Der Nordbayerische Kurier berichtet von einem „bundesweiten Pilotprojekt“ an einer (der?) Grundschule im bayrischen Goldkronach, bei dem die Schüler statt des herkömmlichen Englischunterrichts Unterweisung im „Basic Global English“ erhalten:
„Das Projekt läuft ganz im Humboldtschen Sinne – indem ich nicht nur die Studenten integriere“, sagt der Linguist Dr. Joachim Grzega, der seit 1998 als Sprachwissenschaftler an der katholischen Universität Eichstätt arbeitet […]. Der 37-jährige Privatdozent hat vor knapp vier Jahren begonnen, sich „über die Tatsache Gedanken zu machen, dass die Kinder oft nur reproduzierend britische oder amerikanische Reime, Wendungen oder Liedtexte heruntersagen können“. Sie könnten aber nicht kommunizieren. Das sei für Grzega der Auslöser gewesen, die englische Grammatik auf 20 Regeln einzudampfen und einen Grundwortschatz auf 750 Wörter festzulegen. [Nordbayerischer Kurier, 2. April 2008]
Ich habe extra noch einmal auf das Datum geschaut, um nicht aus Versehen einem Aprilscherz auf den Leim zu gehen. Ich halte von Grzegas Arbeiten durchaus etwas und verwende sie manchmal auch in meinen Seminaren, aber den Sinn und Zweck dieses Projektes kann ich nicht nachvollziehen.
Seit Charles Ogden der Welt 1930 sein Basic English vorgestellt hat, hat es immer wieder Versuche gegeben, das Englische zu vereinfachen, um es als Welthilfsprache tauglich zu machen. Die Idee scheint zunächst plausibel: 750 Wörter und 20 grammatische Regeln reichen durchaus, um sich über unmittelbare Bedürfnisse und Erfahrungen auszutauschen — wenn beide Gesprächspartner sich an diese Einschränkungen halten.
Aber genau da liegt natürlich das Problem. Da es unwahrscheinlich ist, dass Grzega sein „Basic Global English“ weltweit an den Mann bringen kann, tut die Goldkronacher Grundschule ihren Schülern mit dem Pilotprojekt keinen Gefallen. Sicher, sie können vielleicht schneller anfangen, Englisch zu schreiben oder zu sprechen, als Schüler, die nach der traditionellen Methode Englisch lernen, nur werden sie die Antworten nicht verstehen, die sie dann bekommen.
Hinzu kommt, dass es den Schülern später möglicherweise schwerfallen wird, sich von den vereinfachten Strukturen zu lösen und näher an ein muttersprachliches Englisch heranzukommen. In der Fremdsprachendidaktik ist es seit den achziger Jahren relativ unstrittig, dass Unterrichtsmaterialien möglichst authentisch sein sollen, unter anderem, um sprachliche Verzerrungen zu vermeiden, die sich sonst schnell einschleichen können.
Ich will nicht vorschnell Urteilen und werde mir Grzegas Vorschläge mit meinen Studierenden in diesem Semester einmal näher ansehen. Aber nach meiner Erfahrung gibt es nur einen Weg, sich in eine Fremdsprache hineinzufinden — kopfüber in ihre ganze Komplexität eintauchen und nicht zurückschauen.
Gibt es nicht ein “Simple English” Das zb. von diversen US-Amerikanischen Auslandsradiosendern verwendet wird/ entwickelt wurde ? ich seh nur manchmal wikpedia Einträge die auf das verweisen bzw eben auch in Simple English vorhanden sind. Würde es nicht mehr sinn machen, das wenn man schon einfaches Englisch beibringt dann das ?
ok zuerst Wiki schauen dann schreiben … wir reden vom selben … basic / simple english …
Hinzu kommt, dass es den Schülern später möglicherweise schwerfallen wird, sich von den vereinfachten Strukturen zu lösen und näher an ein muttersprachliches Englisch heranzukommen.
Ich wage daran zu zweifeln. Schau mal irgendeine Artikel aus der Simple English Wikipedia an: http://simple.wikipedia.org/wiki/Main_Page
Ich bin englischer Muttersprachler. Wenn ich einen Deutscher hörte, der perfektes Simple English sprechen könnte, würde ich es wahrscheinlich gar nicht merken.
Fast der einzige Unterschied zwischen Simple Englisch und Englisch ist die Wortwahl. Klar, die Struktur ist viel einfacher. Das heißt aber nicht, dass es in Simple English Strukturen gibt die nicht ebenfalls im Englischen erscheinen. Jeder muss mit etwas anfangen. Nach der Grundschule können die Schüler nach normalem Englisch wechseln.
Ich habe viele deutsche Freunde, die mir dauernd von ihrem schlechten Englischunterricht in der Schule erzählen. Nach dem Abi könnten die zwar Shakespeare ausspucken, aber kaum eine Pizza bestellen.
Etwas muss getan werden, und Simple English ist ein guter Anfang.
@ Christoph Pohanka
Das hier ist das Internet, hier folgt man einfach den „Hyperlinks“ die ein Autor eines Artikels gesetzt hat. Schon der dritte Satz unter dem „Basic English“ Link oben lautet:
Es [Basic English] ist nicht mit dem formal ähnlichen, jedoch für ein sehr spezielles Anwendungsgebiet geschaffenen Simplified English zu verwechseln.
Wie man dann trotz Nachschlagens auf:
„wir reden vom selben … basic / simple english“ kommt, ist mir schleierhaft.
Genau wie Ihr Satzbau. Haben Sie etwa so eine Handytastatur aus dem letzten Beitrag?
@Liam
Auch ich (13. Klasse) bin der Meinung, dass der Englischunterricht an deutschen Schulen nicht optimal ist. Es wird vielzuviel Wert darauf gelegt, Englische Texte passiv zu verstehen, anstatt den Schülern ein Sprachgefühl geben. Auch wird schon in der Frühphase recht spezielles Vokabular gelehrt und innerhalb von vier Jahren die *komplette* englische Grammatik gelehrt — Die ist zwar einfacher als die deutsche, aber nicht immer mit ihr deckungsgleich.
Von daher habe ich nun kaum Probleme, einen englischen Zeitungsartikel zu lesen, hatte aber bis vor kurzem echte Probleme, normale englische Filme und Serien zu verstehen. Nicht nur wegen der ungewohnten Aussprache, sondern auch weil ein anderes Vokabular und mE mehr Wendungen gebraucht werden.
Den Wortschatz in den ersten Jahren auf ~1000 Wörter zu begrenzen und den Grammatikunterricht auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren würde schon Sinn machen. Denn zumindest für mich war Englisch in den ersten Jahren ein Kampf, mein Sprachgeühl tendierte gegen Null. Heute hat sich das — auch Dank des Internets — zum Glück etwas gebessert.
Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, wie schon Anatol Stefanowitsch angemerkt hat, dass man mit diesen “20 Regeln” falsche Grammatikregeln impliziert oder fördert. Ich persönlich glaube, dass wenn Kinder genug Englisch hören und sprechen, sie unbekannte Regeln intuitiv anwenden, auch wenn sie sie noch nie schwarz auf weiß gesehen haben. Das ist eher der Weg der Erwachsenen.
Ach und die Erkenntnis, dass Unterrichtsmaterialien authentisch sein müssen, kann ich durchaus nachvollziehen. Nur ist das in den ersten 4 Jahren sowieso nicht möglich und in den höheren Stufen… naja die Texte sind meist sehr langweilig, auch wenn man den Buchmachern ihre Bemühtheit ansieht.
PS: Gerne würde ich die Meinung eine Sprachwissenschaftler dazu hören. Gibt es irgendwelche Studien/Untersuchungen wie Kinder Sprachen am Besten lernen?
Und noch eine Bitte: könnten sie das Kommentarfeld, wenn möglich, verbreitern — etwa auf die Größe des späteren Textes? Es werden ja meist längere Kommentare geschrieben.
Stefan, ich bin ja Sprachwissenschaftler und habe meine Meinung dazu gesagt! Zu Ihrer Anmerkung bezüglich der Ausrichtung des Englischunterrichts auf Schreib- und Lesekompetenz, da haben Sie leider Recht. Obwohl die Fremdsprachendidaktik spätestens seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen Fokus auf kommunikative Kompetenz fordert, sind die Rahmenlehrpläne für die Schulen oft zu stark auf das Schriftliche ausgerichtet oder die Lehrer konzentrieren sich zu stark auf diese Aspekte (das setzt sich dann übrigens in universitären Sprachkursen häufig fort, aber das ist eine andere Geschichte). Zu Ihrer Frage danach, wie man Fremdsprachen am Besten lernt: das kann Ihnen niemand genau sagen, denn erstens gibt es verschiedene Lernertypen, die man nicht alle über einen Kamm scheren sollte, und zweitens sind nicht alle Lehr- und Lernmethoden strengen wissenschaftlichen Prüfungen unterzogen worden. Mein Bauchgefühl (unter Einbeziehung der Fachliteratur) ist, dass die beste Methode die sogenannte Immersionsmethode ist, bei der die Lerner/innen einfach mit der Fremdsprache überflutet werden (z.B. in Form des bilingualen Sachfachunterrichts, in dem Fächer wie Geschichte oder Erdkunde abwechselnd auf Deutsch und in der Fremdsprache unterrichtet werden). Das wäre also das genaue Gegenteil von einem „Basic Global English“ — volle Komplexität von Anfang an, aber eben mit einem Schwerpunkt auf Inhalte und damit auf die Notwendigkeit für kommunikativen Erfolg.
Ach, und corax, wir hatten uns doch seinerzeit geeinigt (bzw. Sie hatten mich überzeugt), dass ein freundlicher Tonfall nicht schaden kann!
Herr Stefanowitsch,
Sie haben vielleicht recht. Bin ich zu unfreundlich rübergekommen? Dann bitte ich bei Herrn Pohanka um Entschuldigung. Das liegt vielleicht auch daran, dass man in schriftlicher Form Emotionen kaum rüberbringen kann, und ich diese Umwandlung in gelbe Smileys nicht leiden kann und deshalb zu vermeiden versuche. Und weil ich zwei Sachen in einem Post vermischt habe. Das mit dem Satzbau war etwas scherzhaft gemeint und bezog sich nur auf das zweite Posting von Herrn Pohanka mit diesen „Pünktchen“ sonst nichts.(Gerade weil das Erste ja ohne das auskam) Da hätte möglicherweise noch so ein Zwinkersmiley hintergehört, dass hätte etwas deutlicher machen können, das ich das nicht so ernst meinte.
Das mit dem „nicht Folgen“ der Hyperlinks hat mich aber schon etwas geärgert, man (in dem Fall Sie) setzt die ja in der Regel nicht aus Jux.
Tja, das mit dem „Tonfall“ in reiner Textform, bei der Kommunikation mit Fremden ist ja ein ständig wiederkehrendes Problem. Besonders im Internet. Soll man überall diese Emoticons hintermachen? Werden die nicht zu inflationär gebraucht? Gibts Alternativen? Ist eine 15 minütige Korrekturmöglichkeit evtl. sinnvoll um nach nochmaligem Durchlesen noch etwas zu ändern/entschärfen?
Die Unterhaltung mit Wildfremden per Kommentar ist halt ziemlich neu, ich zumindest hab das in der Schule nicht durchgenommen. Der Eine legt alles auf die Goldwaage, der Andere lässt auch mal Fünfe gerade sein. Und manchmal interpretiert man die eigenen Texte einen Tag später selber anders als ursprünglich gemeint.
Ich versuch es mir zu merken. 😉
@LiamRosen
“Ich bin englischer Muttersprachler. Wenn ich einen Deutscher hörte, der perfektes Simple Englisch sprechen könnte, würde ich es wahrscheinlich gar nicht merken.”, das bezweifle ich nicht, aber Sie sind ja, wie sie selber sagen auch englischer Muttersprachler. Das Problem das Herr Stefanowitsch dargestellt hat ist ja viel mehr, dass es nicht-englischen Muttersprachlern mit einer light Version des englischen schwerer gemacht wird komplexere Formulierungen, erweitertes Vokabular und differenziertere Grammatik — sprich “normales” englisch zu verstehen.
Wiewohl meine Freunde und sogar meine Feinde nicht umhin können, mir ein Mindestmaß an sprachlicher Kompetenz zuzugestehen, finde ich das mit dem Ton, der Orthografie, der Grammatik oder auch Gedankengang in Kommentaren ebenfalls sehr schwer. Ich habe mir zwar hier, aber an anderer Stelle, deswegen schon mal die Hilfskonstruktion vom Kommentar als “schnelles”, quasi der gesprochenen Sprache entsprechendes Medium zurechtgelegt. Ich finde es also — schon allein weil ich hoffe, selbst Empfänger dieser Großzügigkeit zu sein — lässlich, wenn kleine und große Fehler in einem Kommentar auftauchen. Das Medium ist die Botschaft, wie Marshal McLuhan korrekt bemerkte. Und große Fehler kann man ja in einem weiteren Kommentar beseitigen.
Herr Stefanowitsch, Danke für ihre Antwort. Natürlich weiß ich, dass sie Sprachwissenschaftler sind. Nach einigen Satzumstellungen (was man auch an dem Grammatikfehler sieht) ist mir wohl dieser Fehler unterlaufen. Ich meinte die Meinung anderer Sprachwissenschaftler, also die gängige wissenschaftliche Meinung — die wohl in diesem Fall noch nicht gefunden ist
@Liam Rosen
Wer Shakespeare “ausspuckt” und kein “native speaker” ist, da ist es doch verständlich, dass diese Person keine Pizza auf Englisch bestellen kann.
Wer Shakespeare lesen kann und einigermaßen richtig betonen kann, dem dürfte es ein Leichtes sein, eine Pizza auf Englisch zu bestellen.
FAZIT: Die Schüler und vor allem die Lehrer müssen noch mehr Shakespeare pauken bzw. endlich mal die Macbeth-Filmversion von Orson Welles sehen statt dieser abscheulichen Version von Roman Polanski.
[quote]nur werden sie die Antworten nicht verstehen[/quote]
Kommunikation ist aber keine Einbahnstrasse. Sofern Wille da ist wird die Kommunikation nach (mehreren) Anpassungsschritten immer auf der Schnittmenge stattfinden.
Insofern ist dieses Argument gegen ein ‘Globish’ nicht nachvollziehbar. Ich lebe seit mehreren Jahren in den USA und wenn ich Worte nicht verstehe, lasse ich sie mir einfacher erklaeren. Von daher ist so eine Basissprache sogar der beste Weg schnell eine Sprache zu lernen. Dann entwickelt man naemlich auch gleichzeitig ein Gefuehl fuer die Sprache, statt deren Regeln abstrakt eingetrichtert zu bekommen.