Schneechaos

Von Anatol Stefanowitsch

Spiegelfechter Jens Berg­er hat sich vor ein paar Tagen mit der Frage beschäftigt, seit wann die Medi­en jeden Schneefall und die damit ein­herge­hen­den Verkehrs­be­hin­derun­gen als „Schneechaos“ beze­ich­nen und in den Archiv­en von Spiegel und ZEIT den Win­ter 1978/1979 ausgemacht.

Eine Suche auf Google Books zeigt, dass das Wort an sich viel älter ist: Der erste Beleg stammt aus dem Jahr 1900, aus den „Berggeschicht­en“ eines Arthur Achleit­ner, der über ein Law­ine­nunglück schreibt:

… und blick­ten schreck­er­füllt in die Tiefe, wo unge­heure Schneemassen durch die Law­inen aufge­häuft waren. Den Ver­schüt­teten aus diesem Schneechaos zu holen, war unmöglich. Während die Män­ner darüber rede­ten, rutschte neben ihnen auf sechzig Fuß Bre­ite die Schneedecke, und don­nernd stürzte die Law­ine in die Schlucht.

Danach taucht das Wort bei Google Books siebzig Jahre lang gar nicht auf. Die erste Ver­wen­dung im Zusam­men­hang mit Verkehrsprob­le­men stammt von 1971, aus Thomas von Tor­nays „Der böse Deutsche: das Bild der Deutschen aus kom­mu­nis­tis­ch­er Sicht dargestellt am Beispiel der ungarischen Massenmedien“:

…schlecht, aber tra­di­tionell gebaut­en Häuser, die dem Englän­der seine »pri­va­cy« sich­ern, aber ihn alljährlich zum Frieren verurteilen, vom Schneechaos auf den Straßen, als Folge jenes »uner­schüt­ter­lichen Glaubens«, genährt von »sub­jek­tivem Ide­al­is­mus englis­ch­er Mete­o­rolo­gen«, daß es in Eng­land keinen Win­ter gäbe…

Die erste Anwen­dung auf deutsche Ver­hält­nisse, die sich über Google-Books find­en lässt, ist dann der Spiegel-Artikel, den Jens Berg­er auch nen­nt (Spiegel 2/1979) und der die auch auf den heuti­gen Tag passende Bil­dun­ter­schrift „Schneechaos in Schleswig-Hol­stein: Der weiße Not­stand lähmte den Nor­den“ beinhaltete.

Ein Gedanke zu „Schneechaos

  1. Evo2Me

    Lei­der hat­te ein Server­schluck­auf beim Spiegelfechter dazu geführt, dass meine Erläuterun­gen zum 1978/79er Win­ter ver­schwan­den. Anders als Jens Berg­er es darstellt, war der Win­ter damals zwis­chen Nord- und Ost­see sowie in Meck­len­burg wirk­lich katas­trophal, vor allem wg. des Sturmes und weil wir hier kalte Schneewin­ter eher sel­ten haben. Wir soll­ten auch nicht vergessen, dass es keine Naturkatas­tro­phen gibt, nur Phänomene, auf die wir schlecht vor­bere­it­et sind.Wer sein Haus im Fluss­bett baut, sollte sich nicht wun­dern, wenn er nasse Füße bekommt.

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