Die fünf Freunde und die Rückkehr zur sprachlichen Normalität

Von Anatol Stefanowitsch

Öster­re­ich ist ja, nach eigen­er Aus­sage, die Heimat großer Söhne – so groß, dass für große Töchter neben ihnen kaum noch Platz ist. Aber nicht nur das – es ist auch das Land der Berge, das Land am Strome, das Land der Äck­er, das Land der Dome – und das Land der Häm­mer. Und einen beson­ders großen Ham­mer haben 650 Expert/innen für die psy­cholin­guis­tis­che Ver­ar­beitung männlich­er Pronomen und Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen, äh, nein, für die, äh, nein, für die Struk­tur und Bedeu­tung der deutschen Gegen­wartssprache – nein, ich fange noch mal an.

Also: Eine Über­set­zungswis­senschaft­lerin, ein Lit­er­atur­wis­senschaftler (mit Großem Sil­bernem Ehren­ze­ichen für Ver­di­en­ste um die Repub­lik Öster­re­ich), ein Namensforsch­er (im Ruh­e­s­tand), ein Dialek­tologe (im Ruh­e­s­tand) und ein Gym­nasiallehrer kom­men in eine Bar. „Was wollt ihr trinken“, fragt die Bar­keeperin. „Immer diese gegen­derte Sprache“, schreien die fünf mit hochroten Köpfen. „Du bist ein Bar­keep­er. Gib­st du das jet­zt endlich frei­willig zu, oder müssen wir erst einen offe­nen Brief schreiben?“

Und draußen vor der Tür haben die fünf ihre Dro­hung gle­ich wahr gemacht. In ihrem von 650 Sprachexpert/innen, äh, nein, Sprachd­ings, hier, ach, lassen wir das; in ihrem offe­nen Brief war­nen sie die Bil­dungs- und Frauen­min­is­terin Gabriele Heinisch-Hosek und den Wis­senschafts- und Wirtschaftsmin­is­ter Rein­hold Mit­ter­lehn­er, dass es jet­zt endlich mal gut sein müsse mit der ständi­gen Erwäh­nung von Frauen, und dass es Zeit sei, „für eine Rück­kehr zur sprach­lichen Nor­mal­ität“, in der über Män­ner gere­det wurde und Frauen hüb­sch dasaßen und sich, wenn sie denn unbe­d­ingt woll­ten, mit­ge­meint fühlen durften, bei Sätzen wie „Frauen sind eben doch die besseren Zuhörer“.

Solche Sätze, so die fünf Fre­unde, seine ja bei der ganzen Gen­derei „schlichtweg nicht mehr „poli­tisch kor­rekt“ for­mulier­bar“. Recht haben sie, und da Frauen eben doch bess­er zuhören kön­nen, bleibt zu hof­fen, dass die Bil­dungs- und Frauen­min­is­terin das auch so sieht. „Das Beispiel“, find­en die fünf

zeigt klar auf: Die verord­neten Vorschriften wider­sprechen zum Teil den Grun­dregeln unser­er Sprache. Sprache dient näm­lich sowohl in mündlich­er als auch in schriftlich­er Form einzig und allein der prob­lem­losen Ver­ständi­gung und nicht der Durch­set­zung par­tikulär­er Interessen.

(Wobei, die par­tikulären Inter­essen von denen, über die zu Zeit­en der sprach­lichen Nor­mal­ität so ungestört gesprochen wurde, soll­ten natür­lich nicht aus dem Blick geraten.)

Die fünf haben auch zwei ham­mer­harte wis­senschaftliche Argu­mente für eine Rück­kehr zur rein männlichen Sprache. Erstens:

Laut jüng­sten Umfra­gen lehnen 85–90% der Bevölkerung die gegen­wär­tige Prax­is der Textgestal­tung im öffentlichen Bere­ich ab.

Gut, in einem Land, in dem 42 Prozent der Bevölkerung find­en, dass unter den Nazis „nicht alles schlecht war“ und 61 Prozent der Mei­n­ung sind, die Naz­izeit sei aus­re­ichend aufgear­beit­et, muss man mit Mei­n­un­gen vielle­icht vor­sichtig umgehen.

(Ein God­win, Herr Ste­fanow­itsch? Ern­sthaft, ein God­win? Gehen Sie doch zurück nach Rus­s­land, wenn es Ihnen bei uns nicht passt.)

Deshalb zweit­ens:

Eine wis­senschaftliche Unter­suchung aus dem Jahr 2013 kam zum Ergeb­nis, dass in Print­me­di­en nur bei 0,5 % von Aus­sagen, die auf bei­de Geschlechter bezo­gen sind, getren­nt­geschlechtlich for­muliert wurde.

Gut, das klingt jet­zt eher so, als sei das Prob­lem der geschlechterg­erecht­en Sprache viel klein­er als man angesichts eines von 650 „Per­so­n­en des Gesellschaft­slebens“ unterze­ich­neten Brand­briefes zunächst denken könnte.

Aber eigentlich geht es den fünf Masku­tieren (Mein­ten Sie: Mus­ketiere? Nein.) ja auch gar nicht darum, wer jet­zt wo wie viel geschlechterg­erechte Sprache ver­wen­det. Nein, es geht ihnen um den ide­ol­o­gis­chen Aspekt:

Die fem­i­nis­tisch motivierten Grund­sätze zur „sprach­lichen Gle­ich­be­hand­lung“ basieren auf ein­er ein­seit­i­gen und unrichti­gen Ein­schätzung der Gegeben­heit­en in unser­er Sprache.

(Anders als die Grund­sätze der Brief­schreiber, die auf ein­er männlich-zwei­seit­i­gen und damit abso­lut richti­gen Ein­schätzung beruhen).

Das „gener­ische Maskulinum“(z. B. Men­sch, Zuschauer…) zum Feind­bild zu erk­lären und dessen Abschaf­fung zu ver­lan­gen, blendet die Tat­sache aus, dass unsere Sprache eben­so ein „gener­isches Fem­i­ninum“ (z. B. Per­son, Fachkraft…) und ein „gener­isches Neu­trum“ (z. B. Pub­likum, Volk…) kennt.

Tja, da holt man sich schon eine Über­set­zungswis­senschaft­lerin, einen Namensforsch­er und einen Dialek­tolo­gen ins Boot, und dann haben die doch tat­säch­lich in dem einen sprach­wis­senschaftichen Sem­i­nar, das sie irgend­wann ein­mal besucht haben, so schlecht aufgepasst, dass sie Wörter mit rein gram­ma­tis­chem Geschlecht wie Per­son, Fachkraft und Pub­likum mit Wörtern ver­wech­seln, bei denen das gram­ma­tis­che Geschlecht mit dem natür­lichen Geschlecht ((„Natür­lich“ ist hier ein Fachaus­druck, der sich auf die Merk­male bezieht, nach denen eine Sprachge­mein­schaft Per­so­n­en sprach­lich einem Geschlecht zuord­net – das kön­nen, müssen aber keine biol­o­gis­chen Merk­male sein.)) zusam­men­fällt. Und das ist, wie eigentlich jed­er Ger­man­ist wis­sen müsste, über­all da der Fall, wo es sowohl eine männliche als auch eine weib­liche Form eines Wortes gibt, denn sprach­liche Zeichen (auch Kat­e­gorien wie gram­ma­tis­ches Geschlecht) erhal­ten ihre Bedeu­tung durch sprach­sys­temis­che Bezüge zu anderen Zeichen.

Und wer das nicht glaubt, kann sich ein­fach die entsprechende Lit­er­atur durch­le­sen, die zwei Dinge zeigt: Bei all­ge­meinen Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen mit rein gram­ma­tis­chem Geschlecht (wie Men­sch oder Per­son), stellen sich Sprecher/innen des deutschen ten­den­ziell Män­ner vor, da Män­ner gesellschaftlich als Norm gel­ten (das ist auch in Sprachen so, die kein gram­ma­tis­ches Geschlecht haben). Dieser Effekt wird in Sprachen mit gram­ma­tis­chem Geschlecht, wie dem Deutschen, ver­stärkt: Gram­ma­tisch masku­line Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen, zu denen es ein fem­i­nines Gegen­stück gibt, wer­den von Sprecher/innen zunächst auf Män­ner bezo­gen und müssen dann re-inter­pretiert wer­den, wenn der Zusam­men­hang es erfordert.

Aber das wis­sen die fünf Brief­schreiber nicht, und ihre Wis­senslück­en füllen sie – wom­it son­st – mit ein­er lan­gen (weit­ge­hend einge­bilde­ten) Tradition:

Alle seit Jahrhun­derten als Ver­all­ge­meinerun­gen gebraucht­en Wörter umfassen prinzip­iell unter­schied­s­los bei­de Geschlechter. Die ange­führten Beispiele beweisen dies. Es kann also wed­er die Rede davon sein, dass das jew­eils andere Geschlecht nur „mit­ge­meint“ sei, noch dass das „gener­ische Maskulinum“ ein „geronnen­er Sex­is­mus“ wäre und für die Unter­drück­ung der Frau in der Sprache stünde.

Nein, davon kann keine Rede sein, denn wovon hier die Rede sein kann, das bes­tim­men eben die, von denen die Rede ist. Pfeifen wir auf 40 Jahre Forschung, ein paar falsch ver­standene Beispiele für gram­ma­tis­ches Geschlecht bei Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen wiegen da ein­fach schwerer.

Aber ganz ohne Empirie will man das nicht ste­hen lassen und bringt deshalb ein weit­ers Argu­ment dafür, dass man wed­er den Unter­schied zwis­chen gram­ma­tis­chem und natür­lichem Geschlecht, noch den zwis­chen Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen und dem Rest des Wortschatzes, noch den zwis­chen Sin­gu­lar und Plur­al wirk­lich ver­standen hat:

Die Sprach­fre­quenz- forschung belegt ganz im Gegen­satz dazu überzeu­gend, dass der fem­i­nine Artikel „die“ in allen Arten von Tex­ten um ein Vielfach­es häu­figer repräsen­tiert ist als der masku­line Artikel „der“.

Aber genug der wis­senschaftlichen Begrün­dun­gen, denken sich die Fünf und kom­men direkt zu ihren Forderungen:

Fol­gende aus den ange­führten irri­gen Grun­dan­nah­men ent­stande­nen Verun­stal­tun­gen des Schrift­bildes sind daher wieder aus dem Schreibge­brauch zu eliminieren:
• Binnen‑I, z. B. KollegInnen
• Schrägstrich im Wortin­neren, z. B. Kolleg/innen
• Klam­mern, z. B. Kolleg(inn)en
• hochgestelltes „a“ bzw. „in“ im Anschluss an bes­timmte Abkürzun­gen, z. B. Mag.a, DIin.

Natür­lich haben die Elim­i­na­toren auch für diese konkreten Forderun­gen gute Gründe. Erstens entsprechen diese „schriftlichen Verun­stal­tun­gen“ nicht „dem derzeit gülti­gen Amtlichen Regel­w­erk zur deutschen Rechtschrei­bung“. Das ist ein Ham­mer-Argu­ment, aber nicht sehr zukun­ft­sre­ich, denn amtliche Regel­w­erke lassen sich ganz prob­lem­los amtlich ändern

Zweit­ens „enthal­ten sie zum Teil gram­ma­tis­che oder sprachlo­gis­che Fehler und kön­nen in den ange­bote­nen For­men nicht unmit­tel­bar gele­sen wer­den“ – welche Fehler das sind, ist kein Geheim­nis, sie kön­nen „in diversen Pub­lika­tio­nen von Brühlmeier, Kube­lik, Pohl u. a.“ nachge­le­sen wer­den. Sucht man diese Pub­lika­tio­nen, stößt man auf eine Schatztruhe sprach­wis­senschaftlich­er Klein­o­di­en wie Arthur Brühlmeiers „Sprach­fem­i­nis­mus in der Sack­gasse“ (erschienen im Fach­blatt „Deutsche Sprach­welt“) oder (Mitun­terze­ich­n­er) Kube­liks „Genug gegen­dert“ (eine mutige Abrech­nung mit der „Frauen­sprache“ im Taschen­buch­for­mat), oder (Mitun­terze­ich­n­er) Pohls „Zur Diskus­sion um das Binnen‑I und zum ‚fem­i­nis­tis­chen Sprachge­brauch‘“ (in dem er noch ein­mal aus­führlich dar­legt, dass das Binnen‑I nicht dem amtlichen Regel­w­erk entspricht).

Drit­tens

erscheinen die fem­i­ni­nen For­men in solchen Kon­glom­er­at­en jew­eils nur als „Anhängsel“ der masku­li­nen, wobei die masku­li­nen For­men durch „Anhängsel“ eben­falls entstellt wer­den – keines von bei­den Geschlechtern kann sich damit respek­tvoll ange­sprochen fühlen.

Das ist ein beson­ders schönes Argu­ment – welche Frau möchte schon Anhängsel eines Mannes sein, welch­er Mann möchte durch eine Frau entstellt wer­den, die ihm wie ein Mühlstein um den Hals hängt – unmit­tel­bar ein­leuch­t­end und viel sin­nvoller als sich mit den Wort­bil­dung­sprinzip­i­en des Deutschen zu befassen. Allerd­ings ärg­er­lich, dass die fünf damit ganz neben­bei zugegeben haben, was sie eigentlich bestre­it­en woll­ten: dass masku­line For­men männlich sind. Tja, ist eben gar nicht so leicht, das mit der fundierten Sprach­analyse. (Hint: Deshalb gibt es Leute, die sich mit so etwas auskennen).

Auch auswe­ichende For­mulierun­gen (ver­mut­lich so etwas wie „Frauen kön­nen bess­er zuhören“ statt Frauen sind die besseren Zuhör­er) sind strikt zu unter­lassen, denn

der Schreiber durch krampfhaftes Suchen nach Ersatz­for­men häu­fig vom Wesentlichen des Inhalts abge­lenkt wird und ander­er­seits der Leser durch gekün­steltes Wortgut irri­tiert wird.

Und der Schreiber – prachtvoll und ohne weib­lich­es Anhängsel – darf keines­falls irri­tiert und in sein­er schöpferischen Man­neskraft eingeschränkt wer­den. Denn seine Inter­essen sind keine Par­tiku­lar­in­ter­essen, son­dern hoher Sendung Last, mit starkem Herzen getragen.

Und wessen Herz das alles immer noch nicht erwe­icht möge doch bitte an die Kinder denken! Und an die Aus­län­der! Und die Behinderten!

Außer­dem muss gewährleis­tet sein, dass durch die tra­di­tion­s­gemäße Anwen­dung ver­all­ge­mein­ern­der Wort­for­men die Ver­ständlichkeit von Tex­ten wieder den Vor­rang vor dem Trans­port fem­i­nis­tis­ch­er Anliegen eingeräumt bekommt. Dies vor allem im Hin­blick auf
• Kinder, die das sin­ner­fassende Lesen erler­nen sollen,
• Men­schen, die Deutsch als Fremd­sprache erwer­ben und
• Men­schen mit beson­deren Bedürfnis­sen (z. B. Blinde, Gehör­lose, Men­schen mit eingeschränk­ten kog­ni­tiv­en Fähigkeiten)

All diesen Men­schen ist keines­falls die Kom­plex­ität der Zweigeschlechtlichkeit zuzu­muten. Am Ende hin­ter­fra­gen sie auch diese noch, und dann haben wir gar nichts mehr, an das sie glauben können!

Sprache, so schließen die fünf Vertei­di­ger der fem­i­nis­tisch Verfolgten,

war und ist immer ein Bere­ich, der sich basis­demokratisch weit­er­en­twick­elt: Was die Mehrheit der Sprachteil­haber als richtig empfind­et, wird als Regelfall angesehen.

Das ist wie mit his­torischen Tat­sachen, auch dort– nein, lassen wir das. Ich weiß auch gar nicht, wieso ich die ganze Zeit an diese unselige Epoche der deutsch-öster­re­ichis­chen Geschchte… ach so, deshalb:

Wo immer im Laufe der Geschichte ver­sucht wurde, in diesen Prozess reg­ulierend einzu­greifen, hat­ten wir es mit dik­ta­torischen Reg­i­men zu tun.

Da haben wir’s. Die Fem­i­nistin­nen sind nichts anderes als Nazis – obwohl, bei denen war ja auch nicht alles schlecht. Aber bauen Fem­i­nistin­nen über­haupt Autobahnen?

Auf jeden Fall, da sind sich die fünf einig, darf es in sprach­lichen Fra­gen keine Vorschriften geben:

Das staat­stra­gende Prinzip „Demokratie“ ver­bi­etet daher a pri­ori sprach­liche Zwangs­maß­nah­men, wie sie derzeit über­hand- nehmen. Ein min­i­maler Prozentsatz kämpferisch­er Sprach­fem­i­nistin­nen darf nicht länger der nahezu 90-prozenti­gen Mehrheit der Staats­bürg­er ihren Willen aufzwingen.

Und weil es keine Vorschriften geben darf, muss schle­u­nigst eine Vorschrift her, näm­lich die (im Sprachlog bere­its aus­führlich disku­tierte, siehe [1], [2]) ÖNORM A 1080:

Der Entwurf der ÖNORM A 1080, der die öffentliche Debat­te zu diesem The­ma aus­gelöst hat­te, präsen­tiert einen Vorschlag, der die fem­i­nis­tis­chen Anliegen max­i­mal berück­sichtigt, aber ander­er­seits eine Rück­kehr zur sprach­lichen Nor­mal­ität ermöglicht. Die Unterze­ich­neten plädieren daher mit Nach­druck dafür, diesen Entwurf auch auf höch­ster poli­tis­ch­er Ebene zu unter­stützen und zur Grund­lage der Textgestal­tung im öffentlichen Bere­ich zu erklären.

Denn nur eine Vorschrift kann ver­hin­dern, dass wir uns ein­bilden kön­nen, die fem­i­nis­tis­che Sprach­wis­senschaft wolle uns Vorschriften machen.

[PS. Leonard Dobusch hat auf dem blog acht auch etwas zum The­ma geschrieben (und sich dabei haupt­säch­lich – kluger Mann – auf mich berufen. Eben­falls empfehlenswert: Beate Haus­bich­ler auf die Stan­dard.]

28 Gedanken zu „Die fünf Freunde und die Rückkehr zur sprachlichen Normalität

  1. Jörg Eiben

    Mir hat dieser Text sehr gefall­en, in sein­er Argu­men­ta­tion, aber auch in sein­er Non­cha­lance. Das Fähn­lein der ange­blich 650 Sprach­schützer (sind da auch Frauen dabei?) hat nicht bemerkt, dass die gesellschaftliche Entwick­lung auch im kon­ser­v­a­tiv­en Öster­re­ich unumkehrbar weit­er gegan­gen ist. Es gibt kein zurück — vielle­icht aber die Notwendigkeit, die Gen­derisierung zu ein­er gesellschaftlichen Auf­gaben­stel­lung für alle zu machen — in Per­ma­nenz. Bis das Ziel erre­icht ist…

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  2. dingdong

    Ad: “All diesen Men­schen ist keines­falls die Kom­plex­ität der Zweigeschlechtlichkeit zuzu­muten. Am Ende hin­ter­fra­gen sie auch diese noch, und dann haben wir gar nichts mehr, an das sie glauben können!”

    Ich glaube Trans­gen­der und Inter­sex sind genug Gründe die Zweigeschlechtigkeit tat­säch­lich zu hinterfragen.

    Auch muss man mit dieser “Unter-Hitler-nicht-alles-schlecht”-Umfrage vor­sichtig umge­hen, es ist ja nicht möglich, dass wirk­lich alles (!) schlecht war, für irgendwen war irgend­was immer gut. Und was schlimm daran ist zu sagen, die Naz­izeit ist gut genug aufgear­beit­et, wird mir auch nicht ganz klar.

    Dass Kri­tik schon wieder auch über ad hominem abgewick­elt wird, finde ich auch eher schade.

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  3. Stephan Packard

    Ist die Fußnote à la “Mit Natur ist Kul­tur grund­sät­zlich mit­ge­meint.” wirk­lich bess­er als das alte “Mit der männlichen ist die weib­liche Beze­ich­nung grund­sät­zlich mitgemeint.”? 

    Will sagen: Müssen da nicht auch bessere Sprach­prax­en her? Oder sollte die tra­di­tionelle, aber irreführende lin­guis­tis­che Fach­sprache jenen Schutz genießen, der den irreführen­den Tra­di­tio­nen der All­t­agssprache hier ger­ade abge­sprochen wird?

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Es geht an dieser Stelle nicht so sehr darum, ob „Kul­tur“ bei „Natur“ mit gemeint ist, son­dern was sprach­lich als natür­lich kon­stru­iert wird; insofern trifft es die Fach­sprache an dieser Stelle eigentlich sehr gut – solange man eben nicht den Fehler macht, „natür­lich“ mit „biol­o­gisch“ (bzw. ein­er bes­timmten Vorstel­lung von Biolo­gie) gle­ichzuset­zen. Den Begriff „natür­lich­es Geschlecht“ ein­fach durch „kul­turelles“ oder „soziales Geschlecht zu erset­zen, wäre m.E. falsch, weil bei der Ver­wen­dung z.B. von Pronomen nicht vor­rangig die Frage eine Rolle spielt, wie Geschlecht sozial/kulturell kon­stru­iert wird, son­dern wie die Natür­lichkeit ein­er Geschlecht­szuschrei­bung sozial/kulturell kon­stru­iert wird. Es kön­nte aber sin­nvoll sein, „natür­lich“ in Anführungsze­ichen zu ver­wen­den (wie ich es oft auch mit dem Begriff „gener­isch“ tue).

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  4. dingdong

    Noch etwas: Diese “gegen­derten” Abkürzun­gen sind das einzige, was ich als wrk­lich unnötig empfinde. Die Abkürzung Mag. kann ja sowohl für Mag­is­ter als auch Mag­is­tra stehen.

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  5. Segantini

    Frauen sind die besseren Zuhör­er“ ist ein Satz, der auf den Punkt bringt, wo für die meis­ten Sprechen­den das Prob­lem liegt: die innere Erörterung der Frage, ob dieses „Zuhör­er“ nun männlich oder weib­lich oder geschlecht­sneu­tral ist, dauert ein­fach viel zu lange, und ver­schiedene Sprechende kämen darin vielle­icht sog­ar zu unter­schiedlichen Ergeb­nis­sen. Ich zum Beispiel bin der Ansicht, daß das Kon­strukt am ehesten einem „Frauen sind die besseren Män­ner” gle­icht, denn „Frauen sind die besseren Frauen” wäre kom­plet­ter Unfug, und „Frauen sind die besseren Men­schen” liegt irgend­wo dazwis­chen, denn man kann sich nicht mit ein­er Gruppe ver­gle­ichen, zu der man sel­ber gehört. Also ist die masku­line Form „…die besseren Zuhör­er” wohl die am wenig­sten falsche. Aber darüber kann ich in einem Gespräch nicht nach­denken, ohne zugle­ich den Faden mein­er Rede zu verlieren.

    Antworten
    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Da „Män­ner sind die besseren Män­ner“ ja eben­so ein Unfug sein müsste, wäre dann aber auch die Form „Män­ner sind die besseren Zuhörerin­nen“ die am wenig­sten falsche.

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  6. jonas

    Moin,

    der Hin­weis auf Blinde und Sehbe­hin­derte sollte vielle­icht noch ein wenig aufmerk­samkeit bekom­men. Hier liegen schein­bar (ich habe nur kurz recher­chiert) tech­nis­che Prob­leme vor, da Braillezeilen und Screen­read­er das Binnen‑I nicht gut vertragen.

    Das The­ma Schrift liegt bei uns noch deut­lich in der Zukun­ft, daher sind noch keine Geräte zum testen verfügbar.

    VoiceOver vom iPhone bekommt es halb­wegs hin (es liest gefühlt jew­eils zwei Worte vor), es stört die Wieder­gabe des Wortes aber schon deut­lich. Das muss sicher­lich sep­a­rat trainiert wer­den, son­st wird die Bedeu­tung nicht klar.

    Da es in Braille meines Wis­sens keine Großbuch­staben gibt, ist das Binnen‑I hier nicht zu erken­nen. Abhil­fe schafft wohl nur ein sep­a­rates Zeichen?

    Antworten
  7. A. Schaffar

    Vie­len, vie­len Dank! Großar­tiger, gscheit­er und witziger Kom­men­tar zu dieser unsäglichen Debatte.
    Grüße aus Wien,
    A. Schaffar

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  8. Georg Marko

    Vie­len Dank. Sehr schön. So viel eigentlich unsag­bar Dummes, teil­weise unter­schrieben von Leuten, vor denen ich eigentlich Achtung hat­te, im bil­li­gen Fahrwass­er von Andreas Gabalier.

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  9. Peter

    Auch wenn ich die Argu­men­ta­tion in weit­en Teilen gut nachvol­lziehen kann: Irgend­wie wird mir das auf bei­den Seit­en zu ideologisch. 

    Wie Segan­ti­ni bin ich auch sofort über den Satz “Frauen sind die besseren Zuhör­er” gestolpert, der in meinen Augen nicht nur am wenig­sten falsch, son­dern völ­lig richtig ist. Es kommt immer auf den Zusam­men­hang an.
    Die Aus­sage “Frauen kön­nen bess­er zuhören” macht eigentlich nur mit der Ergänzung “als Män­ner” Sinn (die sich der Zuhör­er eventuell auch denken kann).
    “Frauen sind die besseren Zuhör­er” bringt es viel bess­er auf den Punkt. Es ist in diesem Fall ein Spiel mit der Sprache, mit dem Para­dox, das nicht funk­tion­ieren würde, wenn man alles zwangs­gen­dern würde.

    Trotz­dem ist ein angemessen­er Umgang mit der sprach­lichen Gle­ich­be­hand­lung natür­lich wichtig. Es ist nur lei­der in jedem Einzelfall neu auszu­tari­eren, was angemessen ist. Die Bar­keeperin bleibt natür­lich die Bar­keeperin. Der Vor­sitzende der Bar­keep­er­vere­ini­gung begrüsst die Mit­glieder zur Mit­gliederver­samm­lung selb­stver­ständlich mit “Liebe Bar­keeperin­nen und Bar­keep­er” und kommt dann gle­ich zum ersten Tage­sor­d­nungspunkt: Die Umbe­nen­nung des Vere­ins in “Vere­ini­gung der Bar­keeperin­nen und Barkeeper”. 

    Das alles wird nicht ohne Län­gen und Hil­f­skon­struk­tio­nen gehen. Bin­nen-Is, /innen und ähn­lich­es finde ich äußerst unschön und ver­suche es daher zu ver­mei­den. Statt /innen müssen dann halt drei Wörter her. Soviel Zeit muss sein.
    Dabei muss man auch zwis­chen informeller und formeller Rede unter­schei­den. Im pri­vat­en Gespräch finde ich die saloppe Beze­ich­nung “Bar­keep­er­vere­ini­gung” immer noch völ­lig angemessen.

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  11. Ospero

    @dingdong: Ich erin­nere mich aus mein­er Schulzeit noch an einen nachgestell­ten Apos­troph, der bei den Abkürzun­gen für Titel wie “Ober­stu­di­en­rat/-rätin” die weib­liche Form kennze­ich­nete (“OStR” und “OStR‘”). Ich weiß allerd­ings nicht, ob das jemals was Offizielles war und ob das heute noch so gemacht wird.

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  15. Barbara Kaiser

    Für mich ist das alles ganz ein­fach: Die näch­sten 5000 Jahre sagen und schreiben wir ein­fach und “nor­mal”: Herr Lehrerin, Herr Dok­to­ra, Herr Poli­tik­erin, Herr Min­is­terin, Herr Putzfrau…
    Das wer­den die Her­ren Leserin­nen dann doch nachvol­lziehen kön­nen, wie es bish­er den Frauen Lesern ging.

    Antworten
  16. Peter

    @ Bar­bara Kaiser
    Der Ver­gle­ich hinkt. Das Prob­lem taucht doch nur auf, wenn gemichte Grup­pen ange­sprochen wer­den. Spricht man in Öster­re­ich eine Lehrerin mit Frau Lehrer an? Das käme mir sehr selt­sam vor.Ich schließe mal aus der Dok­to­ra, dass sie aus Öster­re­ich kom­men. Tat­säch­lich wäre das in Deutsch­land der einzige Fall aus ihrer Liste, in dem man Frau Dok­tor sagen kön­nte (oder müsste? Jet­zt bin ich ganz unsich­er. Ich glaube ich habe Dok­torin als Titel noch nie gehört). Die Dok­to­ra gibt es bei uns nicht, was schade ist, weil ich das Wort irgend­wie char­mant finde. Frau Dok­torin hört sich dage­gen irgend­wie rumpelig an, aber wahrschein­lich kön­nte man sich daran gewöhnen.

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  17. Norbert

    Ist Ihnen eigentlich aufge­fall­en, dass Sie selb­st weit­ge­hend durch­führen, was Sie hier par­o­disieren? Eine Frau und vier Män­ner sind bei Ihnen zusam­men “fünf Fre­unde”, “fünf Masku­tiuerte”, “fünf Brief­schreiber”, “Elim­i­na­toren”, “fünf Vertei­di­ger”. Und, “wie eigentlich jed­er Ger­man­ist (!!) wis­sen müsste”, haben die fünf da ja vieles missver­standen. Köstlich!

    Antworten
  18. Norbert

    Nicht unbe­d­ingt, da Sie zumin­d­est ein­mal auch von “Sprecher/innen” schreiben. Aber ein­er, der, wie ich jet­zt an mir selb­st kri­tisieren muss, “par­o­disieren” statt “par­o­dieren” schreibt, braucht sich gar nicht groß echauffieren 😉
    Ich wün­sche mir trotz­dem eine geschlecht­sneu­trale Form, um der SChrägstrichelei zu entgehen.

    Antworten
  19. Georg Marko

    Nicht unbe­d­ingt, da Sie zumin­d­est ein­mal auch von “Sprecher/innen” schreiben.”

    Point-of-view Tech­nik, die ja Teil des Reizes des Textes ausmacht.

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