Kürzlich hat eine koreanische Austauschstudentin nach der Sprechstunde bei mir Notizen aus einem Deutschkurs vergessen. Als ich das Blatt beiseitelegte, sah ich eine sehr schöne Notiz:
die gefüllte Paprika
gefühlte
Grade eben hab ich die Suchanfragen durchgeblättert, die zum Sprachlog führen ((Warum zum Teufel ist das längste deutsche Wort so interessant??)) und dabei etwas ganz Ähnliches gefunden:
wortpaare stellen stehlen
An diesen beiden Wortpaaren erkläre ich heute kurz einen Grundbegriff aus der Phonologie — also grob gesagt der Lautlehre einer Sprache:
Wenn man gefüllt/gefühlt und stellen/stehlen spricht, merkt man, dass die Buchstaben die Aussprache nicht genau reflektieren: In der geschriebenen Form hat das eine ein <h> wo das andere ein <l> besitzt. Gesprochen hat aber keines der beiden Wörter ein h und beide haben nur einen einzigen l-Laut. Sie haben exakt dieselben Konsonanten, z.B. ein g, ein f, ein l, ein t bei gefüllt/gefühlt. Trotzdem klingen sie verschieden:
In gefüllt/gefühlt haben wir es mit zwei verschiedenen ü-Lauten zu tun,
in stellen/stehlen mit zwei verschiedenen e-Lauten.
Das geht auch für die übrigen Vokale:
- a: wann/Wahn
- i: irr/ihr
- o: Bot/Boot
- u: rum/Ruhm
- ö: Hölle/Höhle
- ä: kämmen/kämen
Der Unterschied ist deutlich hörbar: Die erste Variante ist immer deutlich kürzer als die zweite, und sie hat in den meisten Fällen auch eine andere Tonqualität. ((Nicht bei kämmen/kämen, da ist nur die Länge unterschiedlich — und der kämmen-Laut ist außerdem bei den meisten Menschen identisch mit dem aus stellen. Bei wann/Wahn gibt es verschiedene Meinungen, in der Länge unterscheiden sie sich auf jeden Fall, ob aber darüber hinaus, ist umstritten.)) Das ist die sogenannte »Gespanntheit«, beim ersten Laut die Zunge gegenüber dem zweiten weniger angespannt. (Noch mehr zu Eigenschaften deutscher Vokale habe ich mal hier auf Englisch aufgeschrieben.)
Obwohl wir in den Wortpaaren von oben nur einen Buchstaben benutzen, um zwei Laute zu notieren, ist es nicht egal, welcher gesprochen wird: In einer Höhle ist man lieber als in der Hölle, und gefühlte Paprika möchte man, was auch immer das sein mag, vielleicht nicht unbedingt essen. Der eine Laut verändert den kompletten Wortsinn. ((Diesen Unterschied reflektieren wir auch oft, aber nicht immer in der Schreibung, z.B. indem der eine der beiden Laute von einem Dehnungs-<h> gefolgt wird.))
Wortpaare, die sich in nur so geringfügig, in einem Laut unterscheiden — ganz egal wie sie geschrieben werden! –, nennt man »Minimalpaare«. Natürlich gibt es sie nicht nur bei Vokalen, sondern auch bei Konsonanten: Lohn und Mohn, Reigen und Reifen, Wahn und Wahl … Mit diesen Paaren lässt sich zeigen, welche Laute für eine Sprache bedeutungsunterscheidend sind.
Und dabei belasse ich es für heute mal. Lustige Minimalpaarbeispiele in den Kommentaren willkommen!
64 Gedanken zu „Wie man gefühlte Paprika stellen kann: Minimalpaare“