Am Ende des Tages

Von Anatol Stefanowitsch

Die Sprach­nör­gler haben vor kurzem eine neue Redewen­dung ent­deckt, die es auszumerzen gilt, näm­lich am Ende des Tages in der fol­gen­den Verwendung:

  1. Am Ende des Tages ste­ht für mich eine rena­turi­erte Ems“, sagt Nieder­sach­sens Min­is­ter­präsi­dent Chris­t­ian Wulff. [Finan­cial Times]
  2. Am Ende des Tages zählen Leis­tung und Zahlen“, sagt Peter Staab, zuständig für Investor Rela­tions… [Welt.de]
  3. Die deutsche Singspielin­dus­trie darbt. Am Ende des Tages kön­nen nur heiße Stoffe wie das Oba­ma-Musi­cal neue Hoff­nung brin­gen. [Finanztreff.de]

Schon 2006 hat Chefnör­gler Bas­t­ian Sick diese Phrase in ein­er Glosse als Beispiel für einen Anglizis­mus erwähnt:

Die englis­che Meta­pher „at the end of the day“ bedeutet „let­zten Endes“, „schließlich“. Für die meis­ten Deutschen ist das „Ende des Tages“ keine rhetorische Fig­ur, son­dern nichts anderes als der Abend. Die Ver­wen­dung im Sinne von „schließlich“ ist ein Anglizismus.

Bei mein­er regelmäßi­gen Lek­türe sprach­nör­g­lerisch­er Befind­lichkeits­bekun­dun­gen ist mir die Redewen­dung dann lange Zeit nicht untergekom­men, aber in den let­zten Monat­en ist sie in aller Munde.

Robert Sed­laczek beze­ich­net sie in der Wiener Zeitung noch rel­a­tiv neu­tral als „abge­drosch­ene Phrase“ (Wiener Zeitung, 4. März 2009). Burkhard Spin­nen will die Redewen­dung abschaf­fen, weil er die Gefahr sieht, dass des Englis­chen nicht mächtige Zeitgenossen sie fälschlicher­weise wörtlich inter­pretieren kön­nten (Deutsche Welle, 11.9.2009). Alexan­der Jungkunz para­phrasiert in den Nürn­berg­er Nachricht­en Bas­t­ian Sick und beze­ich­net die Redewen­dung dann schon etwas nör­g­lerisch­er als „Quatsch“ (Nürn­berg­er Nachricht­en, 9.11.2009). Bernd Matthies möchte sie im Tagesspiegel sog­ar als „ner­vend­ste Redewen­dung des Jahres“ aus­geze­ich­net sehen (Tagesspiegel, 23.12.2009), und Chris­t­ian Schacher beschimpft sie im Stan­dard als den „blö­den Brud­er“ der Redewen­dung das macht Sinn (Der Stan­dard, 11. Jan­u­ar 2010).

Auch sprach­lich gelassenere Beobachter befassen sich mit der Phrase. Her­mann Schreiber, der mit­tler­weile wenig nör­g­lerische und recht gut gelaunte Sprach­glos­sist des Ham­burg­er Abend­blatts möchte in sein­er Kolumne klären, woher die Redewen­dung kommt; allerd­ings fällt ihm nicht viel dazu ein: „Und wie kommt so ein Spruch zus­tande? Ganz ein­fach: Ein­er „erfind­et“ ihn, ganz zufäl­lig, und die anderen plap­pern ihn nach“ (Ham­burg­er Abend­blatt, 7. Novem­ber 2009 — lei­der hin­ter der neuen Bezahlwand des Abend­blatts). Und Har­ald Freiberg­er möchte den Man­agern die Redewen­dung zur Schär­fung von deren Führung­spro­fil abgewöhnen:

Dabei passen die Floskeln gar nicht zu einem Man­ag­er. Denn er will agil und aktiv wirken, auf keinen Fall unbe­weglich und pas­siv. Sagt er aber “am Ende des Tages”, bringt er sich automa­tisch in eine defen­sive Posi­tion; schließlich set­zt die Formel „am Ende des Tages“ voraus, dass man vorher die Argu­mente der Gegen­partei nen­nt, um diese dann nach Ein­schub der Floskel zu wider­legen: „Alle sagen zwar immer, dass wir keine Rezepte für die Zukun­ft haben, am Ende des Tages aber wird sich zeigen, dass dem keineswegs so ist.“ [Süd­deutsche Zeitung, 21.12.2009]

Ob die Redewen­dung nervt oder führungss­chwach klingt, muss jed­er für sich selb­st entschei­den. Ich mag sie nicht beson­ders, aber außergewöhn­lich defen­siv kommt sie mir nicht vor. Sprach­wis­senschaftlich inter­es­san­ter ist die Frage, die Schreiber stellt aber nur sehr all­ge­mein beant­wortet: woher kommt so eine Redewen­dung und wie ver­bre­it­et sie sich? Außer­dem inter­essiert mich, warum die Sprach­nör­gler sich in let­zter Zeit so mas­siv auf das Ende des Tages stürzen. Han­delt es sich bei der Redewen­dung um ein neueres Phänomen, bzw. hat sie sich erst in let­zter Zeit so stark ver­bre­it­et, dass sie sich prak­tisch aufdrängt?

Fan­gen wir mit der ersten Frage an. Sick geht in sein­er Glosse davon aus, dass es sich um eine Entlehnung aus dem Englis­chen han­delt, und es scheint mir plau­si­bel, dass er damit Recht hat. Um es zu über­prüfen, habe ich nach der Phrase für die Jahre 1999 bis 2003 in der Google-Büch­er­suche gesucht. Ich habe mir für jedes Jahr 100 Tre­f­fer ange­se­hen und nach Ver­wen­dun­gen wie den oben zitierten gesucht.

Zwei Dinge fall­en auf: fast alle Tre­f­fer stam­men entwed­er aus Über­set­zun­gen englis­ch­er Büch­er (oder Zitate) oder aus betrieb­swirtschaftlichen Abhand­lun­gen und Rat­ge­bern. Nur drei der ins­ge­samt 23 Tre­f­fer fall­en in keine der bei­den Kat­e­gorien. Die Häu­figkeit der Über­set­zun­gen bleibt über den Zeitraum rel­a­tiv kon­stant, er schwankt zwis­chen ein­er und zwei Ver­wen­dun­gen pro Jahr. Der Anteil in der betrieb­swirtschaftlichen Lit­er­atur steigt dage­gen von 2 im Jahr 2000 auf 5 im Jahr 2003 an. Eine plau­si­ble Erk­lärung wäre also, dass die Redewen­dung durch Über­set­zun­gen aus dem Englis­chen ins Deutsche gekom­men und dann von Wirtschafts­denkern beson­ders enthu­si­astisch aufgenom­men wor­den ist.

An dieser Stelle kann man an zwei Punk­ten nach­hak­en: erstens, wie kann eine der­ar­tige Redewen­dung über­haupt so ein­fach in eine andere Sprache über­tra­gen wer­den; zweit­ens, warum ist der Begriff ger­ade in der Wirtschaft so beliebt?

Zur ersten Frage ist zu bemerken, dass es sich, wie ja schon Sick richtig anmerkt, um eine Art Meta­pher han­delt: die häu­fig­ste Ver­wen­dung der Redewen­dung ist die in (1) und (2) dargestellte, also die mit der Bedeu­tung „am Ende des rel­e­van­ten Prozess­es oder Zeitraums“. Das „Ende des Tages“ ver­ste­hen wir auf­grund unseres typ­is­chen Tagesablaufs automa­tisch als ein natür­lich­es Ende für Aktiv­itäten als guten Zeit­punkt für eine Rückschau. In dem wir unsere Vorstel­lung eines Tages auf einen beliebi­gen Zeitraum pro­jizieren, ver­lei­hen wir diesem Zeitraum eine Struk­tur. Diese Pro­jek­tion drückt sich auch in dem Aus­druck Lebens­abend aus. Die in (3) dargestellte Bedeu­tung stellt einen weit­eren Über­tra­gungss­chritt dar: hier ist die Bedeu­tung „bei Berück­sich­ti­gung aller rel­e­van­ten Fak­ten“, ohne dass diese Fak­ten notwendi­ger­weise alle genan­nt wer­den müssen bevor die Aus­sage getrof­fen wird.

Inter­es­sant ist aber, dass diese Meta­pher im Deutschen recht sel­ten ver­wen­det wird. Außer Lebens­abend fall­en mir noch die Aus­drücke fünf vor Zwölf und vielle­icht Vor­abend (am Vor­abend des Zweit­en Weltkriegs) ein. Im Englis­chen ist diese Meta­pher etwas pro­duk­tiv­er. Neben den Entsprechun­gen für die hier genan­nten deutschen Begriffe (evening of life und on the eve of the Sec­ond World War) find­en sich dort Begriffe wie high noon, at the dawn of sth. und sun­set years (und natür­lich Dou­glas Adams’ long, dark teatime of the soul. Dies kön­nte der Grund sein, warum die Redewen­dung im Deutschen fremder wirkt als im Englischen.

Allerd­ings macht das die Redewen­dung im englis­chen Sprachraum nicht beliebter: die Leser der Dai­ly Mail wählten sie im Dezem­ber zur „ärg­er­lich­sten Bürofloskel des Jahres“ (der oben zitierte Tagesspiegel-Redak­teur müsste begeis­tert sein). Diese Wahl deutet im Übri­gen auch darauf hin, dass die Redewen­dung im englis­chen Sprachraum im Bere­ich der Wirtschaft beson­ders häu­fig ver­wen­det wird, was auch die zweite eingeschobene Frage beant­wortet: in der deutschen Wirtschaftssprache ist die Redewen­dung so häu­fig, weil sie aus der englis­chen Wirtschaftssprache stammt. Der Ursprung in der Wirtschaftssprache ist auch deshalb plau­si­bel, weil in wirtschaftlichen Zusam­men­hän­gen (z.B. an der Börse) tat­säch­lich am Ende des Tages abgerech­net wird.

Bleibt die ein­gangs erwäh­nte Frage, ob die Redewen­dung neu ist oder ger­ade ein starkes Wach­s­tum durch­laufen hat. Das ist in der Tat der Fall: Ich habe im Google-Nachricht­e­nar­chiv vom Jahr 2009 an rück­wärts nach der Phrase gesucht und jew­eils den Anteil von Redewen­dun­gen an der Gesamtzahl der Ver­wen­dun­gen berech­net (die Wörter wer­den natür­lich auch häu­fig wörtlich ver­wen­det). Vor 1999 habe ich keine Ver­wen­dung der Redewen­dung mehr gefun­den. Seit 1999 steigt die Ver­wen­dung aber prinzip­iell an, wobei sie 2003 einen ersten Höhep­unkt erre­icht, danach absinkt, und in den let­zten Jahren wieder ansteigt. Die fol­gende Grafik zeigt dies:

<img class=“center” alt=“Häfigkeit der Redewen­dung am Ende des Tages im Google-News-Archiv” title=“Häfigkeit der Redewen­dung am Ende des Tages

Auf der Grafik habe ich außer­dem dargestellt, wie häu­fig in dem betr­e­f­fend­en Jahr metasprach­liche Kom­mentare zur Redewen­dung vorkom­men. Dabei habe ich sowohl neben­bei gemachte Bemerkun­gen (4) oder Anführungsze­ichen (5) mit­gezählt, als auch Glossen, die sich direkt mit dem Phänomen auseinandersetzen:

  1. Am Ende des Tages aber, so sagen wir’s gern neu-denglisch und so passte es auch nach zehn lan­gen Stun­den, sah die Real­ität weitaus nüchtern­er aus. [Tagesspiegel, 22.10.2003]
  2. Doch «am Ende des Tages» zählt für sie und viele andere Mark­t­teil­nehmer vor allem eine Stimme: jene von Alan Greenspan. [NZZ, 16.7.2003]

Inter­es­sant ist hier, dass solche metasprach­lichen Sig­nale anfänglich rel­a­tiv häu­fig sind, dann sel­tener wer­den während die Ver­wen­dung­shäu­figkeit der Redewen­dung stark ansteigt, und erst danach wieder häu­figer wer­den. Diese Entwick­lung ließe sich möglicher­weise wie fol­gt erk­lären. Wenn eine Redewen­dung neu in eine Sprache kommt, wirkt sie durch ihre Neuar­tigkeit fremd und wird von den Mit­gliedern der Sprachge­mein­schaft bemerkt und kom­men­tiert. Je stärk­er sie sich durch­set­zt, desto nor­maler wirkt sie. Durch ihre Häu­figkeit wird es aber auch wahrschein­lich­er, dass sie einem pro­fes­sionellen Sprach­nör­gler auf­fällt und von ihm kom­men­tiert wird und dass diese Kom­mentare dann anderen Sprach­nör­glern (und den Lesern von Sprach­glossen) plau­si­bel erscheinen.

Wenn der in der Grafik dargestellte Ver­lauf typ­isch ist, würde er das zen­trale Dilem­ma aller Sprachkri­tik zeigen: diese ver­sucht sprach­liche Phänomene immer erst dann zu unterbinden, wenn sie für die Mehrheit der Sprachge­mein­schaft zu einem fes­ten Bestandteil der Sprache gewor­den sind.

30 Gedanken zu „Am Ende des Tages

  1. AndreasK

    Aus “Nutzer­sicht” gebe ich deinem let­zten Satz Recht. Ähn­lich einem Geis­ter­fahrer wun­dern sich die Sprachkün­stler darüber, wie eine Phrase von hun­derten, wenn nicht tausenden Men­schen völ­lig falsch benutzt wird. ;o)

    Schönes Woch­enende!

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  2. janwo

    Da kommt noch ein zweites Dilem­ma hinzu: Die Metadiskus­sion bzw. der Sprach­nörgel trägt let­zten Endes zu Bekan­ntheit und Ver­bre­itung auch noch bei.

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  3. Frank Oswalt

    Man kann die “blö­den Brüder” auch kombinieren:

    Am Ende des Tages macht es Sinn, wenn man alles kom­biniert und sin­nvoll ein­set­zt. (Zitat)

    Wenn man Regeln für die Geschwindigkeit, eine Regel für das Über­holen, eine Regel für alles braucht, dann macht das am Ende des Tages keinen Sinn (Zitat)

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  4. Gareth

    Robert Sed­laczek beze­ich­net sie in der Wiener Zeitung noch rel­a­tiv neu­tral als „abge­drosch­ene Phrase“.

    Ist mein Ver­ständ­nis des Worts abge­droschen falsch? Ich dachte, das beze­ich­net Phrasen, die beson­ders oft genutzt wer­den und daher als nicht beson­ders orig­inell emp­fun­den wer­den. Am Ende des Tages ist mir jet­zt auf Deutsch aber das erste Mal auf diesem Blog untergekom­men, so abge­droschen kann sie also nicht sein. Was anderes wäre es, wenn Herr Sed­laczek übers Englis­che schriebe, ich kenne einige Leute, die wirk­lich über­mäßig oft at the end of the day sagen. Wenn diese Phrase irgend­wo abge­droschen ist, dann im Englischen.

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  5. Klausi

    Mir ist diese Redewen­dung auch noch nicht untergekom­men. Macht nichts, man muss ja nicht jeden Mist ken­nen und schon gar nicht darüber auch noch Abhand­lun­gen verfassen.

    Mit dem Einzug in’s Deutsche ver­hält es sich ver­mut­lich wie meist bei der­ar­ti­gen Beispie­len so, dass ein­fach nur schlecht aus dem Englis­chen über­set­zt wurde. Und dann plap­pert es der eine Depp dem anderen nach. Und da die Dep­pen nicht ausster­ben, wird das auch bis an’s Ende aller Tage so bleiben.

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  6. Detlef Guertler

    Singspielin­dus­trie” gefällt mir her­vor­ra­gend — das Singspiel umge­ht etwas bemüht den Anglizis­mus “Musi­cal”, während die ‑indus­trie voll im Angel­säch­sis­chen lan­det: Indus­trie hat etwas mit materieller Pro­duk­tion zu tun, Dien­stleis­tun­gen kön­nen auf Englisch zwar indus­try sein, auf Deutsch aber allen­falls Branche.

    In eben dieser Singspielin­dus­trie wurde übri­gens “At the end of the day” noch ein­mal anders über­set­zt. Das in der englis­chen Fas­sung des Musi­cals “Les Mis­er­ables” so genan­nte Lied läuft in der deutschen Fas­sung als “Am Ende vom Tag”.

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  7. Klausi

    Hätte ich fast vergessen: Der einzige, der zu dieser Phrase was Vernün­ftiges zu sagen hat­te, war Win­ston Churchill, und da gab es noch kein Netz, denn das war 1942: “Now this is not the end. It is not even the begin­ning of the end. But it is, per­haps, the end of the beginning.

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  8. Peer

    Ah KLausi ist ein Kreis­men­sch: Jed­er, der nicht in seinen Kreis passt, ist ein Depp 🙂 — Sehr wissenschaftlich 🙁

    Ich hab die Phrase tat­säch­lich schon hier und da gehört (beson­ders von Poli­tik­ern, glaub ich) und sie immer als schlecht über­set­zt emp­fun­den. Ander­er­seits mag das für andere Phrasen, die aus anderen Sprachen zu uns kamen in ihrer Anfangszeit auch mal gegolten haben…

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  9. Klausi

    An Detlef Güertler: 

    Singspiel’ war bis ca. nach dem 2. Weltkrieg die Entsprechung von ‘Musi­cal’, ‘Spielleitung’ die von ‘Regie’. In alten Fil­men ent­deckt man das noch. Was heute bemüht klingt, war damals ganz nor­maler Sprachgebrauch.

    Die Liste der (fast) vergesse­nen Worte ist lang. Wer ken­nt noch die sich so schön selb­ster­lären­den Begriffe wie Plat­ten­hülle oder Buchum­schlag, mit­tler­weile wird — lei­der — alles “gecovert”.

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  10. Andreas H.

    Wurde bei der Auswer­tung von Google News berück­sichtigt, dass die Anzahl der Doku­mente sinkt, je weit­er man zurück geht (je jünger das Inter­net ist) und somit zwangsläu­fig auch die Tre­f­fer­zahl sinkt? (Oder ist dem gar nicht so?)

    Inter­es­sant finde ich auch, dass manche Phrasen ins Deutsche über­set­zt wer­den, andere wiederum nicht (“Das sind Peanuts”; nie­mand sagt “Das sind Erd­nüsse”). Hängt ver­mut­lich mit der Länge der Phrase und der Mehrdeutigkeit zusammen.

    Ein weit­er­er Kan­di­dat ist: “Ich bin (ganz) bei dir”, wenn man aus­drück­en möchte, dass man jeman­dem zus­timmt bzw. dessen Aru­ment nachvol­lziehen kann. Wird sich­er auch bald häu­figer zu hören sein.

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  11. Peer

    Naja, “Singspiel” hat ja mit­tler­weile eine andere Bedeu­tung (= ein Spiel, bei dem man singt, wie z.B. “Vater Abra­ham hat sieben Söhne”), insofern…

    Und die Nazis haben meines Wis­sens viele Begriffe eingedeutscht, damit die Sprache rein­er wird — es gab wohl sog­ar den Vorschlag für “Nase” (lateinisch) “Gesicht­serk­er” zu ver­wen­den — hat sich aber nicht durchgesetzt 🙂

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  12. amfenster

    Mit dem Einzug in’s Deutsche ver­hält es sich ver­mut­lich wie meist bei der­ar­ti­gen Beispie­len so, dass ein­fach nur schlecht aus dem Englis­chen über­set­zt wurde. Und dann plap­pert es der eine Depp dem anderen nach.

    Und dass es einem ein­fach aus pur­er Lust an der Freud’ ein­fall­en kön­nte, eine idioma­tis­che Wen­dung aus ein­er Fremd­sprache ganz bewusst wörtlich zu über­set­zen, fällt einem Nör­gler natür­lich nicht ein. Alles “schlecht übersetzt”.

    Wom­it ich nicht gesagt haben will, dass es keine schlecht­en Über­set­zun­gen gibt. Ich ver­wahre mich nur dage­gen, dass alles mit dieser doch recht beschränk­ten Logik begrün­det wird.

    Am Ende des Tages” hab ich schon öfter gehört, finde es ganz witzig und hab’s vielle­icht sog­ar auch schon mal selb­st ver­wen­det. “Da bin ich bei Ihnen” ist mir auch schon öfter begeg­net, wobei ich diese Wen­dung nicht beson­ders mag. Vielle­icht, weil ich sie immer irgend­wie San­dra Mais­chberg­er verbinde…

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  13. amfenster

    Singspiel’ war bis ca. nach dem 2. Weltkrieg die Entsprechung von ‘Musi­cal’

    Die Zauber­flöte” ist ein Singspiel, aber kein Musical.

    Mam­ma Mia!” ist ein Musi­cal, aber kein Singspiel.

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  14. Anatol Stefanowitsch

    Andreas H (#11): die Grafik zeigt den Anteil der Redewen­dung „am Ende des Tages“ an der Gesamthäu­figkeit dieser Phrase, berück­sichtigt also automa­tisch die gerin­gere Tex­taus­beute früher­er Jahre.

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  15. Nörgler

    Der berühmte “Gesicht­serk­er” stimmt ja wohl auch nicht. Es wäre an der Zeit, diese “urban leg­end” endlich zu beerdigen.

    Antworten
  16. Nörgler

    Noch ist nicht aller Tage Abend”, “Mor­gen­röte der Kul­tur”, “Aben­dröte der Kun­st”, “Abendsonne/Abendröte/Abenddämmerung des Lebens”, “Seniore­nen­heim Abendsonne/Abendröte” — mir scheint es doch sehr zweifel­haft, daß das Deutsche an der­ar­ti­gen dem Tagesablauf ent­nomme­nen Meta­phern ärmer wäre als das Englis­che. Jeden­falls ist es gefährlich, bloß aus der Tat­sache, daß einem nicht viel ein­fällt, weit­erge­hende Schlüsse zu ziehen. Oder ist es vielle­icht so, daß der­jenige, der sich allzu häu­fig in ein­er frem­den Sprache bewe­gen muß, sich der eige­nen Mut­ter­sprache entfremdet?

    Eine gute und schöne Meta­pher ist nicht an eine Sprache gebun­den. Solche Meta­phern aus ein­er anderen Sprache zu übernehmen, kann eine Bere­icherung der eige­nen Sprache sein. Anders ist es, wenn eine Meta­pher durch über­mäßi­gen Gebrauch zu ein­er bloßen Redewen­dung, ja zu ein­er gedanken­losen Floskel gewor­den ist. Dann ist die Gefahr der Zwei­deutigkeit, des schiefen Aus­drucks, der Stil­blüte groß. Wer sie dann, das war­nende Beispiel vor Augen, den­noch entlehnt, sollte sich über Kri­tik nicht beschw­eren. So kom­men mir von den drei genan­nten Beispiel­sätzen die Beispiele 1. und 3. etwas schief vor.

    Sehr zweifel­haft scheint mir zudem, daß die Redewen­dung “am Ende des Tages” schon “für die Mehrheit der Sprachge­mein­schaft zu einem fes­ten Bestandteil der Sprache gewor­den” wäre. Dage­gen sprechen immer­hin einige Aus­sagen der Kom­men­ta­toren. Also kom­men die “Sprach­nör­gler” ja vielle­icht doch nicht zu spät.

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  17. amfenster

    Der berühmte “Gesicht­serk­er” stimmt ja wohl auch nicht. Es wäre an der Zeit, diese “urban leg­end” endlich zu beerdigen. 

    Dann nehmen wir halt den Jungfernzwinger, den Tageleuchter oder den Meuchelpuffer. Die sind echt.

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  18. Maibaum

    @Nörgler: “Noch ist nicht aller Tage Abend” usw. — dem kön­nte man noch die gute alte “Göt­ter­däm­merung” hinzufügen. 

    Anson­sten: Man muss wirk­lich kein Sprach­nör­gler sein, damit einem bes­timmte Wörter oder Wen­dun­gen ein­fach auf den Weck­er fall­en. “Am Ende des Tages” gehört in meinem Fall zu diesen sprach­lichen Ner­ven­sä­gen. Und das hat nichts damit zu tun, dass es sich um einen Anglizis­mus han­delt. Phrasen wie “auf Augen­höhe”, “die Chemie stimmt”, “Merkel begrüßte”, “Merkel verurteilte” usw. gehören eben­falls in diese Reihe.

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  19. Jan

    Viel schön­er als “Am Ende des Tages” finde ich an dem Wulff-Zitat das “ste­ht eine rena­turi­erte Ems” — ste­hen­den Flusses, sozusagen. Ich hoffe nur, die Ems ste­ht nicht im Wege rum, wenn man sie rena­turi­ert hat…

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  20. Makri

    Die Zauber­flöte” ist ein Singspiel, aber kein Musical.

    Naja, die würde ich doch eher als Oper durchge­hen lassen… 😉

    Allerd­ings stimme ich dem zu, dass “Singspiel” im Deutschen bere­its eine von “Musi­cal” ver­schiedene Bedeu­tung hat. Ander­er­seits kom­men Singspiele unglaublich sel­ten vor, also wäre das nicht wirk­lich ein Problem.

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  21. David Marjanović

    Singspiel ist mir als eine bes­timmte Art von Oper beige­bracht wor­den, neben opera seria und opera buf­fa. Die Zauber­flöte ist so ein Singspiel.

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  22. amfenster

    Dito. Allerd­ings wurde mir das nicht mit der Abgren­zung von opera seria/buffa erk­lärt, son­dern damit, dass die “Zauber­flöte” rel­a­tiv hohe Sprechanteile hat und damit keine Oper ist, in der abseits von Rez­i­ta­tiv­en kaum gesprochen wird, son­dern eben ein Singspiel.

    Ob das nun musik­wis­senschaftlich kor­rekt ist, weiß ich nicht.

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  23. Makri

    Okay, der Mei­n­ung beuge ich mich. Ich kenne das Singspiel näm­lich auch als dadurch von der Oper (oder vom Rest der Opern — weiß nicht, ob das eine Sache der lexikalis­chen Bedeu­tung oder nur eine Imp­likatur ist) unter­schieden, dass rel­a­tiv viel gesprochen wird. Da ich Opern nicht mag und die Zauber­flöte vor ich weiß nicht wie langer Zeit das let­zte Mal gehört habe, habe ich mich wohl geirrt.

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  24. Kalef

    Andreas,(#11), in Köln habe ich schon ein paar Mal “Dat sinn doch nur Nüss­jer!” gehört. Schöne Assim­i­la­tion, wie ich finde.

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  25. Nörgler

    @amfenster (#19):

    Dann nehmen wir halt den Jungfernzwinger, den Tageleuchter oder den Meuchelpuffer. Die sind echt.

    Sind Sie sich­er? Ken­nen Sie die Originalfundstellen?

    Üblicher­weise wird dieses Wort, wie viele andere, Phillip von Zesen zugeschrieben.

    Nun sagt allerd­ings das Grimm­sche Wörter­buch, daß das Wort von Wieland, der nicht ger­ade als Sprach­purist ver­schrieen ist, erfun­den wor­den sei.

    Mich würde wirk­lich inter­essieren, was stimmt. Kön­nen Sie mir helfen?

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  26. Hans Schneider

    Eine schöne Ver­wen­dung der Tages­meta­pher im Deutschen ist im Übri­gen der Leb­tag, der den Lebens­abend immer­hin mit ein­schließt. Von einem Lebens­mor­gen habe ich dage­gen noch nie gehört.

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  27. flux

    Unter “Singspiel” oder “Oper” ver­ste­he ich Werke der soge­nan­nten “ern­sten Musik”,(Monteverdi, Hän­del, Mozart, Ver­di, Wag­n­er, Alban Berg, Lui­gi Nono, Stock­hausen usw.) unter “Musi­cal” eher pop­ulär­musikalis­che Werke, “West­side Sto­ry, Por­gy and Bess”, “My Fair Lady”, “Hel­lo, Dol­ly” usw…bis hin zu “Starlight Express” und anderen Andrew Lloyd Web­ber ‑Pro­duk­tio­nen.

    @peer

    Singspiel” als Begriff für Lieder wie “Vad­der Abra­ham” ist mir bis jet­zt, obwohl ich beru­flich oft solche Lieder sin­gen muss, nicht untergekom­men, ehrlich gesagt kenne ich noch garkein (grif­figes) Wort für der­lei Lieder.…ich umschreibe es hil­f­los als “Lieder, wo man so Bewe­gun­gen zu macht”

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