Sprachkritiker-Spießer

Von Anatol Stefanowitsch

Wie ich von ein­er Sprach­blogle­serin der ersten Stunde erfahren habe, hat sich der Stern in sein­er let­zten Aus­gabe mit dem „neuen deutschen Spießer“ beschäftigt und dabei unter anderem fol­gen­den Typ identifiziert:

Der Sprachkri­tik­er-Spießer

Ideelle Ober­stu­di­en­räte vom Schlage Bas­t­ian Sick, die es immer noch für orig­inell hal­ten, schwachsin­niges Denglisch oder falsch geset­zte Apos­tro­phe zu geißeln. Sprach­block­warte, die noch den drei­hun­dert­sten „Zeit“-Artikel über die Rechtschreibre­form ver­schlin­gen, als hinge davon die west­liche Zivil­i­sa­tion ab. Grün­den mit anderen Schlaumeiern Vere­ine zur Pflege der deutschen Sprache und fordern Quoten für deutschsprachige Musik in den Sendern. Wenn sie nicht Heinz Rudolf Kun­ze heißen, sehen sie zumin­d­est so aus. (Stern Nr. 48, 2007/11, Seite 81)

Der Stern-Autor Wolf­gang Röhl ist mit dieser Kri­tik aber auch in dieser Woche nur eine ein­same Stimme in der deutschen Pres­se­land­schaft. Die Berlin­er Mor­gen­post, zum Beispiel, berichtet voller atem­los­er Bewun­derung über einen Vor­trag, den Bas­t­ian Sick für Abon­nen­ten der Zeitung hielt. Der Autor, Michael Mielke, ist merk­lich hin­geris­sen, obwohl Sick offen­sichtlich nur alt­bekan­nte und äußerst lahme Witzchen zum Besten gegeben hat:

Die abhängig vom jew­eili­gen Land­strich sehr willkür­lich gewählten Prä­po­si­tio­nen sind für Sick auch son­st ein dankbares The­ma. Er erzählt den Witz von dem Türken und dem Opel-Man­ta-Fahrer: Let­zter­er bremst neben dem Türken und fragt: „Wo geht es denn hier nach Aldi?“ „Zu Aldi“, verbessert der Türke. Der Man­ta-Fahrer guckt ver­dutzt: „Watt denn, hat der jet­zt schon geschlossen?“ In anderen Gegen­den, sagt Sick im Ruhrpott-Slang, „geht man nicht zu oder nach, son­dern bei Aldi“. Manch ein­er gehe sog­ar „nach dem Aldi hin“.

Das ist so lang­weilig, dass es schw­er fällt, wach zu bleiben.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

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