Archiv für das Jahr: 2009

Fastnachtsausbruch

Von Kristin Kopf

Es ist wieder soweit … geschmack­los verklei­dete Men­schen pinkeln geräuschvoll an die Hauswand. Und das ist erst der Anfang der Mainz­er Fast­nacht, liebevoll “Fasse­nacht” genan­nt. (Man kann übri­gens “Zug­plakettcher” in der Stadt kaufen.)
Grimms Wörter­buch charak­tierisiert die Fast­nacht char­mant als “die let­zte derb ausgenossene freszzeit vor dem beginn der faste”.

Aber woher kommt eigentlich die Beze­ich­nung? Die gängige Erk­lärung lautet immer, es sei eine Zusam­menset­zung aus “Fas­ten” und “Nacht”, also qua­si die Nächte vor der Fas­ten­zeit — aber ein Blick in Kluges Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch ver­rät, dass es sich nur um eine Volk­se­t­y­molo­gie han­delt. In Wirk­lichkeit ist alles viel … mys­ter­iös­er. Die Herkun­ft ist näm­lich unklar.
Es muss ein­mal eine Form gegeben haben, die fasanaht hieß, wovon der zweite Teil schon ‘Nacht’ bedeutet, aber der erste nicht zuzuord­nen ist. Kluge spekuliert ein bißchen und ist dafür, dass es von ein­er indoger­man­is­chen Wurzel mit der Bedeu­tung ‘reini­gen, läutern’ kommt (*pwos-).
Diese wiederum kön­nte aber auch die Wurzel von fas­ten sein, *pwos-to- ‘rein, rechtschaf­fen, gewis­senhaft’. Also vielle­icht doch die Nacht vor dem Fas­ten? Hm …

Und was ist mit Karneval? Es kommt vom ital. carnevale, das auch wieder ein Herkun­ft­sprob­lem hat. Kluge schlägt eine Entwick­lung wie diese vor: lat. de carne levare ieiu­ni­um ‘von Fleisch weg­nehmen Fas­ten’ (Wort-für-Wort) > car­nel­e­vare > car­nel­e­var­i­um > carnevale.
Nach sein­er Erläuterung hat uns Kluge noch fol­gen­des zu bieten: “Täter­beze­ich­nung: Karneval­ist”.

Leave Luck to Heaven

Von Kristin Kopf

Was bedeuten eigentlich all die Namen japanis­ch­er Elektonik‑, Kam­era- und Autohersteller?

Ich war inves­tiga­tiv tätig … die meis­ten Infor­ma­tio­nen stam­men von den Fir­men­home­pages, einige von Wikipedia (aber ver­i­fiziert), und natür­lich waren auch eine Menge Wörter­büch­er beteiligt.

Toshi­ba 東芝 ist ein Klam­mer­wort, bei ein­er Fir­men­fu­sion zusam­menge­zo­gen aus tokyo shi­baura den­ki. Tokio düfte ja klar sein (heißt übri­gens ‘Osthaupt­stadt’), Shibau­ra ist ein Stadt­teil von Tokio und 電気 den­ki heißt ‘Strom, Energie’.

Suzu­ki スズキ heißt ganz lang­weilig nach dem Grün­der, Michio Suzu­ki (鈴木道雄)*.
Das einzige, was etwas über­rascht, ist die Schrei­bung. Im Japanis­chen gibt es näm­lich mehrere Schrift­sys­teme: Hira­gana und Katakana sind Schriften, bei denen für jede More (vere­in­facht kann man auch Silbe sagen) ein Zeichen ste­ht. Hira­gana wer­den für gram­ma­tis­che Infor­ma­tio­nen benutzt, Katakana meist für Fremdwörter.
Und dann gibt es noch die Kan­ji, Schriftze­ichen, die (wieder vere­in­facht gesagt) nicht Laute, son­dern Bedeu­tun­gen abbilden. Die benutzt man für Sub­stan­tive, Adjek­tive, Ver­ben … und auch Eigennamen.
Der Name Suzu­ki wird daher so geschrieben: 鈴木. Was er heißt, scheint nicht so klar zu sein … die englis­che Wikipedia schlägt ‘bell tree’ vor (ein Musikin­stru­ment?), ander­swo im Inter­net habe ich ‘Glyzinie’ gefun­den, und die japanis­che Wikipedia sagt, es wäre gar nicht ein­deutig gek­lärt. (Die The­o­rien zur Herkun­ft habe ich aber lei­der nicht ver­standen.) 木 heißt auf jeden Fall ‘Baum, Holz’.
Dass das Unternehmen sich jet­zt mit Katakana schreibt, statt mit den Kan­ji des Unternehmensgrün­ders, ist eine gängige Prax­is in Japan.

Toy­ota トヨタ macht es übri­gens genau­so, ist auch ein Fam­i­li­en­name, mit ger­ingfügiger Änderung (der Name lautet Toyoda), der heute in Katakana geschrieben wird. Der Grün­der heißt Sakichi Toy­o­da (豊田佐吉)*. Das Kan­ji 豊 heißt ‘reich, üppig’, 田 ste­ht für ‘Reis­feld’.

Bei Fuji­film 富士フイルム sind die ersten bei­den Zeichen Kan­ji, die let­zten vier Katakana — und endlich wer­den sie auch tat­säch­lich für ein Fremd­wort gebraucht. In Umschrift heißt der zweite Teil näm­lich fu-i-ru-mu ‘Film’.
富士 ist die Beze­ich­nung für den Berg Fuji, also recht sim­pel, aber warum nen­nt sich eine Fir­ma danach? Auf eine Anfrage habe ich fol­gende Antwort von Fuji bekommen:

In 1934, our first man­u­fac­tur­ing facil­i­ty was built at the near place of Mt. Fuji. Mt.Fuji is famous for its beau­ti­ful shape of moun­tain and we all Japan­ese peo­ple are proud of Mt.Fuji. Prin­ci­pal mem­ber who estab­lished our com­pa­ny in 1934, hoped that our com­pa­ny named after Mt.Fuji would be one of the best com­pa­nies in the world in future.”

Der Zusam­men­hang zwis­chen Berg und “one of the best com­pa­nies in the world” hat sich mir allerd­ings noch nicht ganz erschlossen.

Yama­ha ヤマハ - schon wieder so eine, die sich nicht mehr 山葉 schreibt, und nach ihrem Grün­der Torakusu Yama­ha (山葉寅楠)* benan­nt ist. 山 ist das Zeichen für ‘Berg’, 葉 ste­ht für ‘Blatt’.

Canon キヤノン ist ein span­nen­der Fall. Eine der ersten Kam­eras des Unternehmens hieß Kwanon, nach der bud­distis­chen Got­theit des Mit­ge­fühls. Nach dieser Kam­era wurde dann auch die Fir­ma benan­nt. Auf der Fir­men­home­page heißt es:

This title reflect­ed the benev­o­lence of Kwanon, the Bud­dhist God­dess of Mer­cy, and embod­ied the Company’s vision of cre­at­ing the best cameras in the world.”

Die Änderung in Canon erfol­gte 1935 zur besseren Ver­mark­tung, und natür­lich, damit man Weltbester wer­den konnte.

Mit­subishi 三菱 beste­ht aus den Zeichen mit­su ‘drei’ und 菱 hishi ‘Wasserkas­tanie’. Es han­delt sich dies­mal nicht um einen Fam­i­li­en­na­men — die Benen­nung erfol­gte vielmehr nach dem Fir­men­l­o­go, das das Fam­i­lien­wap­pen eines Clans war, bei dem der Fir­men­grün­der angestellt war. (Mehr hier.)

Die Bedeu­tung von Nin­ten­do 任天堂 wird in ver­schiede­nen Quellen angegeben mit ‘das Glück dem Him­mel über­lassen’, was wohl damit zu tun hat, dass die Fir­ma in ihren Anfän­gen Spielka­rten herstellte.

*Bei japanis­chen Namen wird der Nach­name zuerst genan­nt, daher in den Klam­mern die Rei­hen­folge Nach­name-Vor­name, jew­eils zwei Zeichen. Die Schrei­bung japanis­ch­er Namen kann man wun­der­bar in Jim Breens Onlinewörter­buch nach­schla­gen — ein­fach rechts ENAMDICT auswählen und ein Häkchen bei “Search using roman­ized Japan­ese” setzen.

Sprachlicher Imperialismus

Von Anatol Stefanowitsch

Im let­zten Beitrag hat­te ich verse­hentlich nicht auf das Inter­view mit Ver­fas­sungsrichter Di Fabio ver­linkt, son­dern auf einen Gastkom­men­tar meines Würzburg­er Kol­le­gen Nor­bert Richard Wolf in der Main­post. Da dieser Kom­men­tar äußerst lesenswert ist, hole ich hier offiziell eine nicht-verse­hentliche Ver­linkung nach.

Wolf drückt zunächst Zweifel an der Sinnhaftigkeit ein­er Ver­ankerung der deutschen Sprache im Grundge­setz aus und weist dann noch darauf hin, dass „Die anderen machen es aber auch“ in diesem Fall kein gutes Argu­ment ist: Weit­er­lesen

Sprachverleugnende Eliten

Von Anatol Stefanowitsch

Die Frage, ob die deutsche Sprache als Staatssprache im Grundge­setz fest­geschrieben wer­den soll, hat uns hier im Sprach­blog immer wieder beschäftigt, zulezt im Dezem­ber, als die CDU einen Parteitags­beschluss mit dieser Forderung fasste. Seit­dem ist auf der poli­tis­chen Bühne nichts weit­er geschehen und man durfte schon hof­fen, dass die Forderung der Partei (die bei der Bun­deskan­z­lerin auf wenig Gegen­liebe stieß), leise in der Versenkung ver­schwinden würde.

Doch nun ist die Debat­te neu aufge­flammt, weil der Ver­fas­sungsrichter Udo Di Fabio in einem Inter­view mit der Rheinis­chen Post dieser Forderung angeschlossen hat. Zunächst spricht er sich dage­gen aus, jed­er poli­tis­chen Mode Ver­fas­sungsrang zu geben: Weit­er­lesen

Ken Lee und der Dadaismus einer Fremdsprache

Von Kristin Kopf

Wenn die Klausuren vor­bei sind, gibt’s auch wieder wortre­ichere Ein­träge, versprochen.

Wom­it ich mich vom Ler­nen ablenke, kann man hier sehen:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=_RgL2MKfWTo&hl=de&fs=1]

Was mich vor allem fasziniert, ist die Ein­stel­lung zu Sprache, die dahin­ter­steck­en muss. Die Sän­gerin ist ja fest davon überzeugt, dass sie alles richtig singt — wahrschein­lich, weil sie es ihrer Mei­n­ung nach exakt so nachs­ingt, wie sie es gehört hat.
Dass das nicht reicht um ver­standen zu wer­den, weil man immer mit den Ohren sein­er Mut­ter­sprache hört, wurde ihr wohl erst später klar.

De Saussure

Von Kristin Kopf

Nur ein schneller Link … ein Artikel aus dem Times Lit­er­ary Sup­ple­ment über Fer­di­nand de Saus­sure, eine ganz große Fig­ur in der Sprach­wis­senschaft: The poet who could smell vow­els
Der Artikel ist eine Melange aus Biographis­chem und Lin­guis­tis­chem und vielle­icht eher für Leute inter­es­sant, die Saus­sure schon kennen.

Zehn „Geheimnisse“ der deutschen Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Auf Bild Online sind dieser Tage unter der Über­schrift „Die 10 Geheimnisse der deutschen Sprache“ zehn nicht sehr geheime Wis­sens­brock­en über die deutsche Sprache erschienen. Beim Lesen der Über­schrift habe ich Vor­freude über die Dummheit­en ver­spürt, die da wohl ste­hen wür­den und die ich hier zerpflück­en kön­nte. Aber beson­ders ergiebig war die Sache dann doch nicht. Nur bei ein paar Details liegt die Bild-Redak­tion offen­sichtlich daneben, der Rest ist etwas unge­nau oder schw­er nachvol­lziehbar aber nicht ein­deutig falsch. Da ich mir die Arbeit aber nun ein­mal gemacht habe, will ich die Ergeb­nisse mein­er Über­prü­fung trotz­dem teilen. Weit­er­lesen

Bücher für umsonst! (quasi)

Von Kristin Kopf

Hier kön­nen Studierende (meist sprach­wis­senschaftliche) Büch­er aus den Rei­hen narr stu­di­en­büch­er und bach­e­lor-wis­sen zum Testle­sen bestellen. Als Gegen­leis­tung füllt man ein ein­seit­iges For­mu­lar zum entsprechen­den Buch aus, und das war’s. (Wenn man das nicht macht, muss man doch noch bezahlen …)
Ich habe es aus­pro­biert, klappt alles ein­wand­frei, jet­zt besitze ich eine Ein­führung in die rus­sis­che Sprachwissenschaft.
Wer also schon immer mal DAS SCHWARZE BUCH haben wollte … los, los, los!

Update April 2009: Noch ein kurz­er Hin­weis darauf, dass das, was man in das For­mu­lar schreibt, vom Narr-Ver­lag auf sein­er Home­page dazu ver­wen­det wer­den kann, das entsprechende Buch zu bewer­ben. Mit vollem Namen und Studienort.