Wie man gefühlte Paprika stellen kann: Minimalpaare

Von Kristin Kopf

Kür­zlich hat eine kore­anis­che Aus­tauschstu­dentin nach der Sprech­stunde bei mir Noti­zen aus einem Deutschkurs vergessen. Als ich das Blatt bei­seit­elegte, sah ich eine sehr schöne Notiz:

die gefüllte Paprika

gefühlte

Grade eben hab ich die Suchan­fra­gen durchge­blät­tert, die zum Sprachlog führen ((Warum zum Teufel ist das läng­ste deutsche Wort so inter­es­sant??)) und dabei etwas ganz Ähn­lich­es gefunden:

wort­paare stellen stehlen

An diesen bei­den Wort­paaren erk­läre ich heute kurz einen Grund­be­griff aus der Phonolo­gie — also grob gesagt der Laut­lehre ein­er Sprache:

Wenn man gefüllt/gefühlt und stellen/stehlen spricht, merkt man, dass die Buch­staben die Aussprache nicht genau reflek­tieren: In der geschriebe­nen Form hat das eine ein <h> wo das andere ein <l> besitzt. Gesprochen hat aber keines der bei­den Wörter ein h und bei­de haben nur einen einzi­gen l-Laut. Sie haben exakt diesel­ben Kon­so­nan­ten, z.B. ein g, ein f, ein l, ein t bei gefüllt/gefühlt. Trotz­dem klin­gen sie verschieden:

In gefüllt/gefühlt haben wir es mit zwei ver­schiede­nen ü-Laut­en zu tun,

in stellen/stehlen mit zwei ver­schiede­nen e-Laut­en.

Das geht auch für die übri­gen Vokale:

  • a: wann/Wahn
  • i: irr/ihr
  • o: Bot/Boot
  • u: rum/Ruhm
  • ö: Hölle/Höh­le
  • ä: kämmen/kämen

Der Unter­schied ist deut­lich hör­bar: Die erste Vari­ante ist immer deut­lich kürz­er als die zweite, und sie hat in den meis­ten Fällen auch eine andere Ton­qual­ität. ((Nicht bei kämmen/kämen, da ist nur die Länge unter­schiedlich — und der kämmen-Laut ist außer­dem bei den meis­ten Men­schen iden­tisch mit dem aus stellen. Bei wann/Wahn gibt es ver­schiedene Mei­n­un­gen, in der Länge unter­schei­den sie sich auf jeden Fall, ob aber darüber hin­aus, ist umstrit­ten.)) Das ist die soge­nan­nte »Ges­pan­ntheit«, beim ersten Laut die Zunge gegenüber dem zweit­en weniger anges­pan­nt. (Noch mehr zu Eigen­schaften deutsch­er Vokale habe ich mal hier auf Englisch aufgeschrieben.)

Obwohl wir in den Wort­paaren von oben nur einen Buch­staben benutzen, um zwei Laute zu notieren, ist es nicht egal, welch­er gesprochen wird: In ein­er Höh­le ist man lieber als in der Hölle, und gefühlte Papri­ka möchte man, was auch immer das sein mag, vielle­icht nicht unbe­d­ingt essen. Der eine Laut verän­dert den kom­plet­ten Wortsinn. ((Diesen Unter­schied reflek­tieren wir auch oft, aber nicht immer in der Schrei­bung, z.B. indem der eine der bei­den Laute von einem Dehnungs-<h> gefol­gt wird.))

Wort­paare, die sich in nur so ger­ingfügig, in einem Laut unter­schei­den — ganz egal wie sie geschrieben wer­den! –, nen­nt man »Min­i­mal­paare«. Natür­lich gibt es sie nicht nur bei Vokalen, son­dern auch bei Kon­so­nan­ten: Lohn und Mohn, Reigen und Reifen, Wahn und Wahl … Mit diesen Paaren lässt sich zeigen, welche Laute für eine Sprache bedeu­tung­sun­ter­schei­dend sind.

Und dabei belasse ich es für heute mal. Lustige Min­i­mal­paar­beispiele in den Kom­mentaren willkommen!

64 Gedanken zu „Wie man gefühlte Paprika stellen kann: Minimalpaare

  1. Segantini

    Nun ja, in „gefühlt” steckt der Digraph „üh”, und das ist eben nicht das­selbe wie „ü”. Insofern benutzen wir keineswegs densel­ben Buch­staben für zwei Laute.

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  2. Vilinthril

    Geht ein biss­chen am The­ma vor­bei, aber ich bin immer wieder über­rascht, dass tat­säch­lich ander­swo im All­t­ag anders gesprochen wird als – mir kommt vor, in Öster­re­ich abseits der Burgth­e­ater­bühne noch nir­gends eine Aussprache-Unter­schei­dung zwis­chen Bären und Beeren gehört zu haben. (Kurze Wikipedia-Recherche scheint meinen Ein­druck zu bestäti­gen: https://en.wikipedia.org/wiki/German_phonology#Phonemic_status_of_.2F.C9.9B.CB.90.2F )

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  3. @ Vil­in­trhil: Als Öster­re­icherin kann ich Ihre Beobach­tun­gen nur bestäti­gen (‘besteti­gen’ ;-)). Außer im The­ater oder im Deutschdik­tat (sofern es DAS über­haupt heutzu­tage in den Schulen noch gibt) gibt es ein­fach keinen hör­baren Unter­schied zwis­chen Ähre und Ehre, Bären und Beeren — die von Ihnen ver­link­ten Über­legun­gen auf Wikipedia dürfte der durch­schnit­tliche öster­re­ichis­che Sprech­er auch ohne lin­guis­tis­che Vorken­nt­nisse schlicht und ein­fach verin­ner­licht haben… 

    Anson­sten: Schön finde ich ja immer das schon mehrfach, aber immer nur im Rah­men von sprach­wis­senschaftlichen Vor­lesun­gen gehörte, m.M.n. stark kon­stru­ierte Min­i­mal­paar ‘Kuchen’ und ‘Kuhchen’ (kleine Kuh), mit dem in Frage gestellt wird, ob ach- und ich-Laut Allo­phone oder doch dis­tink­te Phoneme sind. Ich frage mich bei diesem Beispiel immer, ob ein etwaiges (von mir noch nie in sprach­lich­er freier Wild­bahn gesichtetes) ‘Kuhchen’ nicht eher umlaut­en müsste zu einem ‘Kühchen’ (ana­log zu Bübchen usw.).

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  4. Mycroft

    Seele und Säle.
    Rat­en und Ratten.
    Roben und Robben.
    Leg­en und Laggen (Verzögerun­gen bei Computerspielen).
    Bewehrung (Beton­stahl) und Bewährung (Probezeit).
    Gehrung (Stoß im Winkel) und Gärung (organ­is­ch­er Abbau).

    Ich habe ein Beispiel, wo die Länge ein­er _Pause_ eine unter­schiedliche Bedeu­tung darstellt:
    “Wann, Vater?” und “Wann fahrt ihr?” unter­schei­den sich im gesproch­enen West­fälis­chem nur durch die län­gere Pause nach dem “Wann”: “Wann fata” vs. “Wan­n­fa­ta.”

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  5. Vilinthril

    Man kön­nte statt „Kuchen“ vs. „Kuhchen“ ja auf „Rochen“ vs. „Rhochen“ (kleines Rho) ausweichen. 😉

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  6. Mirko

    Das Beispiel für “ä” ist aber ver­tauscht, oder? 

    @Vilinthril Das ist nicht nur in Öster­re­ich so. Das “ä” wird in vie­len Gegen­den Deutsch­lands wie ein “e” gesprochen, deshalb gibt’s hier auch oft keinen Unter­schied zwis­chen Bären und Beeren.

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  7. Mycroft

    Lärche und Lerche (Pflanze und Tier)
    Äsche und Esche (Tier und Pflanze)
    Bären und Beeren hat­ten wir schon (warum ä nicht grund­sät­zlich das Tier in solchen Paaren anzeigt, ist mal wieder kontraintuitiv).

    Ein Beispiel, wo schein­bar der voraus­ge­hende Kon­so­nant die Aussprache des fol­gen­den Vokals verändert:
    Tusche und Dusche (kurz und lang)

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  8. Kristin Kopf Beitragsautor

    @Segantini: Siehe Fußnote 3. Es gibt aber auch lange(, ges­pan­nte Vokale) ohne Dehnungs‑h, z.B. in ein­sil­bi­gen Wörtern wie Kür, Wal, wir, …

    @Vilinthril: Ja, im Ale­man­nis­chen z.B. gibt es einen ganz klaren Unter­schied. Witziger­weise ver­hal­ten sich Öster­re­ich und Nord­deutsch­land ganz ähn­lich, diese Karte hier kön­nte Dich auch interessieren.

    @Jü: Mir kommt die Umlaut­vari­ante auch viel nor­maler vor.

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  9. Gerald Fix

    @ Vil­in­trhil
    Im Sim­pli­cis­simus kommt es zu ein­er Ver­wech­slung, als der S. gefragt wird, ob er auch beten könne. Nein, seine Mut­ter habe immer das Bett gemacht.

    Solche Ununtschei­d­barkeit­en gibt es also auch in anderen Dialekten 🙂

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  10. Mycroft

    Ahne und Anne
    Ahle und Alle
    Bahn und Bann
    Dachs (Gen­i­tiv von Dach) und Dachs (Tier)
    Ehre und Ähre
    Fahl und Fall
    “Holt’s!” und Holz
    aber: “Gibt’s?” und Gips (gle­iche Aussprache trotz unter­schiedlich­er Schreibung)
    Hohl und “Hol!”.
    Herz und Hertz (witziger­weise hat bei­des eine Frequenz)
    Hehler und Heller (erster­er ver­dunkelt mehr)
    Ihnen und Innen
    Ihre und Irre
    Ja und Jahr (jeden­falls im Westfälischen)
    Kam und Kamm (hat­ten wir mit käm­men, aber ich brache was mit k)
    Leser und Laser
    Mehr und Meer
    “Näh!” und “Nee…”

    Polen und Pollen
    Qualen und Quallen
    quälen und quellen (ist es nor­mal, gle­ich zwei Beispiele mit Q zu find­en? Im Deutschen?!?)
    Rogen und Roggen (kann man bei­des essen)
    rußen und Russen­Schal und Schall
    Tag und (Hash)tag

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  11. Mycroft

    Uhrzeit und Urzeit
    Wieder und wider ist ein Gegen­beispiel, ich höre da nie einen Unterschied.

    zagen und Zacken

    Fehlt noch was mit O,V,W,X und Y… 🙁

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  12. Kristin Kopf Beitragsautor

    @Mycroft: Lärche/Lerche und Äsche/Esche sind eben keine Min­i­mal­paare — sie wer­den genau gle­ich aus­ge­sprochen. Der Unter­schied ist nur in der Schrift zu sehen, wie z.B. auch bei Leib/Laib. Die Wörter sind also “homophon”, genau­so wie Bank (zum Sitzen) und Bank (für Geld), nur dass sich ver­schiedene Schreib­weisen einge­bürg­ert haben.

    Tusche/Dusche ist auch kein Min­i­mal­paar, weil sich die Wörter in zwei Laut­en unter­schei­den. Das ist wie Tusche/Tasse, da ist Vokal und darauf­fol­gen­der Kon­so­nant ver­schieden, oder Dusche/Dame etc. Wenn man solche Paare hat, weiß man nicht, ob der Bedeu­tung­sun­ter­schied am einen oder am anderen Laut hängt, man muss also weit­er­suchen und z.B. durch Ruhm/Rum und Dorf/Torf rauskriegen, dass im Deutschen sowohl langes, ges­pan­ntes u und kurzes, unges­pan­ntes u als auch d und t bedeu­tung­sun­ter­schei­dend sein können.

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  13. Mycroft

    Ach, ein Kuhchen würde ich anders aussprechen als Kuchen, aber ich nenne das dann Kalb.

    Ach, ja:
    Frauchen reimt sich nicht auf Fauchen.

    Halbes Beispiel:
    bei “Orange” (Frucht) wird das “e” mit­ge­sprochen, bei “orange” (Farbe) nicht.

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  14. Segantini

    @Kristin Kopf: ich nehme an, die Sprachevo­lu­tion hat das Dehnungs‑h über­all dort, wo es nichts zu unter­schei­den gibt, eli­m­iniert oder erst gar nicht entwickelt.

    Bei Deinem ersten Beispiel haben wir es übri­gens sog­ar mit einem Triplett zu tun: Wal — Wahl — Wall.

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  15. gnaddrig

    Das Paar kämen/kämmen ist falschrum (“Die erste Vari­ante ist immer deut­lich kürz­er als die zweite”)…

    Anson­sten:
    offen/Ofen
    satt/Saat
    Matte/Mate(-Tee)
    fis (f#)/fies
    plitsch/plietsch (“plitschplatsch”/norddeutsch “aufgeweckt, gescheit”)

    Und zumin­d­est norddeutsch:
    Schatten/Scharten
    Pfanne/Fahne
    Seppel/Säbel(?)

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  16. Mycroft

    Ich höre einen Unter­schied zwis­chen Ähre und Ehre. Aber gut.

    Stahl und Stall.

    Orgel und Ohrgel. Gel für die Ohren, braucht kein Men­sch, außer mir für ein Beispiel mit “O”.

    In Dialek­ten, wo “r“s ver­schluckt wer­den: Magd und Markt.

    Verse und Fährse (o.k, den Unter­schied hört man dann wohl auch nicht.)
    Wal und Wall. Ha!

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  17. Segantini

    Die deutsche Sprache bietet für die Län­gung eines Vokals ja bekan­ntlich zwei Optio­nen an, Ver­dop­pelung oder Dehnungs‑h. Zugle­ich gilt aber ein (strik­tes) Ver­dop­pelungs-Ver­bot für Umlaute, so daß im Falle „gefüllt/gefühlt” ohne­hin nur die Vari­ante mit Dehnungs‑h infrage kommt (die üü-ver­mei­dende Alter­na­tive gemäß Saal -> Säle wäre näm­lich uneindeutig).

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  18. Mycroft

    Wenn Pf = F, dann Pferd und fährt.

    Pfal und Fall.

    Pflicht und flicht (von flechten).

    (Ich warte vllt. mit weit­eren Kom­mentaren, um nichts dop­peltes zu posten.

    Ach­ja: “Posten” und “posten”.
    _die_ Post vs: _der_ Post.
    Genus­ab­hängige Aussprache.

    Genus und Genuss. Boink.

    Die Mehrzahl von Mon­tag und das Haupt­wort zu mon­tieren (bet­rifft aber Beto­nung _und_ Aussprache des “g”.)
    Watt(enmeer) und Vat (bud­dhis­tis­ches Heiligtum).

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  19. Pompeius

    Auf Latein gibts da häu­fig Stress, denn die Länge des Vokals wird in der Schrei­bung meist gar nicht gezeigt. (Wenn nicht ger­ade im Schul­buch ein Strich drüber ist.)

    Hüb­sche Beispiele sind:
    pop­u­lus — Volk, pôpu­lus — Pappel
    occidere — ster­ben, occîdere — töten
    lûteus — safran­far­ben, luteus — dreckig

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  20. André Pabst

    Dass eine Ver­tauschung sog­ar zur gegen­teili­gen Aus­sage führen kann, zeigt fol­gen­des Beispiel:

    Ich trinke in Maßen.
    Ich trinke in Massen.

    Wie lösen das eigentlich die Schweiz­er, die das “ß” nicht nutzen?

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  21. Mycroft

    PfaHl, nicht Pfal — Schmach!

    Die Sucht, aber sie sucht. (kurz/lang)

    Jet­zt mal vielosofisch betra­chtet: wenn Ähre und Ehre hochsprach­lich gle­ich gesprochen wer­den, wieso ist das richtig?
    Wäre es nicht schlauer, Wörter mit unter­schiedlich­er Bedeu­tung, die unter­schiedlich geschrieben wer­den, auch unter­schiedlich auszusprechen?
    So, wie das Burgth­e­ater zumin­d­est Beeren von Bären unterscheidet?

    Sprache dient doch der Kom­mu­nika­tion, da sollte Ein­deutigkeit doch Vor­rang haben?
    (Ich weiß, jemand, der “sacht” sagt, wenn er “sakt” meint, sollte marl schön still sein.)

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  22. gnaddrig

    @ Mycroft: Vielle­icht wäre es auch sin­nvoll, Dinge, die gle­ich aus­ge­sprochen wer­den, gle­ich zu schreiben? Das ist erstens ein Henne-Ei-Prob­lem und zweit­ens ändert sich die Aussprache oft so schnell, dass die Rechtschrei­bung schon in ein paar Jahrzehn­ten nicht mehr mit dem Klang­bild übere­in­stimmt, und was dann?

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  23. Mycroft

    @gnaddrig:
    Bei Wörtern, die eine unter­schiedliche Bedeu­tung haben, ist eine unter­schiedliche Schreib­weise selb­st dann sin­nvoll, wenn sie keine unter­schiedliche Aussprache (mehr) erzeugt.
    Es ist ein Unter­schied, ob ich “Ihnen” antworte oder ob ich “ihnen” antworte. Wenn man im gesproch­enen Deutsch keinen Unter­schied erken­nen kann, dann wenig­stens im geschriebe­nen. Also nein, ich halte es nicht für sin­nvoll, “Ähre” zukün­ftig wie “Ehre” zu schreiben, selb­st, wenn mir Fach­leute sagen, dass ich bei­des gle­ich aussprechen muss.

    Der Punkt war, dass mir weit­er oben erk­lärt wurde, dass “Ehre” und “Ähre” gle­ich aus­ge­sprochen wer­den, mit anderen Worten, wenn ich “Ehre” anders als “Ähre” ausspreche, spreche ich min­destens eines davon falsch aus. Also ist die richtige Aussprache nicht die, die mein Gegenüber erken­nen lässt, was ich meine, son­dern die, die das Gegenüber rat­en lässt. Was zu der Sit­u­a­tion führt, dass ich falsch han­dele, wenn ich missver­ständ­nis­frei kom­mu­nizieren will.

    ach­ja; “im” und “ihm”

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  24. gnaddrig

    @ Mycroft: Bei Wörtern, die eine unter­schiedliche Bedeu­tung haben, ist eine unter­schiedliche Schreib­weise selb­st dann sin­nvoll, wenn sie keine unter­schiedliche Aussprache (mehr) erzeugt.

    Nun ja, bei Schloss und Schloss funk­tion­iert es doch auch? (Dabei ist es egal, ob das zwei Wörter mit unter­schiedlichen Ety­molo­gien sind, die zufäl­lig gle­ich klin­gen, oder ob sich da eine Bedeu­tung von einem vorhan­de­nen Wort abges­pal­ten und selb­ständig gemacht hat.) Da kriegt man auch kom­mu­niziert, ob man den Abschließmech­a­nis­mus oder das Gebäude meint, obwohl die bei­den gle­ich geschrieben und gle­ich gesprochen wer­den. Das geht bei Ehre und Ähre auch. 

    Schlimm­sten­falls muss man eben so for­mulieren, dass der Kon­text deut­lich macht, welch­es der bei­den Wörter man benutzt. Die Aussprache ändert sich fortwährend und manch­mal recht schnell und führt dadurch zu Inkon­sis­ten­zen — Dinge wer­den unter­schiedlich geschrieben und gle­ich aus­ge­sprochen (Ehre und Ähre), da muss man die Unter­schiede eben anders markieren.

    Noch ein paar Paare:
    Dussel/Dusel
    Fussel/Fusel

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  25. flux

    Ich muss öfters für einen iranis­chen Fre­und, der eine Musikschule leit­et, Texte korrigieren.
    Er spricht und schreibt sehr gut Deutsch , aber manche Unter­schiede h ö r t er immer noch nicht.
    Z.B. “gefällt” und “gefehlt”.
    Sehr lange hat er auch gebraucht um “schwül” und “schwul” vom Hören her zu unterscheiden …

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  26. Speravir

    Man kann übri­gens Papri­ka dur­chaus fühlen – sehr schmerzhaft näm­lich. Kommt nur auf Sorte und Stelle der Ein­wirkung an.

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  27. Karmen

    Deutsch ist erst ab meinem 4..Lebensjahr zu ein­er mein­er Sprachen gesprossen, und ich habe von der sehr stren­gen Mut­ter und der aus Ungarn stam­menden und eben­falls sehr stren­gen Grund­schullehrerin gel­ernt, Bären anders auszus­prechen als Beeren.
    Bei ä bewege ich den Mund auch anders als beim e, mehr wie beim a.
    Ich weiss allerd­ings nicht, ob das ä bei mir Zuhören­den als solch­es ankommt, und nicht etwa als e, denn ich füh­le mich stets richtig ver­standen — vielle­icht kom­biniert das Gehirn während des Ver­ar­beit­ens im Kon­text des Gehörten, um sich dann für ein tat­säch­lich gehörtes oder imag­iniertes ä zu entschei­den. Z.B. weil die Lärche sich nicht sin­gend in den Him­mel schwingt, son­dern im Herb­st ihre alten Nadeln abwirft, was die Lerche wiederum niemals tun würde, weil sie es nicht kann.
    (Btw, ist hier eine Exper­tin, ein Experte der ser­bo-kroat­is­chen Sprache unter­wegs? Ich suche die Her­leitung zweier Beze­ich­nun­gen, die mir rät­sel­haft sind und kann alleine lei­der keine Erk­lärung find­en. Danke.)

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  28. Segantini

    @Karmen (off top­ic) — da fällt mir doch spon­tan Heinz Erhardts Gedicht „Vogel und Baum” ein:

    Man sieht die Lerchen mit Gesang
    hoch in die Lüfte steigen.
    Nur die mit „e”! Die mit dem „ä”,
    die ste­hen da — und schweigen.

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  29. Segantini

    Als Franke kann ich zum The­ma Lerche/Lärche bestäti­gen, daß der Vogel bei uns so aus­ge­sprochen wird, als würde er mit „ä” geschrieben. Und spräche jemand von ein­er „Lehrche”, wäre er sofort als Zugereis­ter durchschaut.

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  30. Statistiker

    @ Kar­men<. Da liegen dann sowohl Ihre Iut­ter als auch die Lehrerin falsch. Es wird bei­des gle­ich ausgesprochen.…..

    Naja, bei älteren Jahrgän­gen sind Fehler ja nstruiert.…..

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  31. Mycroft

    Wenn Eigen­na­men zählen:
    AugUst/AUgust
    York/Yorck

    @gnaddrig: Weil Wörter, die zufäl­liger­weise gle­ich geschrieben wer­den, gle­ich gesprochen wer­den, und man notge­drun­gen gel­ernt hat, mit diesem Prob­lem klarzukom­men, muss man Wörter, die man unter­schiedlich aussprechen kön­nte, trotz­dem gle­ich aussprechen, und das dann als “gottgegeben” akzeptieren?
    Ich wette, Schulkinder, die “stehlen” und “stellen” ver­wech­seln, käm­men mit der Erk­lärung, dass man bei “Schloss” und “Schloss” den Unter­schied ja auch errat­en könne, nicht weit. Äh, kämen, natürlich.
    Oder noch gaaanz anders: nur, weil manche Häuser keinen Keller haben, sind Keller nicht sinnvoll?

    @flux: Ich höre auch nicht den Unter­schied zwis­chen “Pferd” und “Mut­ter” im Chi­ne­sis­chen. Weil das näm­lich eine Ton­höhen­sprache ist, ich kein mut­ter­sprach­lich­er Ton­höhen­sprachen­sprech­er bin, und Men­schen, die damit nicht früh­ster Kind­heit an Ton­höhen gewöh­nt sind, später damit Schwierigkeit­en haben.
    Soll heißen: nichts gegen Iran­er, aber wenn Iran­er Unter­schiede im Deutschen nicht hören, beweist das nicht, dass es sie im Deutschen nicht gibt, son­dern nur nicht im Persischen.

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  32. gnaddrig

    @ Mycroft: Das Argu­ment geht auch ander­srum: Nur weil manche Häuser Keller haben, muss man doch nicht unter alle anderen auch noch einen Keller bauen?

    Der Zusam­men­hang von Schreib­weise, Aussprache und Bedeu­tung ist eben nicht ein­heitlich, und man kann es wed­er in der einen noch in der anderen Rich­tung angle­ichen. Das wäre, von den Prob­le­men bei der Durch­set­zung egal welch­er Änderung abge­se­hen, schon deshalb wenig sin­nvoll, weil die Sprache sich ständig ändert und die schöne planierte Ober­fläche in ein paar Jahren schon wieder Risse und Schlaglöch­er hätte und an allen möglichen Stellen irgend­was Unvorherge­se­henes wach­sen würde.

    Jeden­falls — um auf den Anfang unser­er Diskus­sion zurück­zukom­men — sehe ich nicht, wieso es beson­ders sin­nvoll sein sollte, unter­schiedlich geschriebene Wörter auch unbe­d­ingt unter­schiedlich auszusprechen.

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  33. Mycroft

    1. Meine Aus­sage war, Wörter mit unter­schiedlichen Schreib­weisen _und_ unter­schiedlichen Bedeu­tun­gen unter­schiedlich auszus­prechen. Was bei Ähren und Ehren möglich ist. Der ursprüngliche Ein­wand (nicht von Ihnen) war nicht, dass das über­flüs­sig oder unnötig sei, son­dern, dass es _falsch_ sei.

    2. Wenn viele Leute etwas nicht tun, ist das alleine kein Beweis, dass es falsch ist, es doch zu tun. Ein­fach das zu tun, was alle machen, weil alle das machen, ist höch­stens dann ein Argu­ment, wenn es son­st keine Argu­mente gibt.

    3. Unter ein vorhan­denes, nicht unterkellertes Haus einen Keller zu bauen, ist etwas schwieriger (teur­er), als bei “Ähren” den Mund etwas weit­er aufzu­machen als bei “Ehren”.

    4. “Ähren” anders als “Ehren” auszus­prechen, hat keinen Nachteil, den _ich_ sehen kann.

    5. Sprachverän­derun­gen kom­men vor, ja, aber gle­ichzeit­ig argu­men­tieren Sie gegen eine Sprachverän­derung, näm­lich “Äh” anders als “Eh” auszus­prechen. Neben­bei, die Straße vor Ihrem Haus wird auch gele­gentlich erneuert, obwohl sie in eini­gen Jahren oder Jahrzehn­ten wieder sanierungs­bedürftig sein wird.
    Ich gehe auch zum Friseur, obwohl meine Haare jedes Mal nachwachsen.

    6. Ihre Argu­men­ta­tion träfe auch auf alle Wort­paare zu, bei denen unter­schiedliche Schreib­weisen (hochsprach­lich) Aussprache­un­ter­schiede aus­lösen. Wozu? Geht auch so.

    Ach, und Kehle/Kelle.
    Saat/satt
    Krale/Kralle
    “wähle!”/Welle
    im West­fälis­chem: Licht/liegt 😉

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  34. flux

    @gnaddrig ich wollte mit meinem Iran­er-Beispiel doch gar­nicht die Unter­schiede wegleug­nen, son­dern nur illus­tri­eren, wie schwierig es sein kann, Laute wahrzunehmen und nachzu­bilden, wenn man sie nicht von klein­auf erlernt hat, wie eben z.B. Sie bei dem chi­ne­sis­chen Pferd und der Mutter.
    Das finde ich ja ger­ade so span­nend, wie sehr sich frühkindlich­es, bzw. kul­turelles Ler­nen auf die Wahrnehmung auswirkt.
    Wäre ich jet­zt eine naive hochsprach­liche Deutsche ohne jedes Wis­sen über Wahrnehmungsphys­i­olo­gie, wäre ich eher erstaunt darüber, dass der Iran­er den Unter­schied n i c h t hört.

    @mycroft: Ihr Beispiel AUgust / AugUST ist jet­zt aber eines für eien andere Art Wort­paar, soge­nan­nte Homo­graphe (ist das der richtige Fachaus­druck?), sprich Wörter, die gle­ich geschrieben wer­den, aber unter­schiedlich aus­ge­sprochen, wie z.B auch Weg und weg.
    Mir war bis vor kurzem gar­nicht klar, dass es doch rel­a­tiv viele Homo­graphe im Deutschen gibt.
    Würde gerne ein paar sammeln 🙂

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  35. Mycroft

    äh, dass mit Pferd und Mut­ter war ich.
    Ver­mut­lich gibt es in allen Sprachen der Welt zusam­men mehr Laute, bei denen “wir” den Unter­schied nicht hören, als Laute, die wir unter­schei­den können.

    Ok, August/August ist vllt. ein doofes
    Beispiel. Wobei bei­de Wörter vom sel­ben Kaiser kommen.
    Dann gilt (Haar)Band/(Rock)Band wohl auch nicht wirklich.

    Aas — As
    Buße — Busse
    Dusel — Dussel
    Fasen — Fassen
    Gase — Gasse
    Hasen — hassen
    Hak­en — hacken
    jäten — jet­ten (wie es meine Oma aussprechen würde, die hat­te es nicht mit dj)
    sie lasen es — sie lassen es
    Mehrtür­er — Mär­tyr­er (jaja, ä klingt oft wie e)
    Nasen — Nassen
    Pike — “Picke!”
    Riese — Risse
    reisen — reißen
    Rose — Rosse
    Staat — Stadt

    Hach, da kom­men so viele Erin­nerun­gen an meine Schulzeit wieder auf
    Da hat­ten wir das auch mal.

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  36. Segantini

    Hochzeit und Hochzeit.

    Der Franke spricht das Fest der Eheschließung mit fränkischem Kurz­vokal, ähn­lich wie bei ‘Obst’, das sich hierzu­lande wie ‘Obb­st’ anhört. Das andere ist für ihn ein Fremd­wort, wird also gesprochen wie aus Funk und Fernse­hen bekan­nt. Mithin kann man bei­de deut­lich unterscheiden.

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  37. David

    @Mycroft: Nochmal: “Ähre” und “Ehre” wer­den im Stan­dard­deutschen bere­its unter­schiedlich aus­ge­sprochen und nie­mand hat hier etwas anderes behauptet. 

    Um etwa “Lerche” und “Lärche” unter­schiedlich auszus­prechen, müßte man hinge­gen den Lautbe­stand des Stan­dard­deutschen erweit­ern oder eines von bei­den “Lirche” oder “Larche” aussprechen oder ein völ­lig neues Wort erfind­en, etwa “Gnatölfe”. Das ist aber müh­sam und die meis­ten haben da ein­fach keinen Bock drauf. Und die, die es tat­säch­lich ver­suchen, wer­den auch noch doof angeguckt.

    Es ist schon ein Kreuz.

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  38. Vilinthril

    Hochzeit und Hochzeit ist nach meinem Sprachempfind­en auch stan­dard­sprach­lich unter­schei­d­bar, nicht nur in Franken – zumin­d­est in öster­re­ichis­chem Stan­dard­deutsch definitiv.

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  39. flux

    @ mycroft
    August war für mich insofern ein inter­es­santes Beispiel, als dass ich ja ger­ade nach Wörtern suche, die g l e i c h geschrieben wer­den ( also nicht Gase und Gasse) aber unter­schiedlich aus­ge­sprochen wer­den, wie z.B Der kurze “Weg” / Ich bin mal kurz “weg” … oder eben Hochzeit

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  40. Mycroft

    Gnatölfe wäre jet­zt wirk­lich etwas umständlich.
    Der Lautbe­stand im Stan­dard­deutschen ist jet­zt aber auch nicht für alle Ewigkeit fest­gelegt, weil es “Die deutsche Sprache” bekan­ntlich gar nicht gibt.

    @flux: von weit­er oben: Montage/Montage,
    und bei Orange/orange ändert die Groß-/Klein­schrei­bung, ob das “e” nicht ver­schluckt wird oder doch. Gilt das auch?
    Gute alte urdeutsche Aussprache von g, übrigens. 😉

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  41. Segantini

    @Mycroft: Mehrtür­er / Mär­tyr­er – der ist klasse!

    Das Beispiel führt näm­lich vor Augen, daß in eini­gen Dialek­träu­men das Dehnungs‑h zu unter­schiedlich­er Aussprache führt, in anderen hinge­gen nicht.

    Hier im Fränkischen käme nie­mand auf die Idee, das ä in Mär­tyr­er lang auszus­prechen, hier greift ganz klar der fränkische Kurz­vokal (“Märr-tür­er”). Beim Mehrtür­er hinge­gen nicht, sein e ist auch für uns Franken lang.

    Das e/ä The­ma gibt es übri­gens auch bei ei und ai. Es führt dazu, daß ich allen­thal­ben meinen Vor­na­men erläutern muß: “Rein­er mit e?” — “Nein, Rain­er mit a”.

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  42. David

    Der Lautbe­stand im Stan­dard­deutschen ist jet­zt aber auch nicht für alle Ewigkeit fest­gelegt, weil es “Die deutsche Sprache” bekan­ntlich gar nicht gibt.

    Hat auch wieder nie­mand behauptet.

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  43. Mycroft

    Mehrtyrer/Märtürer ist lei­der nicht von mir.

    Fehl/Fell

    für Flux:

    HExen/HexEn (magisch begabte Frauen bzw. deren Tätigkeit/Alken mit 6 Kohlenstoffatomen)

    GlUten/GlutEn (Pl. von Glut, ja, ist etwas konstruiert/Stoff in back­fähi­gen Getreidearten)

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  44. Statistiker

    @ Mycroft: Kann das sein, dass sei sich ihn ihren Mei­n­un­gen fest­ge­fahren haben?

    Selb­stre­flek­tion bringt oft­mals sehr viel.

    [Belei­di­gende Kri­tik gelöscht, gerne erneut sach­lich posten, KK.]

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  45. Mycroft

    @Statistiker:
    Das mag so sein oder auch nicht, aber wenn man sich selb­st fest­ge­fahren hat, bringt Selb­stre­flex­ion gar nichts mehr.

    Beim nochma­li­gen Nachlesen:
    Die Diskus­sion ging ein­er­seits um deskrip­tive Dinge (x wird vom Großteil der deutschsprachi­gen Men­schen wie y aus­ge­sprochen), und ander­er­seits darum, ob bzw. warum man das so zu akzep­tieren hat.

    In anderen Zusam­men­hän­gen wird hier regelmäßig disku­tiert, dass man bes­timmte Wörter, Begriffe oder For­mulierun­gen durch andere erset­zen sollte. Jet­zt stelle ich zur Diskus­sion, auch mal eine Aussprache zu ändern, und dann bekomme ich gesagt: “Das macht man nicht.”? Bzw.: “Das ist nicht nötig.”?

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  46. Walfried Müller

    Ich bin Laie und ver­folge das The­ma mit großem Inter­esse. Ich möchte Beispiele für die Beto­nung (nicht Aussprache) melden: August (Name oder Monat); Roman (Name oder Geschichte. Auch der Satz “das war schon bess­er” kommt je nach Beto­nung pos­i­tiv (WAR) oder neg­a­tiv (SCHON) rüber.

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  47. Christoph Päper

    Ein Min­i­mal­paar taugt lin­guis­tisch eigentlich nur dann etwas, wenn man einen Beispiel­satz (im weitesten Sinne) kon­stru­ieren kann, in dem die Kan­di­dat­en an gle­ich­er Stelle ste­hen kön­nen, denn dann geht es wirk­lich um Phonolo­gie und nicht bloß um Phonetik.

    Und jet­zt lese ich noch ein biss­chen Postillion.

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    1. Vilinthril

      @Päper: Geschenkt.

      Das falsch geschriebene Wort war {{#1}}.“ vs. „Das falsch geschriebene Wort war {{#2}}.“

      Beispiel­satz für alle Min­i­mal­paare. Ta-da!

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  48. David Marjanović

    @Mycroft: Nochmal: “Ähre” und “Ehre” wer­den im Stan­dard­deutschen bere­its unter­schiedlich aus­ge­sprochen und nie­mand hat hier etwas anderes behauptet.

    *kopf­schüt­tel* Sel­ber Standard. 🙂

    Die deutsche Schrift­sprache hat mehrere region­al unter­schiedliche Phonolo­gien. Irgend­wo in West­deutsch­land am Rhein wer­den Ähre und Ehre ver­schieden aus­ge­sprochen, son­st mehr oder weniger über­all gle­ich, und bei­des ist Standard. 😐

    Südlich des Weißwurstäqua­tors wer­den lange und kurze Kon­so­nan­ten unter­schieden. Nördlich davon weiß kaum jemand, dass es so etwas über­haupt gibt. Aber die Unter­schei­dung wird z. B. in den öster­re­ichis­chen Fernsehnachricht­en lück­en­los durchge­zo­gen – offen­sichtlich liegt das inner­halb der Vari­a­tions­bre­ite des Standards.

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  49. David Marjanović

    Mir fällt an nord- und mit­teldeutschen Aussprachen immer sehr schnell auf, dass die Kon­so­nan­ten alle kurz sind. Da klin­gen alle Wörter mit kurzen beton­ten Vokalen über­hastet. In Öster­re­ich passiert das nur bei ein paar Lehn­wörtern wie Ebbe, Bag­ger oder Kana­da – das ich von der Kan­naḍa-Sprache in Südin­di­en auch ohne retroflex­es stimmhaftes ḍ sofort unter­schei­den würde.

    Es gibt sog­ar Fälle, wo lange Kon­so­nan­ten hin­ter lan­gen Vokalen, Zwielaut­en oder sog­ar (ehe­ma­ligem) r und l vorkom­men; dort wer­den sie von der Rechtschrei­bung stand­haft geleugnet. Schlafen ist ein Beispiel, eben­so Seife, wer­fen, helfen (beson­ders ein­fach in Dialek­ten erkennbar, in denen el zu ö wird, aber ich rede ja von der Schrift­sprache). Reichen ist ein Min­i­mal­paar: mit kurzem ch ein Verb (engl. reach), mit langem ein Adjek­tiv (engl. rich). Genau­so weichen.

    Kurzes f ist übri­gens auf­fal­l­end sel­ten. Kurzes ch ist in der Schrift­sprache durchge­hend zu stum­mem h gewor­den und existiert jet­zt nur wegen Analo­gieprozessen und der mit­tel­bairischen Kürzung von lan­gen Kon­so­nan­ten am Wortende.

    Am Wor­tan­fang existieren lange Kon­so­nan­ten nur in Teilen der Schweiz und vielle­icht in Vorarlberg.

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  50. David Marjanović

    bb, dd, gg gehören zu den Fällen, wo ein dop­pelt geschrieben­er Kon­so­nant kurz ist. Das kommt daher, dass die hochdeutsche Kon­so­nan­ten­ver­schiebung die lan­gen Ver­sio­nen eli­m­iniert hat: daraus sind pp, tt, ck geworden.

    Der Rest beste­ht aus grob gesagt lateinis­chen Wörtern, die an der ger­man­is­chen Regel scheit­ern, dass lange Kon­so­nan­ten direkt hin­ter einem beton­ten Vokal ste­hen müssen: Satel­lit z. B..

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  51. Vilinthril

    Span­nend, für Kon­so­nan­ten­länge in mein­er eige­nen Erst­sprache hab ich offen­sichtlich über­haupt kein G’spür (aber ich nehm jet­zt ein­fach mal an, dass das alles beleg­bar ist, was du schreib­st ^^). Vie­len Dank!

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  52. David Marjanović

    Ver­such ein­mal, kaufen mit dem kurzen f von Ofen auszus­prechen. Klingt total falsch, oder?

    Es ist nicht leicht, Unter­schei­dun­gen in ein­er Sprache zu bemerken, die man nicht bewusst gel­ernt hat, wenn es diese Unter­schei­dun­gen woan­ders nicht gibt. Ich habe lang gebraucht, um zu bemerken, dass mit­tel­bairische Dialek­te wie z. B. mein­er keine lan­gen und kurzen Vokale unter­schei­den: wie im Rus­sis­chen (aber nicht z. B. im Pol­nis­chen) sind betonte Vokale länger als unbe­tonte, solang alles Andere gle­ich­bleibt. Dafür habe ich mit­tler­weile einen herzeig­baren Beleg gefun­den: …irgend­wo im Inter­net war ein­mal ein pdf von einem Manuskript, das mit­tler­weile as Seil­er (2005) “veröf­fentlicht” wor­den ist – in ein­er Zeitschrift, die über­haupt keine Inter­net­präsenz hat. WTF. Keine Ahnung, wieso ich das pdf dann auf mein­er Fest­plat­te habe.

    Seil­er, G. (2005) On the devel­op­ment of the Bavar­i­an quan­ti­ty sys­tem. Inter­dis­ci­pli­nary Jour­nal for Ger­man­ic Lin­guis­tics and Semi­otic Analy­sis 10(1): 103–129.

    Wegen der Kon­so­nan­ten­länge schaue ich noch; derzeit bin ich schw­er beschäftigt.

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  53. David Marjanović

    …Ups. Das erwäh­nte pdf enthält den Satz:

    How­ev­er, unlike Stan­dard Ger­man, Bavar­i­an does not have ambi­syl­lab­ic but short con­so­nants; ambi­syl­lab­ic con­so­nants always are long (Ban­nert 1976: 152).”

    und dann:

    Gem­i­nates tra­di­tion­al­ly have not been assumed for Bavar­i­an. How­ev­er, in sec­tion 2.2, I will argue that assum­ing a singleton–geminate con­trast for Bavar­i­an indeed is a fruit­ful enter­prise, at least if the con­trast is defined in terms of mora­ic phonology […]”

    Gem­i­nat­en” sind lange Konsonanten.

    …und schlussendlich:

    The alter­na­tive expla­na­tion of the pat­tern (2) above is pure­ly quantitative:
    vow­el quan­ti­ty inter­acts with con­so­nan­tal quan­ti­ty, where­by ‘strength’
    and syl­la­ble cut prop­er­ties are sec­ondary. This line of argu­men­ta­tion is pur­sued by Ban­nert (1976), Hin­der­ling (1980), Kufn­er (1957), Seil­er (in press), and to some extent by Gob­lirsch (1999). The quan­ti­ta­tive approach pre­sup­pos­es that Bavar­i­an con­so­nan­tal ‘strength’ in fact is a dis­tinc­tion between long and short con­so­nants. The evi­dence pro­vid­ed by Ban­nert (1976) is strik­ing: not only is the aver­age dura­tion of ‘for­tis’ con­so­nants more than twice as long as the dura­tion of ‘lenis’ con­so­nants (Ban­nert 1976: 81). In per­cep­tion tests, Ban­nert has shown that dura­tion is the only rel­e­vant per­cep­tu­al cue to dis­tin­guish­ing the two con­so­nant series (Ban­nert 1976: 152). The quan­ti­ta­tive approach thus is pho­net­i­cal­ly ground­ed in a very direct way.”

    Das Buch von Ban­nert (1976) habe ich nicht gelesen:

    Ban­nert, R. (1976) Mit­tel­bairische Phonolo­gie auf akustis­ch­er und perzep­torisch­er Grund­lage. Lund: Gleerup.

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  54. Norbert Mehring

    @Mycroft 28.2.15: Sprach­wis­senschaftler wis­sen in der Regel, dass es die Sprach­fam­i­lien “flek­tierende Sprachen”, “agglu­tinierende Sprachen” und “isolierende Sprachen” gibt. Die flek­tieren­den Sprachen ken­nen Sprach­wis­senschaftler aus eigen­er Anschau­ung gut. Agglu­tinierende Sprachen, das ist z.B. Ara­bisch oder Türkisch und isolierende Sprachen, das ist z.B. Chi­ne­sisch ken­nen Sprach­wis­senschaftler nur durch einzelne aufgeschnappte Bröckchen. 

    Größere Ken­nt­nisse in diesem Bere­ich lohnen sich. Ich hat­te den ersten vier­wöchi­gen Inten­sivkurs in Chi­ne­sisch mit 20 Jahren. Zum Erler­nen der richti­gen Sil­ben­töne wurde dort eine ganze Woche phonetis­ch­er Unter­richt gemacht (damals in Hamburg). 

    Heute ist der beste Ort in Deutsch­land, Chi­ne­sisch zu ler­nen, das Lan­dessprachenin­sti­tut in Bochum. Man kann dort auch Ara­bisch lernen. 

    Der Chi­ne­sis­chunter­richt an diesem Lan­dessprachenin­sti­tut umfasst präzise phonetis­che Kor­rek­turen, wie ich sie in meinem Fremd­sprache­nun­ter­richt in der Schule nie erlebt habe. Solch präzis­er phonetis­ch­er Unter­richt ist wohl notwendig, wenn man eine Sprache lernt, die deut­lich ver­schieden von der eige­nen ist. 

    Ich glaube, dass ich die chi­ne­sis­che Aussprache gut gel­ernt habe, auch wenn ich erst im Erwach­se­nenal­ter damit begonnen habe. Herr Frühauf, der (dama­lige?) Leit­er der chi­ne­sis­chen Abteilung des Lan­dessprachenin­sti­tuts sprach nach Auskun­ft der dor­ti­gen Chi­ne­sen ganz ohne aus­ländis­che Sprach­fär­bung. Ich weiß nicht, in welchem Alter er begonnen hat, Chi­ne­sisch zu sprechen, aber ver­mut­lich als Erwachsener. 

    Im Unter­richt von Deutsch als Fremd­sprache scheint mir heute phonetis­ch­er Unter­richt wichtiger zu sein als früher, weil heute die Ler­nen­den oft aus Osteu­ropa, den ara­bis­chsprechen­den Län­dern, Schwarzafri­ka und Asien kommen. 

    Ich bin damit ein­ver­standen, dass Sie Her­rn oder Frau Mycroft meine Email-Adresse übermitteln.

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  55. Petatap

    Wirk­lich schlimm fühlte ich mich, als ich das Genus von “Papri­ka” auf duden.de nach­schlug ‑Man lernt nie aus!

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