Dass zumindest Ländernamen nicht nur Schall und Rauch sind, haben wir ja Anfang der Woche erlebt. Aber auch Personennamen bergen Zündstoff. So will die Süddeutsche ein subtiles Muster onomastischer Diskriminierung entdeckt haben:
Typischerweise werden Politikerinnen von den Medien gern beim Vornamen genannt, während die Männer ihren Nachnamen behalten. Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich werden also zwischen „Ségo“ und „Sarko“ ausgetragen. Dies allein besagt eine Menge über die Gleichstellung von Politikerinnen und Politikern in Europa.
Ob das stimmt, weiß ich nicht. Unsere letzte Bundestagswahl wurde ja zwischen Gerd und Angie ausgetragen.
Wo wir von Ségolène Royal sprechen — ein merkwürdiger Vorname kann ja durchaus von Vorteil sein. Wie viele meiner Kollegen google ich alle paar Monate meinen Namen um zu sehen, wer (außer mir selbst) eigentlich meine Arbeiten zitiert oder in Seminaren verwendet. Anders als etwa mein Bremer Kollege Stefan Müller kann ich dann sicher sein, dass sich alle Treffer auch wirklich auf mich beziehen. Aber als ich jünger war, habe ich mich schon manchmal gefragt, was meine Eltern sich bei der Namenswahl gedacht haben (Google gab es ja noch nicht). Wie oft musste ich mich prügeln, weil mich mal wieder irgendein Witzbold „die tolle Anna“ genannt hatte… Dabei ist es ist gar nicht so einfach, seinem Kind ausgefallene Namen zu verpassen: erst muss der Standesbeamte überzeugt werden, dass er es nicht mit einem Fantasiewort zu tun hat. Die Aachener Zeitung berichtet diese Woche über den telefonischen Beratungsdienst der Gesellschaft für deutsche Sprache, der unter anderem werdenden Eltern dabei hilft herauszufinden, ob ihr Wunschname für den Nachwuchs tatsächlich existiert. Wenn man dem Artikel glauben darf, kommen die Eltern dabei aber mit Namen wie Alpha-Charlotte, Sinola, Legolas und Attila Aragorn durch. Gerhard Müller, der Leiter des Beratungsdienstes, entschuldigt das so:
Am Anfang war ich strenger. Aber wenn Sie mit den Eltern reden, werden Sie mit der Zeit toleranter. Die haben ja ihre Motive. Sollen wir Richter spielen? Eigentlich stehen wir ja auf der Seite der Eltern.
Die armen Kinder werden sich eines Tages wünschen, jemand hätte auf ihrer Seite gestanden.
Aber vielleicht erledigt sich das Problem von selbst: das Bundeszentralamt für Steuern beginnt dieser Tage in Zusammenarbeit mit den Meldebehörden damit, jedem Bundesbürger eine unverwechselbare Identifikationsnummer zuzuweisen. Die soll zwar zunächst nur die bisherigen Steuernummern ersetzen, aber wenn sie ersteinmal da ist, werden sich weitergehende Verwendungen sicher wie von selbst finden. Und wenn Alpha-Charlotte und Attila Aragorn erwachsen sind, heißen sie vielleicht nur noch 416C706861 und 417261676F726E.
Es kann aber auch sehr unangenehm sein, einen Nachnamen zu haben, der wie ein Vorname klingt. Noch dazu, wenn man einen Vornamen hat, der auch ein Nachname sein könnte. Aber wohl immer noch besser als 4672616E6B204F7377616C74…
Es ist sicher nicht immer so, wie die Süddeutsche anführt, aber oft, z.B. in der Literaturwelt. Gottfried Benn heißt dann Benn und Else Lasker-Schüler Else. Vielleicht folgt das auch Mustern, auf die die Personen, bzw. ihr Bild, selbst einwirken. Ingeborg Bachmann etwa ist stets die Bachmann, niemals Ingeborg. Elfriede Jelinek heißt manchmal auch Elfriede, Peter Handke nie Peter. Auffällig zumindest, dass in Literatur und Kunst der Vornamengebrauch weiblichen Prominenten vorbehalten scheint. In der Politik, wie im Beispiel oben, ja nicht.
Gerade in der Berichterstattung über den französichen Präsidentschaftswahlkampf ist mir das auch aufgefallen. Da mag allerdings auch noch dazukommen, daß “Ségolène und Sarkozy” einen schicken Stabreim darstellt.
Ségo und Sarko waren völlig unvermeidbar. Die Franzosen lieben zweisilbige Wörter, die mit [o] aufhören. Der Stabreim schadet auch nicht…