Wie man gefühlte Paprika stellen kann: Minimalpaare

Von Kristin Kopf

Kür­zlich hat eine kore­anis­che Aus­tauschstu­dentin nach der Sprech­stunde bei mir Noti­zen aus einem Deutschkurs vergessen. Als ich das Blatt bei­seit­elegte, sah ich eine sehr schöne Notiz:

die gefüllte Paprika

gefühlte

Grade eben hab ich die Suchan­fra­gen durchge­blät­tert, die zum Sprachlog führen ((Warum zum Teufel ist das läng­ste deutsche Wort so inter­es­sant??)) und dabei etwas ganz Ähn­lich­es gefunden:

wort­paare stellen stehlen

An diesen bei­den Wort­paaren erk­läre ich heute kurz einen Grund­be­griff aus der Phonolo­gie — also grob gesagt der Laut­lehre ein­er Sprache:

Wenn man gefüllt/gefühlt und stellen/stehlen spricht, merkt man, dass die Buch­staben die Aussprache nicht genau reflek­tieren: In der geschriebe­nen Form hat das eine ein <h> wo das andere ein <l> besitzt. Gesprochen hat aber keines der bei­den Wörter ein h und bei­de haben nur einen einzi­gen l-Laut. Sie haben exakt diesel­ben Kon­so­nan­ten, z.B. ein g, ein f, ein l, ein t bei gefüllt/gefühlt. Trotz­dem klin­gen sie verschieden:

In gefüllt/gefühlt haben wir es mit zwei ver­schiede­nen ü-Laut­en zu tun,

in stellen/stehlen mit zwei ver­schiede­nen e-Laut­en.

Das geht auch für die übri­gen Vokale:

  • a: wann/Wahn
  • i: irr/ihr
  • o: Bot/Boot
  • u: rum/Ruhm
  • ö: Hölle/Höh­le
  • ä: kämmen/kämen

Der Unter­schied ist deut­lich hör­bar: Die erste Vari­ante ist immer deut­lich kürz­er als die zweite, und sie hat in den meis­ten Fällen auch eine andere Ton­qual­ität. ((Nicht bei kämmen/kämen, da ist nur die Länge unter­schiedlich — und der kämmen-Laut ist außer­dem bei den meis­ten Men­schen iden­tisch mit dem aus stellen. Bei wann/Wahn gibt es ver­schiedene Mei­n­un­gen, in der Länge unter­schei­den sie sich auf jeden Fall, ob aber darüber hin­aus, ist umstrit­ten.)) Das ist die soge­nan­nte »Ges­pan­ntheit«, beim ersten Laut die Zunge gegenüber dem zweit­en weniger anges­pan­nt. (Noch mehr zu Eigen­schaften deutsch­er Vokale habe ich mal hier auf Englisch aufgeschrieben.)

Obwohl wir in den Wort­paaren von oben nur einen Buch­staben benutzen, um zwei Laute zu notieren, ist es nicht egal, welch­er gesprochen wird: In ein­er Höh­le ist man lieber als in der Hölle, und gefühlte Papri­ka möchte man, was auch immer das sein mag, vielle­icht nicht unbe­d­ingt essen. Der eine Laut verän­dert den kom­plet­ten Wortsinn. ((Diesen Unter­schied reflek­tieren wir auch oft, aber nicht immer in der Schrei­bung, z.B. indem der eine der bei­den Laute von einem Dehnungs-<h> gefol­gt wird.))

Wort­paare, die sich in nur so ger­ingfügig, in einem Laut unter­schei­den — ganz egal wie sie geschrieben wer­den! –, nen­nt man »Min­i­mal­paare«. Natür­lich gibt es sie nicht nur bei Vokalen, son­dern auch bei Kon­so­nan­ten: Lohn und Mohn, Reigen und Reifen, Wahn und Wahl … Mit diesen Paaren lässt sich zeigen, welche Laute für eine Sprache bedeu­tung­sun­ter­schei­dend sind.

Und dabei belasse ich es für heute mal. Lustige Min­i­mal­paar­beispiele in den Kom­mentaren willkommen!

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