Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Es ist sich­er immer schw­er, der Öffentlichkeit die Notwendigkeit von Grund­la­gen­forschung ver­ständlich zu machen. Aber man stelle sich vor, eine Gruppe von Physik­ern hätte von der Regierung 670.000 Euro erhal­ten, um die Anzahl und die Eigen­schaften von Ele­men­tarteilchen zu erforschen (nicht, dass sie damit weit kämen — man kön­nte mit dieser Summe einen Teilchenbeschle­u­niger keine 10 Tage lang mit Strom ver­sor­gen). Müssten sie fürcht­en, dass der Bund der Steuerzahler sich darüber mit der Begrün­dung beschw­ert, man wisse doch bere­its, dass es unter­schiedliche Ele­men­tarteilchen gebe? Wahrschein­lich nicht. Weit­er­lesen

Satz und Sieg

Von Anatol Stefanowitsch

Seit ein paar Wochen sucht die Ini­tia­tive deutsche Sprache gemein­sam mit der Stiftung Lesen den „Schön­sten ersten Satz“ eines deutschsprachi­gen Romans. Noch bis zu 21. Sep­tem­ber 2007 kann man seinen Vorschlag online ein­re­ichen. Ins­ge­samt gefällt mir diese Aktion. Der erste Satz eines Romans entschei­det ja oft darüber, ob man über­haupt weit­er­li­est (zumin­d­est, wenn man, wie ich, eine kurze lit­er­arische Aufmerk­samkeitss­panne hat). Und wenn es einen schön­sten solchen Satz gibt, dann ist der Ver­such, ihn in einem deutschsprachi­gen Roman zu find­en, eine schöne Art, sich für die deutsche Sprache zu begeis­tern ohne dabei auf anderen Sprachen herumzuhacken.

Aber ganz ohne Nörgeln geht es trotz­dem nicht. Erstens: was hat ein Hand­ball­train­er in der Jury zu suchen? Ich bin dur­chaus sport­begeis­tert (für die Bun­desli­ga kann ich sehr viel mehr Aus­dauer auf­brin­gen als für die Klas­sik­er der amerikanis­chen Gegen­wart­slit­er­atur, und obwohl ich kein großer Hand­ball­fan bin, bin ich auf „unseren“ Welt­meis­ter­ti­tel natür­lich stolz). Aber warum Sport und Kul­tur ständig in einem Atemzug gedacht und genan­nt wer­den ist mir trotz­dem ein Rät­sel. Zweit­ens: es wird der schön­ste erste Satz eines deutschen Romans gesucht, und der erste Preis ist dann aus­gerech­net eine Reise nach New York?

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch
Suche nach der <em>Grafikkarte</em> im Apple Store

Suche nach der Grafikkarte im Apple Store

Sprach­blogleser NvonX hat mich auf diese schöne Geschichte hingewiesen: Wer beim deutschen Apple Store nach ein­er „Grafikkarte“ sucht, wird streng­stens zur Ord­nung gerufen: „Die Suche nach unangemesse­nen Wörtern wird nicht unter­stützt“, teilt einem die Such­mas­chine mit, bevor sie mit­teilt, dass keine Ergeb­nisse gefun­den wur­den und dass man doch bitte die Schreib­weise der Such­wörter über­prüfen solle. Weit­er­lesen

Anatol Columbus

Von Anatol Stefanowitsch

Mein Beruf bietet sich nicht unmit­tel­bar dazu an, seinen Kindern davon zu erzählen, was man eigentlich den lieben lan­gen Tag so macht. Am ehesten kann man ihnen wohl den Aspekt der Lehre ver­mit­teln („Ich bin ein Lehrer für Erwach­sene“). Irgend­wie hat sich meine Tochter trotz­dem einen Ein­druck davon gebildet, dass da noch mehr dazu gehört. Weit­er­lesen

Paint It, Pink

Von Anatol Stefanowitsch

In vie­len asi­atis­chen Län­dern dient die englis­che Sprache rein deko­ra­tiv­en Zweck­en. Das lateinis­che Alpha­bet und die englis­che Orthografie scheinen dort ein ähn­lich­es ästhetis­ches Empfind­en anzus­prechen, wie es chi­ne­sis­che Schriftze­ichen bei uns tun. Der Inhalt spielt dabei keine Rolle. Die Mach­er von T‑Shirts, Taschen und Postern wer­fen oft mit völ­lig beliebige Wörter und Pseudowörter um sich, oder sie klauen Absätze aus ver­schiede­nen Quellen und kom­binieren sie zu inkon­gru­enten Textcol­la­gen. Weit­er­lesen

Zerstörerische Briten

Von Anatol Stefanowitsch

Son­ntags räume ich immer meinen Spamord­ner auf und dabei ist mir heute dieser schöne Satz aufgefallen:

Du bist als ein­er von zwei Siegern des BRITISCHEN NATIONALEN LOT­TERIE-Com­put­er­stim­mzet­tels zeichnest vorgewählt wor­den und fol­glich bist du eine priv­i­legierte Empfänger des großar­ti­gen Betrag­preiss von £650,412.00 (sechs hun­dert und fün­fzig tausend vier­hun­dert und zwölf Briten zer­stoßen Ster­ling), im Bargeld. 

Warum tun die das?“ habe ich mich natür­lich sofort gefragt. Wozu brauchen die zer­stoßenes Geld oder zer­stoßene Autos oder zer­stoßene Maschi­nengewehre oder zer­stoßene Katzen oder zer­stoßene — gut, ich hör’ ja schon auf. Weit­er­lesen

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Die taz berichtet über neue Entwick­lun­gen im Fem­i­nis­mus, der schein­bar mit gesellschaftlichen Verän­derun­gen nicht mithal­ten kon­nte und „irgend­wie daneben herum­ste­ht“. Das will der Sam­mel­band Das F‑Wort. Fem­i­nis­mus ist sexy (Hg. Mir­ja Stöck­er, König­stein, 2007) ändern, indem die Autor/innen ver­suchen, „den Frei­heits­be­griff des alten Fem­i­nis­mus aus seinen iden­tität­spoli­tis­chen Fän­gen zu befreien, ohne ihn deshalb aufzugeben“. Weit­er­lesen

Schadenfreude

Von Anatol Stefanowitsch

Let­zte Woche habe ich über Don DeLil­lo und ungewöhn­liche Kom­bi­na­tio­nen von Gefühlen geschrieben und dabei das deutsche Lehn­wort schaden­freude im Englis­chen erwähnt.

Zur Erin­nerung, das Cam­bridge Advanced Learn­ers Dic­tio­nary definiert dieses Lehn­wort wie folgt:

schaden­freude

noun [U]

a feel­ing of plea­sure or sat­is­fac­tion when some­thing bad hap­pens to some­one else

Ein Gefühl von Freude oder Befriedi­gung also, wenn jemand anderem etwas Schlecht­es zustößt. Weit­er­lesen

Alles geht, oder?

Von Anatol Stefanowitsch

Für Deskrip­tivis­ten gibt es kein Richtig oder Falsch. Alles geht.“ So hat eine mein­er Stu­dentin­nen kür­zlich in ein­er Sem­i­nardiskus­sion den Begriff Deskrip­tivis­mus definiert.

Nein. Auch Deskrip­tivis­ten unter­schei­den zwis­chen „richti­gen“ und „falschen“ Struk­turen. Der Unter­schied zwis­chen Deskrip­tivis­ten und Präskrip­tivis­ten liegt in der Grund­lage, auf der sie diese Unter­schei­dung tre­f­fen. Für Präskrip­tivis­ten ist ein sprach­lich­er Aus­druck „falsch“, wenn er irgendwelche von Außen aufge­set­zten Nor­men ver­let­zt (sie sehen Sprache als eine Samm­lung von Ben­imm­regeln). Für Deskrip­tivis­ten ist ein sprach­lich­er Aus­druck „falsch“, wenn er den Regeln wider­spricht, denen die Sprech­er der Sprache unbe­wusst fol­gen (sie sehen Sprache als eine kom­plexe kog­ni­tive Fähigkeit). Weit­er­lesen

Telefonischer Sprachverfall

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen ist die Geschichte schon durch die irische Presse gegan­gen, jet­zt hat der Süd­kuri­er sie aufge­grif­f­en: die schulis­chen Leis­tun­gen der irischen Jugend lei­den unter dem Ein­fluss mod­ern­er Kom­mu­nika­tion­stech­niken. Zumin­d­est behauptet das ein Bericht, den das irische Bil­dungsmin­is­teri­um in Auf­trag gegeben hat: Weit­er­lesen