Zur Lage der deutschen Flexion, oder: Dativ, Genitiv, Tod?

Von Kristin Kopf

Ein Spoil­er vor­weg: Sie liegt gut, die deutsche Flex­ion. Wie jedes lebendi­ge Wesen bewegt sie sich natür­lich ein wenig in ihrem Bett, weshalb es zu gegen­wartssprach­lichen Vari­anten wie den fol­gen­den kommt:

am Rand des Son­nen­sys­temsam Rande des Sonnensystems

der Wasserüber­schuss des Tan­gani­kader Wasserüber­schuss des Tan­gani­kas

einen Bär fan­geneinen Bären fangen

der Entschluss des Autorsder Entschluss des Autoren

dank des Zauber­tranks dank dem Zaubertrank

mit langem weißem Haarmit langem weißen Haar

wenn sie dort stünde wenn sie dort stände

Ja, genau, mit »Flex­ion« ist die Markierung gram­ma­tis­ch­er Infor­ma­tio­nen an z.B. Sub­stan­tiv­en, Ver­ben und Adjek­tiv­en gemeint und wir befind­en uns hier in Teil 3 unser­er Artikelserie zum »Bericht zur Lage der deutschen Sprache« (zu Teil 1 und 2).

Das Kapi­tel zur Entwick­lung der Flex­ion im Deutschen von Lud­wig Eichinger ((Eichinger, Lud­wig M. (2013): Die Entwick­lung der Flex­ion: Gebrauchsver­schiebung, sys­tem­a­tis­ch­er Wan­del und Sta­bil­ität der Gram­matik. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dich­tung und Union der deutschen Akademien der Wis­senschaften (Hg.): Reich­tum und Armut der deutschen Sprache. Erster Bericht zur Lage der deutschen Sprache. Berlin, 121–170.)) nimmt das Phänomen aus zwei ver­schiede­nen Per­spek­tiv­en unter die Lupe: Zum einen betra­chtet Eichinger einzelne Flex­ive (das sind die konkreten Endun­gen), zum anderen das dahin­ter­ste­hende System.

Aus dem Beitrag möchte ich heute nur einen Punkt her­aus­greifen: Das Ver­hält­nis von Gen­i­tiv und Dativ. Ich gehe ins­ge­samt recht frei mit dem Kapi­tel um, markiere jedoch, wenn es um spez­i­fis­che Forschungsergeb­nisse Eichingers geht.

Eine zen­trale Rolle spielt die von Laien oft überse­hene Tat­sache, dass der Gen­i­tiv im Deutschen ver­schiedene Funk­tio­nen ausübt. In den fol­gen­den Beispie­len habe ich den Gen­i­tiv­en immer eine ver­gle­ich­bare Kon­struk­tion mit anderen Mit­teln an die Seite gestellt:

  1. Ich beschuldige Sie des Mordes | Ich unter­stelle Ihnen einen Mord
  2. Am Tag des Mordes reg­nete es | Am Tag, an dem der Mord stat­tfand, reg­nete es
  3. Anhand des Mordes lässt sich zeigen, … | Mit dem Mord lässt sich zeigen, …

In Beispiel 1 haben wir es mit einem Gen­i­tivob­jekt zu tun, das vom Verb beschuldigen abhängig ist, in 2 ist es ein Attrib­ut zu Tag und in 3 ein Kasus, der von ein­er Prä­po­si­tion (anhand) ver­langt wird. In allen drei Fällen gibt es Entwick­lun­gen, die aber nicht par­al­lel ver­laufen, aber in allen dreien ste­hen der Gen­i­tiv und der Dativ in einem span­nen­den Konkur­ren­zver­hält­nis zueinander.

Weg vom Objekt

Sowohl der Gen­i­tiv als auch der Dativ kann ein Objekt eines Satzes markieren:

Gen­i­tiv: Wir gedenken der zahlre­ichen Opfer

Dativ: Wir helfen den zahlre­ichen Opfern

In welchem Kasus das Objekt ste­ht, hängt dabei vom gewählten Verb ab: Man hil­ft im Dativ, aber gedenkt im Gen­i­tiv. (( Natür­lich ste­hen die meis­ten Objek­te des Deutschen im Akkusativ, von dem hier aber nicht die Rede sein soll, manche auch im Nom­i­na­tiv oder in ein­er Prä­po­si­tion­alphrase. )) Oder doch nicht? Ver­ben, die ein Gen­i­tivob­jekt fordern, sind heute sel­ten, und die meis­ten von ihnen sind ihrem Kasus mit der Zeit untreu gewor­den oder wer­den es noch. Sie weichen auf den Dativ oder ein Prä­po­si­tion­alob­jekt aus:

Wir gedenken den zahlre­ichen Opfern

Ich entsinne mich an eine Zeit (statt: ein­er Zeit)

Eichinger beze­ich­net den Gen­i­tiv als einen »Rand­fall des Sys­tems«, und wie man hier sieht, wird er weit­er mar­gin­al­isiert. Dabei klam­mern sich die verbliebe­nen Gen­i­tive an eine höhere Stilebene (har­ren, sich bedi­enen, bemächti­gen, erfreuen, rüh­men) oder an bes­timmte Fach­sprachen (jmd. bezichti­gen, beschuldigen, ver­weisen, … für den juris­tis­chen Bere­ich). Das ist ein Phänomen, das sich bei sprach­lichen Relik­ten regelmäßig beobacht­en lässt. Eichinger ver­weist auf ähn­liche Erschei­n­un­gen bei der fast völ­lig ver­schwun­de­nen Ver­wen­dung des Dativ-e (im Walde, in diesem Sinne, dem Kinde).

Als möglichen Grund für den Kasuswech­sel nen­nt er zum einen die Unein­deutigkeit des Systems:

 M N  F
 Genitiv eines laut­en Hundes eines laut­en Kindes ein­er laut­en Menge 
 Dativ einem laut­en Hund einem laut­en Kind ein­er laut­en Menge

Sind das Sub­stan­tiv und seine Begleit­er fem­i­nin (wie hier die Menge), so lässt sich kein Unter­schied zwis­chen Gen­i­tiv und Dativ erken­nen. Da fem­i­nine Sub­stan­tive sehr häu­fig sind, kön­nen die Gren­zen hier zunehmend ver­wis­chen, was dann eine Uminter­pre­ta­tion zugun­sten den Dativs bei den Maskuli­na und Neu­tra nach sich zieht.

Zum anderen, und hier geht es jet­zt um Fälle wie auf das Ende har­ren kön­nten andere Ver­ben mit ähn­lich­er Bedeu­tung Vor­bild für ein Prä­po­si­tion­alob­jekt sein – warten auf zum Beispiel.

Das stabile Attribut?

Der Gen­i­tiv zieht sich also aus den Objek­t­ska­sus zurück. Dadurch tritt seine Haupt­funk­tion im Deutschen, die des Attrib­uts, noch stärk­er in den Vorder­grund. Ein Attrib­ut nimmt eine nähere Bes­tim­mung eines Sub­stan­tivs vor:

Das Rück­licht des Fahrrads ist beschädigt

Die Lei­t­erin des Betriebs ist kompetent

Eine Ablehnung mein­er Bewer­bung würde mich enttäuschen

In dieser Funk­tion markiert der Gen­i­tiv keine Funk­tion im Satz, son­dern beschränkt sich darauf, sein Bezugswort zu spez­i­fizieren. Er wirkt also nur inner­halb der soge­nan­nten »Nom­i­nalphrase«.

Der »Bericht zur Lage der deutschen Sprache« will die Lage der deutschen Stan­dard­sprache beschreiben, und zwar in ihrer geschriebe­nen Form. Das hat sehr viel mit der Daten­ba­sis zu tun – das Deutsche ist kor­puslin­guis­tisch nur man­gel­haft erschlossen (( Die Untertrei­bung des Jahrhun­derts. )), wenn man sich für etwas jen­seits von Zeitungssprache und Büch­ern inter­essiert und dazu kommt noch das irre­versible Prob­lem, dass man für frühere Zeit­en kaum bis keine brauch­baren gesprochen­sprach­lichen Dat­en hat.

Entsprechend bleiben Struk­turen, in denen der gesprochen­sprach­lich qua­si nicht mehr exis­tente attribu­tive Gen­i­tiv erset­zt wird, in der Unter­suchung lei­der außen vor:

Das Rück­licht von meinem Fahrrad ist kaputt

Von meinem Fahrrad das Rück­licht ist kaputt

Im Bericht zur Lage von der deutschen Sprache entste­ht damit der Ein­druck eines in dieser Nis­che sehr sta­bilen Gen­i­tivs. Mein­er Ein­schätzung nach wird sich da aber in abse­hbar­er Zeit einiges verän­dern, ger­ade der von-Kon­struk­tion räume ich gute Chan­cen ein. Weil das von einen Dativ fordert, entste­ht auch hier wieder der Ein­druck, dass der Gen­i­tiv dem Dativ weicht. Tat­säch­lich weicht er ein­er Prä­po­si­tion­alphrase mit Dativ.

Da der Gen­i­tiv ein sehr salientes (das heißt auf­fäl­liges) schrift­sprach­lich­es Merk­mal ist, wird er außer­dem oft einge­set­zt, wenn man eine höhere Stilebene anstrebt, in der man aber oft nicht viel Übung hat. Das führt gele­gentlich zu skur­rilen Mehrfachkon­struk­tio­nen wie dieser (aus der ZEIT), die kein­er­lei gesprochen­sprach­liche Entsprechung besitzen:

[sie] ver­langte, die mut­maßliche Ausspähung Angela Merkels Mobil­tele­fons […] zu thematisieren.

Wegen der Präpositionen

Der dritte Ort, an dem man Gen­i­tive in freier Wild­bahn beobacht­en kann, sind Prä­po­si­tion­alphrasen, also eine Wort­gruppe, die mit ein­er Prä­po­si­tion ein­geleit­et wird. Dabei fordert im Deutschen jede Prä­po­si­tion einen (oder mehrere) Kasus:

bei dem Haus, zu dem Haus, mit dem Haus (Dativ)

um den See, gegen die Wand, für den Geburt­stag (Akkusativ)

fern des Wassers, ob des Briefs, statt des Briefs (Gen­i­tiv)

Das Phänomen der »Wech­sel­prä­po­si­tio­nen« ken­nen vor allem Men­schen, die Deutsch als Fremd­sprache ler­nen. Hier hängt die Kasusver­wen­dung von der Bedeu­tung ab:

in der Schule (Dativ, lokal) – in die Schule (Akkusativ, direktional)

Es gibt aber noch einen weit­eren Fall, in dem dieselbe Prä­po­si­tion ver­schiedene Kasus ver­lan­gen kann, und zwar ohne dass ein Bedeu­tung­sun­ter­schied entsteht:

  1. wegen des guten Wet­terswegen dem guten Wetter
  2. trotz des guten Wet­ters trotz dem guten Wetter

Die Prä­po­si­tion wegen in Beispiel 1 ver­langt eigentlich Gen­i­tiv. Das lässt sich leicht mit ihrer Herkun­ft erk­lären: Ursprünglich han­delte es sich um einen attribu­tiv­en Gen­i­tiv (unter­strichen), den man fol­gen­der­maßen verwendete:

  • das du sie von meinen wegen war­nen solt ‘dass du sie von mein­er Seite aus war­nen sollst’
  • da was Ulre­ich der Stain­er von Ger­traun von der gmain­schaft wegen red­ner ‘da war Ulrich der Stein­er von Ger­traun Red­ner von der Gemein­schaft aus/im Namen der Gemein­schaft’ (Quelle)

Das von fiel schließlich der Verkürzung zum Opfer und das wegen verselb­ständigte sich gemein­sam mit dem Gen­i­tiv. ((wegen war der Dativ Plur­al von Weg (von den Wegen).))

Heute find­en wir wegen umgangssprach­lich auch mit Dativ, dem misst Eichinger allerd­ings keine große Bedeu­tung bei, da bei ihm ja die schrift­sprach­liche Ver­wen­dung im Fokus ste­ht. Bei ein­er Kor­pusun­ter­suchung mit lek­to­ri­erten schrift­sprach­lichen Tex­ten aus drei Zeitab­schnit­ten des 20. Jahrhun­derts stellt er entsprechend auch nur einen gerin­gen Dati­van­teil fest. ((Abschnitte: 1905‒1914, 1948‒1957, 1995‒2004. 30 Mil­lio­nen Wörter in vier Textsorten (Bel­letris­tik, Zeitung­s­texte, Gebrauch­sprosa, wis­senschaftliche Texte.) ))

In Anbe­tra­cht der schlecht­en Aus­sicht­en des Gen­i­tivs richtig span­nend ist aber die ent­ge­genge­set­zte Entwick­lung, die in Beispiel 2 an trotz sicht­bar wird: Manche Prä­po­si­tio­nen, die eigentlich einen Dativ ver­lan­gen, wech­seln nach und nach zum Genitiv:

trotz dem guten Wet­ter → trotz des guten Wetters

dank dem guten Wet­terdank des guten Wetters

Eichingers Kor­pus­recherche zeigt, dass der Dativ in bei­den Fällen zurück­ge­ht. Ich habe zwei sein­er Grafiken zusam­menge­fasst ((Mit vie­len Tricks und einem Lin­eal, denn die absoluten Zahlen sind lei­der nicht pub­liziert.)), sodass der sink­ende Anteil des Dativs im Ver­gle­ich zum Gen­i­tiv dargestellt wird: ((Gen­i­tiv und Dativ machen also zusam­men 100% aus.))

13-11-21-danktrotzBei trotz war der Wech­sel zum Gen­i­tiv bere­its Anfang des 20. Jahrhun­derts fast kom­plett, bei dank hinge­gen tut sich richtig viel. Hier lässt sich also tat­säch­lich eine Ecke aus­machen, in der sich neue Kon­texte für den Gen­i­tiv auf­tun. Trotz des (!) eben­falls belegten Wech­sels zum Dativ, wie bei wegen, und einiger Prä­po­si­tio­nen, die kein klares Bild ergeben (zum Beispiel ent­lang), kon­sta­tiert Eichinger, dass der Gen­i­tiv zum »schrift­sprach­lichen Prä­po­si­tion­al­lka­sus« werde, zumin­d­est wenn die Prä­po­si­tio­nen kausale Bedeu­tung haben.

Auch hier kann der Wech­sel wieder mit ein­er hohen Zahl unklar­er Fälle begrün­det wer­den – die Fem­i­ni­na, bei denen man nicht entschei­den kann, ob sie im Dativ oder Gen­i­tiv ste­hen (dank ihrer Posi­tion), machen je nach Zeit und Prä­po­si­tion zwis­chen 40 und 70% der Belege aus.

Dativ, Genitiv, Tod?

Die vie­len unklaren Fälle leg­en nicht automa­tisch eínen der bei­den Kasus nahe. Das sehen wir daran, dass die Gen­i­tivob­jek­te zugun­sten des Dativs abge­baut wer­den, die von Prä­po­si­tio­nen regierten Dative aber teil­weise zu Gen­i­tiv­en wech­seln. Die Unein­deutigkeit­en im Sys­tem ermöglichen also eine Neuord­nung, ohne dabei einen Kasus vorherzubestimmen.

Der Gen­i­tiv zieht sich in der Schrift­sprache, betra­chtet man alle drei Funk­tio­nen, von der Satzebene zurück (keine Gen­i­tivob­jek­te mehr) und ver­legt sich darauf, inner­halb einzel­ner Satzglieder zu wirken: In ein­er Nom­i­nalphrase als Gen­i­ti­vat­trib­ut, in ein­er Prä­po­si­tion­alphrase als von der Prä­po­si­tion gefordert­er Kasus.

Möglicher­weise han­delt es sich dabei aber nur um ein Rück­zugs­ge­fecht – der Ein­fluss der weit­ge­hend gen­i­tivfreien gesproch­enen Sprache kön­nte sich auch hier zunehmend auswirken. Selb­st wenn das passieren würde, stün­den wir im Deutschen allerd­ings nicht vor einem gram­ma­tis­chen Trüm­mer­haufen: Alle gram­ma­tis­chen Funk­tio­nen, der­er (!) wir bedür­fen, stün­den weit­er­hin zur Ver­fü­gung, in ander­er Form aber gle­ich­er Verständlichkeit.

Viele weit­ere Phänomene aus dem Bericht zur Lage der deutschen Sprache haben wir in der Ver­gan­gen­heit bere­its hier im Sprachlog beleuchtet – zum Beispiel was »Flex­ion­sklassen« sind und unter welchen Umstän­den das Gen­i­tiv-s ver­schwindet. 

10 Gedanken zu „Zur Lage der deutschen Flexion, oder: Dativ, Genitiv, Tod?

  1. Martina

    Im gesproch­enen Deutschen gibt es neben der Prä­po­si­tion­alphrase mit “von” noch eine weit­ere Möglichkeit, eine Funk­tion des Gen­i­tivs auszu­drück­en, näm­lich die der Besitzanzei­gung. Beispiele wie “Dem Otto sein Sohn ist dieses Jahr in die Schule gekom­men” oder “Dem sein Auto gefällt mir” erscheinen im ersten Moment sehr umgangssprach­lich und wenn man Leute darauf anspricht, bekommt man Antworten wie “Oh Gott, was für eine schreck­liche Gram­matik, die deutsche Sprache ist in Gefahr, man muss den Kindern in der Grund­schule abso­lut ler­nen, dass das falsch ist”. Dabei wird der adnom­i­nale pos­ses­sive Gen­i­tiv im gesproch­enen Deutsch viel häu­figer ver­wen­det als man glauben mag. Ein Ansatz hierzu ist in 177 aus­gew­erteten Frage­bö­gen zu erkennen.

    Wenn es stimmt, dass Sprech­er in der alltäglichen Kom­mu­nika­tion in näh­es­prach­lichen Sit­u­a­tio­nen (evtl. bish­er in bes­timmten Regio­nen) eher dazu tendieren “dem/den/’n Otto sei/sein Sohn” zu sagen statt “Ottos Sohn”, was ja eigentlich kürz­er wäre, dann kön­nte dies ein weit­er­er Beleg für den Rück­zug des Gen­i­tivs in die Schrift­sprache sein. 

    [Das The­ma war Gegen­stand eines ger­man­is­tis­chen Haupt­sem­i­nars “Norm und Vari­a­tion” mit Hausar­beit an der FAU-Erlan­gen-Nürn­berg im WiSe 2011/12]

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  2. Kristin Kopf Beitragsautor

    Vie­len Dank für die Ergänzun­gen, Mar­ti­na! Ich habe die pos­ses­siv­en Ersatz­for­men nicht mit rein­genom­men, weil sie umgangssprach­lich (noch) stärk­eren Restrik­tio­nen zu unter­liegen scheinen als die von-Phrase (häu­fig beschränkt auf belebte Pos­ses­soren) — das muss aber natür­lich nicht so bleiben.

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  4. anni

    Vie­len Dank für diesen Artikel! Wie immer eine reine Lese-Freude. Ger­ade trotz und dank verun­sich­ern mich mit­tler­weile immer wieder, weil zumin­d­est mein­er Wahrnehmung nach bei­de Wen­dun­gen mit bei­den Kasus gle­icher­maßen und häu­fig ver­wen­det werden. 

    Außer­dem: ist das Beispiel aus der Zeit um das Mobil­tele­phon der Kan­z­lerin nun zumin­d­est for­mal kor­rekt? Oder ist es auch gram­matikalisch so krumm, wie es sich anhört?

    Ich weiß ja nicht, ob man sich hier was wün­schen darf, aber falls doch: mich würde eine Erk­lärung für das sech­ste Beispiel ganz oben (mit langem weißem Haar – mit langem weißen Haar) bren­nend inter­essieren. Ich benutze die zweite Vari­ante, kann aber nicht erk­lären, wieso mir das “richtiger” erscheint als Vari­ante 1. Also, nur für den Fall, dass Euch beim Sprachlog wirk­lich keine The­men mehr ein­fall­en sollten…

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  5. Kristin Kopf Beitragsautor

    @anni: Freut mich, dass es Spaß gemacht hat. Zur Kan­z­lerin: Uffz. Das kommt drauf an, was man unter “kor­rekt” ver­ste­ht. Wenn die Frage ist, ob Gram­matiken es aktuell zulassen: Da müsste ich auch suchen. Vielle­icht ein­fach mal Dr. Bopp fra­gen? Halb­wegs ver­gle­ich­bare Sätze (die Erhal­tung Bor­neos bedro­ht­en Urwaldes) beze­ich­net er als “sel­ten” (hier), aaaaber er sagt auch “Wenn vor dem Nomen kein Artikel­wort und kein flek­tiertes Adjek­tiv ste­ht, kann kein Gen­i­ti­vat­trib­ut ver­wen­det wer­den.” (Beispiel *die Fil­terung Trinkwassers.)
    Ich finde die Frage let­ztlich aber rel­a­tiv unin­ter­es­sant, viel inter­es­san­ter finde ich den tat­säch­lichen (Nicht-)Gebrauch und mögliche Gründe dafür.

    Zu -em/en kann ich bei Gele­gen­heit gerne mal was schreiben, es ist ein eher obskures The­ma, aber warum nicht.

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  6. gnaddrig

    @ Mar­ti­na: Meines Wis­sens stammt die Kon­struk­tion “dem x sein y” aus dem Niederdeutschen. Bei uns im Dorf waren übri­gens auch For­mulierun­gen wie “Meine Mut­ter sein Fahrrad”, das 1:1 aus dem Plattdeutschen über­nom­men ist.

    Und im Ale­man­nis­chen heißt es auch “Vater siin Huus”. Möglicher­weise gibt es noch mehr Mundarten, in denen ähn­lich for­muliert wird. Jeden­falls wäre es kein Wun­der, wenn in Gebi­eten mit so for­mulieren­den Mundarten diese For­mulierun­gen auch ins Hochdeutsche über­nom­men würden.

    Insofern kön­nte es sein, dass es sich nicht um einen Rück­gang des Gen­i­tivs im Hochdeutschen han­delt, son­dern um eine Bewe­gung von streng hochsprach­lichem zu mehr mundart­bee­in­flusstem Sprachgebrauch.

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  7. Martina

    Oh weh, (lin­guis­tis­ch­er) Fehler­teufel! Ich meinte natür­lich “adnom­i­naler pos­ses­siv­er Dativ” als Beze­ich­nung für das “dem x sein y”-Pattern; im Eifer des Gefechts ist mir da der Gen­i­tiv raus­gerutscht, Entschuldigung!

    @Kristin: Ja das stimmt, derzeit scheint die Ver­wen­dung des Dativs noch auf belebte Pos­ses­soren beschränkt zu sein. Wie du richtig sagst, muss es the­o­retisch nicht dabei bleiben. Wir dacht­en, dass Wen­dun­gen wie “dem Haus sein Dach” kat­e­gorisch als unakzept­abel gel­ten, einige Per­so­n­en fan­den sie aber doch akzept­abel, wen­ngle­ich sehr wenige. 

    @gnaddrig
    Danke für den Kom­men­tar! Der Frage, woher die For­mulierung genau stammt, war ich bish­er nicht weit­er nachge­gan­gen. Eine Ver­mu­tung, die sich aus der syn­chro­nen Date­n­analyse ergeben hat, ist, dass auch eine dop­peldeutige Syn­tax und Verteilung der seman­tis­chen Rollen dazu führen kann / kon­nte, dass “dem x sein y” als zusam­menge­höriger Aus­druck wahrgenom­men wer­den kann und nicht nur der Gen­i­tiv Pos­ses­sion aus­drück­en kann, son­dern auch der Dativ, z.B. in “Der Ref­er­ent nutzte bei der Ver­samm­lung die Möglichkeit, der Stadt ihre Gren­zen aufzuzeigen.”

    Die Tat­sache, dass die Wen­dung in vie­len Dialek­ten, sowohl in Nord als auch Süd, schein­bar seit Langem zu beste­hen scheint, lässt die Frage aufkom­men, warum sie im Hochdeutschen als nicht der Norm entsprechend gilt. Wenn ich mich richtig erin­nere, wurde sie tat­säch­lich im Zuge der Normierung und Gram­matikschrei­bung der deutschen Sprache im 18. / 19. Jahrhun­dert als “nicht schön” eingestuft und war damit ver­pönt. Den­noch hat sie in der Mundart (Sin­gu­lar stel­lvertre­tend für viele) bis heute über­lebt und scheint auch nicht einem Ende ent­ge­gen zu gehen. 

    Wie viel Mundart und Umgangssprache im Hochdeutschen steckt, ist eine span­nende Frage, sowohl syn­chron als auch diachron!

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  8. Dem-Vater-sein-Sohn

    Es mag manchem im Nor­den ja komisch vorkom­men, aber diese Form ist zumin­d­est bei uns im Süd­west­en seit langer Zeit gebräuch­lich und wird vom Dialekt in die Hochsprache übernommen.

    das ist (d)em Tobi sein Vater”

    Es ist span­nend wie sich die deutsche Sprache entwickelt.

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