Sprachbrocken 17/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Über die religiösen Mythen exo­tis­ch­er Kul­turen kur­sieren ja die wildesten Gerüchte, was häu­fig daran liegt, dass sie in eben­so exo­tis­chen Sprachen abge­fasst sind und dass es keine Über­set­zun­gen gibt. Ein Grund mehr, einen Meilen­stein des interkul­turellen Ver­ständ­niss­es zu feiern, der diese Woche bekan­nt wurde: der Mythos „Star Wars Episode IV: Eine neue Hoff­nung“ (bei Fun­da­men­tal­is­ten aus nicht nachvol­lziehbaren Grün­den als „Episode I“ bekan­nt) wird, wie der HOLLYWOOD REPORTER meldet, endlich ins Nava­jo über­set­zt. Damit wird dieses urtüm­liche und schw­er ver­ständliche Epos erst­mals Mit­gliedern ein­er fort­geschrit­te­nen Zivil­i­sa­tion zugänglich gemacht, die so unschätzbar wertvolle Ein­blicke in das spir­ituelle Leben der soge­nan­nten „Amerikan­er“ (die sich selb­st nur Peo­ple, also grob über­set­zt „Men­schen“ nen­nen) erhalten.

Was das Ver­ständ­nis prim­i­tiv­er Kul­turen ange­ht, hinken die Nava­jo allerd­ings deut­lich hin­ter den Maya her. Die haben die soge­nan­nten „Telen­ov­e­las“ der manch­mal mit dem abw­er­tend emp­fun­de­nen Aus­druck „Ros­tro Páli­do“ ((Moment mal, bitte, das war früher ein ganz nor­males Wort, und außer­dem ist es doch nur ein Scherz, und ich kenne einen Weißen, der sich selb­st so nen­nt.)) beze­ich­neten Stämme jahre­lang genauestens studiert. Nun ist es ihnen, wie der STERN berichtet, gelun­gen, die für Außen­seit­er hoff­nungs­los ver­wirren­den Hand­lungsstränge dieser moralis­chen Erbau­ungsstücke so detail­liert aufzuschlüs­seln, dass sie sie in ihrer eige­nen Sprache nach­bilden können.

Umgekehrt fällt es den Mit­gliedern in ihrer zivil­isatorischen Entwick­lung zurück­ge­blieben­er Kul­turen häu­fig schw­er, den Wis­senss­chatz fort­geschrit­tener­er Kul­turen zu ver­ste­hen. So beschw­erte sich ein Stammeshäuptling der soge­nan­nten „Deutschen“ (bei ihren Nach­barn als „Niem­cy“, „Alemánes“ oder „geschichtsvergessene Arsch­gesichter“ bekan­nt) bei einem Abge­sandten der Europäer darüber, dass deren Texte zur finanziellen Sol­i­dar­ität (einem Konzept, das in der deutschen Kul­tur nicht existiert) nicht schnell und gut genug in die Stammessprache der Deutschen über­set­zt wür­den. Der ober­ste Häuptling der Deutschen hat­te inter­es­san­ter­weise vor eini­gen Monat­en vorgeschla­gen, dass diese ja eigentlich lieber Englisch (die Stammessprache der oben erwäh­n­ten „Amerikan­er“) ver­wen­den kön­nten, um mit den Europäern zu kom­mu­nizieren — was nur zeigt, wie ver­wirrend selb­st so etwas ein­fach­es wie die Sprachvielfalt für die Ange­höri­gen ein­er Kul­tur sein kann, die sich aus ihrem Stammes­ge­bi­et nur in soge­nan­nten „Reiseg­rup­pen“ ((Bei diesen han­delt es sich nach dem aktuellen Ver­ständ­nis der Anthro­polo­gie um rit­uelle Zusam­men­schlüsse soge­nan­nter „Touris­ten“, ein­er Art geistige Erfül­lung Suchen­der.))  hin­aus wagen.

2 Gedanken zu „Sprachbrocken 17/2013

  1. Pardel

    Süß! Beson­ders der Hin­weis, die dt. Kul­tur kenne den Begriff der finanziellen Sol­i­dar­ität nicht dürfte im Süden begeis­tert gefeiert wer­den, ich musste jeden­falls lachen. Vie­len Dank! Nur eine kleine Kor­rek­tur: Im Spanis­chen schreibt man alemán (sin­gu­lar), mit Akzent. Ale­manes (plur­al) jedoch ohne. Und mit­ten im Satz braucht man ale­manes nicht großzuschreiben.
    Gez. Der spanis­che Unter-unter-neben-Häuptling, ehe­ma­liger Abge­sandter vor den Jedi

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