Die Völkerwanderung war kein Vatertagsausflug: Über 60 Wörter auf ‑in

Von Kristin Kopf

Dies ist ein Beitrag, den ich unge­fähr ein Jahr lang bewusst nicht geschrieben habe, obwohl es mich manch­mal in den Fin­gern gejuckt hat. Es geht um das Kleine Ety­mo­log­icum und wie ich darin mit Men­schen umge­he. Es geht um Lan­go­b­ardinnen, die auch männlich sein kön­nen. Es geht um … (Achtung, Reiz­wort!) … geschlechterg­erechte Sprache.

Viele Leute ken­nen die Fußnote auf Seite 11, selb­st wenn ihnen das Buch offen­sichtlich unbekan­nt ist (Achtung, Link geht zur Jun­gen Frei­heit!) — ich rufe kurz in Erinnerung:

Bei gener­isch­er Ver­wen­dung von Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen (wenn keine konkreten Indi­viduen gemeint sind) wird in diesem Buch die weib­liche oder die männliche Form gebraucht. Die Zuweisung erfol­gt per Zufall, über eine ran­domisierte Liste. Gemeint sind aber immer alle Men­schen, egal welchem Geschlecht sie sich zuge­hörig fühlen (oder ob sie das über­haupt tun). Auch die Fälle, in denen unklar war, ob bei­de Geschlechter gemeint sind, wur­den großzügig den gener­ischen Beze­ich­nun­gen zugeschla­gen. Sie wer­den im Fol­gen­den also auf Vor­fahrin­nen, Griechin­nen, Lexiko­grafinnen … stoßen, die alle Nicht-Frauen mit­meinen – und auf Ahnen, Goten und Sprach­wis­senschaftler, die die Nicht-Män­ner einschließen.

Für die Reflex­em­pörten aus dem Link schreibe ich nicht — ich schreibe für diejeni­gen Leserin­nen und Leser, die mir in den ver­gan­genen Monat­en E‑Mails und Briefe (und erstaunlich oft an E‑Mails ange­hängte Briefe) geschickt haben. Sehr höfliche Nachricht­en waren das, durchge­hend, mit vie­len inter­es­san­ten Anmerkun­gen, viel Lob, gele­gentlich mal mit Hin­weisen auf Tippfehler (in der vielfach verbesserten 2. Auflage fast alle aus­ge­merzt, her­zlichen Dank!) und am Ende dann gele­gentlich mit der Frage, warum ich Pas­sagen wie die fol­gende geschrieben habe:

Zur Zeit der Völk­er­wan­derung (unge­fähr 400 bis 700 nach Chris­tus) siedel­ten ger­man­is­che Völk­er im Römis­chen Reich. Im späteren Ital­ien waren das die Lan­go­b­ardinnen, die auf Seite 176 noch ihren Auftritt haben wer­den, in Südeng­land die Angeln und die Sächsin­nen, die dort das spätere Englisch begrün­de­ten, und in der Gegend um Worms ließen sich die Bur­gun­derin­nen nieder, in deren Mitte, so erzählt uns die Leg­ende, wenig später ein fol­gen­schw­er­er Stre­it um Ehre und sozialen Rang aus­bricht und in einem Blut­bad endet. Möglicher­weise haben Sie es erkan­nt: Es han­delt sich um den Stoff des Nibelungenliedes.

Darauf will ich heute endlich antworten.

Warum überhaupt?

Häu­fig wird vorgeschla­gen, doch ein­fach die männlichen For­men »gener­isch« zu ver­wen­den, das heißt, mit der Form alle Men­schen zu beze­ich­nen, egal welchen Geschlechts. Dieses gener­ische Maskulinum ist aber trügerisch: Man kann felsen­fest davon überzeugt sein, wenn von Lehrern und Recht­san­wäl­ten die Rede ist, auch Frauen vor seinem inneren Auge zu sehen. Über­prüft man aber exper­i­mentell, was da unbe­wusst abläuft, wird schnell klar, dass unser Gehirn die Frauen, die in den männlichen Beze­ich­nun­gen steck­en sollen, qua­si immer ignori­ert. Das gener­ische Maskulinum funk­tion­iert nicht gener­isch. Details dazu hat Ana­tol im Sprachlog immer wieder aufgeschrieben, hier zum Beispiel.

Wenn man ein Sach­buch über Sprache schreibt, lässt es sich kaum umge­hen, auch Men­schen­grup­pen zu erwäh­nen — andern­falls entstünde der Ein­druck, Sprache sei ein vom Sprechen völ­lig los­gelöstes Phänomen, und das wäre fatal. Man muss also zwangsläu­fig Posi­tion beziehen. Es gibt keine neu­trale Lösung, man kann im Deutschen nicht nicht über Geschlecht sprechen: Dadurch, dass zwei Geschlechter (Mann, Frau) an zwei gram­ma­tis­che Kat­e­gorien (maskulin, der; fem­i­nin, die) gekop­pelt sind, muss ich mich per­ma­nent entschei­den. ((Um nicht nur, dass ich mich entschei­den muss: Ich habe auch keine Möglichkeit, sprach­lich zu markieren, dass die Zuge­hörigkeit zu einem Geschlecht gar nicht so zweifels­frei ist, wie wir im All­t­ag meist annehmen — dass manche Men­schen vielle­icht wed­er als Mann, noch als Frau gese­hen wer­den wollen, oder als bei­des. Daher in der Fußnote die For­mulierung »egal welchem Geschlecht sie sich zuge­hörig fühlen (oder ob sie das über­haupt tun)« und später Nicht-Frauen und Nicht-Män­ner statt Män­ner und Frauen. Eine ganz zufrieden­stel­lende Lösung ist das für mich nicht, aber ich habe keine bessere gefunden.))

Das gener­ische Maskulinum wollte ich also nicht nehmen, weil es nicht funk­tion­iert. Ich habe mir eine Rei­he von Möglichkeit­en über­legt, zum Beispiel auch Lan­go­b­ardInnen, Lan­go­b­ardinnen und Lan­go­b­ar­den oder Langobard_innen.

Warum so? Und was sagt der Verlag dazu?

Der sagte gar nichts groß dazu. Ich habe das The­ma schon sehr früh ange­sprochen, weil ich zähe Kämpfe befürchtet hat­te — und dann lief das unge­fähr so ab:

Ich: »Ich hat­te Ihnen ja geschrieben, dass ich gerne irgen­deine Art von geschlechterg­erechter Sprache ver­wen­den würde und ein paar Vorschläge gemacht, was meinen Sie dazu?«

Lek­tor: »Ja, also immer bei­de For­men zu nehmen, das kostet zu viel Platz und ist auch umständlich zu lesen. Das mit dem Binnen‑I finde ich in einem Sach­buch nicht schön, das sieht so nach Gebrauch­s­text aus und der Unter­strich ist schon sehr speziell.«

Ich: »Hm, ja, kann ich gut nachvol­lziehen. Ich hat­te ja noch als Option, die For­men ein­fach abzuwechseln …«

Lek­tor: »Ja, das finde ich eigentlich am besten. Machen wir es doch so!«

Und so haben wir es dann gemacht.

Ich hat­te in der Erst­fas­sung übri­gens viel weniger Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen drin — viele Pas­sagen hat­te ich abstrak­ter for­muliert, um das Prob­lem ganz zu umge­hen (z.B. römis­che Bevölkerung). Das kam aber beim Kor­rek­torat nicht so gut an, weil es sich zu unper­sön­lich las — und so sind die Keltin­nen und die Römer wieder eingewandert.

Woher soll man denn dann wissen, wann es nur um Frauen geht?

Dass die For­men nun nichts mehr darüber aus­sagen, ob eine Gruppe aus Män­nern oder aus Frauen beste­ht, ist ja nicht neu: So ist ja auch die Idee des gener­ischen Maskulinums. Schauen wir mal den Wikipedi­atext zum römis­chen Bürg­er­recht an:

Das römis­che Bürg­er­recht (lateinisch civ­i­tas Romana) war in der Antike zunächst das Bürg­er­recht der Ein­wohn­er der Stadt Rom.

Sind das nun gener­ische oder männliche Ein­wohn­er? Später im sel­ben Artikel heißt es:

Bürg­er­rechte wur­den im Reich nor­maler­weise durch Geburt (also als Sohn eines römis­chen Bürg­ers) oder durch Ver­lei­hung vergeben.

Das sieht so aus, als sei wirk­lich nur von Män­nern die Rede. Sucht man weit­er, dann stellt sich irgend­wann raus, dass auch Frauen das Bürg­er­recht haben kon­nten, allerd­ings nicht diesel­ben Priv­i­legien. Große Verwirrung!

Im Ety­mo­log­icum hinge­gen ist das meist nicht so schwierig: Wenn der Kon­text nicht spez­i­fiziert, dass es nur um Frauen oder nur um Män­ner geht, dann ist es schlicht nicht wichtig — es geht um Men­schen. Und der Kon­text spez­i­fiziert, wo nötig! Ein beliebiges Beispiel:

In der Folge wen­dete man sich mit Fräulein außer­dem an beruf­stätige Frauen in der Dien­stleis­tungs­branche, zum Beispiel Tele­fon­istin­nen (das Fräulein vom Amt) und Kell­ner­in­nen (Fräulein? Kön­nen wir zahlen?) – also Frauen, die beson­ders oft ange­sprochen wur­den und bei denen man auf­grund ihrer Jugend Fräulein als angemessene Anrede empfand.

Hier kann wirk­lich nie­mand darüber in Zweifel ger­at­en, dass Män­ner nicht mit­ge­meint sind. Dage­gen ist es hier etwas unklar, ob Frauen auch mitmachten:

[…] als Cäsar Gal­lien eroberte, tat er das nicht als Ein-Mann-Heer, son­dern in erster Lin­ie seine Sol­dat­en – eine nicht nur sprach­liche Unter­schla­gung, wie schon Bertolt Brechts lesen­dem Arbeit­er auffiel: »Cäsar schlug die Gal­li­er. Hat­te er nicht wenig­stens einen Koch bei sich?«

Ich habe die Stelle let­ztlich, nach einiger Lek­türe über das römis­che Reich, als nicht-gener­isch gew­ertet und diese Sol­dat­en nicht in die Zufall­szuweisung ein­be­zo­gen — aber das nicht the­ma­tisiert. Das ständi­ge Abwä­gen und Kom­pro­mis­sefind­en wurde beim Schreiben zur zweit­en Natur und ist eine Erfahrung, die ich nicht mis­sen möchte.

Das ganze Buch ist voll davon …

Ich habe die Stelle oben aus­gewählt, weil sich die Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen darin häufen — die meis­ten Pas­sagen enthal­ten bedeu­tend weniger von ihnen, ins­ge­samt kom­men grade mal 60 gener­ische Fem­i­ni­na im ganzen Buch vor, plus ca. 60 gener­ische Maskuli­na. ((Die Maskuli­na lassen sich mit der Durch­suchen-Funk­tion nicht so leicht check­en, weil die ja nicht auf -in(nen) enden. Es kön­nten also auch 59 oder 61 sein.)) Von unge­fähr 56.800 Wörtern im Text­teil. Ziem­lich genau ein Promille gener­ische Feminina.

Da stolpert man doch beim Lesen drüber!

Obwohl es zahlen­mäßig gar nicht so viele weib­liche For­men sind, fall­en sie auf und viele von uns stock­en beim Lesen kurz. Ich auch.

Das ist aber kein Bug, son­dern ein Fea­ture: Es stört die Lesege­wohn­heit­en und macht dadurch darauf aufmerk­sam, dass es da ein Prob­lem gibt. Ein gesellschaftlich­es Prob­lem, das sich aber in Sprache so mas­siv nieder­schlägt, dass man nicht schreiben kann, ohne dazu Stel­lung zu beziehen.

Man stolpert also sechzig­mal. Manche fall­en schon beim ersten Mal so böse hin, dass sie vor lauter Aua nicht mehr weit­er­lesen kön­nen — das kann ich ehrlichge­sagt nicht ern­st­nehmen. Manche lesen weit­er und empfind­en die gener­ischen Fem­i­ni­na als Schön­heits­fehler in einem anson­sten lesenswerten Buch — das finde ich schade, und darum dieser Beitrag. Und manche lesen weit­er und freuen sich am Stolpern, aber denen muss ich meine Moti­va­tion ja nicht mehr erklären.

Ist das nicht Geschichtsrevision?

Immer wieder habe ich Hin­weise zu einzel­nen For­men bekom­men — gab es im 19. Jahrhun­dert wirk­lich Lexiko­grafinnen? Wurde Eng­land nicht von Män­nern erobert und beherrscht?

Ja, es gab Lexiko­grafinnen im 19. Jahrhun­dert. Die deutsche Wikipedia ken­nt zum Beispiel Hen­ri­ette Michaelis und Sophie Pataky — und es gab natür­lich noch weit­ere Frauen, die an Wörter­buch­pro­jek­ten oder Lexi­ka mit­gear­beit­et haben, aber nicht so bekan­nt gewor­den sind. Aus solchen Über­legun­gen her­aus ent­stand dann der Fußnotensatz

Auch die Fälle, in denen unklar war, ob bei­de Geschlechter gemeint sind, wur­den großzügig den gener­ischen Beze­ich­nun­gen zugeschlagen.

Und den­noch habe ich mich verpflichtet gefühlt, den Geschlechterzusam­menset­zun­gen bei jed­er einzel­nen Per­so­n­en­beze­ich­nung genau nachzuge­hen — ich habe neben Lexiko­grafinnen im 19. Jahrhun­dert und vielem mehr auch eine englis­che Herrscherin im Mit­te­lal­ter aus­ge­graben, die nur ein paar Monate an der Macht war, hm, zählt das jet­zt oder nicht? Und ist einem Zusam­men­hang, in dem es bei Herrscherin­nen offen­sichtlich um eine herrschende Schicht geht, nicht sog­ar egal, welch­es Geschlecht die ober­ste Per­son hat­te, weil ins­ge­samt sehr viele offen und verdeckt an Fäden zogen?

Die Tat­sache, dass ich über­haupt recher­chiert habe, die Tat­sache, dass das während­dessen (vom Kor­rek­torat) und im Nach­hinein (von LeserIn­nen eben­so wie von Nichtle­serIn­nen) auch immer wieder von mir einge­fordert wurde, und die Tat­sache, dass dabei jedes Mal die Frage aufkommt, ob die gefun­de­nen Frauen »aus­re­ichen«, ist schon sehr aus­sagekräftig: Ob Frauen dabei waren, muss erst ein­mal nachgewiesen wer­den, vorher gehen wir davon aus, dass Geschichte von Män­nern gemacht wurde.

Wir wis­sen, dass die Emanzi­pa­tion der Frau ein rel­a­tiv mod­ernes Phänomen ist — und gehen dann automa­tisch davon aus, dass Frauen davor nie und nir­gends eine Rolle gespielt haben. ((Vielle­icht mal abge­se­hen von Johan­na von Orléans. Und Kleopa­tra. Und dann gab es doch noch diesen his­torischen Roman mit der Päp­stin …)) Wenn wir doch irgend­wo Frauen ent­deck­en, wun­dern wir uns. Mich eingeschlossen. Und das finde ich sehr traurig.

Die Römerin­nen, die Ger­manin­nen und die Keltin­nen, also Beze­ich­nun­gen, die ein ganzes Volk umfassen, wirken auf viele Leserin­nen und Leser beson­ders befremdlich, obwohl sie nicht bestre­it­en, dass hier auch Frauen dazuge­hören. Ich kön­nte mir vorstellen, dass das auch daran liegt, wie uns Wis­sen über diese Zeit nor­maler­weise ver­mit­telt wird. Wie sehen Ger­ma­nen aus? So. Wikinger? So. Urmen­schen? So. Wer lebt in ein­er Rit­ter­burg? Die hier. Gabs im Mit­te­lal­ter Frauen? Mhm, die musste man vor Drachen ret­ten.

Muss man das in einem Buch verhandeln, in dem es gar nicht um Geschlechtergerechtigkeit geht?

Für mich führte kein Weg daran vor­bei. Nicht weil ich meine Leser­schaft ärg­ern will, oder belehren oder umerziehen oder was auch immer — wobei überzeu­gen schon cool wäre! –, son­dern weil ich per­sön­lich nicht dazu beitra­gen will, bes­timmte Men­schen­grup­pen sprach­lich unsicht­bar zu machen. Das ist etwas, das sich kon­se­quent durch meinen All­t­ag zieht, etwas, für das ich in jedem Gespräch neue Lösun­gen suche, um das ich mich mal stärk­er und mal weniger bemühe, aber nie nicht. Warum sollte ich es also in einem Buch nicht tun? Weil sich jemand daran stören kön­nte? Dann doch grade!

Ich habe vorhin gesagt, dass ich diesen Beitrag lange Zeit nicht schreiben wollte. Das lag zum einen daran, dass Gespräche über das The­ma oft völ­lig unfrucht­bar sind, ger­ade im Inter­net. Dass ein Text da oft gar nicht gele­sen wird, son­dern ein­fach eine spon­tan-assozia­tive Reak­tion zum The­ma in der Kom­men­tarspalte gepostet wird, vom Ton­fall will ich gar nicht erst reden. Darauf hat­te ich keine Lust, denn davon habe ich mir für keine der Seit­en irgendwelche Erken­nt­nisse ver­sprochen. Zum anderen wollte ich mich nicht recht­fer­ti­gen — das halte ich für unnötig –, und ich wollte das Buch nicht auf diesen Aspekt reduzieren.

Warum habe ich es mir jet­zt anders überlegt?

Zum einen ist das Buch mit­tler­weile schon ne ganze Weile raus, und wenn man die Ama­zon­rezen­sio­nen liest oder sonst­wo rum­googelt, tauchen die 60 gener­ischen Fem­i­ni­na sofort auf. Viele Leute reduzieren es also sowieso schon. Zum anderen, und das klang ein­gangs bere­its an, will ich den Men­schen antworten, die einem solchen Ver­fahren zum ersten Mal begeg­net sind und die sich darüber wun­dern. Und auf deren Mei­n­ung bin ich jet­zt auch sehr gespannt!

34 Gedanken zu „Die Völkerwanderung war kein Vatertagsausflug: Über 60 Wörter auf ‑in

  1. Alexander Dahl

    Ich ver­wende selb­st gern das gener­ische Fem­i­ninum, wenn es sich anbi­etet, hier und da schreibe ich auch bei­de Geschlechter aus, von der Vari­ante mit Binnen‑I ist mir die mit Sternchen am lieb­sten. Nicht jed­er Text ist gle­ich und ja nach Umfang und Pub­likum erscheint mir die eine oder andere Vari­ante am passend­sten. Die Idee zufäl­lig, aber gle­ichverteilt, das gener­ische Maskulinum oder Fem­i­ninum zu ver­wen­den, gefällt mir gut. Es ist nicht so radikal wie auss­chließlich das gener­ische Fem­i­ninum zu ver­wen­den (man stolpert nur halb so oft 😉 ) und bildet die gesellschaftlichen Zahlen­ver­hält­nisse bess­er ab. Danke für die Anregung. 🙂

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  2. Wentus

    Der Ansatz ist aus päd­a­gogis­chen Grün­den zwar interessant. 

    Aber Sprache sollte ein Max­i­mum an Infor­ma­tion über­tra­gen, also muss man zwangsläu­fig angeben, ob man ein einziges Geschlecht meint oder beide.

    Wenn also von Grup­pen die Rede ist, muss man entsprechende Wörter ver­wen­den: keltische Grup­pen, das keltische Volk, keltische Mit­glieder, die keltische Einwohnerschaft.

    Wir wer­den uns aus diesem Grunde auch an Par­tizip­i­en gewöh­nen müssen: keltisch Sprechende, keltische Ein­wan­dernde, keltische Herrschende.

    Was spricht denn dage­gen, außer ein biss­chen alter Gewohnheit?

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  3. Detlef Schnittke

    Ich finde es grund­sät­zlich richtig, über Dinge nachzu­denken und das, was man als falsch erachtet, ver­sucht zu verbessern. Zu den von Ihnen gebraucht­en ran­domisierten gener­ischen Fem­i­ni­na beschle­ichen mich Zweifel, und zwar aus fol­gen­den Gründen:
    Sie schreiben, das gener­ische Maskulinum funk­tion­iere nicht, und das sei zig­mal von Her­rn Ana­tol nachgewiesen. Die ver­link­ten Unter­suchun­gen haben aber m.E. erhe­bliche method­is­che Män­gel, zudem ist nir­gends unter­sucht, ob das gener­ische Maskulinum nicht genau deshalb nicht richtig funk­tion­iert, weil seit einiger Zeit die Dop­pelfor­men überwiegen.
    Ich weiß nicht, ob das gener­ische Fem­i­ninum (ohne vorherige Erk­lärung) funk­tion­iert oder ob es dazu anständi­ge Unter­suchun­gen gibt, ich “sehe” bei “Lan­go­b­ardinnen” jeden­falls auss­chließlich Frauen und keine Män­ner (aber gut, ich bin natür­lich nur eine sehr kleine Ver­suchs­gruppe), während ich bei “Lan­go­b­ar­den” — je nach Zusam­men­hang — ver­schieden zusam­menge­set­zte Grup­pen sehe, und zwar in etwa abhängig davon, wie ich mir die tat­säch­lichen Ver­hält­nisse vorstelle. Ist von Kampf die Rede, sehe ich eher Män­ner, beim Kochen sehe ich eher Frauen, und wenn von Wohnortwech­sel die Rede ist, sehe ich Män­ner, Frauen, Kinder, Hunde, Schafe etc.)
    Das gener­ische Maskulinum mag im Deutschen nicht mehr 100%ig funk­tion­ieren (in Ital­ien, wo ich lebe, funk­tion­iert z.B. “i sig­nori pas­sageri” noch sehr gut), würde man es aber jew­eils im Vor­wort erk­lären, wäre es m.E. weniger stop­pelig als Ihre Lösung.
    Sie haben irgend­wo auch ein­mal geschrieben, Sie wür­den sich über Vorschläge freuen, hier ist mein­er (wirk­lich ernst gemeint, auch wenn ich ein “einge­führtes” gener­isches Maskulinum vorzöge): wie wäre es — ana­log zu “bei Hempels unterm Sofa” — mit “Lan­go­b­ar­dens” und “Römers”, und wenn man einen geschlecht­sneu­tralen Sin­gu­lar braucht, sagt man “das Römer”.

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  4. André Meinunger

    Am let­zten Fre­itag war ich bei meinem Ver­lag und habe es qua­si klar gemacht, dass es zu einem Buch kom­men wird, das gen­derkri­tis­che Auf­sätze in ein­er Art Sam­mel­band präsen­tiert. Das meiste — aber nicht alles! — da wird den Lesern und Leserin­nen, die die Autorin Kristin Kopf aus­drück­lich loben, gar nicht gefall­en. Ich möchte diese Kolumne heute nun dazu nutzen, um mich trotz des zu erwartenden Buch­es als ein­er out­en, der die Tech­nik des fem-mask-Abwech­selns als etwas Erfrischen­des und Pos­i­tives emp­fun­den hat. Ich glaub’ halt nur nicht, dass sich das durchsetzt.

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  5. Kristin Kopf Beitragsautor

    @Wentus:
    “Aber Sprache sollte ein Max­i­mum an Infor­ma­tion über­tra­gen, also muss man zwangsläu­fig angeben, ob man ein einziges Geschlecht meint oder beide.”

    Hier halte ich schon die Prämisse für falsch. Warum “sollte” Sprache das tun?
    Und wenn man dann wei­t­er­denkt: Warum aus­gerech­net die Infor­ma­tion Geschlecht, aber nicht die Infor­ma­tion Alter, eth­nis­che Zuge­hörigkeit, Reli­gion, sex­uelle Ori­en­tierung, …? Das ist doch Zufall!

    Zum Vorschlag, von keltischen Grup­pen etc. zu sprechen, habe ich mich im Text geäußert:

    viele Pas­sagen hat­te ich abstrak­ter for­muliert, um das Prob­lem ganz zu umge­hen (z.B. römis­che Bevölkerung). Das kam aber beim Kor­rek­torat nicht so gut an, weil es sich zu unper­sön­lich las”

    Dazu kommt ein weit­eres Prob­lem: Sobald neu­tral for­muliert wird, sodass der Fak­tor Geschlecht ganz draußen bleibt, denken wir in Stereo­typen, und haben dann wieder Bilder wie auf den Was-ist-Was-Cov­ern im Kopf. Das zeigen z.B. Unter­suchun­gen für das Englis­che, wo es ja kein Genus gibt. Das Prob­lem wäre also auf der sicht­baren Ebene umgan­gen, aber nicht gelöst. (Eben­so haben wir das Prob­lem auch mit anderen Fak­toren, die wir nicht — oder sel­ten — sprach­lich kodieren.)

    @Detlef Schnit­tke:
    Zum The­ma “nur Frauen sehen”: Das ist ja das, was ich als “Stolpern” beze­ich­net habe. Sie lesen das, dann fra­gen Sie sich, warum denn nur Frauen dasund­das gemacht haben sollen, und dann merken Sie, dass da auch Män­ner mit­ge­meint sind. Das funk­tion­iert natür­lich nur so lange, wie das gener­ische Fem­i­ninum nicht etabliert ist. Ich sehe wed­er das gener­ische Maskulinum noch das gener­ische Fem­i­ninum als langfristig befriedi­gende Lösung an — für den Moment klappt das gener­ische Fem­i­ninum aber als Irri­ta­tion. Ich selb­st sehe da in der ersten Sekunde auch Frauen. 

    Warum das gener­ische Maskulinum nicht funk­tion­iert, hat sich­er mehrere Gründe. Zum einen, klar, ist es total prob­lema­tisch, Män­ner und Män­ner-und-Frauen gemein­sam zu kodieren, das habe ich ja im Text ange­sprochen, mit dem römis­chen Bürg­er­recht etc.
    Wenn wir die Frauen nun nicht nur kog­ni­tiv, son­dern auch expliz­it aus den masku­li­nen For­men “her­aus­nehmen”, beziehen die sich wahrschein­lich schon noch stärk­er nur auf Män­ner. Ich weiß aber nicht, ob das so eine dumme Sache ist.

    Der Vorschlag mit den Römers etc. wurde in dieser oder ähn­lich­er Form schon öfter gemacht und ich finde ihn auch bedenkenswert — das wäre aber ein sprach­lich­er Ein­griff gewe­sen, den der Ver­lag garantiert nicht akzep­tiert hätte.

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  6. Klaas

    Ich bin eigentlich eher ein Fan des Gen­der-Sternchens, aber die (für mich neue) Idee mit der ran­domisierten Liste ist auch eine schöne Lösung. Wenn man sich ansieht, was für has­ser­füllte Reak­tio­nen der teil­weise Gebrauch des gener­ischen Fem­i­ninums aus­löst, kann man nur hof­fen, dass in Zukun­ft noch mehr Autor*innen darauf zurückgreifen.

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  7. Segantini

    @Wentus: Sprache sollte nicht ein Max­i­mum an Infor­ma­tion über­tra­gen, son­dern ein Min­i­mum, näm­lich ger­ade so viel wie nötig. Speziell wenn es nicht darauf ankommt, welcher­lei Geschlechts die Per­so­n­en sind, muß im Geiste von Antoine de Saint-Exupéry gel­ten: „eine Sache ist erst dann per­fekt, wenn man nichts mehr weglassen kann”. Wozu also immer wieder die Sätze mit der triv­ialen Infor­ma­tion auf­blähen, daß es Män­ner und Frauen gibt?

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  9. Mycroft

    Aber bei “Lan­go­b­ar­den” wird doch eine eth­nis­che Herkun­ft angegeben: “Lan­go­b­ar­den”. *g

    Abwech­sel­nde Geschlechter, da es ja vorher angekündigt wurde, stellt ja kein Prob­lem dar (für mich jeden­falls); in Fällen, wo eine Aus­sage über lan­go­b­ardis­che Män­ner i.Allg. oder lan­go­b­ardis­che Frauen i.Allg. gemacht wurde, ist das ver­mut­lich anders ken­ntlich gemacht worden.

    Trotz­dem möchte ich einwenden:
    Gener­isches Maskulinum kann höch­stens bei gener­ischen Grup­pen funk­tion­ieren, also, wenn allg. oder abstrakt über Lan­go­b­ar­den gere­det wird.
    (“Die Sozialar­beit­er gehen durch den Bahn­hof.” ist mMn deshalb _kein_ gener­isches Maskulinum, weil da wohl eine konkrete Gruppe Sozialar­beit­er gemeint ist, und nicht, dass es zu den typ­is­chen oder häu­fi­gen Tätigkeit­en der Sozialar­beit gehöre, durch den (= einen konkreten) Bahn­hof zu gehen. Dass das nicht als gener­isch wahrgenom­men wird, beweist nicht die Wirkungslosigkeit des gener­ischen Maskulinums an sich.)

    Wenn von “Lan­go­b­ar­den” die Rede ist, ist für mich die Frage, ob im Einzelfall bes­timmte Lan­go­b­ar­den gemeint sind (die ich dann für männlich hielte), oder das lan­go­b­ardis­che Volk (das ich dann für gemis­cht hielte).
    Ja, da waren auch Frauen, Kinder und Leibeigene dabei, und einige “Lan­go­b­ar­den” waren keine lan­go­b­ardis­chen Mut­ter­sprach­ler oder Vater­sprach­lerin­nen, son­dern z.B. Sach­sen oder Gepidinnen.
    Und einige waren wohl auch alt und/oder (heim­lich) homo­sex­uell. Kann man sich teils denken, teils nachlesen.

    Um es nicht dem Zusam­men­hang zu über­lassen, ob mit “Lan­go­b­ar­den” alle Ange­höri­gen des fraglichen Volkes gemeint seien, oder nur die männlichen (freien, lan­go­b­ardisch-sprechen­den, het­ero­sex­uellen, katholis­chen???), oder eine bes­timmte Gruppe davon, schlage ich der Ein­fach­heit vor, für gener­ische Zwecke kon­se­quent “das Volk der Lan­go­b­ar­den” oder “lan­go­b­ardis­che Volk” oder der­gle­ichen zu verwenden.

    Neben­bei täuscht eine geschlechterg­erechte For­mulierung im Falle der Lan­go­b­ar­den deut­lich mehr Geschlechterg­erechtigkeit vor, als tat­säch­lich vorhan­den war. Irgend­wie war es damals ja schon Vatertag — die Lan­go­b­ar­den sagten, wo es lang ging, und ihre Frauen, Kinder, Leibeige­nen, Sklavin­nen und Sklaven und Haustiere kamen mit. Trau­rig genug, aber kein Grund, es sich schönzureden.

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  10. Kai Hiltmann

    Hal­lo,
    ich frage mich, ob “die Män­ner” kraft Plur­al nicht über­haupt schon sprach­lich fem­i­nin sind. Ich bin allerd­ings kein Sprach­wis­senschaftler. Weißt Du, woher das Plur­al-Die kommt?

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  11. Kristin Kopf Beitragsautor

    @Mycroft: Ich weiß lei­der viel zu wenig über die Gesellschaftsstruk­turen in ger­man­is­chen Völk­ern, um da vernün­ftig argu­men­tieren zu kön­nen — aber selb­st wenn die Frauen “halt mit­mussten”, waren sie dabei und benutzten die Wörter, um die es im Buch geht … 

    @Kai: Mhm, der Punkt wird immer mal wieder aufge­bracht — dazu find­est Du einige Über­legun­gen hier.

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  12. Evanesca Feuerblut

    Ich finde Gen­dern im Text immer optisch sehr prob­lema­tisch — Son­derze­ichen, Binnen‑I und andere Dinge hauen mas­siv raus, ger­ade wenn man sich z.B. in einem Sach­buch ohne­hin schon beson­ders konzentriert.
    Immer wieder schreien die Men­schen nach Lösun­gen — das Ganze abwech­sel­nd zu gestal­ten, ist eine Lösung, die so ein­fach und plau­si­bel auf mich per­sön­lich wirkt, dass ich staune, wieso man nicht früher darauf gekom­men ist.
    Gefällt mir als Ansatz eigentlich sehr gut 😀

    (Wobei ich mich mit der Gen­derde­bat­te und bewussterem Sprechen erst seit vielle­icht zwei Jahren befasse und dabei mich im All­t­ag öfter checke, aber natür­lich auch nach ästhetis­cheren Lösun­gen für All­t­ag und Lit­er­atur schaue)

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  13. Ospero

    Gibt es eigentlich kein deutsches Donotlink? Irgend­wie ärg­ert es mich, dass hier einem Schund­blatt wie der “Jun­gen Frei­heit” (dank des Links im Text, auf den ich aus mor­bider Neugi­er gek­lickt habe) Traf­fic zuge­führt wird.

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  14. Martin

    @Evanesca: das ist reine Gewöh­nungssache. Ich habe auf der Arbeit z.B. seit zwei Jahren ange­fan­gen, kon­se­quent die Schrägstrich-Schreib­weise zu benutzen und stolpere inzwis­chen jedes­mal drüber, wenn irgend­wo was NICHT gegen­dert ist. Da gewöh­nt man sich schnell um.

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  15. Mycroft

    Frau Kopf, ich ver­ste­he ja Ihre Absicht. Sich­er gibt es Men­schen, die z.B. bei “Bergleuten” auss­chließlich an Män­ner denken.
    Ich möchte nur darauf hin­weisen, dass
    1.) jemand, der (oder vllt. auch die) es ern­sthaft für möglich hält, dass nicht nur ein Beruf­s­stand, son­dern ein ganzes Volk nur aus Män­nern beste­hen kön­nte, mMn der­ar­tig welt­fremd ist, dass solche sub­tilen Hin­weise daran wohl auch nicht viel ändern. Im Unter­schied zu Berufs­beze­ich­nun­gen wie Lexikografinnen.
    und
    2.) dass eben eine gle­ich­berechtigte Erwäh­nung von Män­nern und Frauen eine tat­säch­liche Gle­ich­berech­ti­gung sug­geriert, was in eini­gen Fällen ähn­lich irreführend ist (oder sein kann) wie eine ein­seit­ige Beto­nung der Männer.
    (Und Ihr Wikinger­beispiel ist in der Hin­sicht etwas unglücklich.)

    Darf man eigentlich “Lan­go­b­ardis­che” sagen für Leute, die lan­go­b­ardisch sprachen? Die Lan­go­b­ardis­che, der Lan­go­b­ardis­che, viele Langobardische?

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  16. Tilly Dö

    Danke für den Warn­hin­weis, das Buch liegt schon auf meinem Nachttisch.
    Jet­zt kom­men mir aber ein paar Fra­gen: Gehört das gener­ische Maskulinum bei (gemis­cht­en) Men­schen­grup­pen nicht eben­so zur deutschen Sprache wie das gener­ische Fem­i­ninum bei (gemis­cht­en) Katzen­grup­pen? Ist es nicht “falsch”, wenn man ein Fem­i­ninum ver­wen­det, obwohl man weiß, dass auch Män­ner dabei waren? Ich habe mir über diese Prob­lematik nie groß Gedanken gemacht, denn ich habe mich stets auf die Regel ver­lassen, die ich im Deutsch- und Latei­n­un­ter­richt gel­ernt habe: Ist min­destens ein Mann dabei, dann ist die ganze Gruppe männlich. Ich bin eben jemand, der sich lieber an Regeln hält, als sie aus Protest an ihrem Beste­hen zu missachten.
    Die Regeln der deutschen Sprache basieren zwar auf dem, was ihre Sprech­er von sich geben, aber sollte man deshalb in der Stan­dard­sprache das Dep­pen­leerze­ichen legit­imieren? Oder Kom­pa­ra­tion von Abso­lu­tad­jek­tiv­en? Oder das gener­ische Femininum?

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  17. kreetrapper

    Ich hoffe auch immer noch auf eine gute Lösung dieses Prob­lems, habe aber noch keine gese­hen. Binnen‑I und der­gle­ichen stören irgend­wie immer meinen Lese­fluss, daher begrüße ich den Ansatz mit dem gener­ischen Fem­i­ninum sehr. Ver­mut­lich keine endgültige Lösung, aber für mich die mit Abstand angenehm­ste Herangehensweise.

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  18. Vilinthril

    @Tilly Dö: Ja. „Richtig“ (= gram­matikalisch) ist, was von den Sprach­nutzen­den verwendet/akzeptiert wird.

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  19. Mycroft

    Beispiele für gener­ische Fem­i­na bei Men­schen im Deutschen:
    “Gebrüder” wer­den zu “Geschwis­tern”, wenn auch nur eine weib­liche Per­son dabei ist.
    Und “Braut­leute” sind nach der weib­lichen Per­son benannt.
    Männliche Kranken­schwest­ern heißen unl­o­gis­cher­weise Krankenpfleger.

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  20. Rumpelstilzchen

    Für mich war das “Kleine Ety­mo­log­icum” und die damit ver­bun­dene Gen­derdiskus­sion der Beweis dafür, wie notwendig die Ver­wen­dung der geschlechter­spez­i­fis­chen Sprache wirk­lich ist.
    Allein die Ver­wirrung, die durch die schon so oft genan­nten Lan­go­b­ardinnen aus­gelöst wurde, spricht für sich. Ich bin auch darüber gestolpert und dachte mir dann: ach, hätte da “Lan­go­b­ar­den” ges­tanden, hätte ich drüber wegge­le­sen. Da sollen dann die weib­lichen Vertreter “mit­ge­meint” sein. Ander­srum wird ein Prob­lem draus.
    Interessant!

    Manch­mal ist eben die Umkehrung des gewohn­ten Sprachge­brauchs sehr verräterisch.

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  21. Segantini

    @Tilly Dö: das mit den gemis­cht­en Katzen­grup­pen gilt nicht nur für Katzen, son­dern auch für Hüh­n­er, Enten, oder Säue, wohinge­gen Löwen gener­isch maskulin sind, Pferde und Hunde für bei­de Geschlechter je eine Son­der­form (Stute/Hengst, Rüde/Hündin) ken­nen, und Schlangen scheinen generell alle weib­lich zu sein. Woran liegt’s? Ich denke, daß hier der Geschlechts-Dimor­phis­mus eine große Rolle spielt, das jew­eils auf­fäl­ligere Tier (Erpel, Gan­ter, Eber) wird abwe­ichend beze­ich­net. Und das auf­fäl­ligere Geschlecht der Gat­tung Men­sch ist — na?

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  22. Schnitzelherz

    Mal ein Blick aus der “anderen” Rich­tung. während mein­er Aus­bil­dung zur Erzieherin habe ich meinen Mann ken­nen­gel­ernt. Ein­er der weni­gen an unser­er Schule. Und da es so wenige männliche Erzieher gibt waren die Schu­lord­nung und auch einige wenige Fach­texte auss­chließlich in der weib­lichen Form gehal­ten, mit dem Ver­merk, das ja über­wiegend Frauen die Texte lesen und um die Leser­lichkeit zu wahren. Zwar wusste mein Mann beim Lesen, dass er mit­ge­meint ist, fühlte sich aber den­noch ausgegrenzt.
    Mir geht es sog­ar mit dem bin­nen I so. Beim Lesen von Tex­ten über ErzieherIn­nen, denke ich auch nicht an meine männlichen Kollegen.

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  23. Tilly Dö

    @Vilinthril: Ganz so ein­fach ist es dann aber auch wieder nicht. Viele Leute machen oder akzep­tieren bspw. Kom­mafehler, welche daraufhin aber nicht “richtig” wer­den. Und ich wage mal zu behaupten, dass das gener­ische Fem­i­ninum auf keine allzu bre­ite Akzep­tanz stößt. (Deswe­gen wir ja auch heftig debat­tiert, ob es nun richtig oder falsch sei.)

    @Segantini: Die Sache mit dem Geschlechts-Dimor­phis­mus scheint mir etwas aus der Luft gegrif­f­en. Was ist an einem Kater auf­fäl­liger als an ein­er Katze? Ich sehe auf Anhieb nicht mal den Unter­schied! Außer­dem geht es hier ja nicht um Gat­tungsna­men, son­dern um Berufs­beze­ich­nun­gen usw.

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  24. j.

    Bah, ich wusste noch gar nichts von der “Jun­gen Frei­heit”. Wie rück­wärts­ge­wandt und idi­o­tisch sind die denn?! Der Autor erfind­et allen Ern­stes das Wort “Köpfin”, um die geschlechterg­erechte Sprache zu kri­tisieren. Na wenn sowas dafür nötig ist…

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  25. slowtiger

    Ich habe bish­er gute Erfahrun­gen mit abwech­sel­nder Geschlechts­beze­ichung gemacht, vor allem beim Unter­richt­en. Kann man sich leicht angewöh­nen und wurde von meinen Zuhör­ern nie bemängelt.

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  26. Hamid al-aSak

    Ich fand die Idee großar­tig und das “Stolpern” hat mir Freude bere­it­et. So banal, so simpel.

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  27. Pingback: Umleitung: Rektor Piper, Public History, Peer (ja der), s[sic!]PD und andere Alliterationen, sowie als Klimax die generischen Feminina. | zoom

  28. Drago Starcevic

    Als Dis­claimer vorneweg: Ich sehe das Prob­lem des gener­ischen Maskulinums vol­lkom­men ein, und finde Ihre Lösung auch nicht unprak­tis­ch­er als andere oder die klassische.

    Was ich mich aber frage (und im Fol­gen­den stelle ich keine rhetho­rischen Fra­gen, son­dern ern­st­ge­meinte): Beste­ht der Sex­is­mus nicht eigentlich darin, dass es über­haupt markierte weib­liche For­men gibt? Ist die Sex­istin nicht eigentlich dadurch definiert, dass er das Geschlecht als Merk­mal ein­er Per­son notorisch überbewertet?

    Und ist nicht der “Skan­dal” an unser­er Sprache (und den meis­ten, die zu ler­nen wir je in Gefahr kom­men wer­den), dass es eben keine markierte Form neb­st eige­nen Pronom­i­na für rothaarige, humor­volle, seeer­fahrene oder unmusikalis­che Indi­viduen gibt, son­dern nur für weib­liche (völ­lig unab­hängig davon, ob das nun ein Vor- oder Nachteil ist)?

    Und ist es (falls das wahr ist) denn zielführend, diese “skan­dalösen” diskri­m­inieren­den For­men für einen Ver­such zu benutzen, der Diskri­m­inierung Herr zu werden? 

    Wird man, solange der For­menbe­stand so ist wie er ist, das Prob­lem wirk­lich lösen können?

    Oder wird, wenn man eine Ungerechtigkeit hinge­bo­gen hat, nicht immer wieder der Sprache ihre Frau läs­sig aus der Ack­er­furche grüssen und flöten “Ick bün all schon hier”?

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  29. Kristin Kopf Beitragsautor

    @Drago: Ja, genau. Wir bräucht­en halt wirk­lich neu­trale For­men — die Expliz­it­machung bei­der Geschlechter kann nur eine Über­gangslö­sung sein. So lange wir aber gesellschaftliche Ungle­ich­heit haben, ist sie ganz prak­tisch, um uns immer wieder darauf hinzuweisen.

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  30. Christoph Päper

    Mycroft hat am 3. März einen richti­gen Hin­weis gebracht: bei Völk­ern und ähn­lichen Grup­pen kann der Umweg über die Adjek­tivierung oft zu geschlecht­sneu­tralen Sub­stan­tiv­en führen. Schriftlich funk­tion­iert das durch den großen Anfangs­buch­staben, mündlich fällt halt das fol­gende „Men­schen“, „Per­so­n­en“ o.ä. in die Ellipse.

    Das Deutsche(!) macht es ja aus­gerech­net mit den Deutschen vor: der/die/eine Deutsche, nur ein Deutsch­er. Ana­log gin­ge eben der/die/eine Lan­go­b­ardis­che, auch wenn das dem Lek­torat (noch) nicht gefällt.

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  31. Thereupon

    Ich finde die Idee mit der zufäl­li­gen Verteilung von männlichen und weib­lichen For­men ziem­lich gut (kenne sie auch so schon z.B. aus dem DSA 4‑Regelwerk), habe mich auch schon öfer gefragt, warum man das nicht öfter macht.
    Eine kri­tis­che Anmerkung hätte ich aber (falls Ihnen das bere­its jemand mit­geteilt hat, ziehe ich den Ein­wand natür­lich zurück): Ich hat­te in let­zter Zeit des Öfteren Kon­takt mit His­torik­ern, die die sog. Völk­er­wan­derung erforschen und bin dabei auf die mit­tler­weile ver­bre­it­ete Ansicht gestoßen, dass es sich bei den “wan­deren­den Völk­ern” eigentlich um Kriegergrup­pen, teil­weise gar um regel­rechte mil­itärische Ein­heit­en gehan­delt hat. Da Sie bei (antiken) Sol­dat­en bewusst das Maskulin ver­wen­den, frage ich mich, ob es bei den “Lan­go­b­ardinnen” nicht auch aku­rater wäre, aus dem gle­ichen Grund das Maskulin zu ver­wen­den. Ich bin nun kein­er der oben genan­nten His­torik­er, son­dern habe ihnen nur zuge­hört, daher meine Frage: Haben Sie evtl. nähere Infor­ma­tio­nen, inwiefern es sich bei den in Ital­ien ein­fal­l­en­den lan­go­b­ardis­chen Per­so­n­en um ein Volk, das nun auch Frauen bein­hal­tet, han­delte, oder eben um eine oben erwäh­nte Kriegergruppe?

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  32. Michael

    Erst­mal ein großes Lob an Kristin Kopf. Sprach­herkun­ft/-entwick­lung inter­essiert mich, aber neben neuen Erken­nt­nis­sen gefiel mir beson­ders die Erzählweise. So wün­sche ich viel mehr Büch­er durch ihre Feder.
    Die Abwech­slung der For­men (Lan­go­b­ardinnen, Römer, etc.) ver­dutzte mich aber. Das uner­wartete Par­al­lelthe­ma war für mich und andere völ­lig neu.
    Ich emp­fand im Deutschen die gener­ische Anwen­dung (sog. gener­isches Maskulinum)immer als einen Fortschritt, als ein Zusam­men­schmelzen, eine sprach­liche Gle­ich­stel­lung und eine notwendi­ge Vere­in­fachung. Vor über 100 Jahren war der gener­ische Sprachge­brauch nicht so man­i­festiert, die ver­bre­it­eten männlichen For­men schlossen weib­liche schlicht aus: eine Reflek­tion der Gesellschaft. War von Frauen jedoch die Rede, benutzte man sehr kon­se­quent weib­liche For­men. Bei uns in Bay­ern sagt man teil­weise noch z.B. „die Huberin“, auch wenn ihre Weib­lichkeit ger­adezu Wurst ist.
    Die Dop­pel- oder hier die abwech­sel­nde Benen­nung ist nach mein­er kog­ni­tiv­en Wahrnehmung der Gegen­pol des gener­ischen Gebrauchs, also die Rück­kehr in ältere Zeit­en und eine Abkehr von der Entwick­lung ein­er neu­tralen Form. So habe ich in diesem Buch, wenn von Lan­go­b­ardinnen die Rede ist, eine Horde von grazilen Ama­zo­nen im Kopf (teil­weise auch bre­ite, bewaffnete Brun­hilden). Und wenn im Buch von Römern die Rede ist, habe ich nur noch männliche Legionäre im Kopf (angetrunk­en, testos­teronge­füllt, fast stereo­typ auf das Geschlecht reduziert). Insofern wäre da die abso­lut kon­se­quent durchge­zo­gene Dop­pel­be­nen­nung bess­er gewesen.
    Kon­se­quenter­weise müsste mir auch ein gener­isches Fem­i­ninum im kleinen Ety­mo­log­icum ent­ge­genkom­men. Nun, hier fehlt mir die Erfahrung, ich kann mir aber vorstellen, dass ich die Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen, zumin­d­est ab einem gewis­sen Punkt, nicht mehr Geschlechtern zuordne son­dern ein­fach gener­isch betrachte.
    Vielle­icht liegt es an mir: Ich bin im Anglo­pho­nen aufgewach­sen, dort wollen Frauen lieber nicht „actress“ son­dern ein­fach „actor“, „lec­tur­er“, „pilot“, etc. sein. Die sprach­liche Emanzi­pa­tion geht dies­bezüglich genau in die andere Rich­tung wie im mod­er­nen Deutschland.
    Sym­bole wie * und _, ger­ingfügiger auch das Binnen‑I, empfinde ich als hem­mende, unsym­pa­tis­che Kuriositäten. Trotz­dem ziehe ich die vielfältige, deutsche Sprache dem Englis­chen vor.

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  33. Pingback: Über 60 Wörter auf -in | Sprachlog » Con Text » SciLogs - Wissenschaftsblogs

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