Blogspektrogramm 39/2014

Von Kristin Kopf

Erpresser­briefe, sprach­liche Zukun­ftsvi­sio­nen, DDR-Jugend­sprache, hochnot­pein­liche Ver­höre und, ähm, was zu uh: Auch diese Woche gibt es im Spek­tro­gramm jede Menge Links zwis­chen skur­ril und spannend!

  • Wie schreibt man einen anony­men Erpresser­brief? Auf jeden Fall nicht, indem man ver­sucht, wie Nicht-Mut­ter­sprach­lerIn­nen zu klin­gen. Wolf­gang Krischke in der FAZ: »Richtig falsch zu schreiben erfordert also ein beträchtlich­es Kön­nen und zudem eine Diszi­plin, die viele Autoren nicht auf­brin­gen: Wer sich auf Rechtschreibfehler konzen­tri­ert, ver­nach­läs­sigt oft die notwendi­gen Ver­stöße gegen die Gram­matik und umgekehrt. Es gibt also eine ganze Rei­he von Anhalt­spunk­ten, um sprach­liche Mask­ierun­gen zu erkennen.«
  • Was ste­ht der deutschen Sprache noch bevor? Joachim Schar­loth wagt auf SURVEILLANCE AND SECURITY einen Blick in die Glaskugel: »… so scheint mir doch, dass die Zukun­ft der deutschen Sprache — und auch ander­er Sprachen — am meis­ten davon bee­in­flusst wird, dass Com­put­er einen immer größer wer­den­den Anteil an der Kom­mu­nika­tion haben. Aber nicht im triv­ialen Sinn, dass in der com­put­er­ver­mit­tel­ten Kom­mu­nika­tion die Sprache ver­fällt. Com­put­er sind vielmehr direkt oder indi­rekt immer tiefer in Trans­fer­prozesse im Medi­um der Sprache involviert. Und das hat Fol­gen in min­destens drei Bere­ichen …« (Ein Inter­view zum gle­ichen The­ma hat Schar­loth mit der Säch­sis­chen Zeitung geführt.)
  • Michael Mann hat im LEXIKO­GRAin­PHIEBLOG ein Jugend­sprach­wörter­buch der DDR aus den 80ern aus­ge­graben: »Unter anderem find­en wir dort bere­its einen Ein­trag für “cool” (S. 85), pos­i­tiv bezo­gen auf Per­so­n­en und auf Musik. Dazu ist zu sagen, dass in den DDR-Rechtschreib­du­den “cool” gar nicht verze­ich­net ist; im BRD-Duden ste­ht “cool” ab der 18. Aufl. (1980): ‘ugs. für ruhig, über­legen, kaltschnäuzig’; erst ab der 22. (längst gesamt­deutschen) Aufl. (2000) dann auch: ‘Jugend­spr. für her­vor­ra­gend’.«
  • Stephan Bopp schweift auf FRAGEN SIE DR. BOPP ab: Eigentlich sollte er nur erk­lären, wie ein Adjek­tiv flek­tiert, und plöt­zlich liefert er uns die Ety­molo­gie von hochnot­pein­lich. »Ein hochnot­pein­lich­es Ver­hör ist ein sehr strenges Ver­hör, hochnot­pein­liche Fra­gen sind sehr strenge Fra­gen. His­torisch gese­hen war  hochnot­pein­lich aber noch viel strenger als das, was wir heute unter sehr streng ver­ste­hen: …«
  • Wo wir ähm oder äh oder öh sagen, nutzt man in den USA ganz ähn­liche Füll­wörter: um oder uh — und zwar mit regionalen Präferen­zen, wie hier auf QUARTZ dargestellt: »To uncov­er the geog­ra­phy of filler words, Grieve ran through the Twit­ter cor­pus to find how often a giv­en Amer­i­can coun­ty uses “um” over “uh” and vice ver­sa. After that, he used an algo­rithm known as “hot-spot test­ing” to smooth out the results and make them more meaningful.«

6 Gedanken zu „Blogspektrogramm 39/2014

  1. Tim

    Danke für die schö­nen Links! Aber müsste es bei Euch nicht ErpresserIn­nen-Brief heißen? Ihr gen­dert doch immer so gerne.

    Oder ist es so, dass neg­a­tiv kon­notierte Beze­ich­nun­gen (Verbrecher,Faschisten, Erpress­er) dann lieber doch maskulin bleiben?

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  2. Kristin Kopf Beitragsautor

    Hi Tim, danke für das Lob.
    Zu Dein­er Nach­frage und der Unter­stel­lung (gegen die ich mich streng ver­wahre): Hier hand­habt das jede/r so, wie er/sie will (und das ändert sich dann auch immer mal wieder). Es geht uns um einen bewussten Umgang mit geschlechterg­erechter Sprache, aber ich glaube nie­mand von uns würde für sich beanspruchen, die ide­ale Lösung gefun­den zu haben.
    Ich per­sön­lich ver­suche, alle als eigenes Wort vork­om­menden Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen mit Binnen‑I zu verse­hen (und manch­mal werfe ich auch ein gener­isches Fem­i­ninum dazwis­chen), tue das allerd­ings nicht inner­halb von Kom­posi­ta. D.h. ich schreibe ErpresserIn­nen, aber eben Erpresser­brief. Wo es geht, umge­he ich das Prob­lem in Kom­posi­ta, z.B. Teil­nah­mege­bühr statt Teil­nehmerge­bühr oder sowas, das bot sich hier aber nicht an.

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