Die „Welt“ entschuldigt sich für Dinge

Von Anatol Stefanowitsch

Die WELT hat mich gestern in einem Artikel über die Nahost-Berichter­stat­tung mehrfach falsch zitiert. Ich habe das hier im Sprachlog umge­hend richtig gestellt, habe eine Kor­rek­tur der Online-Ver­sio­nen der Artikel gefordert (die auch zeit­nah erfol­gte) und habe darum gebeten, in der Druck­aus­gabe eine Richtig­stel­lung zu drucken. 

Heute erschien dann fol­gende „Klarstel­lung“:

Im Zusam­men­hang mit unser­er Berichter­stat­tung über die Kri­tik an Ten­den­zen isre­alfeindlich­er Berichter­stat­tung in den deutschen Medi­en (“Welt” vom 23. Juli: “Ein Großteil deutsch­er Medi­en berichtet vor­ein­genom­men”) legt der von uns zitierte Sprach­wis­senschaftler Prof. Ana­tol Ste­fanow­itsch (FU Berlin) Wert auf die Fest­stel­lung, dass er solche Ten­den­zen in der Berichter­stat­tung nicht für “auss­chlaggebend für anti­jüdis­che Aggres­sio­nen auf deutschen Straßen” hält. Sollte dieser Ein­druck ent­standen sein, bit­ten wir das zu entschuldigen.

Dass sich Politiker/innen, Medi­en­häuser und andere öffentliche Akteur/innen lieber für die Ein­drücke entschuldigen, die ihre Hand­lun­gen her­vor­rufen, als für die Hand­lun­gen selb­st, ist ja bekan­nt, aber das hier ist meine per­sön­liche „Nichtschuldigung“ des Jahres.

Der „Ein­druck“, für den die WELT sich hier entschuldigt, ist ent­standen, weil sie mir Zitate ein­er poli­tis­chen Grup­pierung in den Mund gelegt habt, die genau diesen Ein­druck ver­mit­teln sollen.

DAS HAT DIE WELT LEIDER VERGESSEN ZU ERWÄHNEN.

Ich wollte keine Entschuldigung, ich wollte eine Klarstel­lung, dass man mich mehrfach mit Aus­sagen und For­mulierun­gen zitiert hat, die nicht von mir stam­men und in kein­er Weise dem ähneln, was ich dem Autor des betr­e­f­fend­en Artikels in einem Tele­fon­in­ter­view erzählt habe.

Wenn das Qual­ität­sjour­nal­is­mus ist, braucht der Jour­nal­is­mus keine Feinde mehr.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

7 Gedanken zu „Die „Welt“ entschuldigt sich für Dinge

  1. Pingback: Gegendarstellung zu “Großteil der Medien berichtet voreingenommen” (Die Welt, 23./24. Juli 2014) – Sprachlog

  2. Kommentor

    Dann zieh’ doch jet­zt die formelle Gegen­darstel­lungs-Liturgie durch. Davor haben die in der Regel ziem­liche Angst.

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  3. Daniel

    Ich möchte der let­zten These etwas zurufen: Nein, das ist kein Qual­ität­sjour­nal­is­mus, das ist “Die Welt”. Rumpelblatt.

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  4. Pingback: Diskriminierte menschen des tages | Schwerdtfegr (beta)

  5. Ulrich Clauß

    Es gibt sicher­lich dankbarere Sit­u­a­tio­nen für einen Jour­nal­is­ten, als in einen Dis­put von Sprach­wis­senschaftlern über Ten­den­zen der Nahost-Berichter­stat­tung hineinzuger­at­en. Zumal wenn der Anlass dafür die eigene Berichter­stat­tung über eben diese Ten­den­zen ist. Um es also noch ein­mal und nochmals unmissver­ständlich zu sagen: 

    Im Zusam­men­hang mit unser­er Berichter­stat­tung über die Kri­tik an Ten­den­zen isre­alfeindlich­er Berichter­stat­tung in den deutschen Medi­en (“Welt” vom 23. Juli: “Ein Großteil deutsch­er Medi­en berichtet vor­ein­genom­men”) legt der von uns zitierte Sprach­wis­senschaftler Prof. Ana­tol Ste­fanow­itsch (FU Berlin) Wert auf die Fest­stel­lung, dass er solche Ten­den­zen in der Berichter­stat­tung nicht für “auss­chlaggebend für anti­jüdis­che Aggres­sio­nen auf deutschen Straßen” hält. Sollte dieser Ein­druck ent­standen sein, bit­ten wir das zu entschuldigen.

    Auch lag es mir als Autor des genan­nten Artikels fern, Her­rn Prof. Ste­fanow­itsch in die Nähe ein­er medi­enkri­tis­chen Köl­ner Ini­tia­tive zur rück­en — die anders als er — einen ursäch­lichen Zusam­men­hang zwis­chen Ten­den­zen in der ein­schlägi­gen Berichter­stat­tung und “anti­jüdis­chen Aggres­sio­nen” sieht.

    Es dient allerd­ings mein­er Mei­n­ung nach wed­er der Klärung von Missver­ständ­nis­sen, noch bringt es die Auseinan­der­set­zung über das The­ma auch nur einen Schritt weit­er, in diesem Zusam­men­hang Ressen­ti­ments gegen einen Ver­lag oder einzelne Zeitun­gen zu pfle­gen. Aber solche pauschalen Missver­ständ­nisse lassen sich offen­bar nur sehr viel schw­er­er klären, als mein Missver­ständ­nis ein­er konkreten Aus­sage von Her­rn Prof. Ste­fanow­itsch. Let­zteres hoffe ich jeden­falls nun unmissver­ständlich aus­geräumt zu haben.

    Ulrich Clauß
    Die WELT, Politikredakteur

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  6. JJ Preston

    Bei der “Welt” darf man sich aber auch nicht wun­dern, dass dann eine Nichtschuldigung dabei rumkommt. Denn wie heißt es in den Unternehmensgrund­sätzen des Axel Springer Verlags:

    Die fünf gesellschaft­spoli­tis­chen Unternehmensgrund­sätze, 1967 von Axel Springer for­muliert, nach der Wiedervere­ini­gung 1990 geän­dert und 2001 ergänzt, sind Bestandteil der Unternehmenssatzung. Sie beschreiben ein frei­heitlich­es Weltbild:
    (…)
    2. Das Her­beiführen ein­er Aussöh­nung zwis­chen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unter­stützung der Leben­srechte des israelis­chen Volkes.
    (…)”

    Da fehlt nur der Zusatz “um jeden Preis”.

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      @ JJ Pre­ston: Ich sehe nicht, was dieser gesellschaft­spoli­tis­che Grund­satz, an dem ja nun wirk­lich nichts auszuset­zen ist, mit der Tat­sache zu tun hat, dass die Klarstel­lung der WELT-Redak­tion so unvoll­ständig aus­ge­fall­en ist.

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