Nomen est Omen

Von Anatol Stefanowitsch

Dass zumin­d­est Län­der­na­men nicht nur Schall und Rauch sind, haben wir ja Anfang der Woche erlebt. Aber auch Per­so­nen­na­men bergen Zünd­stoff. So will die Süd­deutsche ein sub­tiles Muster ono­mas­tis­ch­er Diskri­m­inierung ent­deckt haben:

Typ­is­cher­weise wer­den Poli­tik­erin­nen von den Medi­en gern beim Vor­na­men genan­nt, während die Män­ner ihren Nach­na­men behal­ten. Die Präsi­dentschaftswahlen in Frankre­ich wer­den also zwis­chen „Ségo“ und „Sarko“ aus­ge­tra­gen. Dies allein besagt eine Menge über die Gle­ich­stel­lung von Poli­tik­erin­nen und Poli­tik­ern in Europa.

Ob das stimmt, weiß ich nicht. Unsere let­zte Bun­destagswahl wurde ja zwis­chen Gerd und Ang­ie ausgetragen.

Wo wir von Ségolène Roy­al sprechen — ein merk­würdi­ger Vor­name kann ja dur­chaus von Vorteil sein. Wie viele mein­er Kol­le­gen google ich alle paar Monate meinen Namen um zu sehen, wer (außer mir selb­st) eigentlich meine Arbeit­en zitiert oder in Sem­i­naren ver­wen­det. Anders als etwa mein Bre­mer Kol­lege Ste­fan Müller kann ich dann sich­er sein, dass sich alle Tre­f­fer auch wirk­lich auf mich beziehen. Aber als ich jünger war, habe ich mich schon manch­mal gefragt, was meine Eltern sich bei der Namenswahl gedacht haben (Google gab es ja noch nicht). Wie oft musste ich mich prügeln, weil mich mal wieder irgen­dein Witzbold „die tolle Anna“ genan­nt hat­te… Dabei ist es ist gar nicht so ein­fach, seinem Kind aus­ge­fal­l­ene Namen zu ver­passen: erst muss der Standes­beamte überzeugt wer­den, dass er es nicht mit einem Fan­tasiewort zu tun hat. Die Aach­en­er Zeitung berichtet diese Woche über den tele­fonis­chen Beratungs­di­enst der Gesellschaft für deutsche Sprache, der unter anderem wer­den­den Eltern dabei hil­ft her­auszufind­en, ob ihr Wun­schname für den Nach­wuchs tat­säch­lich existiert. Wenn man dem Artikel glauben darf, kom­men die Eltern dabei aber mit Namen wie Alpha-Char­lotte, Sino­la, Lego­las und Atti­la Aragorn durch. Ger­hard Müller, der Leit­er des Beratungs­di­en­stes, entschuldigt das so:

Am Anfang war ich strenger. Aber wenn Sie mit den Eltern reden, wer­den Sie mit der Zeit tol­er­an­ter. Die haben ja ihre Motive. Sollen wir Richter spie­len? Eigentlich ste­hen wir ja auf der Seite der Eltern.

Die armen Kinder wer­den sich eines Tages wün­schen, jemand hätte auf ihrer Seite gestanden.

Aber vielle­icht erledigt sich das Prob­lem von selb­st: das Bun­deszen­tralamt für Steuern begin­nt dieser Tage in Zusam­me­nar­beit mit den Melde­be­hör­den damit, jedem Bun­des­bürg­er eine unver­wech­sel­bare Iden­ti­fika­tion­snum­mer zuzuweisen. Die soll zwar zunächst nur die bish­eri­gen Steuer­num­mern erset­zen, aber wenn sie erstein­mal da ist, wer­den sich weit­erge­hende Ver­wen­dun­gen sich­er wie von selb­st find­en. Und wenn Alpha-Char­lotte und Atti­la Aragorn erwach­sen sind, heißen sie vielle­icht nur noch 416C706861 und 417261676F726E.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

4 Gedanken zu „Nomen est Omen

  1. Frank Oswalt

    Es kann aber auch sehr unan­genehm sein, einen Nach­na­men zu haben, der wie ein Vor­name klingt. Noch dazu, wenn man einen Vor­na­men hat, der auch ein Nach­name sein kön­nte. Aber wohl immer noch bess­er als 4672616E6B204F7377616C74

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  2. dirk.schroeder

    Es ist sich­er nicht immer so, wie die Süd­deutsche anführt, aber oft, z.B. in der Lit­er­atur­welt. Got­tfried Benn heißt dann Benn und Else Lasker-Schüler Else. Vielle­icht fol­gt das auch Mustern, auf die die Per­so­n­en, bzw. ihr Bild, selb­st ein­wirken. Inge­borg Bach­mann etwa ist stets die Bach­mann, niemals Inge­borg. Elfriede Jelinek heißt manch­mal auch Elfriede, Peter Hand­ke nie Peter. Auf­fäl­lig zumin­d­est, dass in Lit­er­atur und Kun­st der Vor­na­menge­brauch weib­lichen Promi­nen­ten vor­be­hal­ten scheint. In der Poli­tik, wie im Beispiel oben, ja nicht.

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  3. buntklicker.de

    Ger­ade in der Berichter­stat­tung über den französichen Präsi­dentschaftswahlkampf ist mir das auch aufge­fall­en. Da mag allerd­ings auch noch dazukom­men, daß “Ségolène und Sarkozy” einen schick­en Stabreim darstellt.

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  4. David Marjanović

    Ségo und Sarko waren völ­lig unver­mei­d­bar. Die Fran­zosen lieben zweisil­bige Wörter, die mit [o] aufhören. Der Stabreim schadet auch nicht…

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