Der Weltkopf 2010

Von Kristin Kopf

Als ich anf­ing Englisch zu ler­nen, fand ich es selt­sam, einen Pokal cup zu nen­nen, wo das doch ‘Tasse’ heißt. Mir war schon klar, dass ein Wort in ein­er Fremd­sprache Zusatzbe­deu­tun­gen haben kann, die es im Deutschen nicht hat, aber das schien mir doch weit herge­holt. World Cup, die Welttasse?

Mit­tler­weile weiß ich natür­lich, dass cup Gefäße ganz ver­schieden­er Art beze­ich­nen kann, neben Tassen, Bech­ern, Kelchen, Näpfen und Schalen eben auch Pokale und per (metonymis­ch­er) Über­tra­gung auch gle­ich das ganze Ereig­nis, bei dem der Pokal errun­gen und über­re­icht wird.

Was ich aber noch nicht so lange weiß: Dass das Wort cup einen Ver­wandten im Deutschen hat – den Kopf. Und das kommt so …

Von cuppa zu Kopf

Bei­de Wörter (cup und Kopf) stam­men wohl let­ztlich vom lateinis­chen cūpa, cup­pa ‘Bech­er’. Es kam spätetens im 8. Jahrhun­dert ins Deutsche (vorher haben wir ja lei­der keine schriftlichen Quellen, es kön­nte also schon eine Weile dagewe­sen sein), und da war grade die Hölle los. Also, die Zweite Lautver­schiebung. Von ihren Wirren wurde das Wort auch prompt mit­geris­sen, das pp wurde zum pf und entsprechend sind die althochdeutschen For­men kupf und kopf belegt.

Par­al­lele Entlehnun­gen gibt es laut Kluges Ety­mol­o­gis­chem Wörter­buch auch in anderen ger­man­is­chen Sprachen: altenglisch cuppe ‘Bech­er’ und alt­nordisch kop­pr ‘Geschirr in Becher­form, kleines Schiff’.

Becher vs. Haupt

Die Bedeu­tung des deutschen Lehn­worts war natür­lich auch erst ein­mal ‘Bech­er’. Man hat­te ja ein gutes indoger­man­is­ches Wort für den Kopf, houbit ‘Haupt’ (übri­gens ver­wandt mit dem lat. caput).

Aber dann wurde man phan­tasievoll und benutzte in “expres­siv­en Kon­tex­ten”, also vor allem beim Schimpfen, das Bech­er-Wort. Ganz ähn­lich wie man heute von Birne sprechen und den Kopf meinen kann. Kluge meint, man habe z.B. gedro­ht, jeman­den den ‘Bech­er’ einzuschla­gen.

Dadurch gab es jet­zt zwei mögliche Benen­nun­gen für den Kopf: ein­mal den gröberen Kopf und ein­mal das vornehmere Haupt. Der Bedeu­tung­sun­ter­schied hat sich heute so ver­schoben, dass Kopf das nor­male Wort ist, während Haupt sehr gehoben (sie bet­ten ihre Häupter) oder abstrakt ist (Hauptsache).

(Dass die Verbindung von Kopf und Gefäß uns nicht so fern liegt, zeigen übri­gens auch Bil­dun­gen wie Hirn­schale.)

Ein neuer Becher für das Deutsche

Und was war mit der Becherbe­deu­tung von Kopf? Sie bekam ihr eigenes Wort. Seit dem 11. Jahrhun­dert ist näm­lich behhari im Deutschen belegt (und ich denke es war schon etwas früher da). Auch eine lateinis­che Entlehnung, das Quell­wort ist bicar­i­um/bacar­i­um ‘Weinge­fäß, Wasserge­fäß, Bech­er’. (Ihr seht also, auch hier zweite Lautver­schiebung, dies­mal von k zu ch.) Ob das neue Wort entlehnt wurde, weil man die Becher­lücke stopfen wollte, oder ob ‘Bech­er’ sich vom Kopf über­haupt nur zurück­ge­zo­gen hat, weil es eine Alter­na­tive hat­te, lässt sich heute natür­lich nicht mehr entscheiden.

Und der Pokal?

Den haben wir seit dem 16. Jahrhun­dert. Dies­mal nicht aus dem Lateinis­chen, son­dern aus dem Ital­ienis­chen, und zwar von boc­cale ‘Krug, Bech­er’. Wie es von dieser Bedeu­tung zum Pokal als Siege­strophäe kam, kann man sich übri­gens ganz exzel­lent vorstellen, wenn man diesen Wikipedi­aar­tikel liest:

[…] Trinkbech­er mit Fuß aus Holz, Glas, Ton, Met­all u. dgl., der schon im Mit­te­lal­ter im Gebrauch war.

In Form und Auf­bau dem Kelch ver­wandt, wurde der Pokal allmäh­lich zum Prunk- und Schauge­fäß und als solch­es im 15. und 16. Jahrh. aus Gold oder ver­gold­e­tem Sil­ber gefer­tigt, mit reichem Schmuck in Relief und frei ste­hen­den Fig­uren, in Emaille, Edel­steinen und Perlen versehen.

Ein Gedanke zu „Der Weltkopf 2010

  1. pacioli

    Sehr geehrte Frau Kristin,
    inter­es­sant ist hier vielle­icht auch das Niederländische.
    Das Wort “kop (m)” ist dort immer noch das der­bere für Kopf; der Kopf heißt gewöhn­lich “hoofd (s)” (= Haupt). “kop” ist dann vornehm­lich — aber nicht nur — in Schimpfwörtern (“dikkop”, “dwarskop”) zu find­en. “kop” ist auch eine Tasse. Ein Kaf­fee läßt sich gar nur als “kop­je koffie” bestellen.
    Die “kuip (f)” (= cup­pa; bad­kuip = Bade­wanne), in der Feyeno­ord um den “bek­er (m)” (=Pokal = bicar­i­um = Bech­er) gegen AJAX Ams­ter­dam spielt, beze­ich­net das Sta­dion des Rot­ter­damer Fußbal­lvere­ins. Auch kön­nte “bak (m)” (kat­ten­bak = Katzen­k­lo) mit bek­er zu tun haben.
    Verbleibe
    mfG
    Ihr
    pacioli

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.