Unwort des Jahres: Alternative Fakten

Von Anatol Stefanowitsch

Die Sprachkri­tis­che Aktion hat ger­ade das Unwort des Jahres bekan­nt­gegeben: alter­na­tive Fak­ten (PDF). Sie schließt sich damit sowohl der Amer­i­can Dialect Soci­ety an, die alter­na­tive facts zum Euphemism of the Year wählte (PDF), als auch der aus­tralis­chen Plain Eng­lish Foun­da­tion für die es das Worst Word of the Year war (PDF).

Der Aus­druck ist nur ein­er von vie­len fast schon hyp­no­tisch post­fak­tis­chen Sprach­mustern, die US-Präsi­dent Trump und seine Gefol­gschaft zum Stan­dard des amerikanis­chen poli­tis­chen Diskurs­es erhoben haben. Er stammt von Trumps Bera­terin Kellyanne Con­way, die ihn ver­wen­dete, um die Trump’sche Behaup­tung zu stützen, zu sein­er Amt­se­in­führung seien mehr Zuschauer/innen erschienen als zu der irgen­deines anderen Präsi­den­ten vor ihm.

Diese Behaup­tung, die sich durch Fil­mauf­nah­men leicht als falsch ent­lar­ven ließ, wieder­holte Trumps dama­liger Press­esprech­er Sean Spicer gle­ich bei sein­er ersten Begeg­nung mit der amerikanis­chen Presse. Vom CNN-Mod­er­a­tor Chuck Todd darauf ange­sprochen, warum man die Zusam­me­nar­beit mit der Presse mit ein­er Lüge beginne, antwortete Con­way: „Sie nen­nen das eine Lüge. Unser Press­esprech­er Sean Spicer lieferte aber alter­na­tive Fak­ten“. „Alter­na­tive Fak­ten sind keine Fak­ten“, erwiderte Todd. „Sie sind Lügen.“ Aber natür­lich sind sie mehr als das – „alter­na­tive facts“ sind Lügen, mit denen eine offen­sichtliche und umfassend doku­men­tierte Wahrheit­en solange bestrit­ten wird, bis sich kein­er mehr daran erin­nert, was denn nun wirk­lich stimmt.

Die Trump-Regierung dominierte auch die englis­chsprachi­gen Wort-des-Jahres-Wahlen der let­zten Jahre: in diesem Jahr wählten sowohl die Amer­i­can Dialect Soci­ety als auch die britis­chen Collins Dic­tio­nar­ies fake news zum Wort des Jahres (im let­zten Jahr war das bere­its der deutsche Anglizis­mus des Jahres und das Aus­tralis­che Mac­quar­ie Dic­tio­nary Word of the Year), im let­zten Jahr war es dump­ster fire („Müll­con­tainer­brand“) – eine Meta­pher unter anderem für den US-Präsi­dentschaftswahlkampf. Das britis­che Word-of-the-Year der Oxford Dic­tio­nar­ies war im let­zten Jahr post truth.

Wenn der post­fak­tis­che Zugang zur Real­ität sich flächen­deck­end durch­set­zt, kann wenig­stens nie­mand sagen, die inter­na­tionale Lexiko­grafie hätte nicht davor gewarnt.

2 Gedanken zu „Unwort des Jahres: Alternative Fakten

  1. Kwink

    Der post­fak­tis­che Zugang zur Real­ität” ist aber auch eine sehr schöne For­mulierung für Pro­pa­gandagläu­bigkeit (wenn ich die Worte hier richtig verstehe).

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  2. spyri

    Ich tue mich schw­er mit diesem Wort und halte es ehrlich gesagt für etwas fehlgedeutet. Es kann doch schlicht neben Fak­ten (ein Pferd ist klein­er als ein Ele­fant) auch noch alter­na­tive Fak­ten (ein Pferd ist größer als ein Hund) geben.
    Nicht, dass sich nicht hin­ter manchen alter­na­tiv­en Fak­ten auch eine Lüge ver­birgt, aber es scheint mir nicht die vielerorts emp­fun­dene 1:1 Deck­ungs­gle­ich­heit zu sein, weswe­gen man sich vielle­icht nicht unbe­d­ingt einen Gefall­en damit tut es zu verwenden.
    Ana­log zu Höck­es “Denkmal der Schande”, welch­es — die ver­acht­enswerte Dimen­sion sein­er Benutzung unbenom­men — fort­ge­set­zt nicht in seinen zwei Bedeu­tun­gen ver­standen wird, was wiederum einen pri­ma Aufhänger für AFD-Polemik und Opfermythen liefert.
    Schwierige Sache das.

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