Das Radiofrühstück „Kulturköpfe“ im Radio Weser.TV ist vorbei, das Gespräch mit Gabriele Koch hat großen Spaß gemacht und die luftgetrocknete Salami, die ich mir zum Frühstück gewünscht habe, war hervorragend. Wer die Sendung nachhören möchte, findet sie als MP3-Datei unter http://www.kulturformate.de/podcast/.
Archiv für das Jahr: 2009
Beitragsaufrufe und Auswahlfragen
Sprachblogleser/innen der ersten Stunde erinnern sich vielleicht, dass ich der „Aktion Lebendiges Deutsch“ gegenüber anfänglich eigentlich positiv eingestellt war. Es ist nichts dagegen einzuwenden, sich Lehnwörter daraufhin anzusehen, ob es im Deutschen nicht bereits eine konventionelle Alternative gibt oder ob man nicht mit Hilfe produktiver Wortbildungsmechanismen eine Alternative aus dem bestehenden Wortschatz zusammenbauen könnte. Ob die sich dann durchsetzt oder ob die Sprachgemeinschaft aus welchen Gründen auch immer — und es gibt oft gute Gründe — beim Lehnwort bleibt, kann man dann getrost dem evolutionären Prozess überlassen, durch den eine Sprache sich ständig verändert und neuen Gegebenheiten anpasst. Weiterlesen
[Surftipp] Müller, Meier, Hassdenteufel
“Müller, Meier, Hassdenteufel – Was unsere Namen verraten” ist ein Radiobeitrag über Familiennamen, gemacht von Studierenden des journalistischen Seminars der Uni Mainz. Gesendet wurde er zwar schon im Januar, aber die Inhalte sind auch im Internet abrufbar. Interviewt wurden vor allem die Mitarbeiterinnen des DFG-Projekts Deutscher Familiennamenatlas, und wenn man noch nichts über Namenkunde weiß, ist das auf jeden Fall sehr spannend. Alle Beiträge können hier gehört und geschaut werden:
Wortarten (Teil 2): „Namenswörter“
Nachdem ich den Semesteranfang und das Ostereiergesuche überstanden habe, hier nun Folge 2 der „Gespräche über Wortarten“. Ich freue mich über die interessanten Kommentare zum ersten Teil und werde die auch aufgreifen, wenn ich mit der Wiedergabe meiner Gespräche mit meiner Tochter fertig bin (es folgt noch ein dritter Teil über „Wiewörter“).
Dieses Gespräch fand gleich am Tag nach unserer Diskussion über „Tuwörter“ statt. Weiterlesen
Werbehefter für Motogrossrennen
Neues aus Schuttertal … nachdem wir alles über am Pascal seine Mutter wissen, geht es heute um Frau Schwab und das, was sie so macht:
Nämlich Werbehefter.
Im Hochdeutschen gibt es zwar das Wort der Hefter (Plural: die Hefter), das eine Mappe zum Einheften bezeichnet (oder gelegentlich einen Tacker). Wahrscheinlich wurde es aus dem Verbstamm von heften und der Endung -er gebildet, so wie Bohrer aus bohren+er, Stecker aus stecken+er, und so weiter.
Dieses Wort ist hier aber nicht gemeint, es geht vielmehr um Prospekte, also Werbehefte. Der Plural auf -er bei diesem Wort ist eine dialektale Eigenheit: Kind – Kinder, Lied – Lieder, Glied – Glieder, … im Hochdeutschen gibt es eine ganze Gruppe von Wörtern mit Plural auf -er.
In Dialekten gibt es zwar meist dieselben (oder sehr ähnliche) Arten der Pluralbildung, aber es müssen nicht unbedingt dieselben Wörter in diese Gruppen gehören. Im Schuttertal gehört Heft – Hefter ganz regulär zur Gruppe mit -er-Plural, während es im Hochdeutschen zur Gruppe mit -e-Plural gehört (wie Beete, Stifte, Wege, …). Auch mit dabei: Stick – Sticker ‘Stücke’.1
Gut möglich, dass die Verwendung von Hefter als Plural von Heft noch zusätzlich durch das vorhandene hochdeutsche Wort Hefter gestärkt wird, das ja auch eine sehr ähnliche Bedeutung hat.
[23.4.09: Zu diesem Beitrag gibt es eine Ergänzung.]
Kulturköpfe
Normalerweise vergesse ich, Werbung für mich selbst zu machen. Dieses Portrait in der taz habe ich völlig vergessen, obwohl die Druckversion mit einem ganzseitigen Portrait bebildert war, das irgendwann Sammlerwert haben wird.
Aber dieses Mal passiert mir das nicht: Diesen Samstag (18. April) bin ich von 11–13 Uhr bei den „Kulturköpfen“ auf Radio Weser.TV zu Gast. Wer Lust hat, mir zwei Stunden lang dabei zuzuhören, wie ich mich mit der Moderatorin und Kulturmanagerin Gabriele Koch über alles unterhalte, was uns gerade in den Kopf kommt, kann die Sendung in Bremen auf UKW 92,5 MHz oder weltweit als Livestream hören. Nebenbei erfährt man dabei etwas über meinen Musikgeschmack und natürlich reden wir auch über Sprache und das Bremer Sprachblog. Infos zur Sendung und einen Link zum Livestream gibt es hier.
[Ostern] Ostern
Ostern ist nicht nur etymologisch interessant, sondern auch vom Wortmaterial her: Es gab einmal einen Singular, die Oster, heute ist aber nur noch der Plural Ostern gebräuchlich. Den man gelegentlich auch wieder als Singular verwenden kann: das Ostern.

Ostern 1987 – noch kein Interesse an Etymologien
Woher das Wort kommt, ist nicht so eindeutig. Es ist auf jeden Fall verwandt mit Osten als dem Ursprung der Sonne und bezieht sich wahrscheinlich auf eine vorchristliche Gottheit der Morgenröte, auf jeden Fall aber auf das Längerwerden der Tage und den Frühling. Morgenröte, Auferstehung, der Weg war nicht weit und die Übertragung auf das christliche Fest schnell erledigt. Im Althochdeutschen hieß das Fest ôst(a)râ, im Mittelhochdeutschen ôster. Der Monat April hieß übrigens früher einmal ôstermânôth, angeblich so benannt durch Karl den Großen. (Zu den Monatsnamen auch: Wunderland Deutsch.)
Die europäischen Sprachen sind, was Ostern angeht, nicht so variantenreich:
- Das Englische hält es mit dem Deutschen (Easter).
- Die meisten Sprachen haben aus dem Hebräischen/Aramäischen entlehnt (ich zitiere keine Urform, da ich keine zuverlässige Quelle habe), und zwar die Bezeichnung des jüdischen Pessach-Festes, mit dem Ostern nicht von ungefähr zeitlich und kausal in Bezug steht: Dänisch (Påske), Spanisch (Pascua), Finnisch (Pääsiäinen), Französisch (Pâques), Italienisch (Pasqua), Niederländisch (Pasen), Norwegisch (Påske), Rumänisch (Paşti), Russisch (Пасха), Schwedisch (Påsk)
- Ungarisch (Húsvét): hús heißt auf jeden Fall ‘Fleisch’, die Zusammensetzung wahrscheinlich ‘Fleisch nehmen/kaufen’, aber die Bedeutung stammt nur aus dem Internet, also wer weiß. Wäre aber logisch, die Fastenzeit ist da nämlich vorbei.
- Mit Bezug auf die Nacht, wie an Weihnachten auch, gibt es ‘große Nacht’ im Polnischen (Wielkanoc) und Tschechischen (Velikonoce). Im Lettischen (Lieldienas) ist hingegen der Tag groß.
Hier gibt es übrigens eine ganze Sammlung von Osterbezeichnungen in verschiedenen Sprachen.
[Ostern] Karfreitag
Hier haben wir doch noch einen Tag, der den Kummer ausdrückt, mit dem es am Gründonnerstag nichts wurde. Kar- geht auf althochdeutsch kara ‘Kummer, Sorge’ zurück (übrigens verwandt mit dem englischen care). Ein Blick in Grimms Wörterbuch zeigt aber, dass das Wort Kartag ursprünglich nicht allgemein einen traurigen Tag bezeichnete, sondern einen ganz bestimmten traurigen Tag: den “tag an welchem ein verstorbener unter klaggeschrei beerdigt und dann das leichenmahl gehalten wird” (DWB). Im Zimbrischen, einer deutschen Sprachinsel in Italien, hat es diese Bedeutung noch heute.
Der Karfreitag ist also einfach der Tag, an dem Jesus dem christlichen Glauben nach starb und prompt beerdigt wurde. Im Mittelhochdeutschen hieß der Tag karvrîtac oder schlicht kartac.
Auch heute habe ich mich ein bißchen im restlichen Europa umgesehen:
- ‘heiliger Freitag’: Spanisch (Viernes Santo), Französisch (Vendredi saint), Italienisch (Venerdì Santo)
- ‘guter Freitag’: Niederländisch (Goede Vrijdag), Englisch (Good Friday) – Zumindest im Englischen kommt es von der ursprünglichen Bedeutung ‘heilig’.
- ‘großer Freitag’: Russisch (Великая пятница), Tschechisch (Velký pátek), Polnisch (Wielki Piątek), Ungarisch (Nagypéntek), Estnisch (Suur reede), Rumänisch (Vinerea Mare)
- ‘Leidensfreitag’: Rumänisch (Vinerea Patimilor)
- ‘langer Freitag’: Schwedisch (Långfredagen), Dänisch (Langfredag), Norwegisch (Langfredag), Finnisch (Pitkäperjantai) – Im Englischen scheint es auch einmal einen Long Friday gegeben zu haben, “due to the long fast imposed upon this day”. Ob das die richtige Etymologie ist, weiß ich allerdings nicht.
Hat tip to … & Stephen Fry
Oft findet man am Ende eines englischsprachigen Blogeintrags die Wendung “Hat tip to NAME”. Sie dient dazu, darauf hinzuweisen, dass das Gepostete (Link, Video, Nachricht, Bild …) in einem anderen Blog gefunden wurde oder man einen Hinweis darauf per Mail/in den Kommentaren/… bekommen hat. Es ist also eine Art von Urheberhinweis, auch wenn er eher auf FinderInnen denn auf wirkliche UrheberInnen verweist. Oft wird der “Hat tip” aber auch einfach als Dank verwendet.
Ein paar Beispiele:
- Für einen Comicstrip: “Hat tip to Greg Poulos.” (Language Log)
- Für eine technische Erklärung: “Hat tip to problogdesign.com for spelling this method out so clearly!” (Smitten Kitchen)
- Für ein Foto: “Hat tip to Eric Kinzel” (Language Log)
- Für eine Nachricht: “hat-tip Matt Wedel again” (Tetrapod Zoology)
- Für einen Aufsatz: “hat tip to Marilyn Martin” (Language Log)
Und woher kommt der Ausdruck? Vom Grüßen indem man einen Finger an die Hutkrempe legt. Von da aus ging’s wohl vom reinen Gruß zur Anerkennung zum Dank.
Und im Deutschen? Wir haben zwar Den Hut vor jemandem ziehen, aber das passt nicht wirklich auf solche Situationen, weil es einfach zu viel Ehrerbietung und Respekt ausdrückt. Soooo viel haben die HinweisgeberInnen jetzt auch nicht geleistet.
Bei Leserhinweisen lässt sich das meist recht gut regeln mit “Danke für den Link/Hinweis/… an NAME” o.ä.:
- Mit Dank an Lisa A. (BILDBlog)
Was ist aber mit Hinweisen aus anderen Blogs, die man selbst gefunden hat – dafür kann man sich doch nicht wirklich bei der Person bedanken? Das klingt ja dann, als wäre sie aktiv auf einen zugekommen?
Ein bißchen Googlen zeigt, dass der Hat tip ganz gerne übernommen wird:
- Hat tip to Neuroskeptic: Ein satirischer Seitenhieb auf die Verhaltensneurobiologie. (Varia & Eventualia)
- Und Hat Tip an Christian Butterbach für den Hinweis auf diesen erfrischenden Post! (Eine neue Freiheit)
Eine etwas nüchterne Alternative habe ich auch gefunden, ganz ohne das dankende Element:
- [via Indecision Forever] (Stefan Niggemeier)
Leider ist es recht schwer, nach Hat tips zu googlen, die Hat tip nicht verwenden. Falls also jemand Hinweise hat … ich werde auch weiter ergänzen, falls ich noch andere Formulierungen finde.
So. Und wie kam ich drauf? Genau: Ich wollte ein Video posten, in dem Stephen Fry über Sprache spricht. (Mal wieder.) Und dabei nicht unterschlagen, dass ich es nicht selbst gefunden habe, sondern in der Linksammlung des Bremer Sprachblogs, wo es “Zetterberg” gepostet hat:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=wzMIKsrjcOI&hl=de&fs=1&rel=0]
(Im vorhergehenden Teil geht’s um andere Dinge.)
[Ostern] Gründonnerstag
So, jetzt wird hier mal wieder ein bißchen etymologisiert! Die Karwoche bietet dafür ja wirklich mehr als genug Gelegenheit – los geht’s mit dem Gründonnerstag. In meiner Kindheit wurde immer behauptet, das Erstglied gehe auf mittelhochdeutsch grînen ‘den Mund weinend/knurrend/winselnd/lachend verziehen’ zurück und drücke quasi die Traurigkeit über die Gefangennahme Jesu aus. Weil greinen im Alemannischen heute noch ein das Wort für ‘weinen’ ist, erschien mir diese Erklärung immer sehr einleuchtend.
Doch Kluge hat eine Überraschung parat: Im Mittelhochdeutschen gab es die Fügung der grüene donerstac bereits und somit einen eindeutigen Bezug zur Farbe Grün. Aber was hat das Grün mit diesem Tag zu tun? Kluge und die Grimms sagen: In religiöser Hinsicht kaum etwas.
die deutung von gr. bleibt umstritten, doch ist der name sichtlich eher volksthümlichen als kirchlichen gepräges (DWB)
Beide bieten als mögliche Erklärung an, dass es Brauch war, an diesem Tag (grüne) Kräuter zu essen:
das reich und vielfältig entwickelte brauchthum am gr., der genusz heilbringender kräuter, das gründonnerstagsei (antlaszei), der gr. als termin der säens und pflanzens u. s. w., […], läszt wie bei ostern an einen nachhall vorchristlicher übung denken; ob ihm, wie HOLTZMANN […] vermutet, ein Donarsfest im mai zugrunde liegt, bleibt unerweislich (DWB)
Ist die schöne Theorie vom Greinen also wirklich nicht zu retten? Muss der Gründonnerstag den Heiden überlassen werden? In den kryptischen Literaturangaben Kluges findet sich doch noch ein Minihinweis auf eine alternative Etymologie mit einem ganz ähnlich klingenden Wort – momentan habe ich aber keine Zeit (Habe ich erwähnt, dass ich scheinfrei bin?), die entsprechenden Zeitschriften und Bücher herauszusuchen:
“HWDA 3 (1931), 1186 f. Anders (Umdeutung von ahd. grun stm./stf. ‘Jammer, Unglück’): H. Jeske SW 11 (1986), 82–109; LM 4 (1989), 1752 f.”
Letztlich bleibt also rätselhaft, wie der Tag zu seiner Farbe kam. Ich habe mich mal in anderen Sprachen Europas umgesehen um herauszufinden, was noch als Benennungsmotiv dienen kann:
- ‘heiliger Donnerstag’: Spanisch (Jueves Santo), Italienisch (giovedì santo), Französisch (jeudi saint), Russisch (свято́й четве́рг)
- ‘großer Donnerstag’: Polnisch (Wielki Czwartek), Ungarisch (Nagycsütörtök), Estnisch (Suur neljapäev), Rumänisch (Joia Mare)
- ‘weißer Donnerstag’: Niederländisch (Witte Donderdag) – wahrscheinlich wegen der liturgischen Farbe Weiß.
- ‘Fußwaschungsdonnerstag’: Englisch (Maundy Thursday)
- ‘Reinigungsdonnerstag’: Schwedisch (Skärtorsdagen), Norwegisch (Skjærtorsdag), Dänisch (Skærtorsdag) – schwed. skära und seine Entsprechungen heißen eigentlich ‘schneiden’, haben hier aber wohl eine andere Bedeutung.
Aber der grüne Donnerstag ist doch nicht ganz einmalig:
- Tschechisch: Zelený čtvrtek. Die tschechische Wikipedia suggeriert irgendeine Art von deutschem Einfluss (inklusive greinen), aber mehr konnte ich nicht erraten. Wenn hier jemand Tschechisch kann … [breaking news: Meine Freundin Esther hat’s übersetzt: Der zitierte Bischof behauptet tatsächlich, es käme vom deutschen Greindonnerstag, der durch Lautvertauschung zum Gründonnerstag geworden sei. Quellen gibt er dazu aber keine an, es ist also Vorsicht geboten. Auch lustig: In Tschechien scheint man am Gründonnerstag traditionell Spinat zu essen.]
- Rumänisch: Joia Verde. Ist neben Joia Mare (s.o.) in meinen Wörterbuch angegeben. Ich könnte mir einen deutschen Einfluss über die Siebenbürger Sachsen gut vorstellen, will mich aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Bezeichnungen in weiteren Sprachen herzlich willkommen! Jens ja Linda, wie ist es mit Finnisch? Ich bilde mir ein, die Wortgrenze gefunden zu haben (Kiiras|torstai), komme aber mangels Strukturwissen nicht auf die Nennform des Erstglieds.