil­ität­srat­ings geführt. Sub­stanzielle Kri­tik an den Stu­di­en müsste argu­men­tieren, dass es a) Stör­vari­ablen gibt, die das Ergeb­nis sys­tem­a­tisch bee­in­flussen (in diesem Fall kön­nen das aber NICHT die Ver­suchsper­so­n­en sein, da bei jed­er Ver­suchsper­son die unab­hängige Vari­able verän­dert wurde — es müsste in den Stim­uli sel­ber liegen), oder b) wie Nele sehr richtig sagt, dass das vari­able Ver­hal­ten nur in der Ver­suchs­gruppe auftreten könnte.
    Diese Art der empirischen Unter­suchung und Umfra­gen sind zwei völ­lig unter­schiedliche Forschungslogiken. Hätte man eine Umfrage durchge­führt, wie Leute das soge­nan­nte “gener­ische Maskulinum” ver­ste­hen und empfind­en, hätte es sich in der Tat ver­boten, auss­chließlich junge Studierende zu befragen.
    (Ich empfehle hierzu die Ein­führung von Oswald Huber, Das psy­chol­o­gis­che Exper­i­ment. Wenn man das ver­standen hat, darf man wieder freud­e­strahlend mit Wis­senschaft­s­the­o­rie wedeln und ver­suchen, Löch­er in die Stu­di­en zu schießen.)
    Intu­ition ist sich­er ein wichtiger Teil von Forschung. Allerd­ings bleibt eine empirische Studie nicht dabei ste­hen, die Intu­ition des Forsch­ers als entschei­dend zu betra­cht­en und daraus Schlussfol­gerun­gen zu ziehen, wie es in den Kom­mentaren hier immer wieder geschieht. Vielmehr wer­den auf­grund intu­itiv­er Urteile Hypothese gener­iert, die dann nach oben beschrieben­er Logik exper­i­mentell über­prüft wer­den. Wenn ich also ein Gefühl habe, bspw. dass MEINE Züge immer Ver­spä­tung haben, andere aber nicht, ist das kein Forschungsergeb­nis, son­dern allen­falls eine Hypothese, die ich über­prüfen muss. Kommt dabei mit objek­tivier­baren Mess­meth­o­d­en nichts her­aus, ist es wahrschein­lich, dass ich mich geir­rt habe.

  90. freek

    Es gibt Themen
    Es gibt The­men die lenken nur davon ab wom­it Frauen eigentlich wirk­lich Prob­leme haben.
    — mit ihrem biol­o­gis­tisch geprägten Selbstbild
    — ihre Begeis­terung für Sprache und Zwischenmenschliches
    — ihr Man­gel an Begeis­terung für Tech­nik und Physik
    Wer sich Stereo­typ ver­hält wird auch Stereo­typ behandelt.
    Ach­ja: Plansprachen sind so gut wie immer zum Scheit­ern verurteilt. Vielle­icht soll­ten sich die Damen hier weniger Gedanken über die sprach­liche Form machen son­dern lieber darüber wie man unser Energie/Mobilitäts/Klimaproblem tech­nisch löst. Dann wirds vielle­icht auch was mit dem Chefsessel.
    Wer glaubt Psy­cholo­gie oder Ger­man­is­tik würde einen für einen lei­t­en­den Posten oder eines hochbezahlten Inge­nieurs eines Indus­trie­un­ternehmens qual­i­fizieren liegt ein­fach grottenfalsch.

  91. David

    Wer glaubt Psy­cholo­gie oder Ger­man­is­tik würde einen für einen lei­t­en­den Posten oder eines hochbezahlten Inge­nieurs eines Indus­trie­un­ternehmens qual­i­fizieren liegt ein­fach grottenfalsch.

    In der Tat ver­fol­gt die Ger­man­is­tik gemein­hin nur ein einziges beschei­denes Ziel: Die Ver­mei­dung von Anakoluthen.

  92. Christoph Päper

    Gram­matik­ter­mi­nolo­gie nicht hilfreich
    Matthias: „“männliche For­men meinen auch Frauen”“
    Das wäre auch ter­mi­nol­o­gisch lin­guis­tis­che Steinzeit. Die Aus­sage: „unmarkierte For­men kön­nen Män­ner, geschlechtlich unbes­timmte Indi­viduen oder gemis­chte Grup­pen beze­ich­nen, markierte For­men referieren nur auf weib­liche Indi­viduen oder Grup­pen“ habe ich allerd­ings noch nicht wider­legt gesehen.
    Wenn ich die Inhalte mein­er Ver­anstal­tun­gen zur ger­man­is­tis­chen Sprachgeschichte nicht völ­lig durcheinan­der bringe, hat sich bei der markierten Form übri­gens ein Bedeu­tungswan­del vol­l­zo­gen: ursprünglich diente sie für Grup­pen­beze­ich­nun­gen, während die unmarkierte Form für Indi­vid­u­al­ref­eren­zen genutzt wurde. Das gilt eben­falls auf Lex­e­mebene, daher heißt es gestüt und nicht *gehengst oder *gepferd.

  93. stefle

    Was lei­der im Artikel nicht erwäh­nt wird, ist die Sprech­barkeit. Bei “Stu­den­ten und Stu­dentin­nen” oder “jede bzw. jed­er” ist das noch kein Prob­lem, aber sowas wie “jede/r” oder “Stu­dentIn” ist im Gesproch­enen ein Prob­lem, das sind rein schrift­sprach­liche Phänomene. Und wie soll man mit Häu­fun­gen umge­hen? Z.B. Rel­a­tivpronomen: Soll man sagen “jed­er, der bzw. jede, die …” oder “jede bzw. jed­er, die bzw. der …”? Was bedeutet es für eine Sprache, wenn sich das Geschriebene und Gesproch­ene mehr auseinan­der­en­twick­eln als nötig? Ist geschriebene Sprache, die sich schw­er vor­lesen lässt, minderwertig?
    Es mag sein, dass Höflichkeit auch eine gewisse Umständlichkeit recht­fer­tigt. Aber bei Tex­ten mit vie­len Pronomen wird es schon SEHR holperig. Pronomen dienen ja ger­ade der Vere­in­fachung. Geschlecht­sneu­trale Sprache kann Sprache kaputtmachen.
    Mir scheint auch der «Sex­is­mus» tief ver­ankert zu sein. Kann man sagen: «eine gewisse Jemand»? Schließlich ist das Pronomen doch neu­tral («jemand anderes»). Und klingt «wer» nicht ziem­lich nach «er»?
    Wir brauchen eine neue Sprache, sozusagen vom Reißbrett.
    Inter­es­sant ist, dass «die Per­son» hier in der Diskus­sion als «neu­tral» durchgeht.
    Stafanow­itsch schreibt:
    “wie gut die Ver­suchsper­so­n­en sich an den Inhalt des Gele­se­nen erin­nern (ein objek­tives Maß für die Ver­ständlichkeit) und zweit­ens, wie „ver­ständlich“ und „les­bar“ die Ver­suchsper­so­n­en den Text fan­den (ein sub­jek­tives Maß für die Verständlichkeit)”
    Warum hat man es unter­lassen, die Les­barkeit objek­tiv zu testen? Z.B. durch Messen der Lesegeschwindigkeit. Es ist dur­chaus möglich, dass die männlichen Ver­suchsper­so­n­en die Les­barkeit richtig eingeschätzt haben.

  94. Thomas

    Arbei­t­erin­nen
    Hier muss aber ange­merkt wer­den, dass die Auswahl des Berufs das Ergeb­nis ver­fälscht. Ger­ade bei Arbeit­ern und Arbei­t­erin­nen (wie auch bei Bauern und Bäuerin­nen) gibt es seit über 100 Jahren explizite weib­liche For­men, sodass die Ver­wen­dung der männlichen Form eben üblicher­weise NICHT die Frauen mit einschließt.
    Man hätte also einen Beruf wählen müssen, dessen Beze­ich­nung tat­säch­lich als gener­isches Maskulinum ver­standen wird. Und das sind gar nicht mehr so viele. Vielle­icht noch: Poli­tik­er, Beamte, Pro­fes­soren, Juris­ten, “Arbeit­srechtler”, Sportler…
    Beispiele, die mir auf die Schnelle einfallen:
    — “Sportler leben gesün­der” würde fast jed­er inter­pretieren als “Sportler/-innen sind gesün­der als Men­schen, die keinen Sport treiben”
    — “Die Poli­tik­er inter­essieren sich nicht für unsere Prob­leme” schließt auch die Poli­tik­erin­nen mit ein
    — “Aut­o­fahrern wird emp­fohlen, die Umleitung zu nehmen”
    — “Jour­nal­is­ten haben es heute schw­er­er, nach der Aus­bil­dung eine Fes­tanstel­lung zu finden”
    — “…-Wis­senschaftler haben her­aus­ge­fun­den, dass…”
    — “Die Patien­ten des Kranken­haus­es wur­den evakuiert”
    — und sich­er viele mehr.

  95. Karl

    Ein ver­let­ztes Kind wird ins Kranken­haus ein­geliefert. Sagt der dien­sthabende Arzt: ‘Ich kann das Kind nicht behan­deln — er ist mein Sohn, aber ich bin nicht der Vater…’ ”
    Wie viele Nichtlin­guis­ten mögen dieses Para­dox­on auflösen können?
    Bei “Jour­nal­is­ten, Poli­tik­ern, Sportlern” etc. denke ich immer erst an Männer.
    Ist ja auch noch nicht so lange her als Frauen noch keinen Beruf hat­ten außer “Mut­ter”, “Dien­st­mäd­chen” oder “Pros­ti­tu­ierte”.

  96. gnaddrig

    @ D. Müller
    Die Bin­sen­weisheit, dass Frauen früher generell weniger Rechte hat­ten als Män­ner, legt nahe, dass „die Schweiz­er“ bis in die nicht allzuferne Ver­gan­gen­heit wohl eher kein gener­isches Maskulinum war.
    Wenn von den Schweiz­ern (oder Finnen usw.) die Rede war, dann — so meine Ver­mu­tung — waren die geschäfts­fähi­gen Bürg­er gemeint, und das waren eben keine Frauen. Die Schweiz­erin­nen wur­den dabei nor­maler­weise gar nicht erst wahrgenom­men und in Betra­cht gezo­gen. Deshalb waren sie ver­mut­lich auch nicht wirk­lich mitgemeint.

  97. Richard Grüll

    Gewohn­heit
    In ein­er antro­posophis­chen Zeitschrift namens “Info3” gibt es die Spalte “LESERINNENBRIEFE”. Ich stutzte kurz ob ich es dürfte, wollte ich doch als Mann da hin­schreiben. Ver­mute aber, dass das, orthografisch allerd­ings umstrit­tene, große “I” im Wortin­neren der Titelzeilengestal­tung in Großbuch­staben zum Opfer gefall­en ist.
    Ander­er­seits, wenn man ALLE Anre­den ver­dop­pelt, geht doch auch der Sinn verloren.
    Die Bürg­er ein­er Stadt waren doch immer schon alle die in dieser Stadt wohn­ten, also Män­ner, Frauen und Kinder. Bei Lesern ein­er Zeitschrift ver­mute ich dasselbe.
    Vor einiger Zeit, bei ein­er Schu­la­b­schlussfeier, war die gefühlte Hälfte der Redezeit mit Floskeln wie “Lehrer und Lehrerin­nen” und “Schüler und Schü­lerin­nen” ver­brat­en wor­den. Als sich dann die bedauern­swerte Schüler- und Schü­lerin­nen­sprecherin bei und mit “Eltern und Elterin­nen” ver­haspelte, ver­spürte ich ein deut­lich­es Würgege­fühl in meinem Sprachzentrum.
    Ich hand­habe das im Sinne der Ver­ständlichkeit. Eine “verun­fallte Jägerin” ist dann ein­deutig eine Frau, die Mit­glieder der Kreisjäger­schaft sind eben sowohl Frauen als auch Män­ner. Alles andere empfinde ich als geschwafel­ten Humbug.
    Wer die Dop­pel­nen­nung der Geschlechter mit aller Gewalt durch­set­zen will muss sich auch fra­gen lassen: Wo bleiben dann die Täter und Täterin­nen, die Mörder und Mörderin­nen, die Ver­brech­er und Ver­brecherin­nen? Von den Dep­pen und Dep­pin­nen ganz zu schweigen.
    [Aha. SIE stutzen bei der fem­i­ni­nen Form und fra­gen sich besorgt, ob Sie sich ange­sprochen fühlen dür­fen. Aber Frauen, die umgekehrt bei der masku­li­nen Form stutzen und sich fra­gen, ob sie mit­ge­meint sind, sollen die Klappe hal­ten, son­st wer­den sie von Ihnen des „geschwafel­ten Hum­bugs“ bezichtigt. Das ist Satire allererster Güte, vie­len Dank dafür. — A.S.]

  98. Ponzio Pecano

    Kor­rek­te Hypothese?
    Sollte mit gener­ischem Maskulinum Plur­al wirk­lich eine aus­drück­lich gemis­chte Gruppe (mit min­destens einem Vertreter jedes Geschlechts) gemeint sein, so ist die Pilot­studie der von Ihnen ange­führten Studie inter­es­sant: Sie kon­fron­tierte Teil­nehmer, die im Plur­al ohne Kon­tex­twissen das gener­ische ohne­hin nicht vom aus­drück­lichen Maskulinum unter­schei­den kön­nen, mit einem hinzuge­fügten Kon­text, in dem nur Män­ner oder Frauen vorka­men, und fragte dann nach der Zusam­menset­zung der Gruppe. Nur in 6% der Fälle wurde bei “männlichem Kon­text” (irrtüm­licher­weise) auf eine rein männliche Gruppe geschlossen, in 2% bei “weib­lichem Kon­text” auf eine rein weib­liche Gruppe. Dage­gen fol­gerten 89,9% aus gener­ischem Maskulinum plus Kon­text, es han­dle sich um eine gemis­chte Gruppe. Wo ist also das Problem?
    Allerd­ings ist schon die Hypothese kri­tik­würdig. Unab­hängig von Def­i­n­i­tio­nen scheint mir der Sprachge­brauch des gener­ischen Maskulinum Plur­al nicht zu bedeuten, dass Frauen “automa­tisch mit­ge­meint” sind, son­dern dass sie “nicht automa­tisch aus­geschlossen” sind. Es lässt offen, ob die Gruppe rein männlich oder gemis­cht ist. Diese Ver­wen­dung deckt sich mit dem Franzö­sis­chen (Par­tizip­i­en im Plur­al haben bei rein männlichen und gemis­cht­en Grup­pen männliche Endung, bei rein weib­lichen die weib­liche Endung), Spanis­chen und Por­tugiesis­chen (bei der Anrede im Plur­al). Dann wäre schon die Pilot­studie falsch for­muliert (die richtige Antwort­möglichkeit fehlte), und wenn 89,9% aus gener­ischem Maskulinum Plur­al plus Kon­text (wohl 50% männlich, dazu schweigt die Studie) fol­gern, die Gruppe sei gemis­cht, so ist dies tat­säch­lich diskri­m­inierend, allerd­ings nicht gegen Frauen, son­dern gegen Män­ner, denn die Erwäh­nung von Män­nern im Kon­text ließe den Auss­chluss ein­er rein männlichen Gruppe gar nicht zu.
    Daraus fol­gen auch die Reak­tion­szeit­en der Haupt­studie. Um zu entschei­den, ob bei (vielle­icht gener­ischem) Maskulinum ein Kon­text logisch sei, in dem Män­ner der Gruppe zuge­ord­net wer­den, braucht man nicht nachzu­denken: Män­ner sind in gener­ischen Grup­pen grund­sät­zlich enthal­ten, sowohl in rein männlichen wie in gemis­cht­en Grup­pen. Die Frage, ob ein zum (vielle­icht gener­ischen) Maskulinum hinzuge­fügter Kon­text logisch sei, in dem Frauen der Gruppe zuge­ord­net wer­den, erfordert dage­gen einen kog­ni­tiv­en Prozess: Hier muss der Teil­nehmer erst eine Grup­pen­form (die rein männliche) auss­chließen und dann testen, ob mit der verbleiben­den Inter­pre­ta­tion der Gruppe ein Kon­text mit Frauen noch logisch ist. Ent­ge­gen Ihrer Mut­maßung dauert die Entschei­dung bei “weib­lichem Kon­text” also nicht länger, weil der Rezip­i­ent von ein­er männlichen auf eine gener­ische Inter­pre­ta­tion umschal­tet, son­dern von ein­er gener­ischen auf eine expliz­it gemis­cht­geschlechtlichen (Auss­chluss der reinen Männergruppe).
    Die Dop­pel­nen­nung kri­tisiere ich nicht wegen ihrer Umständlichkeit, son­dern weil sie sich seman­tisch vom gener­ischen Maskulinum unter­schei­det: sie schließt rein weib­liche genau wie rein männliche Grup­pen aus (sagen Sie mal “Liebe Pro­fes­sorin­nen und Pro­fes­soren” vor einem rein männlichen Kol­legium — einige kich­ern da immer). Außer­dem ist festzustellen, dass das öffentliche Bewusst­sein für die Möglichkeit der Dop­pel­nen­nung auch den Verzicht auf sie sank­tion­iert: Ver­wen­det man das gener­ische Maskulinum Plur­al, wird einem schon unter­stellt, man adressiere nur die rein männliche Unter­menge, denn son­st hätte man ja die Dop­pel­nen­nung ver­wen­den kön­nen. Das ist zwar falsch, aber Ihre Hypothese beweist, das es schon gelun­gen ist, das seman­tisch umfan­gre­ichere (und daher weniger diskri­m­inierende) gener­ischen Maskulinum Plur­al zu verdrängen.
    [Nein. — A.S.]

  99. Studierendenfutter

    Gibt es eigentlich irgend eine Beze­ich­nung im Fem­i­ninum, bei der automa­tisch auch die Män­ner mit­ge­meint sind?

    die bevölkerung, die koryphäe, die majestät, die emi­nenz, die hoheit, die exzel­lenz, die krea­tur, die kapaz­ität, die durch­laucht, die fachkraft, die geisel, die waise, die fig­ur, die gestalt. und sich­er noch einige mehr.

  100. Studierendenfutter

    … die Bestie, die Kanaille, die Belegschaft, die Burschen­schaft, die Herrschaft, die Mannschaft …
    Neu­trale gibts auch: Das Mon­ster, das Scheusal, das Biest, das Unge­heuer, das Per­son­al, das Ekel …

  101. Anatol Stefanowitsch

    Natür­lich­es und gram­ma­tis­ches Geschlecht
    Ab jet­zt zahlt jed­er, der natür­lich­es und gram­ma­tis­ches Geschlecht durcheinan­der­wirft, 19,18 Euro in die Blogkasse.

  102. K-FragerIn

    1) Zur K‑Frage
    Das Prob­lem mit Frau Merkel stellt sich wieder, wenn man sagen möchte, dass sie als erste Per­son, die das Bun­deskan­zler­amt innehat, Physik studiert hat (ich weiß nicht, ob das der Wahrheit entspricht; nehmen wir es an).
    Frau Merkel ist die erste Bun­deskan­z­lerin, die Physik studiert hat. — Hier kommt nicht zur Gel­tung, dass das ja auch noch kein­er ihrer männlichen Vorgänger getan.
    Frau Merkel ist der erste Bun­deskan­zler, der Physik studiert hat. — Diese Ver­sion wider­strebt meinem Sprachge­fühl erstaunlich wenig, doch ganz gut füh­le ich mich mit ihr nicht
    Frau Merkel ist die Erste unter den Bun­deskan­z­lerin­nen und Bun­deskan­zlern, die Physik studiert hat. Das ist das knapp­ste Geschlecht­sneu­trale, was mir ein­fällt; Umständlich finde ich es aber immer noch.
    2) Zum gener­ischen Maskulinum
    Behauptet man, nur weil es langsamer als das eigentliche Maskulinum ver­standen wird, gebe es kein gener­isches Maskulinum, so ist das als würde man behaupten, rare Fremd­wörter, die vielle­icht auch nicht auf Anhieb ver­standen wer­den, gehörten nicht zu ein­er Sprache.
    Das heißt natür­lich nicht, dass es nicht, dass es kein Gebot der Höflichkeit ist, geschlecht­sneu­trale For­mulierung zumin­d­est an Stellen zu ver­wen­den, an denen sie die Sprachäs­thetik nicht son­der­lich stören, wie zum Beispiel in Anre­den, die außer­halb des Rede­flusses ste­hen, oder in Bedi­enungsan­leitun­gen und Beipackzetteln, in denen nicht viel wert auch eine schöne Sprache gelegt wird.

  103. David

    Hätte Lafontaine damals gegen Kohl gewon­nen, wir hät­ten heute zumin­d­est ein Prob­lem weniger! 🙂

  104. georgi

    Lieber Herr Professor!
    Jemand weit­er oben hat geschrieben, daß das gener­ische Maskulinum ent­standen ist, weil die Sprache der Wirk­lichkeit in ihrer Entwick­lung hin­ter­her­läuft. Ehe­mals rein männliche Berufe wie Stu­dent oder Sol­dat wären in der Zwis­chen­zeit auf die Frauen aus­geweit­et worden.
    Sprache entwick­elt sich aus dem Bedürf­nis der Sprech­er und wird sich wie ganz von selb­st den Gegen­heit­en der Wirk­lichkeit anpassen. Wäre es da nicht bess­er, die Entwick­lung zum gener­ischen Maskulinum und von da aus zur Besei­t­i­gung des Geschlechts­bezugs von Per­so­n­en zu unter­stützen? Die Geschlechterun­gerechtigkeit in der deutschen Sprache begrün­det sich ja nicht am männlichen Geschlecht son­dern an der Endung “-in”. Wörter, die auf “-in” enden, beze­ich­nen allein und auss­chließlich Frauen, und wur­den alle­samt aus der männlichen Form abgeleit­et wie Eva aus Adams Rippe. Die Endung “-in” ver­weist darüber hin­aus auf über­lebte Nor­men im Geschlechter­ver­hält­nis. Diese Wörter haben daher oft uner­wün­schte Kon­no­ta­tio­nen und Beibedeu­tun­gen. Und vor allen Din­gen drück­en sie zu allererst den Bezug zu einem Mann aus und nicht die im Wort­stamm enthal­tene Rolle. Die Mül­lerin übt zum Beispiel nicht notwendi­ger­weise den Beruf des Müllers aus. “Mül­lerin” bedeutet in erster Lin­ie, die Frau des Müllers zu sein. Auch Stu­dentin­nen, Försterin­nen assozi­iert man in erster Lin­ie mit etwas, was wenig mit ihren jew­eili­gen Tätigkeit­en zu tun hat. Früher redete man ja auch mit “Frau Dok­tor” nicht pro­movierte Frauen son­dern Gat­tin­nen pro­moviert­er Män­ner an. Also schaf­fen wir doch am besten diese Endung ab!
    Hinzu kommt, daß es bess­er ist, das Geschlecht zu beto­nen, wenn es notwendig ist, und nicht dann, wenn das Geschlecht unwichtig ist. Das Binnen‑I, die Schrägstriche und (m/w)-Zusätze in Stel­lenauss­chrei­bun­gen bedeuten näm­lich nur dann etwas, wenn sie wegge­lassen wer­den. Das ist absurd. Das näm­lich betont den Geschlechts­bezug von Berufen und Tätigkeits­beze­ich­nun­gen zusätzlich.

  105. Studierendenfutter

    Jemand weit­er oben hat geschrieben, daß das gener­ische Maskulinum ent­standen ist, weil die Sprache der Wirk­lichkeit in ihrer Entwick­lung hinterherläuft.

    Ich denke nicht, dass da eine Entwick­lung hin­ter­her gelaufen ist. Im Gegen­teil: Die Bedeu­tung ein­er sprach­lichen Form hat sich im Zuge ein­er gesellschaftlichen Entwick­lung verän­dert. Das ist ein ganz üblich­er Vor­gang. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass immer neue Worte erfun­den wer­den müssen.
    Das ehe­ma­lige Maskulinum begann eine gener­ische Bedeu­tung anzunehmen, als Frauen die maku­li­nen Begriffe für sich in Anspruch nah­men. Sie hät­ten fem­i­nine For­men benutzen kön­nen, bevorzugten aber, über das Makulinum sprach­lich Eben­bür­tigkeit herzustellen. Das wird durch geson­derte Benen­nung aufge­hoben. Eine Mechanikerin kann kein Mechaniker sein, WEIL sie eine Frau ist: Weil ihr Geschlecht eine Rolle spielt!

    Das näm­lich betont den Geschlechts­bezug von Berufen und Tätigkeits­beze­ich­nun­gen zusätzlich.

    Dop­pel­nen­nun­gen sind im Grunde sprach­liche Geschlechterseg­re­ga­tion und sprach­lich­es Oth­er­ing. Das Geschlecht wird the­ma­tisi­et, wo es gar keine Rolle spielt, und die Möglichkeit, Men­schen­grup­pen ohne Geschlechts­bezug zu benen­nen, ver­schwindet. Hinzu kommt, dass die geson­derte Ben­nenung von Frauen diese erneut zur Aunahme erk­lärt — genau das, was vom Fem­nis­mus bere­its kri­tisiert wurde, zieht mit­tels Dop­pel­nen­nung in die Sprache ein.

  106. NörglerIn

    Kein prak­tis­ch­er Vorteil?
    Die durchgängige Ver­wen­dung geschlechterg­erechter Sprache führt zu erhöhtem Ver­brauch von Papi­er, Druck­er­schwärze und Zeit und damit zu höheren Kosten (von Energie oder Umwel­te­in­flüssen gar nicht zu reden). Die zusät­zliche Zeit, die Ver­fassende und Lesende, Redende und Hörende aufwen­den müssen, kön­nte für andere nüt­zliche, vielle­icht noch wichtigere Dinge genutzt werden.
    Man mag ja der Auf­fas­sung sein, daß der erhöhte Aufwand die Sache wert ist; aber wie kann man behaupten, das gener­ische Maskulinum bringe “keinen prak­tis­chen Vorteil” mit sich?

  107. Erich

    ich kann dem
    Aus “mehrere der Frauen” schliesse ich auf eine rein weib­liche Gruppe, was nicht zum ersten Satz passt. Warum hat man nicht den zweit­en Satz ein kleines biss­chen anders for­muliert, z.B. “Darunter waren auch mehrere Frauen, die wegen des schö­nen Wet­ters keine Jack­en anhat­ten”. Wenn die zu über­prüfende Hypothese stimmt, dann hätte diese For­mulierung das gle­iche Resul­tat gebracht. Ich werde den Ver­dacht nicht los, dass absichtlich eine Fomulierung gewählt wurde, die auf­grund dieses sprach­lichen Stolper­steins ten­den­tiell zu ein­er Bestä­ti­gung der Hypothese führt. Auf Neudeutsch nen­nt man das Con­fir­ma­tion Bias.
    [Einen Con­fir­ma­tion Bias gibt es in dieser Diskus­sion tat­säch­lich, aber er liegt woan­ders… — A.S.]

  108. NörglerIn

    Sig­nifikant oder nicht?
    “Die Effek­te waren aber rel­a­tiv schwach und inner­halb der Geschlechter­grup­pen auch nicht signifikant.”
    Wie kann man daraus fol­gern, daß die Män­ner die Fas­sung mit dem gener­ischen Maskulinum “objek­tiv” am schlecht­esten ver­standen hätten?

  109. Studierendenfutter

    Man mag ja der Auf­fas­sung sein, daß der erhöhte Aufwand die Sache wert ist …

    @NörglerIn
    Zunächst wäre zu klären, was denn eigentlich “die Sache” ist. Die stan­dard­mäßige Anwort ist ja die (behauptete) Geschlechterg­erechtigkeit, für deren Legit­i­ma­tion der Nach­weis ein­er Ungerechtigkeit ausste­ht. Mit Fug & Recht kann man gegen­teiliger Ansicht sein und dies oben­drein mit den genau den sel­ben Argu­menten begrün­den wie die Gegen­seite: Gerecht wäre in ein­er Gesellschaft von Gle­ichen, wenn alle sich in ein­er Sprach­form erken­nen, unbe­se­hen des biol­o­gis­chen und gram­matikalis­chen Geschlecht­es. Wenn das Maskulinum näm­lich gener­isch ist, ist es keine exk­lu­sive Beze­ich­nung mehr für Männer.

  110. NörglerIn

    Nör­g­lerin
    Aus der Gemein­de­ord­nung für Schleswig-Hol­stein in der Fas­sung vom 28. Feb­ru­ar 2003:

    § 91 (3) Die Kassen­ver­wal­terin oder der Kassen­ver­wal­ter und deren oder dessen Stel­lvertreterin oder Stel­lvertreter dür­fen mit der Bürg­er­meis­terin oder dem Bürg­er­meis­ter, in Städten mit der Bürg­er­meis­terin oder dem Bürg­er­meis­ter oder ein­er Stadträtin oder einem Stad­trat sowie mit der Käm­merin oder dem Käm­mer­er, der Lei­t­erin oder dem Leit­er und Prüferin­nen und Prüfern des Rech­nung­sprü­fungsamtes nicht in der Weise des § 22 Abs. 1 ver­bun­den sein. Entste­ht der Behin­derungs­grund im Laufe der Amt­szeit, so hat eine der beteiligten Per­so­n­en aus ihrer Funk­tion auszuschei­den. Ist eine der beteiligten Per­so­n­en Bürg­er­meis­terin oder Bürg­er­meis­ter, in Städten Bürg­er­meis­terin oder Bürg­er­meis­ter oder Stadträtin oder Stad­trat, so hat die andere Per­son aus ihrer Funk­tion auszuscheiden.

    Das soll für Män­ner ver­ständlich­er sein als bei Ver­wen­dung des gener­ischen Maskulinum?
    Dabei weist die Gemein­de­ord­nung bei der Geschlechterg­erechtigkeit immer noch Lück­en auf. So wird nur von Bürg­er­entschei­den, Bürg­er­begehren und von der Bürg­er­meis­ter­ver­fas­sung gesprochen.
    Wären Bürg­erin­nen- und Bürg­er­entscheid und Bürg­er­meis­terin­nen- und Bürg­er­meis­ter­ver­fas­sung nicht noch viel verständlicher?

  111. André

    Schädlichkeits­be­weis?
    Wo ist der Schaden für Frauen bzw. die neg­a­tive Bee­in­flus­sung ihrer sozialen Stel­lung, wenn in ein­er unein­deuti­gen Sprech­si­t­u­a­tion das gener­ische Maskulinum zu einem ver­min­derten “Mit­denken” des poten­tiellen Gemeint­seins der weib­lichen Form führt?
    [Den kön­nen wir als Män­ner lei­der nie am eige­nen Leib erleben, aber wenn wir mit offe­nen Augen durch die Welt gehen und ein­fach mal nicht durchgängig an uns selb­st denken, sollte es ganz von selb­st klar wer­den. Ich weiß selb­st, wie schw­er das ist, aber wir sind schließlich echte Män­ner. Von Schwierigkeit­en lassen wir uns nicht abschreck­en. — A.S.]

  112. Savigny

    @NörglerIn
    Sor­ry, aber mit einem willkür­lich gegrif­f­e­nen verunglück­ten Beispiel lässt sich natür­lich jed­er Fortschritt diskreditieren.
    Als hätte Ver­ständlichkeit je im Vorder­grund des For­mulierens von Geset­zes­tex­ten ges­tanden. Nur wenn das berechtigte Anliegen ein­er geschlechterg­erecht­en Sprache umge­set­zt wer­den soll, wird dieser Gesicht­spunkt plöt­zlich betont — aus allzu durch­sichti­gen Motiven.

  113. stefle

    Mir ist über­haupt nicht klar, wie Ste­fanow­itsch sich eine sprach­liche Gle­ich­be­hand­lung in der Prax­is vorstellt. Er macht es sich etwas leicht, wenn er hier im Blog geschlechterg­erechte Schrei­bung demon­stri­ert und Ein­wände dage­gen als unbe­grün­det bezeichnet.
    Hören wir uns doch mal an, wie er das im mündlichen Gespräch so umsetzt:
    http://www.wrint.de/…uft-an-ana­tol-ste­fanow­itsch
    DER EINZELNE hat ja nicht das Laut­sys­tem der deutschen Sprache im Sinne, wenn ER Dinge so oder so ausspricht.”
    “Aber «Das ist das Auto des Hol­ger», das würde ja KEINER mehr sagen.”
    “Die BLOGGER sagen auch: Das ist doch unser Meti­er, ich bin doch DER BLOGGER
    “Und das ist etwas, was JEDER SPRACHWISSENSCHAFTLER mit berück­sichti­gen muss”
    “Das machen nicht die LINGUISTEN sel­ber, son­dern das machen dann ANTHROPOLOGEN
    “Da gab es immer zwei große The­o­rien, näm­lich die RATIONALISTEN und die EMPIRISTEN
    “Viele von meinen STUDENTEN – wenn ich mal STUDENTEN hab, die tat­säch­lich an die Uni kom­men, um Sprach­wis­senschaft zu studieren – das ist ja recht sel­ten, wir müssen die nor­maler­weise aus dem Lager der poten­tiellen LITERATURWISSENSCHAFTLER erst rekrutieren”
    “Die SPRACHERWERBSFORSCHER, die zur Zeit große Fortschritte machen”
    “und KEINER, DER da saß in diesem Sem­i­nar – das vielle­icht auch ein biss­chen Glück, das war zu ’ner ungün­sti­gen Uhrzeit, die mir gepasst hat, aber die die DEM TYPISCHEN STUDENTEN vielle­icht nicht passt”
    “Das ist ja auch das, was diese SPRACHNÖRGLER nicht verstehen”

    So weit so gut, das sind nur einige her­aus­ge­grif­f­ene Beispiele, die gener­ischen Maskuli­na in Großbuch­staben. Wenn Ste­fanow­itsch es ernst mit dem Gen­der­ing meint, hätte er jedes­mal bei­de Geschlechter berück­sichti­gen müssen. Damit hätte er Hol­gi bes­timmt ordentlich in Stim­mung gebracht, der hat da sehr viel Poten­tial … Schade, hätte mich schon inter­essiert, wie das aus­ge­gan­gen wäre 😉
    Zuviele barocke Schnörkel wären auch kaum möglich gewe­sen, denn Ste­fanow­itsch hat da schon Höch­stleis­tun­gen voll­bracht, kom­plexe Sachver­halte Hol­gi-gerecht herun­terzubrechen. Man stelle sich nur vor, Ste­fanow­itsch hätte gesagt: «Da gab es immer zwei große The­o­rien, näm­lich die Ratio­nal­is­ten und Ratio­nal­istin­nen und die Empiris­ten und Empiristinnen»
    Aber klar, das Argu­ment, geschlechterg­erechte For­mulierun­gen seien umständlich, ist natür­lich völ­lig unbegründet.
    Wie es aussieht, geht es hier doch bloß um ein biss­chen Kos­metik. Wenn’s angemessen erscheint, sagt man dann eben «Liebe Stu­dentin­nen und Stu­den­ten» – das wird ja ohne­hin längst prak­tiziert. Ein paar Floskeln eben, wenn die Textsorte es verträgt. Da mag es dann auch ins sprach­wis­senschaftliche Blog passen, das besagt nichts, solange es in mündlich­er Sprache nicht und auch son­st nur spo­radisch Ver­wen­dung find­et. Ich will gern zugeste­hen, dass man irgend­wo einen Anfang machen möchte, aber angesichts der Prob­leme erscheint mir das ganze Unter­fan­gen aussichtslos.
    Wie tief der Ein­griff in die Sprache sein muss, wenn man es nicht bei gele­gentlich eingestreuten Floskeln belassen will, scheint Ste­fanow­itsch nicht klar zu sein.
    Ich sehe auch keine Fortschritte. Neuerd­ings sehe ich öfter Student_in statt Stu­dentIn. Die Bin­nen­großschrei­bung ist doch nun schon länger in Gebrauch, nun wird sie ohne Grund aufgegeben und durch eine Schreib­weise erset­zt, die der üblichen Norm noch fern­er ist!

  114. Anatol Stefanowitsch

    Zusam­men­fas­sungIch schließe die Diskus­sion an dieser Stelle, da sie sich ein­er­seits immer weit­er vom zu disku­tieren­den Beitrag ent­fer­nt und ander­er­seits im Kreis dreht. Ich habe keine Zeit, auf die ewig gle­ichen längst disku­tieren und aus­geräumten Argu­mente die ewig gle­ichen Antworten zu liefern.
    1. „Gen­derg­erechte Sprache ist eben zu umständlich“. Wer glaubt, das wäre ein Argu­ment für irgen­det­was hat ganz offen­sichtlich den Beitrag nicht gelesen.
    2. „Aber in der gesproch­enen Sprache ist es dann wirk­lich zu umständlich.“ Wer glaubt, das wäre ein Argu­ment für irgen­det­was hat ganz offen­sichtlich wed­er den Beitrag noch die Antwort auf den vor­ange­hen­den Punkt gelesen.
    3. „Aber gen­derg­erechte Sprache ist teur­er, weil sie mehr Zeit, mehr Aufwand, mehr Papi­er ver­braucht“. Wer glaubt, das wäre ein Argu­ment für irgen­det­was hat ganz offen­sichtlich wed­er den Beitrag noch die Antwort auf die vor­ange­hen­den bei­den Punk­te gelesen.
    4. „Aber ich habe Satz X kon­stru­iert, bei dem sich das gener­ische Maskulinum nicht ein­fach durch eine weib­liche Form oder eine Bei­d­nen­nung erset­zen lässt, ohne dass die Bedeu­tung sich verän­dert.“ Tja, was machen wir da bloß… ich glaube, es gibt keine Lösung, denn Sätze lassen sich bekan­ntlich nicht umformulieren.
    5. „Gen­derg­erechte Sprache ist nur Kos­metik, wir müssen die Wirk­lichkeit ändern.“ Nur zu! Statt sich hier an ein­er Diskus­sion beteili­gen, die Sie für über­flüs­sig hal­ten, organ­isieren Sie doch lieber eine Demon­stra­tion für Lohn­gerechtigkeit oder bessere Kinderbetreuung.
    6. „Es wäre bess­er, wenn wir Geschlechterun­ter­schiede in der Sprache nicht ständig beto­nen wür­den. Das gener­ische Maskulinum ist deshalb die beste Wahl“. Klar, es wäre auch bess­er, wenn wir Geschlechterun­ter­schiede in der Öffentlichkeit nicht ständig beto­nen wür­den. Es wäre deshalb bess­er, wenn die Frauen ein­fach das Haus nie ver­lassen wür­den… Ich weiß nicht, ob ich es irgend­wo schon erwäh­nt habe, aber es gibt kein gener­isches Maskulinum.
    7. „Aber Ste­fanowisch benutzt doch selb­st manch­mal masku­line For­men, wenn er gemis­chte Grup­pen meint“. Hier geht es NICHT um meinen Sprachge­brauch, wed­er hier im Blog, noch in Radiosendun­gen. Ich bin ein All­t­ags­sex­ist, sozial­isiert in ein­er sex­is­tis­chen Gesellschaft und Mut­ter­sprach­ler ein­er sex­is­tis­chen Sprache. Manch­mal rutsche ich in solche Sprach­muster, manch­mal wird mir gerechte Sprache von Ver­lagslek­torat­en aus meinen Tex­ten her­ausredigiert und ich erhebe keinen Ein­spruch, und manch­mal entschei­de ich sog­ar bewusst, auf Sprach­muster zu verzicht­en, die meine Leser/innen und Hörer/innen vom Gesagten ablenken. Aber ich arbeite daran.
    Dass das Maskulinum „gener­isch“ gebraucht wird, ste­ht doch außer Frage — wäre es nicht so, bräucht­en wir die Diskus­sion ja gar nicht zu führen. Dass das Maskulinum gener­ische Inter­pre­ta­tio­nen erfahren kann, ste­ht eben­falls außer Frage. Was das Exper­i­ment (und viele andere Exper­i­mente) zeigen, ist, dass diese Inter­pre­ta­tion nicht natür­lich oder automa­tisch ist, dass das Maskulinum also keine gener­ische Bedeut­ng hat.
    8. „Aber gen­derg­erechte Sprache stört meine Sprachäs­thetik“. Ach du Schreck, das schlägt natür­lich jedes Argu­ment. Wir müssen sofort aufhören mit dieser unäs­thetis­chen Gle­ich­be­hand­lung. Wenn wir das ästhetis­che Lei­den auch nur eines Mannes ver­hin­dern kön­nen, ist das die fort­ge­set­zte Mar­gin­al­isierung von Frauen abso­lut Wert, oder?
    9. „Ich bin eben ander­er Mei­n­ung“. Nein, wie inter­es­sant! Erzählen Sie mehr von sich — nicht.

  115. Hier wohnen Drachen

    Gibt es einGeschlechterg­erechte Sprache ist ja immer ein Aufregerthe­ma. Ver­ste­ht nicht jed­er sofort, was gemeint ist und weiß, dass “die Stu­den­ten” natür­lich auch Frauen sein kön­nen? Bee­in­flusst ein solch­es “gener­ische Maskulinum” unser Denken? Eine wis­senschaftliche Studie, auf die ich kür­zlich aufmerk­sam gemacht…

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