Mindestens ebenso sehnsüchtig wie auf die nahende Bekanntgabe des Anglizismus des Jahres 2012 haben Sie diese Woche sicher auf das allsonntägliche Blogspektrogramm gewartet. Und hier ist es:
- Die Nationale Armutskonferenz (nak) hat diese Woche eine Liste mit Begriffen aus einer Umfrage veröffentlicht, die nak-Mitglieder als „irreführend und abwertend“ einstufen. Das hat unter anderem sogar die FAZ veranlasst, reflexartig „Zensur!“ zu rufen. Alexander Lasch vom SPRACHPUNKT kommentiert und nähert sich dem Thema fundiert und etwas — äh — unaufgeregter.
- Am Samstag wurde der erste „Bericht zur Lage der deutschen Sprache“ veröffentlicht — solange der Bericht, hm, nicht einsehbar ist (wir werden dann berichten), hier eine kurze Besprechung im DEUTSCHLANDFUNK (ab 16:00, ca. 6 Minuten).
- Jürgen Hermes bespricht auf TEXPERIMENTALES Ähnlichkeiten und Unterschiede menschlicher und tierischer Kommunikation.
- Auf JEZEBEL (Englisch) zerreißt Tracy Egan Morrissey aktuelle Medienberichterstattung zu angeblichen Unterschieden bei der durchschnittlichen gesprochenen Wortmenge von Frauen und Männern.
- Nicht nur viele Laut‑, sondern auch Gebärdensprachen sind vom Aussterben bedroht — und das oft ganz unbemerkt. Die hawaiianische Gebärdensprache wurde von der Wissenschaft gerade noch rechtzeitig entdeckt und jetzt dokumentiert, wie CNN (Englisch) berichtet. (Via linguisten.de)
- Die Märzausgabe der Linguistiksatirezeitschrift SPECULATIVE GRAMMARIAN (Englisch) ist dieser Tage erschienen – sie befasst sich unter anderem mit den schädlichen Folgen von Sprachkontakt und mit Degenerativer Grammatik.
Mir kam gerade in den Sinn: Ist doch eigentlich merkwürdig, dass niemand (?) “Zensur” ruft, wenn der VdS oder ähnliche Gruppen mal wieder Anglizismen aus dem Sprachgebrauch verbannen wollen. Dabei würden die ja wirklich verbieten, wenn sie könnten.
zum FAZ-Beitrag betr. die nak-Liste:
Die Hälfte der Kommentare habe ich geschafft, danach musste ich aufgeben. Es wimmelt nur so von “Faschismus”, “Inquisition”, “Diktatur” und krampfhafter Parodie, die tief blicken lässt: Frau müsse jetzt “Mensch mit Menstruationshintergrund” heißen u.s.w.
Die meisten scheinen die Liste und den kurzen Text dazu auf der nak-Seite gar nicht gelesen zu haben.
Einfach nur abartig, diese Kommentierer…
Die FAZ-Kommentare sind immer wieder ein hartes Brot. Ich habe mich nicht getraut, weiter als bis zur Überschrift zu klicken, als ich diese vor einigen Tagen wahrgenommen habe.
Zur Begriffsliste fällt mir etwas auf:
“Missbrauch (=Ist im Zusammenhang mit Sozialrecht und Sozialstaat — beispielsweise Missbrauch von Hartz IV – eine ungute Vokabel, weil damit ein schwerwiegender sexueller Straftatbestand assoziiert wird)”
Ich habe das bisher immer genau umgekehrt wahrgenommen — Sozialleistungen können wie andere “Dinge” oder Abstrakta missbraucht werden, weil sie auch korrekt gebraucht/benutzt werden können — wohingegen der (sexuelle) Missbrauch von Menschen, v.a. Kindern, fälschlich impliziert, man könne sie auch “korrekt gebrauchen”.