Am Text der österreichischen Nationalhymne findet sich, wie es bei Texten von Nationalhymnen nun einmal so ist, wenig Erhaltenswertes. Sie feiert die Landschaft (gut, das ist gerade noch erträglich), das „für das Schöne begnadete“ und mit „hoher Sendung“ ausgestattete Volk (das ist dann eben, nationalhymnentypisch, nicht mehr erträglich), die kriegerische Vergangenheit, und eine „arbeitsfrohe“ Zukunft. Und natürlich wird dem „Vaterland“ auch ordentlich Treue geschworen.
Kann von mir aus alles weg, zusammen mit dem „God save the Queen“, dem „land of the free and … home of the brave“, dem „Россия — священная наша держава“, dem „Einigkeit und Recht und Freiheit“ und all den anderen Dingen, die sich Nationen in ihren Hymnen so zusammenphantasieren.
Aber dann soll es auch ganz weg. Eine einzelne Zeile abzuschaffen, weil dort nach einer halbherzigen Modernisierung im Jahr 2011 auch Frauen erwähnt werden, das lohnt sich erstens nicht, und zeigt zweitens, dass diejenigen, die das fordern, zu genau verstanden haben, worin der Sinn von Nationalhymnen besteht – nämlich möglichst viele Leute auszuschließen.
Die Zeile der österreichischen Nationalhymne, um die es geht, ist die vierte Zeile der ersten Strophe:
Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat großer Töchter und Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich.
Vielgerühmtes Österreich.
Und der, der sie abschaffen will, ist „Volks-Rock’n’Roller“ Andreas Gabalier, dem deutschen Publikum hauptsächlich durch volkstümlich charmant vorgetragenen schräge Coverversionen mittelmäßiger Stücke ehemaliger deutscher Musikgrößen in Xavier Naidoos Show „Sing meinen Song“ bekannt.
Er möchte die Zeile wieder so singen, wie sie vor der Änderung lautete, nämlich
…
Heimat bist du großer Söhne,
…
Denn seit der Änderung, findet Gabalier, herrschten bei Großveranstaltungen „gemischte Gefühle“. Und ohnehin sei die Änderung überflüssig gewesen, denn:
Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der die Damenwelt geschätzt und gewürdigt wird und man das nicht im Jahr 2014 immer noch mitbetonen muss, dass die Frauen gleichberechtigt sind. (Andreas Gabalier im Standard, 26. Juni 2014)
Dem könnte man ja nun vieles entgegnen, zum Beispiel: „Wer ohne Ironie das Wort Damenwelt verwendet, sollte sich zu Fragen von Geschlechtergerechtigkeit am besten gar nicht äußern“, oder auch einfach „Bleib doch bei dem, was du kannst (übrigens: was ist das eigentlich)?“.
Oder man könnte darauf hinweisen, dass wir doch auch in einer Zeit leben, in der Österreich geschätzt und wird und man das nicht im Jahr 2014 immer noch mitbetonen muss, dass es Berge, einen Strom, Äcker, Dome, Hämmer und sonstige rühmenswerte Dinge besitzt. Dass man, mit anderen Worten, den Text gleich ganz abschaffen könnte.
Oder man könnte darauf hinweisen, dass die Zeile, um die es ihm geht, ohnehin schon nicht dem entspricht, was die Texterin der Hymne dort hingeschrieben hatte. Bei ihr lautete die erste Strophe nämlich:
Land der Berge. Land am Strome,
Land der Äcker, Hämmer, Dome,
Arbeitsam und liederreich.
Großer Väter freie Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich.
Es waren also die Väter, die groß waren, die Söhne waren nur frei (und arbeitsam und lieder‑, aber nicht zukunftsreich).
Bevor der Ministerrat 1947 den Text der Hymne beschloss, nahm er diese (und andere) Änderungen vor. Womit auch eine interessante Frage beantwortet wäre, die Gabalier aufwirft:
Ich weiß gar nicht, ob es korrekt ist, einen Liedertext eines Künstlers abzuändern. Ich würde mich im Grabe umdrehen, würde die Politik das eine oder andere Lied von mir umtexten. (Andreas Gabalier im Standard, 26. Juni 2014)
Ja, das ist völlig korrekt, Herr Volks-Rock’n’Roller. Über den Text einer Nationalhymne bestimmt der Gesetzgeber.
Und wenn Sie einmal im Grabe liegen, lieber Andreas Gabalier, kann sich kein Mensch mehr an ihre Texte erinnern. Die sind dann völlig sicher vor der Politik.
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Endlich mal ein guter Kommentar zu dem Thema!
der Beitrag wäre sicher viel besser gewesen, wenn er nicht den Großteil der Kritik über ad hominem abwickeln würde… haben Sie sowas wirklich nötig?
Laut Wikipedia wurde die 1947 beschlossene Version mit der Autorin(!) abgestimmt. Insofern ist der “alte” Text mit “Heimat bist Du großer Söhne” durchaus (auch) ihr Werk und die Änderung 2001 also eine Änderung “des Liedtexts eines Künstlers”.
Was mich zum letzten Punkt bringt: “Heimat großer Töchter und Söhne” hat eine Silbe mehr und wird auch anders betont als das ursprüngliche “Heimat bist du großer Söhne” soll aber angeblich auf dieselbe Melodie passen. Dagegen blieben die Änderungen vor Annahme 1947 allesamt im Versmaß. Wenn ich das singen würde würde mir die alte Fassung auch leichter von den Lippen kommen…
Sicherlich hat Engywuck recht, wenn er denkt, die Qualität des Beitrags werde durch die Art der Kritik beinträchtigt. Auch den Titel finde ich diesmal nicht recht passend: Hochmut grosser Söhne. Denn Hochmut zeigt doch der Autor, wenn er dem Sänger in den letzten beiden Sätzen den verbalen Todesstoss zufügt.
Nach wie vor finde ich, Kritik an der Sache sollte sachlich sein.
ZENSUR! Aber damit war zu rechnen, dass sie kein Freund solcher Allegorien sind. Meine Verehrung und weiterhin viel Spaß beim idiologisch motiviertem Löschen und Sprachpolizist spielen! :))
“… dem ‘Einigkeit und Recht und Freiheit’ und all den anderen Dingen, die sich Nationen in ihren Hymnen so zusammenphantasieren”.
Ich finde durchaus, dass wir nach Recht und Freiheit streben sollten. Das ist eine Aufforderung, die ich völlig unterstützen würde. Im Lied wird ja nicht behauptet, dass das bereits verwirklicht wäre. Nur dann wäre es “zusammenphantasiert”.
Einigkeit, solange sie nicht erzwungen, sondern im freien Diskurs zustande gekommen ist, wäre auch noch okay.
Naja, aus
[…]
Hast seit frühen Ahnentagen
Hoher Sendung Last getragen,
Vielgepfrüftes Österreich,
Vielgepfrüftes Österreich
eine “Ausstattung” des Volkes mit selbiger zu interpretien fällt mir irgendwie schwer.
@Engywuck
Der ursprüngliche Vorschlag lautete “Heimat großer Töchter, Söhne”, was im Versmaß geblieben wäre. Allerdings klingt das wie Töchtersöhne und das sollte vermieden werden. Daher kam es zum sperrigen “und”.
ja, ist mir nach meinem Beitrag auch gekommen, dass man wenn man das “und” weglässt die Söhne der großen Töchter besingt, und mit dem einfachen Ersatz von “Söhne” durch “Töchter” zerstört man den Reim, neben der dann erfolgenden “Diskriminierung der Männer”.
Also doch Text ganz weglassen oder komplett neuer Text?
@ der Beitrag wäre sicher viel besser gewesen, wenn er nicht den Großteil der Kritik über ad hominem abwickeln würde…
So ganz sicher bin ich mir zwar nicht, wie der Beitrag jetzt zu verstehen ist, aber ich habe den Eindruck, es ging A.S. weniger um Kritik an Nationalhymnen als in der Hauptsache um konkrete Kritik an den dümmlichen Äußerungen von Gabalier über die besagte Zeilenänderung. Dass ihm persönlich Nationalhymnen überflüssig scheinen, war wohl eher so eine vorrausgeschickte Nebensache … oder vielleicht eine zweite zu schlagende Fliege mit einer Klappe (?)
Interessant, dass man als “Volks-Rock’n’Roller” glaubt, derartige Vorgänge nicht nur kommentieren sondern vielleicht auch mitbestimmen zu müssen. Klarer Fall von Selbstüberschätzung…
Die Grünen Frauen Wien haben einen offenen Brief an Herrn Gabalier geschickt, in dem sie fragen, ob er vielleicht gar nicht weiß, dass es jetzt eine neue Version der Hymne gibt. In der Andreas Gabalier Rundschau mokieren sich mehrere Dutzend Leute beiderlei Geschlechts über diese dämlichen Grünen, dass die nichts besseres zu tun haben, wo es doch ganz andere Probleme gebe.
Auf meine Nachfrage gab es als Antwort (erfreulich sachlich formuliert, ich hatte ein Schlachtfest befürchtet) sinngemäß die Aussage, da breche sich die gequälte Volksseele Bahn. Diese verhunzte Version der großartigen, ja heiligen Hymne sei vollends unerträglich.
Und überhaupt ist man da der Meinung, der Herr Volksrocknroller könne gar nichts falsch machen. Wo er wandelt, wachsen Rosen und so…
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