Sprachbrocken 35/2012 („Minus-DE“-Ausgabe)

Von Anatol Stefanowitsch

Die Sprach­brock­en #35, die ich heute mor­gen veröf­fentlicht habe, sind in ihrem Voraus­blick auf ein Inter­net ohne Links und ohne Zitate ja etwas trüb­sin­nig gewor­den. Aber so würde eine bun­des­deutsche Aus­gabe eben in Zukun­ft ausse­hen, beschw­eren Sie sich nicht bei mir, son­dern beim Springer-Ver­lag (der ja im Übri­gen schon immer eine reak­tionäre, demokratiefeindliche Pro­pa­gan­dam­as­chine war, also guckt halt nicht so über­rascht). Da die Sprach­brock­en in dieser Form auf Dauer keinen Spaß machen wer­den, präsen­tiere ich hier ein zweites möglich­es Zukunftsszenario.

Mit sin­nentstel­len­den Über­set­zungs­fehlern (bundes-)deutscher Qual­itätsme­di­en befasst sich die Neue Zürcher Zeitung. Aus „Arabern“ wer­den da ein­fach „Aus­län­der“, aus einem „gesel­li­gen“ gar ein „genialer“ Mitt Rom­ney. Sich­er richtig, aber erstens bleibt unklar, was uns der Autor damit sagen will (außer, dass Fehler eben vorkom­men), und zweit­ens ist die Hand­voll Beispiele über einen Zeitraum von mehreren Jahren verteilt, sodass unklar bleibt, wie sys­tem­a­tisch die Über­set­zung­sprob­leme tat­säch­lich sind.

Während man sich in der NZZ über falsche Über­set­zun­gen beschw­ert, kämpft eine Hun­dertschaft chi­ne­sis­ch­er Gelehrter dafür, dass englis­ches Vok­ab­u­lar über­haupt ins Chi­ne­sis­che über­set­zt wird, statt in Form von Lehn­wörtern in chi­ne­sis­che Wörter­büch­er aufgenom­men zu wer­den. Eine solche Auf­nahme sei ille­gal, wollen die Gelehrten laut Chi­na Radio Inter­na­tion­al „den Behör­den“ mit­geteilt haben: sie „ver­let­ze die Geset­ze über die Stan­dar­d­isierung der chi­ne­sis­chen Sprache und des Ver­lagswe­sens.“ Die chi­ne­sis­chen Behör­den bestre­it­en allerd­ings, einen solchen Brief erhal­ten zu haben.

Die öster­re­ichis­chen Behör­den sind da weniger auswe­ichend: Mit den Ergeb­nis­sen ein­er Umfrage von heute.at kon­fron­tiert, bei der sich die öster­re­ichis­che Bevölkerung für mehr Deutschunter­richt, mehr Tur­nun­ter­richt und weniger Latein, Reli­gion und Philoso­phie ausspricht, ließ das Bil­dungsmin­is­teri­um mit­teilen, dass es in der Mit­telschule „zusät­zlich zum Tur­nun­ter­richt … ein­mal pro Woche das Fach ‘gesunde Ernährung’“ gebe. Das finde ich begrüßenswert, denn nur in einem durch­trainierten und gesund ernährten Kör­p­er wohnt ein lebendi­ger Sprachgeist. Wenig­stens glaube ich, dass das die kor­rek­te &Uumk;bersetzung des Sprich­worts „Mens sana in cor­pore sano“ ist. Garantieren kann ich es aber nicht, denn dazu müsste ich Latein können.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

9 Gedanken zu „Sprachbrocken 35/2012 („Minus-DE“-Ausgabe)

  1. Phaeake

    inter­pretierend über­set­zt, verkürzt zit.
    “denn nur in einem durch­trainierten und gesund ernährten Kör­p­er wohnt ein lebendi­ger Sprachgeist. Wenig­stens glaube ich, dass das die kor­rek­te Über­set­zung des Sprich­worts ‘mens sana in cor­pore sano’ ist.”
    ‘mens sana in cor­pore sano’ heißt: In einem gesun­den Kör­p­er [zu ergänzen: ist] ein gesun­der Geist. Das “nur” ist hinzuge­fügt. Häu­fig wird in der Tat dieser Spruch so zitiert und auch mit dem Gehalt verse­hen, den die Fas­sung mit “nur” nahelegt.
    Wikipedia schreibt dazu: “Im Umkehrschluss heißt die verkürzt inter­pretierte Redewen­dung, dass in kranken und schwachen Kör­pern kein gesun­der Geist innewohne. Eine der­ar­tige Analo­gie führt ger­adewegs in die Diskri­m­inierung Kör­per­be­hin­dert­er. Vor diesem Hin­ter­grund lehnen die Inter­essen­vertreter von Behin­derten (Behin­derten­ver­bände) das „Mens sana in cor­pore sano“ vehe­ment ab.”
    Aber der römis­che Satirik­er Juve­nal ist unschuldig, der hat es näm­lich ein­deutig anders geschrieben und gemeint, worüber eben­falls die insoweit lat­inum­ser­set­zende Wikiepe­dia Auskun­ft gibt.
    http://de.wikipedia.org/…ns_sana_in_corpore_sano

  2. phaeake

    Tu felix Aus­tria, disce!
    Her­rn Ste­fanow­itschs Hin­weis liest sich so, als ob das geknechtete öster­re­ichis­che Volk von der Obrigkeit die Reduk­tion der Late­in­stun­den erfle­ht. Die Über­schrift des Artikels des Boule­vardmedi­ums heute.at (Das kön­nte sie auch inter­essieren: Schü­lerin ver­steigert Jungfräulichkeit, Die 22 ver­sautesten Songs fürs Liebesspiel) kön­nte man tat­säch­lich schon so ver­ste­hen. Nach Lek­türe des Textes halte ich es für höchst­wahrschein­lich, dass gefragt wurde, welche Fäch­er STÄRKER betont wer­den soll­ten. Auf dieser Liste lan­dete Deutsch und Tur­nen ganz vorne und Latein ganz hin­ten. Das heißt nicht, dass die Öster­re­ich­er weniger Latein wollen, son­dern dass die wenig­sten Öster­re­ich­er Latein stärk­er fokussieren wollen. Das ist natür­lich auch nicht weit­er ver­wun­der­lich, da die meis­ten öster­re­ichis­chen Schüler kein Latein ler­nen, im Gegen­satz zu Deutsch und Tur­nen, was alle ler­nen, so dass die Frage, ob Latein nun mit mehr oder weniger Ein­satz gel­ernt wird, den meis­ten Öster­re­ich­ern am Nates vor­bei gehen dürfte.
    Ein Vorschlag zur Güte: Lassen wir doch ein­fach alle Men­schen sel­ber entschei­den, ob sie Latein ler­nen wollen.

  3. Statistiker

    Tja
    Jet­zt haben wir das Springer-Gesetz.
    Frau Springer und Frau Mohn haben Frau Merkel genug Geld in den Aller­w­ertesten geschoben (garantiert keine Bestechung, nur Berater­hono­rare, wie damals beim Kohl), bis Ang­ie alles macht, was die Medi­enkonz­erne ihr vorschreiben.
    Ich kotze.

  4. Statistiker

    Tja
    jet­zt haben wir das Springer-Gesetz.
    Friede Springer und Frau Mohn haben Ang­ie über­rzeugt (mit oder ohne Geld???), sich von der Presse erpressen zu lassen.
    Tja, good bye, Pres­se­land­schaft, ab jet­zt heißt es nur noch Springer oder tot.….
    Ich kotze.…

  5. Sven Türpe

    Forschungs­frage
    Wie ist der anhal­tende Mis­ser­folg der reak­tionären, demokratiefeindlichen Pro­pa­gan­dam­as­chine zu erk­lären und wie begrün­det sich angesichts dessen ihr Fortbeste­hen? Der Springer-Ver­lag hat das Rentenal­ter erre­icht; wir sind freier und unser Staat demokratis­ch­er als zur Zeit sein­er Grün­dung; und der Eis­erne Vorhang durch Europa sowie die einst dahin­ter ver­bor­ge­nen Dik­taturen haben keine Chance auf Wieder­her­stel­lung. Als reak­tionäre, demokratiefeindliche Pro­pa­gan­dam­as­chine hat der Springer-Ver­lag also offen­sichtlich auf ganz­er Lin­ie versagt.

  6. Thomas Nehrenheim

    @Phaeake
    Wer ist dieser Wikipedia?
    Als ich jüngst die Physikalisch-Tech­nis­che Bun­de­sanstalt zu ihrem 125jährigen Jubiläum­stag besucht habe, wurde ich auch immer wieder mit Bemerkun­gen kon­fron­tiert, die dieser Wikipedia geschrieben haben soll, auch von ein­er Frau Dok­tor, die übri­gens neben­bei auch anmerk­te, dass F = m / a sei. Fehler darf jed­er mal machen, aber die wikipedi­an­is­chen Fehler sollte man nicht unkri­tisch nachplappern.

  7. Thomas Nehrenheim

    Wieso Minus-DE?
    Ich dachte, jet­zt lese ich endlich mal etwas Schlaues zur (eine gewisse Neg­a­tiv­ität aus­drück­enden) Sprech­weise des Binde­strich­es in URL-Namen, aber nuscht der­gle­ichen. Schade.

  8. kreetrapper

    Diese Ver­sion der Sprach­brock­en bekommt meine Stimme für die Ära des Leis­tungss­chutzrechts (solange sie denn währt)

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