Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Gemischte Gefühle

Von Anatol Stefanowitsch

Obwohl ich mich vor­rangig als all­ge­meinen Sprach­wis­senschaftler betra­chte, ist meine anglis­tisch-amerikanis­tis­che Iden­tität doch stark genug, dass ich mich hin und wieder an Klas­sik­ern der amerikanis­chen Gegen­wart­slit­er­atur versuche.

Vor einiger Zeit habe ich es ja mit John Irv­ings Until I Find You ver­sucht (der liegt derzeit auf Eis, aber ich ver­suche es näch­stes Jahr nochmal). Dieser Tage habe ich mir Don DeLil­los Roman Under­world vorgenom­men, der seit immer­hin zehn Jahren unberührt in meinem Bücher­re­gal steht.

Ich gebe es lieber gle­ich zu: ich bin schon am Pro­log gescheit­ert. Weit­er­lesen

Nomen est Omen

Von Anatol Stefanowitsch

Dass zumin­d­est Län­der­na­men nicht nur Schall und Rauch sind, haben wir ja Anfang der Woche erlebt. Aber auch Per­so­nen­na­men bergen Zünd­stoff. So will die Süd­deutsche ein sub­tiles Muster ono­mas­tis­ch­er Diskri­m­inierung ent­deckt haben:

Typ­is­cher­weise wer­den Poli­tik­erin­nen von den Medi­en gern beim Vor­na­men genan­nt, während die Män­ner ihren Nach­na­men behal­ten. Die Präsi­dentschaftswahlen in Frankre­ich wer­den also zwis­chen „Ségo“ und „Sarko“ aus­ge­tra­gen. Dies allein besagt eine Menge über die Gle­ich­stel­lung von Poli­tik­erin­nen und Poli­tik­ern in Europa.

Ob das stimmt, weiß ich nicht. Unsere let­zte Bun­destagswahl wurde ja zwis­chen Gerd und Ang­ie aus­ge­tra­gen. Weit­er­lesen

Schneeschuhknüpfer und Alemannen

Von Anatol Stefanowitsch

Bei der Wahl ein­er Beze­ich­nung für ein anderes Land/ein anderes Volk haben die Sprech­er ein­er Sprache zwei Möglichkeit­en. Sie kön­nen das Wort übernehmen, mit dem das betr­e­f­fende Volk sich selb­st beze­ich­net — die soge­nan­nte Eigen­beze­ich­nung (das Endonym, also der „Innen­name“). Sie kön­nen aber auch ein eigenes Wort, also eine Fremd­beze­ich­nung schöpfen (ein soge­nan­ntes Exonym, also den „Außen­na­men“).

Wenn eine Sprachge­mein­schaft eine Fremd­beze­ich­nung für ein anderes Land/Volk erfind­et, geschieht das manch­mal in ein­er Art und Weise, die nicht ger­ade schme­ichel­haft für die so Benan­nten ist. Weit­er­lesen

Schnee, Sprachdiebe, Schreibschwierigkeiten

Von Anatol Stefanowitsch

Ich war diese Woche auf Forschungsreise am Max-Planck-Insti­tut für Psy­cholin­guis­tik in Nijmegen und hat­te deshalb keine Zeit, die Tage­spresse nach sprach­wis­senschaftlichen Mel­dun­gen zu durch­forsten. Stattdessen habe ich auf der Rück­reise drei sprach­wis­senschaftlich inter­es­sante Gespräche geführt oder mitgehört.

Auf der Strecke von Nijmegen nach Deven­ter saßen drei hol­ländis­che Psy­cholo­gi­es­tu­dentin­nen neben mir, die sich über ihr Studi­um unter­hiel­ten. Da ich kein Hol­ländisch spreche, und da man ander­er Leute Gespräche nich belauschen soll, habe ich nicht weit­er hinge­hört. Bis eine von Ihnen fol­gen­den Satz sagte:

Eskimo’s hebben twintig ver­schil­lende woor­den voor sneeuw, ter­wi­jl wij ongeveer drie hebben.

Wie gesagt, ich spreche kein Hol­ländisch, aber den Mythos von den Schneewörtern erkenne ich in jed­er Sprache. Weit­er­lesen

Apostrophenschutz

Von Anatol Stefanowitsch

Hin­ter­strich, Nach­strich, Ober­strich, Ober­häk­lein, Hochkom­ma, Aus­las­sungsze­ichen — das sind nur einige der vie­len Namen, mit denen er in sein­er etwa vier­hun­dertjähri­gen Lebens­geschichte gerufen wurde: der Apos­troph. Und wie kaum ein anderes Inter­punk­tion­sze­ichen erhitzt er die Gemüter, wenn er außer­halb der Duden-Regeln ver­wen­det wird. Dabei lassen sich fünf grobe Kat­e­gorien normab­we­ichen­der Ver­wen­dun­gen unterscheiden:

  • Der Gen­i­tiv-Apos­troph (Uschi’s Hun­de­sa­lon; Künzel’s Brillen und Con­tactlin­sen; wie zu Oma’s Zeit­en; im Süden Namibia’s)
  • Der Plur­al-Apos­troph (Büro’s frei; Hit’s und Trend’s; für unsere Puppenmama’s); dieser Fall find­et sich manch­mal auch bei Plu­ral­bil­dun­gen mit -n (Par­ty Idee’n; Ham­burgs schön­ste Ecke’n; Musik-CD’n)
  • Der „falsche“ Aus­las­sungsapos­troph (Bei’m Wolf­gang; Geschicht­en für’s Herz; Tritt gegen’s Schienen­bein)
  • Der Verb­form-Apos­troph (Du schein’st es ja kapiert zu haben; um ihre Wahl zu speicher’n; schau’t ein­fach mal nach; Pack’ das Auto ins Gepäck; Spiel’ mit mir)
  • Der (schein­bar) beliebige Apos­troph (Alles ist O’K; braungetiger’ter Kater; Hobb’y 24; 4. Abfahrt recht’s; Super eBay’er; Düs­sel­dor­fer Kios’k)

Dutzende von Web­seit­en wid­men sich auss­chließlich solchen Ver­wen­dun­gen, als „Dep­pe­na­pos­troph“, „Kapos­troph“ oder „(ansteck­ende) Apos­trophi­tis“ beze­ich­net. Weit­er­lesen

Was wäre wenn…

Von Anatol Stefanowitsch

Der ehe­ma­lige NASA-Inge­nieur Ran­dall Munroe, seinen Fans bess­er bekan­nt als xkcd, veröf­fentlicht in seinem Blog dreimal pro Woche geniale Car­toons zu den The­men „Roman­tik“, „Sarkas­mus“, „Math­e­matik“ und „Sprache“. Zum Beispiel diesen hier:

Was wäre wenn genau jetzt in deinem Zimmer jemand aus einer hypothetischen Situation ausbräche?

Was wäre wenn genau jet­zt in deinem Zim­mer jemand aus ein­er hypo­thetis­chen Sit­u­a­tion ausbräche?

[Sowohl das Orig­i­nal als auch unsere Über­set­zung des Car­toons ste­hen unter ein­er Creative-Commons-BY-NC‑2.5‑Lizenz]

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Eigentlich wollte ich natür­lich über Microsoft schreiben, die sich durch ihren Rechtsstre­it um die Sprache der Mapuche nicht beir­ren lassen (wir erwäh­n­ten das in unserem Aprilscherz) und nun ihr Office-Paket auch ins Elsäs­sis­che über­set­zen lassen haben. Was ich an dieser Über­set­zung beson­ders bemerkenswert finde, ist, dass der größte Soft­ware­hersteller der Welt dafür ger­ade ein­mal 5.000 Euro übrig hat­te. Unter den Leser/innen des Bre­mer Sprach­blogs sind ja einige Übersetzer/innen und Lektor/innen, die dürften mir bestäti­gen kön­nen, dass man für diese lächer­liche Summe (etwa den Verkauf­spreis von 10 MS-Office-Pro-Paketen) natür­lich nur die gewohnte Microsoft-Qual­ität, keines­falls aber eine anständi­ge Über­set­zung erwarten kann. Weit­er­lesen

Unwiederholbares

Von Anatol Stefanowitsch

Eine Grun­dregel „guten“ Schreibens besagt, dass die Wieder­hol­ung eines Wortes im sel­ben Satz/Absatz zu ver­mei­den ist und stattdessen Syn­onyme gewählt wer­den sollen.

Bei Adobe Sys­tems Inc. hat man von dieser Regel offen­bar noch nie gehört — NvonX, gele­gentlich­er Sprach­blogkom­men­ta­tor, schickt mir fol­gen­den Screenshot:

Adobe Updater Warning

Adobe Updater Warning

Wie er richtig beobachtet: „Noch schön­er wäre es, wenn es statt eines „OK“-Buttons einen „Update“-Button gäbe.“

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Nor­maler­weise würde es eine regionale Pressemel­dung über einen Vor­trag zu Ort­sna­men nicht in unsere Press­eschau schaf­fen, aber dieses Zitat ist dann doch zu schön um es zu ignorieren:

Wie ver­quer Sprache und Begriffe manch­mal ver­wen­det, inter­pretiert und umgedeutet wer­den, wird Gün­ter Schüt­tler an markan­ten Beispie­len erläutern und, da es auch um Flur­na­men geht, eine fotografis­che Run­dum-Pro­jek­tion mit­brin­gen. So kön­nen die Zuhör­er vom „Hain­rich“ übers Rein­heimer Beck­en blick­en, Plätze und ihre Beze­ich­nun­gen zuord­nen. Dabei will Schüt­tler nicht als Sprach­wis­senschaftler auftreten, son­dern ver­ständlich und nachvol­lziehbar in die Welt der Namen und Beze­ich­nun­gen ein­tauchen und dar­legen, woher sie kom­men, wie Men­schen sie ver­wen­den und welchem Wan­del sie durch die Geschichte hin­durch unter­wor­fen waren.

Wir hof­fen, dass es uns hier im Bre­mer Sprach­blog auch weit­er­hin gelin­gen wird, als Sprach­wis­senschaftler und ver­ständlich und nachvol­lziehbar aufzutreten… Weit­er­lesen

T/V International

Von Anatol Stefanowitsch

Der Mel­bourn­er Über­set­zer Marc Hiatt betreibt ein ungewöhn­lich­es Weblog, Trans­lat­ed from the Ger­man. Wie der Name andeutet, veröf­fentlicht er dort eigene englis­che Über­set­zun­gen großer deutsch­er Denker wie Adorno, Goethe, Herder, Horkheimer, Leib­nitz und … ähm … Ste­fanow­itsch. Seit gestern kann man dort den Beitrag T/V Total in englis­ch­er Über­set­zung lesen: Total­ly T/V. Weit­er­lesen