Log in for Sprachschutz

Von Susanne Flach

Alle Wege führen zum Sprachlog! Deshalb begrüßen wir die ZDFin­fo-Zuschauer/in­nen, die über Ana­tols Besuch in der Sendung login hier­her gespült wur­den. Und für den Fall, dass Sie diese Unter­richtsstunde zum Klas­sik­er der Apoka­lypsethe­men ver­passt haben, kön­nen Sie seit heute mor­gen in der Mediathek Ihre Hausauf­gaben nach­holen (und das Chat­pro­tokoll von nach der Sendung). Möglicher­weise stellen Sie sich danach aber die Frage, wer eigentlich „gewon­nen“ hat, wenn man so will. Zwar „kippte“ die Stim­mung unter den Zuschauer/innen während der Sendung zugun­sten der sach­lichen Diskus­sions­führung. Erstaunlich ist aber, dass die Gegen­seite gewohnt argu­ment­frei, uner­wartet schlecht vor­bere­it­et und mit einem vorher­sag­baren Plat­titü­den­bin­go immer noch 43% der Pub­likums­gun­st auf sich ziehen konnte. 

Aber der Rei­he nach.

Weil Ana­tol bei Twit­ter gerne unangekündigte Tests schreiben lässt, ver­sor­gen wir Sie mit einem kleinen Rück­blick auf die gestrige Sendung, gespickt mit vie­len Hin­weisen und weit­er­führen­den Informationen.

Das The­ma der Sendung — „Muss die deutsche Sprache geschützt wer­den?“ — ist ja so eine klas­sis­che Sug­ges­tivfrage. Schützen? Oh toll, schützen ist immer gut! So zu fra­gen meldet sofort, dass irgend­was bedro­ht ist. Aber alles, was hier bedro­ht ist (oder lei­der gar nicht erst vorhan­den), ist die Anerken­nung, dass Sprachvielfalt sehr kom­plex ist und sich auf so vie­len unter­schiedlichen Ebe­nen äußert; nicht nur am offen­sichtlich­sten an der Dialek­tvielfalt, son­dern — und für jede/n — am alltäglichen, kon­textge­bun­de­nen und deshalb per­ma­nent vari­ablen Sprachgebrauch.

Los ging‘s standes­gemäß mit der Spitze des Eis­bergs, dem soge­nan­nten Denglisch, das den Diskus­sion­spart­ner der Sendung, Thomas Paulwitz, Chefredak­teur der „Zeitschrift“ DEUTSCHE SPRACHWELT, nach eige­nen Angaben „am meis­ten stört“ (oder war‘s Kiezdeutsch, was ihn mehr aufregt, weil‘s eigentlich ne „Diag­nose“ ist und kein Dialekt?). Das Prob­lem hier: es wird entwed­er auf Anglizis­men rumgerit­ten, die längst Teil des Deutschen sind (wer immer noch nicht weiß, was Sale oder Ser­vice bedeutet, hat ein deut­lich größeres Prob­lem, als einen paar harm­lose Anglizis­men). Oder es sind weit­ge­hend unbelegte Pseudokreatio­nen, die häu­fig nur deshalb existieren, weil sich Sprach­schützer über Denglisch aufre­gen und/oder lustig machen wollen. Ein Beispiel dazu war gestern der Ein­spiel­er der Redak­tion, Funer­al Mas­ter. Googeln Sie mal.

Bei der Frage nach Dialek­ten offen­bart sich wieder das „wir“ und „die“ dieser Diskus­sion. Fremdes klingt „aggres­siv“. Unsere Dialek­te sind super, weil „sie so schön klin­gen“. Naja, bis auf Säch­sisch, weil… kein­er mag Säch­sisch (trotz Goethe!). Dies liegt an mit dem Dialekt ver­bun­de­nen Stereo­typen — was auch erk­lärt, weshalb Kiezdeutsch diese hefti­gen emo­tionalen Reak­tio­nen auslöst.

Ein zweit­er Aufhänger war eben jenes Kiezdeutsch. Als Gast geladen war dazu Idil Bay­dar, die als Jilet Ayse mit Klis­chees spielt. Das war kein unkluger Schachzug der Redak­tion, weil Bay­dar sog­ar Hochdeutsch spricht. Unklug war er möglicher­weise aber deshalb, weil er mask­iert, dass es sich bei Kiezdeutsch um eine urbane Jugend­va­ri­etät han­delt (und Bay­dar keine typ­is­che Sprecherin ist). Stein des Anstoßes der hitzi­gen öffentlichen Debat­te um Kiezdeutsch war ein pop­ulär­wis­senschaftlich­es Buch von Heike Wiese, das in den Medi­en für einige Aufruhr gesorgt hat. Kristin hat­te es damals exzel­lent und dur­chaus kri­tisch rezen­siert — denn der Sta­tus als Dialekt ist, auch in Bezug auf das all­ge­mein­sprach­liche Ver­ständ­nis des Begriffs Dialekt, nicht unum­strit­ten. Aber Paulwitz ging es bei sein­er „Diag­nose“ eben nicht um die sprach­lichen Muster, die dem Kiezdeutschen zu Grunde liegen oder den Fak­toren sein­er Entste­hung (und die, wie für jeden Dialekt, entsprechend sprach­wis­senschaftlich unter­sucht wer­den können).

Die zen­trale Frage (gegen Ende) war, ob Deutsch durch das Grundge­setz geschützt wer­den muss. Regelmäßige Leser/innen des alten Sprachlogs ken­nen die Peti­tion „Kein Deutsch ins Grundge­setz“, die Anfang 2011 als Reak­tion auf „Deutsch ins Grundge­setz“ des Vere­ins Deutsche Sprache (VDS) ein­gere­icht wurde (und dessen Ver­hand­lung im Peti­tion­sauss­chuss hier ver­linkt ist). Einen umfassenden Überblick­sar­tikel zum The­ma schrieb Ana­tol gegen Ende der Peti­tion­slaufzeit.

Schlecht vor­bere­it­et — oder schlim­mer: igno­rant — war Paulwitz gestern eigentlich nicht deshalb, weil er (wieder) keine Argu­mente für die Auf­nahme hat­te, son­dern weil er sie erneut allein damit begrün­den wollte, dass „18 Län­der in Europa“ ihre Sprache in der Ver­fas­sung fest­geschrieben haben. Er hätte wis­sen kön­nen, dass Ana­tol ins Feld führt, warum die meis­ten dieser Län­der das tun (näm­lich weil sie mehrsprachig sind). Dieses Argu­ment und andere Ein­würfe und Obsku­ritäten hat­te ich damals in diesem Beitrag zerlegt.

Wenn alles wegar­gu­men­tiert ist, bleiben uns aber trotz­dem immer noch die Anglizis­men. Also die kön­nen einem wirk­lich auf den Keks gehen!

Wenn Sie jet­zt ganz hek­tisch genickt haben, hal­ten Sie kurz inne. Denn der Anglizis­mus Keks ist ein wun­der­bares Beispiel dafür, wie Entlehnung und lin­guis­tis­che Inte­gra­tion funk­tion­iert (Teil II dazu ist in Arbeit). Wer wann wo wie die Gren­ze zwis­chen „darf bleiben“ und „muss der Sprache ver­wiesen wer­den“ ziehen kann, bleibt ja grund­sät­zlich unbeant­wortet. Ich trieb näm­lich während der Sendung immer wieder die Frage vor mir her, wie man den logis­chen Fehlschluss erk­lären will, dass es über­all doch nur völ­lig unver­ständlich für den Rest der Sprachge­mein­schaft „Sale, Sale, Sale“ heißt, aber nie erk­lärt wird, warum es trotz­dem alle ver­ste­hen (ich nenne es mal pro­vi­sorisch das Denglisch-Para­dox­on).

Hüb­sch war die Anspielung auf Shake­speare, der seine große Zeit nach ein­er radikalen Umbruch­phase des Englis­chen hat­te. Gemessen am Sprachkon­takt des Englis­chen vor allem mit Franzö­sisch wirkt die wahrgenommene Anglizis­men­flut im Deutschen eher wie ein Rinnsal. Shake­speare jeden­falls spielte mit der sprach­lichen Kreativ­ität wie kaum ein zweit­er — und erfand eine unfass­bar große Menge an Wörtern und Redewen­dun­gen. Shake­spear­es Werk war zu sein­er Zeit allerd­ings eher pöbelkom­pat­i­ble Unter­hal­tungslit­er­atur — ich möchte mir jet­zt nicht aus­malen, welche kul­turpes­simistis­chen Dämme brechen wür­den, wenn Dieter Bohlen mit englis­chen Ele­menten Wörter inven­ten würde, die in 2013 noch keinen Sinn machen.

Was fehlt? Der abschließende Kom­men­tar dazu, dass „schützen wollen“ nur kreative Ver­wen­dung sein kann — zum Beispiel die Jungs von De fofftig Penns, die auf Platt rap­pen, aber auf englis­ches Lehngut nicht verzicht­en. Es ist ein inhärenter Wider­spruch der Sprachkri­tik, die Ein­heitssprache und kor­rek­tes Deutsch festschreiben und einen wie auch immer geart­eten Stan­dard wahren zu wollen — und gle­ichzeit­ig für sich in Anspruch zu nehmen, für Kreativ­ität und Aus­drucks­fähigkeit zu plädieren.

Faz­it: fach­lich und argu­men­ta­tiv eine eher ein­seit­ige, alles in allem aber spaßige Ver­anstal­tung, der nicht ein gewiss­er Pop­corn­charak­ter fehlte. Das For­mat ist etwas unglück­lich, wenn man ein Stre­it­ge­spräch erwartet, die Mod­er­a­toren aber immer dann abwür­gen, wenn‘s span­nend wird.

In diesem Sinne: auf zum Feierabendbier.

23 Gedanken zu „Log in for Sprachschutz

  1. Kristin Kopf

    In der Sendung wurde u.a. auch gefragt (von Jen­nyGER), ob es zuerst Hochdeutsch oder Dialek­te gegeben habe und welch­er Dialekt der älteste sei.

    Da Ana­tol dazu nicht so viel sagen kon­nte, hier noch ein paar Hinweise:

    Die Entste­hung unseres schrift­sprach­lichen Stan­dards war ein jahrhun­derte­langer Aus­gle­ich­sprozess (ganz grob 14. bis 17. Jahrhun­dert) zwis­chen ver­schiede­nen Schreib­sprachen, die wiederum von den lokalen Dialek­ten geprägt waren. Die Dialek­te waren also zuerst, auch wenn sie bis dahin nie­mand als solche betra­chtet hätte.
    Maßge­blich beteiligt an diesem Aus­gle­ich waren auf­grund poli­tis­ch­er und wirtschaftlich­er Bedeut­samkeit der ost­mit­teldeutsche Raum (“Meißn­er Deutsch”) und der osto­berdeutsche Raum (“Gemeines Deutsch”).

    Eine einiger­maßen stan­dar­d­isierte Aussprache kam erst viel später, dazu (und zum lei­di­gen Han­nover-Hype) habe ich hier mal was geschrieben.

    Die Frage nach dem ältesten Dialekt ist schwierig zu beant­worten, weil die Quel­len­lage immer dün­ner wird, je weit­er man zurückgeht.
    Wichtig dabei ist auch, dass die Dialek­te vor tausend Jahren nicht so gek­lun­gen haben wie heute, da auch Dialek­te per­ma­nen­tem Sprach­wan­del unter­wor­fen sind. Wenn ich also sage, dass wir fürs Althochdeutsche (ab 750, vorher gibt es keine schriftlichen Zeug­nisse des Deutschen) viele ale­man­nis­che Quellen haben, dann war das eine ganz andere Form des Ale­man­nis­chen als das, was man heute im Süd­west­en Deutsch­lands und in der deutschsprachi­gen Schweiz spricht. Auch Vorstufen des Bairischen und des Fränkischen (im Rhein­land) sind in vie­len Tex­ten aus dieser Zeit zu finden.
    Was man aber sich­er sagen kann: Der ursprüngliche deutsche Sprachraum war bedeu­tend klein­er als heute, zu althochdeutsch­er Zeit gab es z.B. noch keinen direk­ten Vorgänger­dialekt des heuti­gen Ober­säch­sis­chen, weil das Gebi­et, in dem es gesprochen wird, noch nicht zum deutschen Sprachraum gehörte. (Stich­wort Deutsche Ost­sied­lung)

    Die Haup­torte der althochdeutschen Über­liefer­ung (nach Son­dereg­ger) find­en sich in einem Gebi­et, das fol­gen­der­maßen begren­zt ist: Köln — Ful­da — Pas­sau — Mon­see — St. Gallen — Mur­bach — Echter­nach — Köln.

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  2. aw27

    > Die Haup­torte der althochdeutschen Über­liefer­ung (nach Son­dereg­ger) find­en sich in einem Gebi­et, das fol­gen­der­maßen begren­zt ist: Köln — Ful­da — Pas­sau — Mon­see — St. Gallen — Mur­bach — Echter­nach — Köln.

    Die Orte kenne ich alle — bis auf “Mon­see”. Fehlt da ein d? “Mond­see” kön­nte vom Geo­graphis­chen her passen. 

    Bitte Fehler (so es ein­er ist) löschen und dann diese Mel­dung auch.

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  3. Drumer

    @Kristin:

    Das Gebi­et, das du jet­zt beschrieben hast (Köln — Ful­da — Pas­sau — Mon­see — St. Gallen — Mur­bach — Echter­nach — Köln) bein­hal­tet jet­zt aber nur fränkische, ale­man­nis­che und bairische Dialek­te, oder?

    Was ist mit den Säch­sis­chen Dialek­ten im Nord­west­en Deutschlands?

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  4. Drumer

    Ach Mist!

    altHOCHdeutsche Über­liefer­ung … Ich ziehe meine Frage zurück, manch­mal sollte man vor dem abschick­en nochmal nachdenken. 😀

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  5. Martin

    Der unfrei­willig komis­chste Moment des Abends kam, als Herr Paulwitz gefragt wurde, wer denn entschei­den soll, was richtig oder falsch ist: “Das hat sich über Jahrhun­derte her­ausen­twick­elt und ist in den Gram­matiken und Wörter­büch­ern fest­ge­hal­ten. Und die Sprach­wis­senschaftler soll­ten das auch mal fes­thal­ten.” In diesen Sätzen offen­bart sich die geballte Ahnungslosigkeit dieses Men­schen. Erstens: der glaubt ver­mut­lich, dass im Duden in jed­er Auflage auch immer das Gle­iche ste­ht, während in Wahrheit der Wortschatz im Duden (und jedem anderen Wörter­buch) ständig erneuert und angepasst wird. Gle­ich­es gilt für gram­ma­tis­che Regeln und Phänomene in den gängi­gen Gram­matiken. Und zweit­ens werde alle Gram­matiken (auch die Duden-Gram­matik) in erster Lin­ie von Sprach­wis­senschaftlern erstellt (Wörter­büch­er eben­falls) und in der Dudenredak­tion arbeit­en davon eben­falls eine ganze Menge. Paulwitz hat wohl nicht nur keine Ahnung von Sprache, son­dern auch von der Arbeitsweise der Dudenredak­tion. Klar, dass Herr Ste­fanow­itsch da lachen musste.

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  6. Kristin Kopf

    @aw27: Ich hab die Schreib­weise von Son­dereg­ger über­nom­men — grade mal nachgeschaut, ja, heute heißt der Ort Mond­see, zu ahd. Zeit hat­te er noch kein d (logisch, weil das d bei Mond erst viel später antrat).
    @Drumer: 🙂

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  7. klappnase

    …wie man den logis­chen Fehlschluss erk­lären will, dass es über­all doch nur völ­lig unver­ständlich für den Rest der Sprachge­mein­schaft „Sale, Sale, Sale“ heißt, aber nie erk­lärt wird, warum es trotz­dem alle verstehen…”

    Na, in dem Fall liegt das natür­lich an den beige­fügten Prozentze­ichen, die ver­ste­hen auch des Lesens Unkundige 🙂
    “% bla % bla % bla %” würde ver­mut­lich genau­so gut funktionieren…

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  8. Detlef Piepke

    Fremdes klingt „aggres­siv“.” Nu ja, ganz so platt war´s dann auch wieder nicht. Es ging darum, ob Kiez-Deutsch aggres­siv, oder irgend­wie aggres­siv­er ist (als Hochdeutsch). Und natür­lich ist es das. Es ist ja teil­weise auf einen erhöht­en Aggres­sions-Lev­el aus­gelegt, ob “Opfer”, Knacke”, “bist du schwul” usw. will aggres­siv sein.
    Ich habe hier beru­flich mit jugendlichen Rap­pern zu tun, die rap­pen allerd­ings meist auf “Get­to-Eng­lish”, aber das fol­gt eben dem gle­ichen Prinzip: Aggres­siv­ität ist ein wichtiges Gebot. Da ist man nicht ein­fach bess­er als der andere, son­dern “killt” ihn, entsprechend “ver­nichtet” man ihn im deutschen. Da gibt es so viele Beispiele … Ich gehe nicht davon aus, dass Herr Ste­fanow­itsch das nicht weiß.

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  9. mmetzger

    weil… kein­er mag Säch­sisch (trotz Goethe!).”

    Trotz? Dass Goethe kein Sachse war, kön­nten auch Lin­guis­ten wissen. 😉

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  10. Martin

    Das tun sie. Sie wis­sen aber auch, dass er in Leipzig studiert hat und dass Weimar, wo er sich lange aufhielt, die Haupt­stadt des Her­zog­tums Sach­sen-Weimar-Eise­nach war. 😉

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  11. mmetzger

    Aber er soll bis ins hohe Alter seinen Frank­furter Dialekt beibehal­ten haben. (so wie Schiller schwä­belte) — So bericht­en seine Zeitgenossen. (Lit­er­atur: Wei­thase: Goethe als Sprech­er und Sprecherzieher)

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  12. hedwig

    Die “Argu­men­ta­tion” des Her­rn Paulwitz ist eine Belei­di­gung des Verstandes.
    Dass der Herr Ste­fanow­itsch so ruhig bleiben konnte…
    Selb­st wenn man den Stand­punkt des Her­rn Paulwitz verträte müsste man dessen zusam­menges­tam­melte ober­fläch­liche Phrasen lächer­lich finden.

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  13. DrNI

    Danke auf den Hin­weis zu De fofftig Penns. Wer im Dialekt singt, der darf das. Die öster­re­ichis­che Band HMBC (hol­stuon­ar­mu­sicbig­band­club) streut Englisch in vorarl­berg­er Dialekt, und die Altschwaben­rock­er von Schwoiß­fuaß haben englis­che Ein­würfe das schon in den 80ern als Stilmit­tel benutzt. Darf die Kun­st das? Oder darf die Kun­st das im Dialekt erst richtig? Ich ver­mute let­zteres, aber das müsste man mal unter­suchen. Let­z­tendlich muss man Dialekt ja lei­der auch nicht so ernst nehmen. Mundart ist oft ver­bun­den mit lock­erem Witz und eben nicht tief­sin­ni­gen Tex­ten. Dabei haben ger­ade Schwoiß­fuaß gezeigt, dass das geht und wom­öglich genau deswe­gen nie den großen Erfolg gehabt.

    Dass sich Gemüter über Englis­che Ein­flüsse so erhitzen, finde ich immer wieder erstaunlich — schließlich leben wir mit unseren Dialek­ten in einem qua­si-mehrsprachi­gen Land, in dem Bay­er und Friese auf Hochdeutsch zurück­greifen müssen, um sich zu ver­ständi­gen. Wieso tut da Englisch so weh?

    Die ganze Diskus­sion klebt natür­lich nahezu auss­chließlich an der Schrift­sprache. Da tap­pen auch Nichtlin­guis­ten in die Kor­pus­falle: Zeitun­gen und Sale-Schilder sind eben keine repräsen­ta­tive Auswahl unser­er Sprachver­wen­dung. Um uns wirk­lich über “Sale” aufre­gen zu kön­nen (sollte man das wollen), müsste man erst eine Studie machen, ob das Wort tat­säch­lich im All­t­ag ver­wen­det wird.

    Antworten
  14. Garlic_n_Onion

    Um uns wirk­lich über “Sale” aufre­gen zu kön­nen (sollte man das wollen), müsste man erst eine Studie machen, ob das Wort tat­säch­lich im All­t­ag ver­wen­det wird.”

    Es wird nicht im All­t­ag ver­wen­det. Und daher ist es auch kein deutsches Wort. 

    Span­nend war überi­gens Stephanow­itschens Argu­men­ta­tion zum unegeliebten Sächsisch:
    “Wir pro­jizieren unsere Vorurteile gegen Ossis da hinein.” 

    Wen meint er eigentlich mit “wir”? Ist das die deutsche Nor­mge­sellschaft? Oder seine Peer­group? Oder ist seine Peer­group die Norm?

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  15. Martin

    Es wird nicht im All­t­ag ver­wen­det. Und daher ist es auch kein deutsches Wort.”

    Und woher weißt du das?

    Wen meint er eigentlich mit “wir”? Ist das die deutsche Nor­mge­sellschaft? Oder seine Peer­group? Oder ist seine Peer­group die Norm?”

    Ste­fanow­itsch hat ja ger­ade dieses Vorge­hen angeprangert. Er selb­st also schon mal gar nicht; dass andere das tun, wurde im Laufe des Abends mehr als klar.

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  16. Statistiker

    Garlic_n_Onion sollte sich mal Gedanken machen über das inklu­sive, exk­lu­sive und das exten­sive “Wir”

    Mit sein­er Äußerung “Es wird nicht im All­t­ag ver­wen­det.” beze­ich­net er anscheinend ein inklu­sives Wir. Wie tragisch.….

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  17. Garlic_n_Onion

    Und woher weißt du das?

    @Martin,
    mit ein­er Häu­figkeit von 0,0002 % kann man es wohl kaum als Teil der All­t­agssprache bezeichnen. 

    http://books.google.com/ngrams/graph?content=Sale&year_start=1900&year_end=2008&corpus=20&smoothing=3&share=

    Ste­fanow­itsch hat ja ger­ade dieses Vorge­hen angeprangert.

    Eben, und im gle­ichen Atemzug hat er es selb­st gezeigt. Damit hat er sein Anliegen als Pose entlarvt. 

    @Statistiker
    siehe oben.

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    1. Susanne Flach Beitragsautor

      @Garlic_n_Onion: Ihr Belegsver­such hinkt. Sale ist für 2009 in diesem Kor­pus dop­pelt so häu­fig wie garstig — und den­noch wür­den ver­mut­lich wed­er Sie noch ich auf die Idee kom­men, garstig nicht als Teil der deutschen Sprache anzuerken­nen. Der Punkt ist: Sale ist ein deutsches Wort — wir ver­wen­den es. Es kann natür­lich dur­chaus sein, dass es noch auf die Werbe­sprache beschränkt ist (obwohl eine deutsche Waren­haus­kette bere­its gesprochen­sprach­lich damit gewor­ben hat), oder auf einzelne Grup­pen der Sprachge­mein­schaft oder oder oder… Aber Fre­quenz allein ist kein Indika­tor, was Teil unser­er Sprache ist und was nicht.

      Antworten
  18. Martin

    @Garlic_n_Onion: der Ngram View­er erfasst erstens nur Büch­er und zweit­ens nur bis 2008. Bei­des nicht sehr gut geeignet für eine Aus­sage über den Sprachge­brauch im All­t­ag 2013.

    Und was seine Aus­sage ange­ht: erstens ist Ste­fanow­itsch ja nicht der­jenige, der Säch­sisch bzw. Kiezdeutsch verurteilt, deswe­gen lässt sich aus sein­er Aus­sage auch kein Rückschluss auf sein eigenes Bild über diese Men­schen ziehen. Und zweit­ens ist das “wir” in diesem Fall wohl als “wir Men­schen” gemeint (er selb­st ist ja in anderen Fällen möglicher­weise auch nicht außen vor; ändert aber nichts an sein­er Aus­sage und an der Tat­sache, dass Dialek­te auf dieser Grund­lage nicht beurteilt wer­den dürfen).

    Antworten
  19. mmetzger

    Sale ist ein deutsches Wort — wir ver­wen­den es.”

    Was ist eigentlich die Deutsche Sprache und wer entschei­det, was dazu gehört?

    Sale gehört nicht zum Sprach­schatz mein­er Eltern — und ich kön­nte mir Vorstellen, dass es da noch einige mehr gibt.

    Antworten
  20. Kristin Kopf

    Ich neige in dieser Diskus­sion ohne jegliche Recherche (!) eher garlic_n_onion zu — mir scheint Sale vor allem ein geschrieben­sprach­lich­es Phänomen zu sein, und primär auch nur bei ein­er sehr eingeschränk­ten Art von Schrift­stück (Wer­bung, Schaufen­ster­aufk­le­ber) aufzutreten, wo es fast eine Art Ideogramm darstellt.
    Damit würde ich es zwar nicht aus dem deutschen Wortschatz ver­ban­nen, aber ihm doch eine sehr periph­ere Rolle zusprechen.
    Vielle­icht greift es aber, und darauf weist ja Suz’ Waren­haus­ket­ten­wer­bung­sh­in­weis hin, auch auf andere Ebe­nen über. Wäre mal span­nend, das zu unter­suchen, die Frage ist nur, welche Dat­en man dazu benutzt. (Wenn man z.B. an kaufhaus­in­terne Rund­schreiben o.ä. rankom­men kön­nte, das wäre interessant.)

    Antworten
  21. Simone

    Klein­er ver­späteter Nach­trag zum Sale. Andere Sprachen haben damit anscheinend auch Mühe: 

    Neuen­burg [in der Schweiz] geht gegen englis­che Begriffe vor: Während des Ausverkaufs müssen Ladenbe­sitzer her­abge­set­zte Preise zukün­ftig mit dem franzö­sis­chen Begriff «sol­des» anschreiben – die alleinige Beze­ich­nung «Sale» soll nicht mehr erlaubt sein.” http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/In-Neuenburg-gibt-es-nie-wieder-Sale/story/27476324

    Man hat ein Prob­lem mit dem Sig­nifié und greift das Sig­nifi­ant an.

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