Schlagwort-Archive: Krasse Sprachen

Sprachkontakt im Deutschen? *gähn*

Von Kristin Kopf

So, der Anglizis­mus des Jahres 2010 ist gekürt und heute geleakt wor­den. Das möchte ich zum Anlass nehmen, ein bißchen über Sprachkon­takt nachzu­denken und zu zeigen, welche For­men und Inten­sitäts­grade es dabei geben kann. Um es schon mal vor­wegzunehmen: Das Deutsche kann beim Kon­takt eigentlich ein­pack­en. Wirk­lich viel haben wir nicht zu bieten.

Kulturkontakt bringt Sprachkontakt

Sprachkon­takt ist eine natür­liche Begleit­er­schei­n­ung von Kul­turkon­takt und je inten­siv­er dieser Kul­turkon­takt, desto inten­siv­er kön­nen sich auch die beteiligten Sprachen bee­in­flussen. Diese Kon­tak­t­si­t­u­a­tion ist meist irgend­wie asym­metrisch, das heißt eine der Sprachen hat mehr Pres­tige, wird von mehr Men­schen gesprochen, wird von den Men­schen mit den gefährlicheren Waf­fen gesprochen o.ä. – da gibt es einen ganzen Haufen mehr oder weniger voneinan­der abhängiger Fak­toren. Und damit auch eine War­nung vor­weg: Sprachkon­takt ist weitaus kom­plex­er, als ich ihn hier darstelle, es gibt eine Vielzahl von Kon­tak­t­szenar­ien mit den wildesten Resultaten.

Änderungswillig: Wort- und Namenschatz

Es lässt sich grob sagen, dass eine Sprache Teil­bere­iche hat, die auf­nah­me­bere­it­er für Neuerun­gen sind und welche, die sich stärk­er sträuben. Ein­er dieser sehr auf­nah­me­bere­it­en Teile ist der Wortschatz (das “Lexikon”). Hat eine ander­ssprachige Kul­tur ein nüt­zlich­es Ding, das man selb­st nicht besitzt, dann will man nicht nur das Ding haben, nein, man will es auch benen­nen kön­nen. Dazu gibt es einige Strate­gien, die sich in lexikalis­che und seman­tis­che Entlehnun­gen teilen lassen. Weit­er­lesen

Graf Zahl bei XKCD

Von Kristin Kopf

Der aktuelle XKCD mit Graf Zahl:

Eins! Ah ah ah … Zwei! Ah ah ah … … viele! Ah ah ah … – Prim­i­tive Kul­turen entwick­eln Sesamstraße.”

Es gibt tat­säch­lich Sprachen, in denen es nur sehr wenige Zahlwörter gibt, die sowas wie 1, 2 und ‘viele’ (alles ab 3) bedeuten. Ich würde das allerd­ings nicht “prim­i­tiv”, son­dern extrem span­nend nen­nen. WALS, der World Atlas of Lan­guage Struc­tures, lis­tet 20 Sprachen mit solchen eingeschränk­ten (“restrict­ed”) Zahlen­sys­te­men auf: Weit­er­lesen

uMzantsi Afrika: Sprachen in Südafrika

Von Kristin Kopf

Ja, ne, Kristin ver­sucht krampfhaft, der WM lin­guis­tis­che Aspek­te abzugewin­nen. Weniger von der Fußball­seite (zu der es natür­lich auch – teil­weise weniger glob­ale – Unter­suchun­gen gibt) als vom Aus­tra­gung­sort her: Welche Sprachen wer­den in Südafri­ka eigentlich gesprochen?

Oh Gott, viel zu viele für einen Sch­plock­beitrag! (Eth­no­logue zählt 31.) Ich beschränke mich mal auf die elf offiziellen:

Afrikaans, Nde­bele (auf der Karte isiN­de­bele), Nord-Sotho (Sesotho sa Leboa), Süd-Sotho (Sesotho), Swati (siSwati), Tsonga (Xit­songa), Tswana (Setswana), Ven­da (Tshiv­en­da), Xhosa (isiX­hosa), Zulu (isiZu­lu) und Englisch.

Alle außer Afrikaans & Englisch gehören zu den soge­nan­nten Ban­tus­prachen (von denen ich Xhosa schon ein­mal wegen sein­er Klick­laute erwäh­nt habe!).

Offizielle Sprachen Südafrikas in ihren dom­i­nan­ten Regio­nen — Quelle: Wikipedia (Htonl),

Wahrschein­lich ist den meis­ten von euch gle­ich aufge­fall­en, dass die Ban­tus­prachen zwei sehr ähn­liche Beze­ich­nun­gen haben – je eine davon besitzt einen Zusatz am Anfang: isiNde­bele, Sesotho sa Leboa, Sesotho, siSwati, Xitsonga, Setswana, Tshiven­da, isiXhosa, isiZulu.

Das ist kein Zufall, son­dern liegt in ein­er gemein­samen gram­ma­tis­chen Beson­der­heit begrün­det. Weit­er­lesen

Bibliothek, Könyvtár, पुस्तकालय

Von Kristin Kopf

Im Ein­gangs­bere­ich der Bere­ichs­bib­lio­thek Philo­soph­icum in Mainz hat man ver­sucht, the­ma­tis­che Gestal­tungse­le­mente einzubrin­gen. Das Ergeb­nis strahlt nicht ger­ade vor Orig­i­nal­ität, aber es sieht ganz gut aus und gibt Sch­plock­stoff her:

Bereichsbibliothek

2009-08-BB

Jedes Mal, wenn ich vor­beikomme, frage ich mich, wie viele ver­schiedene Sprachen da wirk­lich drauf sind. Ganz offen­sichtlich wieder­holen sich die Wörter ja nach ein­er Weile. Jet­zt hab ich’s endlich mal fotografiert und zuhause in Ruhe nachgezählt: Ich sehe 37. Viele sind natür­lich lang­weilig, weil sie ein­fach nur Vari­a­tio­nen des griechis­chen Wortes sind, aber dazwis­chen steckt immer noch genug Inter­es­santes. Ger­ade die Sprachen mit den “frem­den” Schrift­sys­te­men wer­den übri­gens zu einem großen Teil nicht im Philo­soph­icum gelehrt, son­dern ander­swo auf dem Cam­pus (wenn über­haupt). Ich schätze mal, man hat sie haupt­säch­lich aus optis­chen Grün­den ausgewählt.

Im Fol­gen­den eine Liste aller ver­schiede­nen Wörter, die ich gefun­den habe. Vielle­icht habt Ihr ja Lust, beim Iden­ti­fizieren mitzuhelfen?

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Inklusive aller Personen – ein bißchen Terminologie

Von Kristin Kopf

Wahrschein­lich weiß jed­er von Euch, dass man bei der Kon­ju­ga­tion eines Verbs die “Per­so­n­en” berück­sichti­gen muss. Da gibt es eine 1. Per­son Sin­gu­lar (ich), eine 2. (du), eine 3. (er/sie/es), und dann gibt’s die alle auch noch ein­mal im Plur­al (1. wir, 2. ihr, 3. sie). Woran liegt es aber, dass es zweimal bis drei geht? Warum sagt man nicht ein­fach 1., 2., 3., 4., 5. und 6. Per­son, und gut ist?

Das Prinzip ist sehr ein­fach, aber in meinem Leben vor der Uni war’s mir nicht wirk­lich klar – vielle­icht ist es also auch für jeman­den von Euch noch erhellend.

Das Konzept der “Per­son” benutzen wir, um das Ver­hält­nis von Sprecherin und “Besproch­en­em” zu beschreiben. Sie kommt im Satz als Per­son­al­pronomen (ich, du, sie) oder Nom­i­nal­gruppe (der müde Mann) vor. Und im Deutschen richt­en sich die Ver­ben nach der Per­son des Sub­jek­ts, daher sind die Per­so­n­en auch für die Kon­ju­ga­tion relevant.

Wenn man sie sich gut anschaut, haben die bei­den 1. Per­so­n­en (Sin­gu­lar und Plur­al) etwas gemein­sam, genau­so die 2. und die 3.

2009-08-16-Personen

Sin­gu­lar

Das sind die drei Per­so­n­en im Singular.

  • 1. Per­son: Die Sprecherin meint sich selb­st – Ich schreibe grade einen Blo­gein­trag.
  • 2. Per­son: Die Sprecherin meint den Hör­er – Du kön­ntest mir auch mal helfen!
  • 3. Per­son: Die Sprecherin meint jemand anders, der nicht am Gespräch beteiligt ist – Er geht mir ja sowas von auf die Nerven!

Im Plur­al ist es ähn­lich – bei der 1. Per­son ist immer die Sprecherin dabei, bei der 2. immer der Hör­er, und bei der 3. irgendwelche anderen Leute, die nicht am Gespräch beteiligt sind:

1. Person Plural

Die Sprecherin meint sich selb­st und diejeni­gen, die zu ihrer Gruppe gehören – Wir gehen nach­her noch was trinken. 

Allerd­ings ist das Deutsche da nicht ganz so präzise wie manch andere Sprache. Es bleibt näm­lich offen, was das genau für Leute sind, die zur Wir-Gruppe gehören. Da gibt es zwei Möglichkeiten:

a) Ich spreche für mich und min­destens eine weit­ere Per­son, meine aber meinen Gesprächspart­ner nicht mit. Das ist die “exk­lu­sive” Bedeu­tung. Das grüne Män­nchen darf nicht mit in die Kneipe kommen:

1. Person Plural (exklusiv)

1. Per­son Plur­al (exk­lu­siv)

b) Mein Gesprächspart­ner ist auch Teil mein­er Gruppe, er ist in das Wir eingeschlossen. Das ist die “inklu­sive” Bedeu­tung. Das grüne Män­nchen kommt auch mit in die Kneipe:

1. Person Plural (inklusiv)

1. Per­son Plur­al (inklu­siv)

Diese Unter­schei­dung muss man im Deutschen durch den Kon­text tre­f­fen, was nicht immer gelingt. Andere Sprachen haben ver­schiedene Pronomen für ein exk­lu­sives und ein inklu­sives Wir. Hier die entsprechen­den Wörter in Motu, ein­er ozeanis­chen Sprache Papua Neuguineas:

  • 1. Per­son Sin­gu­lar: lau ‘ich’
  • 1. Per­son Plur­al inklu­siv: ita ‘ich und du (und evtl. Dritte)’
  • 1. Per­son Plur­al exk­lu­siv: ai ‘ich und Dritte (ätschbätsch, du nicht!)

2. Person Plural

Die Sprecherin meint den Hör­er und die Leute, die zu sein­er Gruppe gehören. Das kann auch wieder auf zwei Arten geschehen, allerd­ings ist der Unter­schied nicht so gravierend:

a) Die Sprecherin spricht nur eine Per­son aus der Gruppe an (z.B. weil die anderen nicht anwe­send sind, oder eine andere Sprache sprechen, oder weil sie unhöflich ist …), es gibt also nur einen Hörer.

b) Die Sprecherin spricht alle Per­so­n­en aus der Gruppe gle­ichzeit­ig an, es gibt also mehrere Hörer.

2. Person Plural

2. Per­son Plural

3. Person Plural

Bei der drit­ten Per­son Plur­al sind Leute gemeint, die nicht am Gespräch beteiligt sind. Im Gegen­satz zum Sin­gu­lar jet­zt eben min­destens zwei.

3. Person Plural

3. Per­son Plural

Hier müssen aber nicht unbe­d­ingt Men­schen (oder Tiere) gemeint sein, die Gemein­ten reden ja eh nicht mit. Es kann also auch um Dinge oder abstrak­te Konzepte gehen.

2009-08-16-sie-dinge

3. Per­son Plural

Die 1. Per­son umfasst also immer die Sprecherin, die 2. immer den Hör­er und die 3. unbeteiligte Per­so­n­en oder Dinge. Im Sin­gu­lar immer nur eine Entität, im Plur­al min­destens zwei. (Und natür­lich ist die Min­destzahl für den Plur­al in Sprachen, die den Dual haben, drei.)

[Filmtipp] The Linguists

Von Kristin Kopf

Ich habe ja schon mal ein Inter­view mit David Har­ri­son ver­linkt, der bedro­hte Sprachen erforscht. Über ihn und seinen Kol­le­gen Gre­go­ry Ander­son (der furcht­bar viel lacht) gibt es einen Doku­men­tarfilm namens The Lin­guists. Es geht darin vor allem darum, wie die bei­den die Sprech­er der ausster­ben­den Sprachen find­en und mit ihnen inter­agieren – in Sibirien, Bolivien, Indi­en und den USA. Das Lan­guage Log hat darauf hingewiesen, dass man den Film jet­zt (“nur für kurze Zeit”) online guck­en kann, was ich natür­lich gle­ich getan habe. Dage­gen ist meine geplante Feld­forschung mit den Ale­man­nen sehr unexotisch …

2009-04-27-thelinguists

Zum Anschauen ein­fach auf das Bild klick­en oder, falls es nicht klappt, den Film auf babelgum.com her­aus­suchen. Bei mir lief er nur im Inter­net Explorer.

Wejnachten bei der Sprachfamilie

Von Kristin Kopf

André, ein­er der treuen Leizpiger StuTS-Besuch­er, hat uns in Mün­ster mit einem wun­der­baren Sketch unter­hal­ten, den Ihr, wenn Ihr ihn schon nicht hören kön­nt, ein­fach lesen müsst:

André: Griechisch noch ein Stück Kuchen?
Lennart: Von dem Man­darin-Kuchen hier?
André: Nee, dänisch, lieber die Sakha-Torte.
Lennart: So… bitteschön. Reicht das, oder darf’s noch ewenkisch mehr sein?
André: Nee nee, das ist ginukh.
Johannes: Aber ich will auch noch was. Est­nisch alles auf!

-> und hier geht es dann weiter!

How do you make that noise?”

Von Kristin Kopf

2008-03-30-makeba

Miri­am Make­ba spricht (u.a.) Xhosa, eine Ban­tus­prache. Ja, genau, Alar­m­glock­en: das sind die mit den Klicks (oder “Schnal­zlaut­en”).
Klicks sind velare ingres­sive Plo­sive, und nach­dem mir keine präg­nante Beschrei­bung für Laien ein­fall­en will, ver­weise ich auf eine Rönt­ge­nauf­nahme. (Let­ztlich wird der Mundraum mit der Zunge zweimal ver­schlossen — ein­mal in Rich­tung Zähne, ein­mal in Rich­tung Luftröhre -, dadurch entste­ht ein Unter­druck, der vordere Ver­schluss wird geöffnet, es strömt Luft von außen in den Mund ein … und es klickt.)
Klicks gibt es auss­chließlich in Afri­ka, und Xhosa hat drei davon — hier kann man sie sich einzeln anhören: [|], [||] und [!].

Und jet­zt endlich zum Aus­lös­er des Ein­trags: hier kann man sich anhören, was Make­ba über Klicks sagt und — vor allem!! — wie sie sie singt.

Vie­len Dank an Alyson für den Tipp 🙂

Sprachtod = Kulturtod

Von Kristin Kopf

Hier spricht ein Men­sch (K. David Har­ri­son), dessen Buch (“When lan­guages die”) ich mir beina­he bei der DGfS gekauft hätte, über Sprach­tod. Zur Sen­si­bil­isierung für das Prob­lem ganz schön, finde ich.

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