Sprachpolizeiliche Ermittlungen [re:publica]

Von Anatol Stefanowitsch

Hier nun also das Video meines Vor­trags „Sprach­polizeiliche Ermit­tlun­gen“ von der re:publica 2014, ergänzt um die wichtig­sten im Vor­trag erwäh­n­ten Texte, weit­ere Links und Berichte zum Vor­trag und eine PDF-Datei der Präsentation.

Wichtigste im Vortrag erwähnte Texte

Links

Präsentation

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  • YouTube-Playlist mit weit­eren Vorträ­gen von mir zu den The­men gerechte Sprache, Sprachkri­tik usw.

16 Gedanken zu „Sprachpolizeiliche Ermittlungen [re:publica]

  1. thebas

    Danke für diesen Vor­trag. Möchte trotz­dem auf ein Detail aufmerk­sam machen, das mich stört: Die Sache mit den Klis­chees. Ich stimme inhaltlich zu, dass die beschriebe­nen Ver­hal­tensweisen kon­trapro­duk­tiv und über­haupt zweifel­haft sind. Das sind sie aber nicht, weil sie Klis­chees sind, son­dern aus ihrer jew­eili­gen eige­nen Beschaf­fen­heit. Und warum mir das wichtig ist ist ein ander­er Kon­text, in dem diese For­mulierung immer wieder auf­taucht, näm­lich wenn von Mit­gliedern ein­er mar­gin­al­isierten Gruppe erwartet wird, sich von dieser zu dis­tanzieren, indem sie nur ja keine dieser Gruppe zugeschriebe­nen und als neg­a­tiv bew­erteten Eigen­schaften zeigen. Also: Wenn ich als Sprach­pro­gres­sive nicht tat­säch­lich Sprach­polizei spiele, weil ich das aus Grün­den falsch finde: gut. Wenn ich es ver­mei­de, um nicht die Klis­chees zu bestäti­gen und jeman­dem “Genug­tu­ung zu ver­schaf­fen” oder “mein­er Sache zu schaden”: Nicht gut, denn während das “nur” eine poli­tis­che Ansicht ist, würde ich mich mich auf­grund dieser Verbindung doch fra­gen, welche Teile mein­er Iden­tität ich denn im sel­ben Atemzug ver­leug­nen soll, um “es ihnen nicht so leicht zu machen” oä.

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  2. ichhalt

    In der Tat ein sehr inter­es­san­ter Vor­trag, vie­len Dank. Eine Frage hätte ich noch, die zwar nur am Rande mit dem The­ma zu tun hat, die ich mir hier im Sprachlog aber schon ein paar mal gestellt habe. Und zur Sicher­heit: Ja, mich inter­essiert die Antwort wirk­lich (ich stelle sie also aus intelek­tueller Neugierde) 😉 

    Warum Inhaltswar­nun­gen? Ich wun­dere mich da jedes mal darüber.
    Ich meine, ihr seid doch Sprach­wis­senschaftler. Ihr unter­sucht diskri­m­inierende Sprache. Sind die durch­schnit­tlichen Inter­net­be­nutzer/-innen wirk­lich nicht in der Lage, zu unter­schei­den, ob /über/ “böse” Wörter gere­det wird oder ob sie als solche /benutzt/ werden?
    Oder steckt da mehr dahin­ter, auf was ich nicht selb­st komme?

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Die Inhaltswar­nun­gen sind für diejeni­gen, die durch diese Sprache direkt diskri­m­iniert wer­den und die bei Bedarf die Möglichkeit haben sollen, sich das nicht anzusehen/durchzulesen, um mit diesen Wörtern nicht kon­fron­tiert zu werden.

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  3. Langenberg

    Zitat:

    Faz­it
    Und nun?
    Alice: Also, sollen wir jet­zt über­haupt ver­suchen, die Sprache zu verän­dern, oder ist das alles aussichtslos?
    Bob: Man müsste mal jeman­den fra­gen, der sich mit sowas ausken­nt. Vielle­icht den Ana­tol Stefanowitsch?
    Ana­tol: Ja, ist völ­lig aus­sicht­s­los. Wir soll­ten es auf jeden Fall versuchen

    M. Mei­n­ung, eine Unserung:

    Nur eine Sprachge­mein­schaft oder eine Sprach­gruppe (für den inter­nen Verkehr) kann Kon­ven­tio­nen verän­dern — nach Übereinkunft.
    “Profx”-Lösungen sind Unsinn.

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  4. Sebastian

    Danke für den inter­es­san­ten Vor­trag. Ich begrüße jeden Ver­such, diesen Stre­it mal ein biss­chen mit Infor­ma­tion und Ratio­nal­ität anzure­ich­ern. Davon bräucht­en wir viel, viel mehr, und ich würde auch sagen: auf bei­den Seiten.

    Eines hat mir allerd­ings gefehlt, das für Form und Ver­lauf dieser Kon­flik­te m.E. nicht unwichtig ist: Die Neuerun­gen der “Sprach­pro­gres­siv­en” im Sinn des Vor­trags bein­hal­ten moralis­che Vor­würfe und Urteile an die Adresse der in diesem Sinn nicht so Pro­gres­siv­en. Das kommt in Begrif­f­en wie “Sprach­han­deln” oder sog­ar “sprach­liche Gewalthand­lung” zum Aus­druck. Wenn Leute, die ganz nor­mal und ohne böse Absicht sprechen, wie sie es gel­ernt haben, pauschal und en masse zu Gewalt­tätern erk­lärt wer­den, dann erk­lären sich daraus deren oft­mals wütende Reak­tio­nen, ein­schließlich der von Ihnen beklagten Weigerung, sich zu informieren. Wenn Sie eine Kom­mu­nika­tion mit einem moralis­chen Urteil über das Gegenüber eröff­nen, wer­den Sie sel­ten zu frucht­baren Resul­tat­en kommen.

    Damit sage ich gar nichts über den Wert und die Berech­ti­gung der jew­eili­gen sprach­lichen Neuerung im Einzel­nen, die ich per­sön­lich von Fall zu Fall beurteilen würde, statt mich in irgend ein Lager zu stellen. (Konkret: Ich sehe das Prob­lem diskri­m­inieren­der Sprache, aber ich sehe es nicht unbe­d­ingt über­all, wo andere es sehen, und ich muss deswe­gen auch nicht jeden Lösungsvorschlag gut find­en.) Vielle­icht wür­den die hier als pro­gres­siv Beze­ich­neten ihrer Sache bess­er dienen, wenn sie sich beim Herumvor­wur­fen ein wenig mäßi­gen wür­den und ein Min­i­mum an zivilem Respekt auch für die zeigen wür­den, die sie als Feinde iden­ti­fiziert haben, statt sie eben ein­fach als Feinde zu iden­ti­fizieren und zum Abschuss freizugeben (zuge­spitzt natür­lich). Und vielle­icht wäre es auch ihrem eige­nen Glück zuträglich­er, die Gesellschaft und die Sprache nicht immer nur unter dem Gesicht­spunkt von Gewalt, Auss­chlüssen und unver­söhn­lichen Antag­o­nis­men zu betra­cht­en und in der Kon­se­quenz den ganzen Tag und über­all lauter Täter und schlechte Men­schen zu sehen. Das kann ja nur deprim­ierend sein und zur Verzwei­flung führen und wird den so Beurteil­ten auch sich­er nicht gerecht.

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  5. ichhalt

    Danke für die Antwort.
    Das heißt, die Inhaltswar­nung bezieht sich nicht (nur) auf die tat­säch­lich gebrauchte Sprache in Form von Beispie­len son­dern all­ge­mein auf die Tat­sache, dass über Diskri­m­inierung gesprochen wird? 

    Irgend­wie habe ich es immer nur auf die bes­timmten Worte/Ausdrucke bezogen … 

    Aber wenn/falls ich das jet­zt so richtig ver­standen habe, ist das für mich auch einleuchtender.

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  6. Pingback: #rp14 – Recap und kleine Blogschau zum ersten Tag der re:publica 2014 | Kotzendes Einhorn

  7. Stephanie Bart

    Lieber Herr Stefanowitsch,
    bitte ver­gle­ichen Sie N- und Z‑Wort-Ver­wen­dung in Ihrem Vor­trag, danke.

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  8. Steffen

    Danke für den span­nen­den und unter­halt­samen Vor­trag. Eine Anmerkung hätte ich aber doch noch. Ich finde das Beispiel, was du beim “inten­tionalen Fehlschluss” gewählt hast, nicht ganz gelun­gen. Du lässt Dave sagen, dass er die Beze­ich­nung “Zige­uner” nicht schlimm find­et, weil fahren­desvolk-roman­tik-leck­er­schnitzel. Im Vor­trag kommt es so rüber, als ob man das auch für sich so meinen kön­nte und damit also wirk­lich keine neg­a­tiv­en (aka antizigan­is­tis­chen) Bilder verbinden würde. Das Neg­a­tive träte dann erst auf, wenn Dave auf die Mehrheits­ge­sellschaft trifft und diese mit dem Wort ganz andere Bilder verbinden. Mein Prob­lem ist nun, dass bere­its die ver­meintlich pos­i­tiv­en Vorstel­lun­gen die du Dave in den Mund legst, zutief­st Antizigan­is­tisch sind. Markus End hat in seinen Veröf­fentlichun­gen recht überzeu­gend dargelegt, dass ver­meintlich pos­i­tive Bilder wie Aben­teuer­lust, frei­heit­sliebend und musikalisch sein etc. eigentlich nur die zweite Seite ein­er antizigan­is­tis­chen Medaille sind und bei genauer­er Betra­ch­tung die sel­ben Dinge meinen, die du der Mehrheits­ge­sellschaft in die Bub­ble packst (“asozial”, “Bet­tler” usw.). Sprich, ich bin mir nicht sich­er, ob dein Dave selb­st wirk­lich das meint, was er sagt.

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Der Punkt soll hier nicht sein, dass Dav­es Inter­pre­ta­tion nicht ras­sis­tisch wäre, son­dern, dass sich Dave nicht auf seine indi­vidu­elle Inter­pre­ta­tion berufen kann, wenn die völ­lig von der der Sprachge­mein­schaft ins­ge­samt ist. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, hätte ich die Fehlschlüsse aber noch etwas stärk­er ausdifferenziert.

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  9. Ferrer

    Inter­es­san­ter Vor­trag, lei­der viel zu schnell und heck­tisch vor­ge­tra­gen. Ich kann nur hof­fen, dass Sie nicht ver­dol­metscht wur­den, ich müsste den Kol­le­gen son­st sehr bedauern. Wie kommt das? Sie sind es doch als Dozent gewohnt, vor Pub­likum zu reden. Ner­vosität kann es also kaum sein. Haben Sie das alles schon so oft gesagt, dass Sie es sel­ber lang­weilig find­en und daher möglichst schnell hin­ter sich brin­gen möcht­en? Das wäre bedauer­lich, ger­ade für eine Dozen­ten. Oder ver­suchen Sie, soviel wie nur möglich in die kurze Zeit, die Ihnen zuge­s­tande wurde, hineinzu­pressen? Das wäre ein sehr typ­is­ch­er Fehler. Sie über­fordern viele Zuhör­er, die nicht ohne­hin wis­sen, was Sie sagen wollen. Sie ren­nen offene Türen ein, aber erre­ichen ger­ade die nicht, die das, was Sie meinen, nicht ken­nen. Bei Re:publica spielt es ver­mut­lich keine Rolle, aber ich musste nach 20 min. aufgeben. Schade, aber es wurde mir zu hecktisch.
    Ich schliesse mich Mar­tin an: kann man das alles irgend­wo nach­le­sen? Sie schreiben viel bess­er als Sie reden (oder ich lese bess­er als ich zuhöre)

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  10. Matthias

    Zu “Fer­rer” über mir möchte ich sagen, dass ich den Vor­trag eben­falls rel­a­tiv “hek­tisch” fand. Ich habe mir das damit erk­lärt, dass möglichst viele Infor­ma­tio­nen in rel­a­tiv kurz­er Zeit abge­han­delt wer­den soll­ten. Ich kon­nte dem Inhalt zwar bis zum Ende prob­lem­los fol­gen, würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht meine volle Aufmerk­samkeit erfordert hätte. Dabei hat sicher­lich geholfen, dass ich selb­st (wenn auch fach­fremder) Wis­senschaftler bin und aus per­sön­lichem Inter­esse bere­its einige der dargestell­ten Dinge kan­nte. Man muss daraus wohl schließen, dass jemand mit durch­schnit­tlichem Intellekt und ohne Vorken­nt­nisse völ­lig ver­loren gewe­sen wäre. Lei­der ist dies genau die Gruppe, die solch einen Vor­trag drin­gend nötig hätte.

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