Das Wort Blackfacing ist abgeleitet vom Englischen blackface, der Bezeichnung für eine ursprünglich aus den USA stammende Theater- und Varieté-Tradition, bei der weiße Schauspieler/innen oder Sänger/innen auf meistens übertrieben stereotypisierte Weise als Schwarze geschminkt auftreten.
Einen soliden Einstieg in die Geschichte des Blackface bietet die englische Wikipedia. Für die Geschichte des Lehnworts Blackfacing ist zunächst entscheidend, dass diese Praxis in doppelter Weise rassistisch belegt ist: Erstens, weil die Tradition aus einem zutiefst rassistischen historischen Zusammenhang stammt, in dem ein Auftreten schwarzer Schauspieler/innen als inakzeptabel gegolten hätte, und zweitens, weil beim Blackface nicht nur das Make-Up selbst und die dazugehörige Mimik übertrieben stereotypisiert ist (dicke rote Lippen, struppige Haare, weit aufgerissene Augen, wie auf dem weiter unten abgebildeten zeitgenössische Plakat), sondern auch die Zusammenhänge, in denen es verwendet wurde (Schwarze als naive, immer fröhliche Unterhalter).
[Hinweis: Der folgende Beitrag enthält eine rassistische Abbildung.]
Diese rassistischen Untertöne der Praxis und die Gedankenlosigkeit, mit der sie auch an deutschen Theatern immer wieder eingesetzt wird, führten im Jahr 2012 mehrfach zu Protesten, durch die auch das Wort (manchmal in der eigentlichen englischen Form Blackface, häufiger aber in der im englischen sehr seltenen Form Blackfacing) in die öffentliche Diskussion geriet. Absolut betrachtet scheint das Wort zunächst eher selten zu sein, das Deutsche Referenzkorpus enthält nur vier Treffer, die alle aus dem Januar 2012 stammen. Auch im Duden sucht man es vergeblich.
Nun fehlt im Deutschen Referenzkorpus allerdings bislang die gesamte zweite Jahreshälfte 2012; eine Suche im Google-News-Archiv zeigt aber, dass das Wort das ganze Jahr über zu verschiedenen Anlässen verwendet wurde. Vor 2012 finden sich im Google-News-Archiv dagegen nur vereinzelte Treffer, erstmals 2009 im Zusammenhang mit Günter Wallraffs Film „Schwarz auf Weiß“ (z.B. taz, 22.10.2009). Das Wort war also 2012 in der breiteren öffentlichen Diskussion nicht übermäßig häufig, wurde aber durchgängig und deutlich häufiger verwendet als in den Jahren zuvor. Dass es insgesamt nicht so häufig ist, wie beispielsweise Fracking oder Hashtag liegt mit daran, dass es weniger Anlässe zu seiner Verwendung gab und dass die Proteste gegen die Praxis von vielen Medien noch nicht ausreichend ernst genommen wurden, um darüber zu berichten.
Das Wort Blackfacing erfüllt aber grundsätzlich die ersten zwei Bedingungen unseres Wettbewerbs: Es stammt aus dem Englischen und hat 2012 einen klaren Häufigkeitsanstieg erfahren.
Dass es eine interessante Lücke füllt, zeigt die Diskussion, die sich um das Wort entsponnen hat. Zum ersten Mal erhielt es 2012 im Januar mediale Aufmerksamkeit, als Dieter Hallervorden in einem Theaterstück eine schwarze Figur von einem schwarz geschminkten weißen Kollegen spielen ließ (alle vier Treffer im Deutschen Referenzkorpus beziehen sich auf diesen Vorfall). In Kommentaren auf der Facebook-Seite des Theaters führte das zu Hinweisen auf die rassistische Tradition des Blackface, woraufhin sich das Theater und der Regisseur Hallervorden alle Mühe gaben, auch die letzten Zweifel an einem unterschwelligen Rassismus ihres Vorgehens auszuräumen — das Theater, indem es behauptete, einen qualifizierten schwarzen Schauspieler zu finden, sei schlicht unmöglich gewesen und überhaupt könne es nicht angehen, dass „die Kunst“ sich von „einer Gruppe von Menschen im Internet“ vorschreiben lassen müsse, was Rassismus sei, und Hallervorden, indem er fragte, ob „Sigmar Gabriel sich für Maßnahmen gegen den Hunger in der Welt einsetzen [dürfe], obwohl er über Leibesfülle verfüg[e]” (ganz so, als habe man ihn dafür kritisiert, sich gegen Rassismus zu engagieren, und nicht dafür, Rassismus zu replizieren).
Wenn es bei dieser einen Diskussion geblieben wäre, bräuchten wir über das Wort blackface/blackfacing im Zusammenhang mit unserer Wörterwahl nicht weiter zu reden, aber es folgten weitere Diskussionen, z.B. im März im Zusammenhang mit zwei Theaterstücken, die das Blackface sorgsam mieden, im April im Zusammenhang mit einem Aktionskunstwerk in Stockholm und im Oktober, als ein amerikanischer Dramatiker dem Deutschen Theater eine Aufführung seines Stückes untersagte, weil doch wieder zum Blackface gegriffen wurde. Auch ganz aktuell findet sich das Wort wieder in der öffentlichen Diskussion um einen Literaturkritiker, der eine mäßig originelle Besprechung der sprachlichen Überarbeitung von Kinderbüchern mit schwarz geschminktem Gesicht aufzeichnete [Hinweis: Verlinkter Text enthält rassistische Sprache und Bilder].
Das Wort Blackfacing ist also auf dem besten Wege, Teil des deutschen Wortschatzes zu werden. Dass es bereits einen gewissen Integrationsprozess hinter sich hat, zeigt sich übrigens sowohl auf der Ebene der Form, als auch auf der Ebene des Inhalts. Auf der Formebene fällt auf, dass sich im Deutschen fast ausschließlich die Form Blackfacing findet, im englischen Sprachraum dagegen hauptsächlich die Form blackface verwendet wird, häufig in der Kombination in blackface. Während das englische Wort also das Make-Up selbst bezeichnet (bzw. die Tatsache, dass es jemand trägt), bezeichnet das deutsche Wort Blackfacing durch die Partizipialendung -ing einen Prozess, bezieht sich also auf die Praxis des Schwarzschminkens. (Im Deutschen ist Blackfacing natürlich streng genommen kein Partizip, da -ing ja kein deutsches Morphem ist, aber das Prozesshafte vermittelt die Form trotzdem in Analogie zu den vielen anderen entlehnten englischen ing-Formen, die allesamt Prozesse bezeichnen.)
Auf der inhaltlichen Ebene gibt es erste Hinweise darauf, dass sich das Wort aus seinem ursprünglichen Zusammenhang löst und auch außerhalb von (Theater-)Inszenierungen dunkelhäutiger Menschen verwendet wird. So findet sich das Wort z.B. an verschiedenen Stellen im Zusammenhang mit einer Aktion der Gruppe Femen, bei der sich Aktivistinnen auf dem Berliner Slutwalk einen (schwarzen) Niqab auf den Körper malten.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kolonialgeschichte und der damit einhergehenden rassistischen Vergangenheit ebenso wie mit der rassistischen Gegenwart kommt in Deutschland sehr viel schleppender in Gang, als etwa in den USA, aber immerhin beginnt sie langsam. Es ist anzunehmen, dass dabei auch die Diskussion um das Blackface weiter geführt wird, und dass sich damit auch das Wort Blackfacing weiter verbreiten wird. Es hat also nicht nur eine interessante Struktur und Bedeutungsgeschichte, sondern auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Es ist damit ein solider Kandidat im Rennen um den Anglizismus des Jahres, durchaus schon in diesem, aber ganz sicher im nächsten Jahr.
Wobei man vielleicht dazu sagen könnte dass es in Deutschland zumindest auch traditionell eine wie ich hoffe weniger problematische Form des Blackface gibt, nämlich zum Dreikönigsfest im Januar. Dieter Hallervorden ist nämlich umgekehrt fast das einzige Prominente Beispiel für rassistisches Blackface hier, daher bin ich mir nicht sicher wie viel Kolonialistischen Rassismus es hier aufzuarbeiten gibt. Wohl zumindest weniger als in den USA, deswegen bin ich auch von diesem Anglizismus eher so mittelbeeindruckt.
Interessanterweise wurde blackfacing in den USA nicht nur von weißen Schauspielern praktiziert, sondern auch von schwarzen, vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Minstrel_show#Black_minstrels
Das hat jetzt weniger mit der Relevanz des Wortes als Kanditat für den Anglizismus des Jahres zu tun, verdeutlicht aber meiner Meinung nach noch anschaulicher die Absurdität dieser Praxis.
Anfang 2011 war mir die Form “Blackfacing” offenbar noch nicht geläufig, stattdessen habe ich — wie die deutsche Wikipedia das Wort “Blackface” benutzt.[1] Das Beispiel dort (nur der Absatz über Willy Fritsch mitten im Text) verklammert traditionellen deutschen Blackface-Rassismus von 1930 mit seiner unhinterfragten Wiederbelebung 2011.
Dass die Prozessform mit ‑ing den Schminkprozess meint, erscheint mir nicht einleuchtend. Ich würde es auf den Darstellungsprozess beziehen und definieren: Blackfacing ist die stereotypisierte und lächerlichmachende Darstellung Schwarzer durch Weiße.
Nach dem unterirdisch peinlichen Auftritt von Denis Scheck würde ich das Wort für 2013 gern schonmal nominieren.
Worum die deutsche Debatte nicht umhinkommt ist die Frage, ob es grundsätzlich zu unterlassen/vermeiden ist, dass ein weißer Mensch einen farbigen Menschen darstellt oder ob die jeweilige Produktion (oder Kulturpraxis wie der Balthasar-Sternsinger) individuell z.B. anhand ihrer Aussage oder Parallelen zu Minstrel Shows gesehen werden müssen.
Wärend die Sendung Switch bereits für die Darstellung von Bruce Darnell durch Hoegger kritisiert wurde, konnte ich bisher keine Blackfac(e/ing)-Referenz der Roberto Blanko Parodie durch Kalkhofe finden, in der RB für sexistische Sprache mittels noch sexistischerer Sprache kritisiert wird. (Entsprechend eine Triggerwarnung für die danach Suchenden!) Ersteres Format hat ein festes Ensemble, letzteres ist eine OneManShow. Beide persiflieren gängige Fernsehformate in dem diese nachgespielt werden, wobei Kalkhofe einen etwas gesellschaftskritischeren Ansatz verfolgt als das eher Comedy orientierte “Switch!”. Wer entsprechende Formate umsetzen möchte, sollte, um Blackfacing zu vermeiden, entweder bei der Darstellung schwarzer Parodierten auf schwarze Gastdarsteller zurückgreifen oder auf die Parodie von Shows mit schwarzen Mitwirkenden gänzlich verzichten. Redaktionell dürfte dies eine dicke zu schluckende Kröte sein, wogegen sich einige Medienschaffende wehren werden und weswegen wir “Blackfacing” zukünftig häufiger als begriff antreffen werden.
@Andreas
Vielleicht liegt gerade in der späten und kurzen eigenen Kolonialzeit das Problem. Anders als die USA, England oder Frankreich gibt es bei uns sehr wenige Menschen, deren Vorfahren erst in den letzten 200 Jahren aus Afrika zu uns verschleppt wurden. Die Anzahl Schwarzer hat sich zwar 1990 etwas erhöht — durch die Freunde aus sozialistischen Bruderstaaten der DDR, die dort studierten und arbeiteten -, aber es sind immer noch vergleichsweise wenige. Wie der Anteil an Menschen, die nicht so recht europäisch-kaukasisch aussehen bei uns eher niedrig liegt.
Für viele von uns ist damit Rassismus erst ein Thema, wenn kriminelle Hasser Menschen zusammenschlagen, tot treten oder anzünden. Der alltägliche, meist gedankenlose Rassismus fällt uns nicht auf, weil niemand da ist, der uns darauf hinweist, wie problematisch das für ihn oder sie ist.
Hm, alltäglicher Rassismus und Sexismus werden gerade verstärkt zum Thema. Sie, Herr Stefanowitsch, sind mit eine treibende Kraft hier das Bewusstsein zu stärken.
Dasselbe gilt auch, für mich besonders! für die Initiative des Anglizismus des Jahres. Ich befürchte allerdings, dass eine engere Nominierung eines Begriffs, dessen Relevanz an einer einstelligen Anzahl von Beispielen hängt, die Tore für billige Polemik gegen den AdJ sehr weit öffnet. Ich habe in meinem provinziellen Teil Deutschlands diesen Begriff zudem noch nie gehört.
Ich fände es schade, diese noch junge Institution auf so billige Weise beschädigt zu sehen
@mindswitch:
Ich bin jetzt wahrlich kein Fan von Kalkofe und habe seinen Roberto Blanko Sketch auch nicht gesehen, aber allgemein könnte man die Frage aufwerfen, ob es nicht ein grundsätzlicher Unterschied ist, ob mittels Blackfacing ein sozusagen anonymer Schwarzer dargestellt wird, der dann gewissermassen als Stellvertreter für alle Farbigen lächerlich gemacht wird oder ob eine bestimmte Person wie eben Herr Blanko dargestellt wird.
Analogie (zumindest halbwegs): wenn ein Darsteller mittels Fatsuit eine lächerlichmachende Darstellung eines anonymen “typischen Dicken” abliefert, kann das ja auch beleidigend für alle adipösen Menschen sein, wird dagegen die Fatsuit angelegt damit z.B. ein schlanker Darsteller Herrn Gabriel parodieren kann ist das aber nicht unbedingt der Fall.
Mir ist auch noch nicht zu Ohren gekommen, dass sich Protest erhebt, wenn sich Wilfried Schmickler mal wieder in seine (die Kanzlerin durchaus lächerlich machende) Angela-Merkel-Verkleidung wirft (kann natürlich sein, dass ich den Protest bloss nicht mitbekommen habe); dabei ist aber auch klar zu erkennen, dass er Frau Merkel lächerlich machen will und nicht alle Frauen.
@klappnase
‑Anonymer stereotyper SchwarzeR vs Person der Zeitgeschichte-
Die Frage stellt sich, ist aber nur von Betroffenen beantwortbar. Entsprechende Obama-Darstellungen werden durchaus als rassistisches Blackface betrachtet. (http://www.huffingtonpost.com/2009/02/11/japanese-blackface-obama_n_166020.html , http://www.huffingtonpost.com/2012/11/26/sacha-dratwa-blackface-idf-spokesman_n_2193129.html)
Analogien zu anderen Dargestellungen äußerlicher Attribute sind nicht wirklich anwendbar, sofern sie nicht vor einem ähnlichen Kulturgeschichtlichen Hintergrund stehen wie Kolonialgeschichte und Minstrel Shows.
“Ja aber, bei soundso is das doch auch okay” Argumente sind daher nicht zielführend rassistisch konnotierte Praktiken zu vermeiden.
Es wird unzählige Beispiele geben, die die Frage Aufwerfen was Blachfacing ist und was nicht, oder ob es gar nichtrassistisches Blackfacing geben kann. Die Darstellung eines Soldaten in Tarnschminke (zum Zwecke der Tarnung und ohne kontextualen Bezug zu Schwarzer Hautfarbe) fällt, so vermute ich, nicht darunter. Eine deutlich schwierigeres Beispiel dürfte der Film “Der N**er Weiß” 1995 sein. (http://www.gep.de/ezef/index_126.html TW für ausgeschriebenes N‑Wort) Definition(en) und Abgrenzung(en) von Blackfacing obliegen den Betroffenen, ihrer Vereine und Verbände. (Abgesehen vielleicht von einer rein grammatikalisch/linguistischen durch Anatol Stefanowitsch oben)
@mindswitch
“Entsprechende Obama-Darstellungen” finde ich ganz und gar nicht entsprechend. Das einzige, was diesen Facebook-Fall zur “Obama-Darstellung” macht, ist, dass der Mensch, der sich das Gesicht anmalt, daneben schreibt “Obama style”. Das reicht bei weitem nicht, um die Parodie einer Person des öffentlichen Lebens zu begründen. Die Interpretation japanischer TV-Sendungen ist gewiss etwas zu kompliziert hier — und das Beispiel sehr, sehr abgelegen.
Ich bin daher geneigt, klappnase zuzustimmen, dass das Schminken zur Darstellung einer konkreten Person nicht in die Kategorie Blackface fallen muss. Da kann man dann aber ruhig genau hinschauen und untersuchen, ob in einer Parodie zum Beispiel eine Person aufs Korn genommen wird, oder ob der Person irgendwelche rassistischen Stereotype übergestülpt werden. Um das unterscheiden zu können, muss man aber erstmal die rassistischen Stereotypen als solche kennen.
@erbloggtes
Häng dich nicht an “entsprechend” auf. Das sind Beispiele für als Blackface bezeichnete Gesichtsbeschichtung in Referenz zu einer konkreten Schwarzen Person und zwar erkennbar ohne hintergründige Kritik oder Zusammenhänge zu betrachten. Beide Beispiele zeigen auch, wie im amerikanischen Raum Blackface in anderen Ländern gesehen werden kann, dem Land, das sich seit Jahrzehnten mit Blackface beschäftigt und wo Blackface seinen Ursprung hat.
Wenn Du Gegenbeispiele findest, fände ich das um so erhellender. Ob sich die deutsche Schwarze Community nun differenziertere Forderungen stellt als amerikanische Medien rezipieren bleibt abzuwarten. Hoecker als Bruce Darnell wurde aber bereits kritisiert.
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