Schlagwort-Archive: Isländisch

Schneeschleudern

Von Anatol Stefanowitsch

Im Lan­guage Log, der Mut­ter aller Sprach­blogs, kämpft man seit vie­len Jahren gegen den Mythos von den vie­len (50, 100, 200, 500, …) Eski­mo-Wörtern für Schnee, den ich im Bre­mer Sprach­blog auch schon ein paar Mal behan­delt habe. Obwohl die Kol­le­gen in Dutzen­den von Beiträ­gen ver­sucht haben, den Mythos zu entkräften, find­et sich fast jede Woche jemand, der ihn an sicht­bar­er Stelle in den Medi­en wiederholt.

Es ist deshalb sich­er ver­ständlich, dass die Autoren des Lan­guage Log mit­tler­weile auf die bloße Erwäh­nung von Schnee­vok­ab­u­lar gereizt reagieren. Trotz­dem finde ich, dass Lan­guage Log­ger Ben Zim­mer in seinem jüng­sten Beitrag zum The­ma etwas überempfind­lich wirkt. The­ma des Beitrags ist fol­gen­des Wer­be­plakat des isländis­chen Bek­lei­dung­sh­er­stellers 66° North:

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Wie man unnötig lange Vulkannamen zurechtstutzen kann …

Von Kristin Kopf

Schon seit Beginn des Aschewolk­endra­mas schreibt FAZ.net (nicht als einzige) ziem­lich kon­se­quent vom Eyjaf­jal­la. Eine Miniauswahl:

Zu Beginn des ganzen Dra­mas schrieb man zuweilen noch vom Eyjaf­jal­la-Gletsch­er und dem Aus­bruch des isländis­chen Vulka­ns am Eyjafal­la-Gletsch­er, aber auch schon vom Eyjaf­jal­la-Vulkan.

Gletscher = Berg = Vulkan?

Ich habe hin- und herg­erät­selt warum, denn wirk­lich Sinn ergibt das für mich nicht. Ich erin­nere: Eyjaf­jal­la­jökull heißt ‘Insel(n)bergegletscher’. Der Gletsch­er heißt so und der Vulkan unter dem Gletsch­er heißt auch so, sagt die deutsche Wikipedia.

Wenn man den ‘Gletsch­er’ weglässt, wie die FAZ das tut, erhält man also nicht den “echt­en” Namen des Vulkans.

Die Hart­näck­igkeit der FAZ hat mich dann aber doch verun­sichert, und so zog ich aus zu klären, ob das Wort auch wirk­lich den gesamten Berg inklu­sive Vulkan beze­ich­net. Weit­er­lesen

[Surftipp] Language Log und der Eyjafjallajökull

Von Kristin Kopf

Heute nur ein schneller Surftipp: Mark Liber­man hat beim Lan­guage Log über die Aussprache von Eyjaf­jal­la­jökull (dem lusti­gen, asches­puck­enden isländis­chen Vulkan) geschrieben, mit vie­len Hörbeispielen.

Das ist ein Kom­posi­tum aus drei Wörtern: Eyjafjal­lajökull ‘Insel(n)+berge+gletscher’. fjal­la ist Gen­i­tiv Plur­al, bei eyja bin ich mir nicht sich­er – kön­nte Nom­i­na­tiv Sin­gu­lar oder Gen­i­tiv Plur­al von eyja sein, oder nur Gen­i­tiv Plur­al von ey, bei­des heißt wohl ‘Insel’. (Alle Kasus­bes­tim­mungen nach diesem Wörter­buch.)

Vulkan heißt auf Isländisch übri­gens eld­f­jall ‘Feuer­berg’ oder eld­stöð, dessen Zweit­glied ich aber nicht über­set­zen kann.

Update 20.4.

Da zur Zeit sehr viele Leute über die Suche “Eyjafal­la­jökull Aussprache” herg­er­at­en, aber nur unge­fähr zwei Drit­tel von ihnen zum Lan­guage Log weit­erk­lick­en, hier ein prag­ma­tis­ch­er Aussprachevorschlag mit dem deutschen Schrift­sys­tem: ej.ja.fjat.la.jö.kütl (alle Vokale kurz). Und ein Link zur gesproch­enen Ver­sion der Wikipedia: Eyjafal­la­jökull.

Eldstöð

Es war einmal … das Althochdeutsche

Von Kristin Kopf

Ich werfe hier ja ständig mit Sprach­pe­ri­o­den­beze­ich­nun­gen wie Althochdeutsch, Indoger­man­isch oder Früh­neuhochdeutsch um mich. Wahrschein­lich kön­nen sich die meis­ten von Euch vorstellen, dass Althochdeutsch sehr alt ist, aber in welche Jahrhun­derte es konkret fällt, ist wohl kein Allgemeinwissen.

Diese Es-war-ein­mal-Rei­he will Abhil­fe schaf­fen: Ich ordne eine der Vorstufen des Deutschen zeitlich ein und erzäh­le ein bißchen was drüber. Los geht’s mit dem Althochdeutschen, weil das die älteste Form des Deutschen ist.

2009-09-24-AhdDas Althochdeutsche wird für die Zeit zwis­chen 500 und 1050 nach Chris­tus ange­set­zt, also für rund 550 Jahre. Das ist eine Menge Zeit, man kann sich also schon denken, dass man da nur schw­er von ein­er ein­heitlichen Sprache aus­ge­hen kann.

500/750? Hä?

Der Beginn des Althochdeutschen wird oft mit einem lusti­gen Schrägstrich angegeben. Das heißt nicht, dass man ihn sich aus­suchen kann – für bei­de Zahlen gibt es gute Gründe:

[Ich benutze jet­zt erst­mals diese Abschnitts­funk­tion um mehr als nur Fußnoten zu ver­steck­en. Für den Haupt­teil des Artikels also hier klicken:]

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Von Pentekoste zu Pfingsten: Die 2. Lautverschiebung schlägt zu

Von Kristin Kopf

Ah, endlich wieder ein kirch­lich­er Feiertag, der der Erläuterung bedarf. Fro­he Pfingsten!

Das Wort kommt von griechisch pen­tēkostē ‘fün­fzig­ster (Tag nach Ostern)’. Im Althochdeutschen gibt es keine belegten For­men davon, son­dern nur die Form fim­fchusti. Bei ihr wurde der erste Bestandteil der griechis­chen Zahl, das pent-, ein­fach über­set­zt: fimf ‘fünf’. Es muss aber auch das entlehnte Wort schon gegeben haben, denn im Mit­tel­hochdeutschen stoßen wir auf pfin­geste(n), einen Nach­fol­ger des griechis­chen Wortes ohne über­set­zte Teile.

Warum kann das Wort nicht zweimal entlehnt wor­den sein? Ein­mal, mit der hal­ben Über­set­zung, im Althochdeutschen, und dann noch ein­mal unüber­set­zt im Mit­tel­hochdeutschen? Dafür gib es einen guten Grund: die “Zweite Lautverschiebung”.

Die “Zweite Lautverschiebung” schlägt zu

Die “Zweite Lautver­schiebung” ist ein Prozess, infolgedessen bes­timmte Laute sich in andere Laute ver­wan­del­ten. An seinem Ende ste­ht der Beginn der deutschen Sprache: Das Althochdeutsche.

Was da im Detail passiert, ist ziem­lich kom­plex. Abhängig von ihrer Posi­tion im Wort und ihrer laut­lichen Umge­bung ver­wan­deln sich die ger­man­is­chen Laute p, t und k sowie das d:

2009-06-01-2LV

Die genauen Bedin­gun­gen ers­pare ich Euch heute, sie sind aber prob­lem­los ergooglebar.

Deutsch vs. Englisch: Pfffff!

Die Zweite Lautver­schiebung passierte nur im Hochdeutschen. Alle anderen ger­man­is­chen Sprachen haben sie nicht mit­gemacht.1 Entsprechend find­et man z.B. im Englis­chen noch die “alten” Laute:

Englisch(ohne 2. LV)Deutsch(mit 2. LV)

p: pound Pfund
ship Schiff
t: to zu
to eat essen
k: cook Koch
d: daugh­ter Tochter

Woher kommt die Pistazie?

Cle­vere Sch­plock-LeserIn­nen wer­den sich natür­lich sofort fra­gen, wie es sein kann, dass wir heute den Laut /p/ im Deutschen haben, wenn doch immer entwed­er /pf/ oder /f/ draus wurde. Die logis­che Antwort: In der Regel sind das Fremd­wörter. Viele stam­men aus dem Niederdeutschen (das kein hochdeutsch­er Dialekt ist!), wie Stapel, viele aus dem Lateinis­chen, wie Pistazie, und eine Menge natür­lich auch aus dem Englis­chen, wie Computer.

Eines haben sie dabei alle gemein­sam: Sie kamen erst nach der Zweit­en Lautver­schiebung ins Deutsche. Wären sie schon vorher dagewe­sen, hätte die Ver­schiebung sie gnaden­los ver­wan­delt, ohne Rück­sicht auf ihre Herkun­ft. Pfaffe z.B. geht auf lateinisch papa zurück, wan­derte aber so früh ein, dass es von der Zweit­en Lautver­schiebung ergrif­f­en wurde.

Pinksteren, Pentecost und Päischten

Und damit sind wir bei Pfing­sten: Wir wis­sen, dass es auf ein griechis­ches Wort mit p zurück­ge­ht (pentēkostē). Da heute kein p mehr im Wort zu find­en ist, son­dern ein pf, muss das Wort schon vor der Zweit­en Lautver­schiebung entlehnt wor­den sein. Also vor dem Althochdeutschen. Entsprechend muss es die Form im Althochdeutschen schon gegeben haben – wahrschein­lich hat sich nur kein­er die Mühe gemacht, es aufzuschreiben.

Wie oben vorherge­sagt, hat das Wort in allen anderen ger­man­is­chen Sprachen sein p behal­ten:

  • Englisch: Pente­cost (auch: Whit­sun­day ‘weißer Son­ntag’)
  • Nieder­ländisch: Pinksteren
  • Afrikaans: Pinkster
  • Lux­em­bur­gisch: Päis­cht­en, Péngscht­en
  • Dänisch: Pinse
  • Nor­wegisch (Nynorsk & Bok­mål): Pinse
  • Schwedisch: Pingst
  • Färöisch hat nicht entlehnt, son­dern nutzt: hví­tusun­na ‘weißer Sonntag’
  • Isländisch genau­so: Hví­ta­sun­nudagur ‘weißer Sonntag’

Luxemburgisch???

Komisch, ne? Lux­em­bur­gisch ist doch fast ein deutsch­er Dialekt? Warum ben­immt es sich nicht wie das Hochdeutsche?

Ich habe Euch oben nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ich habe behauptet, dass die vier Laute im kom­plet­ten Althochdeutschen zu den sieben neuen Laut­en wur­den. Nun ist das Althochdeutsche aber ein Kon­strukt. Das gab es so gar nicht. Es gab ganz viele ver­schiedene ger­man­is­che Dialek­te, alle eng ver­wandt, aber es gab keinen Stan­dard. Und diese Dialek­te haben sich nicht alle gle­ichzeit­ig auf die gle­iche Weise verändert.

Das deutsche Sprachge­bi­et lässt sich in drei große Unterge­bi­ete ein­teilen: Oberdeutsch (braun), Mit­teldeutsch (türkis) und Niederdeutsch (gelb).

2009-06-01-Heutige_deutsche_Mundarten-Ausschnitt

Michael Post­mann (Wikipedia)

Die Zweite Lautver­schiebung tobte nur im ober- und mit­teldeutschen Sprachraum, dem hochdeutschen Gebi­et. Dabei war sie aber unter­schiedlich erfol­gre­ich. Die Ver­schiebung von p, t und k erfol­gte näm­lich mit abnehmender Inten­sität von Süden nach Nor­den. In Ben­rath bei Düs­sel­dorf ver­siegte sie ganz, daher nen­nt man die Gren­ze zwis­chen Türkis und Gelb die “Ben­rather Lin­ie”. Nördlich davon sprach man ursprünglich kein Hochdeutsch mehr.

Der Rheinische Fächer

Das langsame Ver­sick­ern der Lautver­schiebung im west­mit­teldeutschen Raum führt zu einem inter­es­san­ten Phänomen: Man kann das Gebi­et in Längsstreifen ein­teilen, und je nördlich­er der Streifen liegt, desto weniger macht sich die Zweite Lautver­schiebung bemerk­bar. Wenn man das auf ein­er Karte einze­ich­net, entste­ht eine Art Fäch­er­struk­tur, daher nen­nt man das auch den “Rheinis­chen Fäch­er”. Hier eine schema­tis­che Darstel­lung von mir:

2009-06-01-Rheinischer-Fächer-Tutorium

Eine viel schönere Karte gibt’s z.B. hier: Uni Tri­er [9.8.16: Link ersetzt].

Dialek­t­ge­bi­et A hat also mehr Ver­schiebung als B, B mehr als C, und so weit­er. Jen­seits von D hat die Zweite Lautver­schiebung so wenig gewirkt wie in den anderen ger­man­is­chen Sprachen.

Unter den Lin­i­en­na­men seht ihr Beispiel­wörter: Südlich der Ger­m­er­sheimer Lin­ie heißt es also Pfund, nördlich davon Pund. Das Lux­em­bur­gis­che ist nun his­torisch eng ver­wandt mit den mosel­fränkischen Dialek­ten. Manche Leute sagen auch, es sei ein­er, aber da werde ich mich nicht in ide­ol­o­gis­che Grabenkämpfe stürzen. Es liegt auf jeden Fall nördlich der Lin­ien 1, 2 und 3, man sagt dort also Pond ‘Pfund, Apel ‘Apfel und dat (ohne 2. LV), aber Duerf ‘Dorfund maachen (mit 2. LV).

Ihr seht also, dass p im Anlaut p bleibt, denn alle Wörter, die wie Pfund gehen, ver­hal­ten sich auch so. Die p>pf-Regel hat es also nicht ins Mit­teldeutsche geschafft.

Und so bleibt Pfin­g­sten Päis­cht­en.

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[Lesetipp] Mein Name ist Hasentochter

Von Kristin Kopf

Bei der FAZ gab’s am Dien­stag einen schö­nen Artikel zu Namenge­bung in Island: Egils Töchter und Hel­gas Sohn.

In Island trägt man näm­lich nor­maler­weise keinen Fam­i­li­en­na­men, son­dern einen Vaters- oder Mut­ter­sna­men. An den Vor­na­men eines Eltern­teils (früher war es immer der Name des Vaters, mit­tler­weile ist auch der der Mut­ter möglich) wird ein­fach -dót­tir ‘-tochter’ bzw. -son ‘-sohn’ ange­hängt. Einen solchen Namen beze­ich­net man als “Beina­men”.

Zur all­ge­meinen Ver­wirrung habe ich ein Schema gebastelt, das die möglichen Kom­bi­na­tio­nen darstellt. Oben die Eltern (der Über­sichtlichkeit hal­ber ohne Beina­men), unten die Kinder (Hel­ga und Rag­nar sind ihre Ruf­na­men). Die Pfeile von den Vor­na­men der Kinder aus zeigen an, dass das Zweit­glied des Beina­mens durch das Geschlecht bes­timmt wird (was ja eigentlich logisch ist):

2009-05-isl

Im Tele­fon­buch sind die Islän­der unter ihren Vor­na­men zu find­en. Möglich ist das natür­lich nur, weil Island so über­schaubar ist – Fam­i­li­en­na­men ent­standen näm­lich in den meis­ten Län­dern als Reak­tion auf die wach­senden Bevölkerungszahlen.

Der Artikel erk­lärt auch, was passiert, wenn Aus­län­der Islän­der wer­den wollen, warum manche Islän­der doch einen Fam­i­li­en­na­men haben und was es mit den “Mit­tel­na­men” auf sich hat. Lesenswert!