Wenn sich Wörter im Deutschen und im Englischen formal sehr ähneln, führt das gelegentlich dazu, dass man sie auch inhaltlich gleichsetzt. Das ist mir bei Spiegel Online in den letzten Tagen ein paarmal aufgefallen:
Evelyn Border, 56 Jahre alt, eine kleine runde Frau mit einem freundlichen runden Gesicht, hatte sich, so sagt sie es, stets bemüht, anständig durchs Leben zu gehen. Nicht mal ein Parkticket habe sie bekommen, in 56 Jahren. (Quelle)
Unter einem Parkticket kann ich mir im Deutschen wenig vorstellen – wenn überhaupt, dann vielleicht einen Parkschein. (Highlight des Wikipedia-Eintrags: “Eine Kontrollkraft kann durch visuelle Prüfung die Gültigkeit des Parkscheins prüfen” – mein Tag ist gerettet!)
Das kann parking ticket übrigens auch im Englischen bedeutet. Neben der quasi entgegengesetzen Bedeutung ‘Strafzettel (fürs Falschparken)’. Kurios. Stellt sich die Frage, ob ein und dieselbe Person das Wort in beiden Bedeutungen benutzen kann? Ich tippe auf nein, konnte aber nichts genaueres rauskriegen.
Wikipedia kennt neben parking ticket auch parking violation, parking citation und notice of illegal parking (auch ein guter Kandidat für kreative Übersetzungen, eine Parknotiz) und sagt, die Wahl des Ausdrucks hänge von der Gesetzgebung ab.
Wäre also spannend zu erfahren, ob in Staaten, in denen der Strafzettel offiziell parking ticket heißt, ein anderer Ausdruck für den Parkschein benutzt wird. (Mein Wörterbuch bietet z.B. car park ticket (BE) oder parking lot ticket (AE).)
Okay, zu einer anderen Art von Verkehr: Dem Fliegen. Ein Fehlalarm an einem US-Flughafen und die daraus resultierenden sechsstündigen Verspätungen sind immer eine Meldung wert. In diesem Kontext findet sich:
“Es ist nicht hinnehmbar, das die Flughafensicherheitsbehörde so lange gebraucht hat, um dieses Video zu produzieren. Aber durch die Veröffentlichung haben wir die Möglichkeit, dieser großen Sicherheitspanne auf den Grund zu gehen”, sagte Senator Lautenberg. (Quelle)
Wer die ganze Geschichte liest, wird schnell merken, dass die Flughafensicherheitsbehörde das Video nicht zu langsam gedreht hat, sondern nur sehr lange brauchte, um das bereits von einer Sicherheitskamera aufgenommene Video zu beschaffen.
Der Senator hat zwar wirklich to produce benutzt …
It is unacceptable that the Port Authority took so long to produce this tape, but now that it is public we have a better chance of getting to the bottom of this major security incident. (Quelle)
… aber das hat im Englischen neben ‘herstellen’ auch die hier gemeinte Bedeutung ‘vorlegen, herbeischaffen’.
Das ist übrigens ein ganz witziges Mittel, um neue Wortbedeutungen zu schaffen. Man nennt es, wenn es sich denn wirklich durchsetzt, “Lehnbedeutung”. Ein Wort hat neben einer gemeinsamen Bedeutung in der Gebersprache noch eine zusätzliche Bedeutung, die die Nehmersprache nicht kennt. Diese zusätzliche Bedeutung übernimmt die Nehmersprache.
Passiert ist das z.B. mit dem Verb realisieren. Im Deutschen hieß es ursprünglich nur ‘umsetzen, verwirklichen’. Das heißt das englische to realize zwar auch, es hat aber auch die Bedeutung ‘sich über etwas bewusst werden’ – die haben wir uns geklaut, und seither können wir auch realisieren, dass uns jemand den Geldbeutel geklaut hat.
Man darf also gespannt sein, wie es mit produzieren weitergeht!

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