Sprachbrocken 13/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Bun­desverkehrsmin­is­ter Peter Ram­sauer gerierte sich stets als Beschützer der deutschen Sprache vor dem verderblichen Ein­fluss des Englis­chen und ern­tete dafür aus sprach­nörgeli­gen Kreisen viel Lob. In Erin­nerung bleiben wird der denen jet­zt aber wohl (ver­mut­lich gän­zlich unver­di­en­ter Weise) als ihr Zer­stör­er, als jemand, der sich vom Tugend­furor der poli­tisch Kor­rek­ten dazu treiben lassen hat, die Straßen­verkehrsor­d­nung nicht nur um einige saftige (aber abso­lut angemessene) Erhöhun­gen von Bußgeldern, son­dern auch ein Bemühen um geschlechterg­erechte Sprache ergänzt zu haben. Zu Fuß gehende statt Fußgänger und Fahrzeugführende statt Fahrzeugführer heißt es dort nun. Das dürfte vie­len nur ein Schul­terzuck­en wert sein, eini­gen von uns vielle­icht ein anerken­nen­des Nick­en angesichts der sprach­lich gut gemacht­en Über­ar­beitung. Aber für den Verkehrsrecht­sex­perten des AUTO CLUB EUROPA, einen Volk­er Lempp, ist es ein Quell „unfrei­williger Komik“, der nur einem „Stu­di­en­ab­brech­er im Fach Ger­man­is­tik“ zu ver­danken sein kann. Was genau er an der gerecht­en Sprache so komisch find­et, und warum er sein feines Sprachge­fühl nicht lieber dem Dep­pen­leerze­ichen im Namen des Vere­ins wid­met, für den er arbeit­et, ver­schweigt er uns dabei. Nur, dass die Polizeibeamten in der StVO immer noch ganz maskulin Polizeibeamte heißen, lässt ihn — inner­lich männlich gluck­send — nach Alice Schwarz­er schreien. Und wem bei Geschlechterg­erechtigkeit nur Alice Schwarz­er ein­fällt, der ist als Verkehrsrecht­sex­perte bei einem Verkehrsvere­in ja auch ganz gut aufgehoben.

Nicht um gerechte, son­dern um marken­gerechte Sprache ringt der­weil Google mit dem Schwedis­chen Sprachrat und hat dabei, ent­ge­gen der Inter­pre­ta­tion divers­er deutsch­er Medi­en, die erste Runde ver­loren. Wie THELOCAL.SE berichtet, hat der Sprachrat näm­lich die Auf­nahme des Wortes ogoogle­bar („ungoogle­bar“) auf die jährlich her­aus­gegebene Liste neuer Wörter zurückgenom­men. Das Wort, das dort mit der Bedeu­tung „im Inter­net mith­il­fe ein­er Such­mas­chine nicht auffind­bar“ stand, sollte nach Googles Wün­schen nämn­lich als „im Inter­net mith­il­fe von Google nicht auffind­bar“ definiert wer­den. Ver­mut­lich nicht, weil Google damit die Qual­ität der eige­nen Suchergeb­nisse gegenüber anderen Such­maschi­nen infrage stellen wollte, son­dern, um die Wort­marke Google davor zu schützen, zu einem all­ge­meinen Wort für Such­maschi­nen zu wer­den. Statt sich die Def­i­n­i­tion des Wortes von Google dik­tieren zu lassen, strich der Sprachrat das Wort aber kurz­er­hand ganz von der Liste. Der Sprachge­brauch sei es, der die Bedeu­tung eines Wortes bes­timme, wird die Vor­sitzende des Rates zitiert, und nicht ein multi­na­tionaler Konz­ern: „Sprache muss frei sein“, und das könne das anstößige Wort ja auch, ohne auf ein­er Liste zu ste­hen. In Deutsch­land war man da offen­sichtlich weniger prinzip­i­en­treu: googeln ist im DUDEN marken­rechtlich sauber aber am Sprachge­brauch vor­bei als „mit Google im Inter­net suchen, recher­chieren“ definiert, und sog­ar die Bedeu­tung von Ego-Googeln ist laut Duden auf die „gezielte Suche nach dem eige­nen Namen im Inter­net mith­il­fe der Such­mas­chine Google®beschränkt. Wer sich in Beschei­den­heit üben will, googelt — par­don, sucht sich also in Zukun­ft ein­fach mit Bing und ver­hin­dert so, dass andere über diese Tat­sache reden können.

Um Geschlecht, Verkehr und Sprache geht es auch in den Suchan­fra­gen ein­er amerikanis­chen Erotik-Such­mas­chine. Wie HEUTE.AT berichtet, gehört dort neben ero­tis­chen Fach­be­grif­f­en wie „teen“, „milf“ und „anal“ die jew­eilige Lan­dessprache der Suchen­den zu den häu­fig­sten Such­wörtern. Obwohl Pornogra­phie ja im großen und ganzen als visuelles Medi­um ver­schrien ist, sind die Nutzer offen­bar nicht auf Äußer­lichkeit­en fix­iert, son­dern inter­essieren sich tat­säch­lich dafür, was die Teens und Mil­fs ihnen mitzuteilen haben — auch wenn die Dialoge häu­fig klin­gen, als stammten sie von Stu­di­en­ab­brech­ern im Fach Ger­man­is­tik. Die betr­e­f­fend­en Filme mögen übri­gens auf den ersten Blick ungoogle­bar erscheinen, aber das lässt sich in den Ein­stel­lun­gen der Such­mas­chine ihres Ver­trauens mit einem Klick ändern.

10 Gedanken zu „Sprachbrocken 13/2013

  1. David

    Nur, dass die Polizeibeamten in der StVO immer noch ganz maskulin Polizeibeamte heißen

    Das ist wahrschein­lich dem Umstand geschuldet, daß “Beamt-” adjek­tivisch dek­lin­iert wird und grund­sät­zlich in der Lage sein sollte, sein Geschlecht so geschmei­dig den Umstän­den anzu­passen wie ein Tleilaxu Face Dancer. So ist etwa “Bekan­nt-” allem Anschein nach völ­lig neu­tral, selbst

    Meine Bekan­nten schlu­gen mir eine nach der anderen auf die Nase

    kommt mir völ­lig unauf­fäl­lig vor.

    ?Die Polizeibeamten schlu­gen mir eine nach der anderen auf die Nase.

    Finde ich hinge­gen tat­säch­lich deut­lich auf­fäl­liger. Zudem belegt die Exis­tenz von “Beamtin” (n.b. nicht “Beam­terin”) im Gegen­satz zu “Bekan­ntin”, daß das Sub­stan­tiv inzwis­chen anscheinend tat­säch­lich als inhärent maskulin aufge­faßt wird.

    Frap­pierend, wenn eine solche Entwick­lung wirk­lich ein gram­ma­tisch gen­uin geschlecht­sneu­trales Sub­stan­tiv sein­er Neu­tral­ität beraubt haben sollte.

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  2. Susanne

    Ob nun Fahrzeugführer oder Fahrzeugführende, bei­des ist schlecht­es Deutsch und kommt vor allem in Polizeibericht­en und ‑Akten vor. Kein Men­sch sagt Fahrzeugführer oder Fahrzeugführerin. Es heißt schlicht Aut­o­fahrer oder Last­wa­gen­Fahrerin oder was auch immer gemeint ist. Es sei denn, der Autor ist Polizist oder Verkehrsminister.

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  3. Gerald Fix

    Manch­mal ist es halt selt­sam, was geschlechterg­erecht umge­set­zt wird und was nicht. Im Para­grafen 40 der Bier­s­teuerverord­nung heißt es:

    (1) In zuge­lasse­nen Brauereien ist Bier von der Steuer befre­it, das als Haus­trunk unent­geltlich an Arbeit­nehmerin­nen und Arbeit­nehmer abgegeben wird, die mit der Beschaf­fung oder Behand­lung der zur Bier­her­stel­lung bes­timmten Rohstoffe, der Her­stel­lung des Bieres oder seinem Ver­trieb aus der Brauerei und den auf ihre Rech­nung geführten Nieder­la­gen unmit­tel­bar oder mit­tel­bar beschäftigt sind.
    (2) Der Brauerei­in­hab­er hat anhand betrieblich­er Aufze­ich­nun­gen nachzuweisen, welche Per­so­n­en in einem Monat zum Emp­fang von steuer­freiem Haus­trunk berechtigt waren und welche Haus­trunk­men­gen unent­geltlich abgegeben wor­den sind.

    Darf man sich da fra­gen, ob hier Brauerei­in­hab­erin­nen diskrimniert wer­den oder ist das schon beckmesserisch?

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  4. Christoph Päper

    Es sind ja nur wenige Stich­wörter, an denen Lob und Kri­tik fest­gemacht wer­den, aber Zu Fuß gehende wirkt nicht ger­ade wie Teil ein­er „sprach­lich gut gemacht­en Über­ar­beitung“, wo es doch Gehende viel bess­er täte.

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  5. Jürgen A.

    Lei­der ist das deutsche Genussys­tem asym­metrisch organ­isiert. Ich empfinde bei den “zu Fuß gehen­den” auch einen Mis­sklang. Sprach­lich ist im Deutschen eine Par­tizip­i­alkon­struk­tion nicht son­der­lich ele­gant im Ver­gle­ich zu ein­er Nom­i­nal­bil­dung. Ein­fache Lösun­gen gibt es nicht. Ich empfehle genus­neu­trale For­men oder Dop­pelfor­men, wenn tat­säch­lich die Gefahr von (pos­i­tiv oder neg­a­tiv) diskri­m­inieren­den Lesarten beste­ht. Beim Fußgänger sehe ich das nicht, beim Fahrzeugführer / Aut­o­fahrer schon eher.

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  6. Dierk

    Hat schon jemand sich durch die Nov­el­le gear­beit­et und über­prüft, ob des SPONs Sprach­met­zger über­haupt Recht hat? Gibt es wirk­lich Instanzen — gar viele davon -, die ein wenig spröde klin­gen? Und sind die neuen Begriffe tat­säch­lich spröder als die alten [an die wir uns nur gewöh­nt haben]?

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  7. Erbloggtes

    Ist SpRöDe nicht die Abkürzung für Straßen­verkehrsor­d­nung? Ich ver­ste­he nicht, was das soll, man­gel­nde Kun­st­fer­tigkeit in min­is­teriellen Sprach­w­erken zu bekla­gen. Oder um es mit dem schwedis­chen Sprachrat zu sagen: Weil Sprache frei sein muss, muss Behör­den­sprache anders sein.

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  8. Alex

    @Susanne:
    Das Behar­ren auf “Fahrzeugführer” gewin­nt bei selb­st­s­teuern­den Autos wieder an Bedeu­tung. In so einem Auto sind im Prinzip alle Insassen erst ein­mal Aut­o­fahrer, da jed­er von ihnen einen Steuer­be­fehl geben kön­nte, wenn er die notwendi­gen tech­nis­chen Vor­rauset­zun­gen hat. Es beste­ht kein Zusam­men­hang mehr mit der Sitz­po­si­tion im Auto.

    Ganz abge­se­hen davon, dass “Aut­o­fahrer” ein sehr unspez­i­fis­ch­er Begriff ist, dessen Ver­wen­dung nicht ein­mal expliz­it erfordert, dass der­jenige tat­säch­lich ein Fahrzeug im jew­eili­gen Moment bedient.

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