Sinnesfreuden (V)

Von Anatol Stefanowitsch

In den let­zten vier Wochen haben wir uns mit ver­schiede­nen Aspek­ten der Redewen­dung Sinn machen beschäftigt. Wir haben gezeigt, dass sie älter ist, als gemein­hin angenom­men und dass sich ver­mut­lich nicht von Jour­nal­is­ten und Poli­tik­ern, son­dern von Philosophen und Lit­er­at­en in die Sprache einge­führt wor­den ist. Wir haben gezeigt, dass wed­er aus syn­tak­tis­ch­er, noch aus seman­tis­ch­er Sicht irgen­det­was gegen die Inter­gra­tion dieser Redewen­dung in die deutsche Sprache spricht. Und wir haben gese­hen, dass sie, wenn sie denn tat­säch­lich aus dem Englis­chen stammt, völ­lig kor­rekt und in vollem Umfang entlehnt wor­den ist.

Mehr bleibt eigentlich nicht zu sagen. Bis auf das Wichtig­ste, natür­lich. Sick und seine Anhänger gehen stets davon aus, dass Sinn machen nicht nur falsches Deutsch ist, son­dern dass es sich dabei auch noch um eine völ­lig über­flüs­sige Redewen­dung han­delt, da es aus­re­ichend Alter­na­tiv­en gebe:

Die deutsche Sprache bietet viele Möglichkeit­en, den vorhan­de­nen oder unvorhan­de­nen Sinn auszu­drück­en. Neben „Das ist sin­nvoll“ ist eben­so richtig: „Das ergibt einen Sinn“, „Das hat einen Sinn“, „Ich sehe einen Sinn darin“.

Aber hier haben wir es wieder ein­mal mit ein­er reinen Behaup­tung zu tun, die durch nichts belegt wird. Sehen wir uns also an, ob diese Alter­na­tiv­en tat­säch­lich syn­onym (bedeu­tungs­gle­ich) mit Das macht Sinn sind.

Dazu müssen wir uns zunächst das Wort Sinn sel­ber anse­hen, denn das ist ein stark pol­ysemes Wort, d.h., es hat viele (poly) Bedeu­tun­gen (sem, wie in Seman­tik). Das Ber­tels­mann Wörter­buch der deutschen Sprache nen­nt ins­ge­samt acht:

  1. Fähigkeit eines leben­den Wesens, mit Hil­fe bes­timmter Organe seine Umwelt wahrzunehmen“ (die fünf Sinne.)
  2. Denk­fähigkeit, Bewusst­sein“ (Der Schnaps umnebelt seine Sinne.)
  3. sex­uelles Ver­lan­gen, sex­uelles Empfind­en“ (Der Film erregte seine Sinne.)
  4. Gefühl, Ver­ständ­nis“ (für etwas keinen Sinn haben)
  5. Gedanken, Denken“ (Das musst du dir aus dem Sinn schla­gen.)
  6. Denkweise“ (ein Mann mit hohem und edlem Sinn)
  7. Bedeutung“/„innerer, geistiger Gehalt“(diese Inter­pre­ta­tion, Über­set­zung ergibt keinen Sinn; den tief­er­en Sinn von etwas erfassen; über den S. des Lebens nach­denken)
  8. Zweck, Wert“ (Das hat keinen Sinn.)

Die ersten sechs dieser Bedeu­tun­gen sind für die Redewen­dun­gen, um die es hier geht, nicht rel­e­vant (Ein Satz wie Der Film hat/ergibt/macht Sinn kann nicht „Der Film erregt seine Sinne“ bedeuten, Der Schnaps hat/ergibt/macht keinen Sinn nicht „Der Schnaps umnebelt seine Sinne“, usw.). Die Redewen­dun­gen beziehen sich nur auf die Bedeu­tungs­bere­iche, der durch die let­zten bei­den Def­i­n­i­tio­nen skizziert werden.

Dabei ist es zunächst inter­es­sant, dass das Ber­tels­mann-Wörter­buch zwei der Redewen­dun­gen, um die es geht, als Beispiel­sätze her­anzieht um diese Def­i­n­i­tio­nen zu illus­tri­eren: Sinn haben wird der Bedeu­tung „Zweck, Wert“ zuge­ord­net, Sinn ergeben der Bedeu­tung „Bedeu­tung, inner­er Gehalt“. Diese Zuord­nung deckt sich mit meinen Intu­itio­nen als deutsch­er Mut­ter­prach­ler, was die Bedeu­tung der jew­eili­gen Redewen­dung ange­ht. Wir Lin­guis­ten ziehen solche Intu­itio­nen häu­fig her­an, um einen ersten Ein­druck vom Ver­hal­ten sprach­lich­er Aus­drücke zu erhal­ten. Dabei geht es uns nicht um eine Bew­er­tung („gut/schlecht“), son­dern um die Fra­gen „Ist das ein möglich­er Satz der Sprache X?“ und/oder „Wenn das jemand sagt, was bedeutet es dann“. Dazu kon­stru­iert man gerne Min­i­mal­paare — Satz­paare, die sich nur in einem Aspekt unter­schei­den. Nehmen wir an, eine Gruppe von The­ater­fre­un­den über­legt, wie sie noch rechtzeit­ig ins The­ater kom­men. Dann kön­nten fol­gende Sätze fallen:

(1a) Es hat keinen Sinn, die U‑Bahn zu nehmen.

(1b) Es ergibt keinen Sinn, die U‑Bahn zu nehmen.

Jemand, der (1a) sagt, meint, dass die Sit­u­a­tion nicht mehr zu ret­ten ist und es zweck­los wäre, die U‑Bahn zu nehmen. Er würde vielle­icht fort­fahren „… wir kom­men trotz­dem nicht mehr rechtzeit­ig ins The­ater“. Jemand, der (1b) sagt, meint, dass es ein unver­ständlich­es Ver­hal­ten wäre, die U‑Bahn zu nehmen, und würde vielle­icht fort­fahren „… die U‑Bahn fährt doch gar nicht zum The­ater“. Der Bedeu­tung­sun­ter­schied zeigt sich noch klar­er in fol­gen­dem Minimalpaar:

(2a) *Dieser Satz hat keinen Sinn.

(2b) Dieser Satz ergibt keinen Sinn.

Der erste Satz scheint mir kein möglich­er Satz des Deutschen zu sein (so etwas kennze­ich­nen Lin­guis­ten gerne mit einem Sternchen vor dem entsprechen­den Satz), während der zweite völ­lig nor­malk­lingt. Es ist merk­würdig, über die „Zweck­losigkeit“ eines Satzes zu reden, während man seine „Bedeu­tungslosigkeit“ bzw. „Unver­ständlichkeit“ dur­chaus kom­men­tieren kann.

Diese Unter­schiede passen zu den im Ber­tels­mann getrof­fe­nen Bedeu­tungszuord­nun­gen. Wie sieht es jet­zt mit Sinn machen aus?

(1c) Es macht keinen Sinn, die U‑Bahn zu nehmen.

Satz (1c) scheint mir zu bedeuten, dass die U‑Bahn keine gut durch­dachte Lösung des Prob­lems darstellt, ohne dabei aber gle­ichzeit­ig die Hoff­nungslosigkeit von (1a) oder die Unver­ständlichkeit von (1b) auszu­drück­en. Jemand, der das sagt, würde vielle­icht fort­fahren „…zu Fuß wären wir viel schneller“.

Als Zwis­ch­en­ergeb­nis kön­nen wir also fes­thal­ten, dass die drei Redewen­dun­gen drei unter­schiedliche Bedeu­tun­gen haben: Sinn haben bedeutet so etwas wie „Zweck haben“ und Sinn ergeben so etwas wie „Bedeu­tung haben“. Das ungeliebte Sinn machen bedeutet „vernünftig/gut durch­dacht sein.“

Nun ist die mut­ter­sprach­liche Intu­ition zwar das wichtig­ste Werkzeug des Lin­guis­ten, sie ist aber auch notorisch unzu­ver­läs­sig. Sie muss deshalb möglichst mit objek­tiv­eren Mit­teln über­prüft wer­den. Ich ver­wende in mein­er Forschung dafür gerne Kor­po­ra, also große Men­gen authen­tis­ch­er geschrieben­er und gesproch­en­er Texte. Gemein­sam mit meinem Kol­le­gen Ste­fan Gries von der Uni­ver­si­ty of Cal­i­for­nia, San­ta Bar­bara, habe ich ein Ver­fahren entwick­elt, das für die vor­liegende Fragestel­lung gut geeignet ist: es ver­gle­icht zwei oder mehr sprach­liche Aus­drücke darauf hin, welche Wörter in jedem dieser Aus­drücke häu­figer oder sel­tener vorkom­men, als man es im Ver­gle­ich zu den anderen Aus­drück­en erwarten würde. Wen­det man dieses Ver­fahren auf die drei Redewen­dun­gen Sinn haben, Sinn ergeben und Sinn machen an, so erhält man fol­gende Ran­glis­ten (die Dat­en stam­men aus dem deutschsprachi­gen Internet):

RANG HABEN ERGEBEN MACHEN
1. Diskus­sion Satz Ganze
2. Beziehung Bew­er­tung Teil­verkauf
3. Thread Rest Kom­bi­na­tion
4. Sache Name Aktion
5. Tod Sto­ry Zer­schla­gung
6. Seite Wort Fusion
7. Idee Nadel­stich Umschu­lung
8. Schule Pro­gramm Ver­rech­nung
9. Geschichte Code Krisen­szenario
10. Ding Astrolo­gie Baum­struk­tur
11. Lied Text Off­shoring
12. Film Ganze Herb­stpflanzung
13. Uni­ver­sum Botschaft Altersvor­sorge
14. Ende Antwort Annahme
15. Teil Aus­sage Pkw-Maut
16. Titel Wagen Ver­bot
17. Evo­lu­tion Auf­forderung Kan­tone
18. Abend Uhr Gege­nen­twurf
19. Sig­natur Beispiel Regelung
20. Strafe Zuord­nung Vor­bere­itung

Die Dat­en bestäti­gen im Großen und Ganzen die Bedeu­tungszuord­nun­gen, die ich auf der Grund­lage der mut­ter­sprach­lichen Intu­ition getrof­fen habe.

Sinn haben bezieht sich am häu­fig­sten auf Dinge, die zu einem bes­timmten Ziel führen sollen oder bei denen man sich über die möglichen Gründe ihrer Exis­tenz wun­dern kann: Diskus­sion, Beziehung, Thread, Tod, Schule, Geschichte, Uni­ver­sum, Evo­lu­tion und Strafe. Hier ist es plau­si­bel, den Zweck zu hin­ter­fra­gen oder zu verneinen.

Sinn ergeben wird häu­fig auf Ele­mente der Sprache (oder sprachähn­lich­er Sys­teme) angewen­det: Satz, Bew­er­tung, Name, Sto­ry, Wort, Pro­gramm, Code, Text, Botschaft, Antwort, Aus­sage, Auf­forderung, Beispiel. Hier ist es plau­si­bel, nach der Bedeu­tung zu fra­gen oder diese zu verneinen oder zu kommentieren.

Sinn machen find­et man am häu­fig­sten mit Aktiv­itäten, denen Entschei­dung­sprozesse voraus­ge­hen und zu denen es nor­maler­weise Alter­na­tiv­en gäbe: Teil­verkauf, Kom­bi­na­tion, Aktion, Zer­schla­gung, Fusion, Umschu­lung, Ver­rech­nung, Off­shoring, Herb­stpflanzung, Altersvor­sorge, Annahme, Pkw-Maut, Ver­bot, Gege­nen­twurf, Regelung und Vor­bere­itung. Hier ist es plau­si­bel, zu fra­gen, ob diese Aktiv­itäten gut durch­dacht sind bzw. die jew­eils beste Alter­na­tive darstellen.

Für alle drei Redewen­dun­gen bleiben natür­lich eine Rei­he von Wörtern, die nicht gle­ich auf den ersten Blick in das jew­eilige Schema passen oder die zunächst so ausse­hen, als soll­ten sie bei ein­er der anderen Redewen­dun­gen ste­hen (Idee, Lied, Film und Titel wären z.B. eher bei Sinn ergeben als bei Sinn haben zu erwarten). Das liegt natür­lich zum einen daran, dass sich die genaue Bedeu­tung dieser Wörter im Zusam­men­hang eventuell anders darstellt, zum anderen hat es ver­mut­lich etwas damit zu tun, dass es bei deutschen Mut­ter­sprach­lern eine gewisse Unsicher­heit bezüglich der Ver­wen­dung der drei Redewen­dun­gen gibt, die durch sprach­puris­tis­che Ver­bote noch ver­stärkt wird.

Bleibt noch die Redewen­dung sin­nvoll sein. Sehen wir uns noch ein Min­i­mal­paar an:

(3a) Es macht keinen Sinn, die U‑Bahn zu nehmen.

(3b) Es ist nicht sin­nvoll, die U‑Bahn zu nehmen.

Die bei­den Sätze sind seman­tisch nah beieinan­der, aber es scheint mir doch einen Unter­schied zu geben: (3a) klingt für mich wie eine per­sön­liche Mei­n­ungsäußerung, während (3b) so klingt, als sei es eine unum­stößliche Wahrheit (siehe hierzu auch Eriks Kom­men­tar zum ersten Beitrag in dieser Rei­he). Während auf (3a) also, wie oben gesagt, etwas fol­gen kön­nte, wie „… zu Fuß wären wir viel schneller“, würde man bei (3b) eher so etwas erwarten, wie „… das weiß doch jed­er“. Um diese Intu­ition zu über­prüfen, kön­nten wir zum Beispiel in einem Kor­pus danach suchen, wie häu­fig der jew­eili­gen Redewen­dung die Phrase Ich finde… vor­angestellt wird, die ja auf eine per­sön­liche Mei­n­ung hin­deutet. Die Häu­figkeit­en bestäti­gen die Intu­ition: bei Sinn machen find­et sich die Phrase bei 174 von 1 Mil­lion Tre­f­fern, bei sin­nvoll sein nur bei 75 von 1 Million.

Zusam­men­fassend kön­nen wir also fest­stellen, dass die Redewen­dung Sinn machen ihre eigene Funk­tion erfüllt, die durch die vorgeschla­ge­nen Alter­na­tiv­en keineswegs abgedeckt wird. Das sollte uns auch nicht weit­er wun­dern: anders, als die Sprach­puris­ten annehmen, ver­hal­ten die Sprech­er ein­er Sprache sich sel­ten sinn­los irra­tional oder bewusst schlampig. Sie schaf­fen keine über­flüs­si­gen Alter­na­tiv­en zu beste­hen­den Aus­drück­en, wed­er mit sprach­in­ter­nen Mit­teln, noch durch Entlehnung. Sie ver­wen­den aber dur­chaus bei­de Strate­gien, um den vorhan­de­nen Aus­druck­sre­ich­tum weit­er auszudifferenzieren.

Sie kön­nen die Redewen­dung Sinn machen in Zukun­ft natür­lich mei­den. Aber das hat keinen Sinn (der Aus­druck wird sich unge­hin­dert weit­er durch­set­zen), es ergibt keinen Sinn (es fehlt jede ratio­nale Begrün­dung, den Aus­druck zu ver­teufeln), und es macht auch keinen Sinn (es han­delt sich näm­lich um eine wertvolle Ergänzung der deutschen Sprache).

Die ganze Serie

Sin­nes­freuden: Erster Teil

Sin­nes­freuden: Zweit­er Teil

Sin­nes­freuden: Drit­ter Teil

Sin­nes­freuden: Viert­er Teil

Sin­nes­freuden: Fün­fter Teil

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

35 Gedanken zu „Sinnesfreuden (V)

  1. stw

    Großar­tig. Wie schon gesagt: sehr inter­es­sant und lehrre­ich. Wie noch nicht gesagt: auch sehr kurzweilig. 

    Gesam­melte Fra­gen und Einwände

    (die ich mal in einem Kom­men­tar hier­hin schreibe)

    I/V

    Wenn die Wen­dung schon so lange im Deutschen unter­wegs ist, und wenn sie tat­säch­lich auf­grund der anderen/neuen Bedeu­tung benutzt wer­den sollte — warum dann erst jet­zt so auf­fäl­lig oft? (Die erst “seit einiger Zeit” zu lesende Kri­tik ist ja ein Symp­tom dafür. — In ein­er Sprachkri­tik aus der Mitte der 70er Jahre, die ich mal gefun­den habe, schüt­telte der Autor noch über sinnhaft den Kopf; von Sinn machen keine Rede.)

    Warum erst jet­zt? Fehlten früher mehrheitlich die Sit­u­a­tio­nen, wo es passend schien? Fuhr man sel­tener U‑Bahn? Ich bezwei­fle das ein­fach mal. Deshalb auch meine Zweifel an dieser Erk­lärung zumin­d­est für das Aufkom­men, so gut ich die Darstel­lung nachvol­lziehen kann.

    II

    Zur Syn­tax­the­o­rie: Trotz der ganz natür­lichen und unprob­lema­tis­chen Kom­bi­na­tion von machen und etwas Abstrak­tem bleibt mein Sprachge­fühl — ger­ade bei der Gegenüber­stel­lung ander­er Beispiele — an Sinn machen hän­gen. Irgend­wie paßt das nicht:

    Erfahrun­gen machen / Spaß machen / Sinn machen

    Irgend­was ist merk­würdig. Der Punkt ist nicht das Abstrak­te. Der Punkt ist:

    Erfahrun­gen oder Kar­riere oder Anstal­ten macht immer irgend­je­mand. Wie son­st? Aber macht jemand Sinn? Mache ich Sinn? “Entschuldigen Sie, machen Sie Sinn, jet­zt mal ehrlich?” Ich finde: och nö.

    Aber es gibt ja auch Sit­u­a­tio­nen oder Dinge, die irgend­was machen kön­nen. Etwas macht Spaß/Hoffnung/Angst. Klar. Und etwas macht ange­blich Sinn. Also? Also das: Spaß und Hoff­nung und Angst und Mut und all diese Dinge sind men­schliche Empfind­un­gen, “men­tale und emo­tionale Zustände”, wie es im Beitrag hieß. Sie sind immer auf jeman­den bezo­gen. Wenn nie­mand da ist, dem etwas Spaß machen kann, dann gibt es auch keinen Spaß.

    Das macht Spaß ist also stets die gedankliche und sprach­liche Verkürzung von Das macht mir/Dir/uns Spaß. Bei den anderen Beispie­len eben­so. Stellt man nun den Sinn in diese Rei­he, müßte man eben­so natür­lich sagen: Na, das macht mir aber Sinn. — Macht Dir das Sinn? Habe ich noch nie gehört.

    Das fügt sich nicht recht ein; vielle­icht der Grund, warum das (für mich) intu­itiv ein­fach unschön klingt; vielle­icht auch ein Indiz, daß die Wen­dung tat­säch­lich aus dem Englis­chen kommt (was für sich eine Fest­stel­lung, keine Kri­tik wäre). 

    III

    (Hab’ vergessen, was ich zu dem schö­nen Philoso­phiebeitrag sagen wollte. Dafür fällt mir dazu der (Werbe-)Satz ein, in dem ich die Wen­dung das bish­er einzige Mal in schön­er Ver­wen­dung sah: Far­ben machen Sinn. Obwohl ich die offen­bar gemeinte Dop­peldeutigkeit wiederum sinn­los finde; aber eine Bedeu­tung davon gefällt mir. Aber die ist dann wieder ein ganz anderes Sinn machen als das, von dem hier und im All­t­ag die Rede ist.)

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  2. Jens

    Gemein­sam mit meinem Kol­le­gen Ste­fan Gries von der Uni­ver­si­ty of Cal­i­for­nia, San­ta Bar­bara, habe ich ein Ver­fahren entwick­elt, das für die vor­liegende Fragestel­lung gut geeignet ist: es ver­gle­icht zwei oder mehr sprach­liche Aus­drücke darauf hin, welche Wörter in jedem dieser Aus­drücke häu­figer oder sel­tener vorkom­men, als man es im Ver­gle­ich zu den anderen Aus­drück­en erwarten würde.

    Das Ver­fahren ver­gle­icht”? Wirk­lich? Ver­gle­icht nicht eher jemand, wenn er dieses Ver­fahren anwen­det oder durch­führt, bzw. der Com­put­er, wenn er eine Imple­men­tierung dieses Ver­fahrens ausführt?

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  3. Frank Oswalt

    @Jens, ich ers­pare es mal dem Blog­meis­ter, auf diesen nör­g­lerischen Blödsinn 😉 selb­st zu antworten. Wie in aller Welt kom­men Sie darauf, dass das Verb “ver­gle­ichen” ein men­schlich­es Sub­jekt erfordert? Der all­ge­meine Sprachge­brauch kann es ja wohl nicht sein, denn dort ist es nicht ungewöhn­lich, davon zu sprechen, dass ein Ver­fahren etwas “tut”. Sie betreiben hier Kinder­garten­logik a la Sick (siehe hier).

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  4. Frank Oswalt

    Ist ein biss­chen spät, aber ich bin beim googeln auf einen Blogth­read aus dem let­zen Jahr gestoßen, der sich teil­weise mit diesem Beitrag hier beschäftigt. Darin ste­ht unter anderen:

    Der fün­fte Teil ist übri­gens nur noch kon­stru­iert: „Sinn machen” sei eine Mei­n­ungsäußerung, „nicht sin­nvoll sein” dage­gen eine Tat­sachen­be­haup­tung – also unl­o­gis­ch­er gehts ja echt nicht mehr. Und dann zum Beweis eine Inter­net­sta­tis­tik, die behauptet, daß 0,01% eine sig­nifikante Abwe­ichung sei.

    Wie ist denn das mit der Signifikanz?

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  5. Anatol Stefanowitsch

    Frank, ich wäre schon froh, wenn ich die Zeit hätte, auf die vie­len inter­es­san­ten Kom­mentare hier im Blog einzuge­hen, ohne mich auch noch um die mäßig inter­es­san­ten Kom­mentare ander­swo küm­mern zu müssen… Der Kom­men­tar-Thread, aus dem das Zitat (wenn ich mein­er­seits Google glauben darf) stammt, ist ja ins­ge­samt eher vorherse­hbar (Sprach­blogleser corax ver­sucht dort helden­haft, aber natür­lich verge­blich, die sprach­liche Ver­nun­ft gegen ein paar Besser­wiss­er zu vertei­di­gen, die Mei­n­un­gen mit Argu­menten verwechseln).

    Aber Ihre Frage ver­di­ent eine Antwort: natür­lich ist der Unter­schied sta­tis­tisch höchst sig­nifikant, son­st hätte ich ihn nicht ange­führt (Bino­mi­al­test, p<0.001) — das muss man mir übri­gens nicht glauben, es lässt sich anhand der genan­nten Zahlen leicht selb­st über­prüfen. Der Kom­men­ta­tor trickst hier, wenn er behauptet, han­dle sich um einen Unter­schied von 0,01%: das ist näm­lich nur der absolute Unter­schied zwis­chen den bei­den Werten. Der ist aber hier nicht rel­e­vant, es sein denn, man wollte behaupten, dass es ab ein­er gewis­sen Sel­tenheit eines Phänomens keinen Unter­schied mehr mache, ob etwas „sel­ten“ oder „sehr sel­ten“ ist. Der rel­a­tive Unter­schied ist natür­lich wesentlich drastis­ch­er: Ich finde tritt 2,3‑mal häu­figer mit Sinn machen auf, als mit sin­nvoll sein! Über­legen Sie sich, ob sie eher ein Medika­ment nehmen wür­den, das in 75 von 1 Mil­lion Fällen fatale Neben­wirkun­gen hat, oder eines, bei dem das in 174 von 1 Mil­lion Fällen der Fall ist. Ich weiß, welch­es ich nehmen würde — dem Kom­men­ta­tor wären ver­mut­lich bei­de gle­ich recht.

    Viel inter­es­san­ter finde ich den Vor­wurf, die Argu­men­ta­tion sei „nur noch kon­stru­iert“ und die und dass es „unl­o­gis­ch­er“ nicht gin­ge. Die Argu­men­ta­tion ist tat­säch­lich kon­stru­iert — das haben wis­senschaftliche Argu­men­ta­tio­nen so an sich. Man sam­melt Fak­ten und ver­sucht dann, ein Mod­ell daraus zu kon­stru­ieren, mit dem sich ein Auss­chnitt der Wirk­lichkeit erfassen lässt. Dabei legt man jeden Schritt genau dar, so dass andere auf Fehler bei einem oder mehrerer dieser Schritte hin­weisen und ein besseres Mod­ell vorschla­gen kön­nen. Dazu müssen sie aber entwed­er neue Dat­en vor­legen oder auf eine interne Unstim­migkeit der Argu­men­ta­tion hin­weisen kön­nen. Etwas als „unl­o­gisch“ zu beze­ich­nen reicht da nicht.

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  6. Skeeve

    > (1c) Es macht keinen Sinn, die U‑Bahn zu nehmen.

    >

    > Satz (1c) scheint mir zu bedeuten, dass die U‑Bahn keine gut durch­dachte Lösung des Problems

    > darstellt, ohne dabei aber gle­ichzeit­ig die Hoff­nungslosigkeit von (1a) oder die

    > Unver­ständlichkeit von (1b) auszu­drück­en. Jemand, der das sagt, würde vielle­icht fort­fahren „…zu

    > Fuß wären wir viel schneller“.

    Die Alter­na­tive für 1c) ohne „machen“ lautet meines Eracht­ens: „Ich sehe keinen Sinn darin, die U‑Bahn zu nehmen, da wir zu Fuß schnel­er sind“.

    Ich bin weit­er­hin nicht von der Kor­rek­theit des Sin­n­machens überzeugt

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  7. Sebastian

    Rein logisch kann man das “Sinn machen” natür­lich der­art als Aus­druck ein­er seman­tis­chen Dif­feren­zierung anse­hen, aber man müsste auch die Frage stellen, ob es das empirisch auch ist oder ob nicht Sinn pauschal immer häu­figer nur noch “gemacht” wird. In diesem Fall hät­ten wir hier im Gegen­teil eine Ent­d­if­feren­zierung des Aus­drucks. Die Tabelle oben scheint dage­gen zu sprechen, aber die berück­sichtigt nicht den zeitlichen Wan­del des Vorkom­mens der ver­schiede­nen Wendungen.

    In diesem Zusam­men­hang ist es schade, dass die Kri­tik Max Golds am “Sinn machen” nicht vorkommt, der darauf hingewiesen hat, dass in der deutschen Sprache bere­its sehr viel “gemacht” wird. Der zweite Teil dieser Serie belegt das ja sehr schön. Das “Machen” ist somit recht undif­feren­ziert und blass, und man kön­nte argu­men­tieren, das dif­feren­ziert­ere, aus­drucksstärkere Verb sei vorzuziehen, wenn denn eines zur Wahl steht.

    @Frank Oswalt: Ich finde die Vehe­menz Ihres Kom­men­tars Nr. 4 etwas deplatziert. Im Ver­fahren steckt bere­its das men­schliche Sub­jekt — jemand ver­fährt so und so. Diese Tätigkeit des So-und-so-ver­fahrens ist nun das Sub­jekt des Ver­gle­ichs. Die Wen­dung erin­nert an das beliebte “Maß­nah­men ergreifen”, das genauer — aber auch gar nicht allzu genau — bese­hen das “Ergreifen des Nehmens von Maß” bedeutet (Wolf Schnei­der). Man kön­nte darüber stre­it­en, ob die Prü­fung von Sprach­bildern auf Plau­si­bil­ität nötig und nüt­zlich ist, aber ich denke nicht, dass Sie Ver­an­las­sung haben, Jens abzukanzeln wie ein Kind. Zumal es von der reinen Logik abge­se­hen auch ein ide­ol­o­gis­ches Geschmäck­le hat, wenn nicht jemand ver­gle­icht, son­dern ein Ver­fahren. Das hat nichts mit Genörgel und Kinder­garten zu tun, das ist schlicht und ein­fach Sprachkritik.

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  8. Anatol Stefanowitsch

    Skeeve, das wäre in der Tat eine mögliche Alter­na­tive, die dann aber das Sub­jek­tive der Aus­sage sehr stark in den Vorder­grund stellen würde. Ob Sie von der „Kor­rek­theit“ von Sinn machen überzeugt sind, spielt allerd­ings keine Rolle. Es ist eine fest etablierte Redewen­dung der deutschen Sprache. „Kor­rek­theit”? Ein bedeu­tungslos­es Geschmacksurteil.

    Sebas­t­ian, Max Goldt habe ich hier bewusst nicht erwäht, weil ich seinen Beitrag zur Diskus­sion um das „Sinn machen“ ent­täuschend platt, lang­weilig und ungoldtwürdig finde. Sein Hin­weis, dass in der deutschen Sprache schon viel gemacht wird (zitiert hier von Sprach­blogleser stw), ist angesichts der bei­den „kor­rek­ten“ Alter­na­tiv­en haben und ergeben schon fast lächer­lich. Es gibt wohl kaum ein Verb, das mehr unter­schiedliche Funk­tio­nen erfüllt als haben, und auch das von Goldt favorisierte ergeben tut bere­its fleißig seinen Dienst — Zwei mal vier ergibt Acht; die Höhe der Strafe ergibt sich aus der Schwere der Schuld; eine Umfrage ergibt, dass vier von fünf Bun­des­bürg­ern kein Prob­lem mit „Sinn machen“ haben; aus Reich­tum ergibt sich Ver­ant­wor­tung; vielle­icht ergibt sich ja noch was; ich werde mich nie ergeben. „Aus­drucksstärke“? Ein bedeu­tungslos­es Geschmacksurteil.

    Frank hat mein­er Mei­n­ung nach inhaltlich völ­lig Recht, wenn er Jens „abkanzelt“. Dass ein Ver­fahren etwas ver­gle­icht, ist, soweit ich das beurteilen kann, üblich­er Sprachge­brauch. Wenn Jens meinen Sprachge­brauch hier also kri­tisieren möchte, müsste er entwed­er zeigen, dass ich mich irre und dass Mut­ter­sprach­ler des Deutschen diese Ver­wen­dung mehrheitlich intu­itiv als ungram­ma­tisch empfind­en (das wird aber schw­er gelin­gen), oder er muss zugeben, dass er nur ein per­sön­lich­es Geschmack­surteil abgibt. Leute aber, die „Sprachkri­tik“ auf­grund unbe­grün­de­ter Geschmack­surteile betreiben, beze­ich­nen wir hier als Sprachnörgler.

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  9. Sebastian

    Was das “haben” und “ergeben” im Ver­gle­ich zum “machen” bet­rifft, gebe ich Ihnen recht, die sind ähn­lich far­b­los. Aber man muss ja auch nicht am Sinn kleben und kön­nte statt “Sinn machen” auch mal sagen, etwas sei schlüs­sig oder leuchte ein. Zum Beispiel. Es gibt so viele Möglichkeit­en. Wer­den sie genutzt? Schade, dass Sie diese Frage ignori­eren, wie schon gesagt.

    Was die Aus­drucksstärke bet­rifft, habe ich mich wom­öglich mein­er­seits unge­nau aus­ge­drückt. Wenn man sagt, jemand bewegt sich zum Bahn­hof, ist das rel­a­tiv vage. Ren­nt er, schle­icht er, torkelt er, spaziert er? Wenn er ren­nt, schle­icht, torkelt oder spaziert, dann kann man das doch auch sagen, denn dann hat man mehr gesagt, dann hat der Satz mehr Bedeu­tung und der Leser ist bess­er informiert. Das meinte ich mit Aus­drucksstärke. Diese konkreteren Ver­ben sagen im gegebe­nen Fall mehr aus, sie sind Infor­ma­tion­sträger. Das hat mit Geschmack nichts zu tun; es bleibt Ihnen unbenom­men, abstrak­te Wörter, die das Pub­likum im Unklar­eren lassen (wom­öglich auch deshalb, weil der Autor sich selb­st nicht über das klar ist, was er sagen will — das kann man im Einzelfall nicht nach­prüfen) schön­er zu finden.

    Sehr erstaunlich finde ich, dass Sie ein­er Argu­men­ta­tion mit sprach­lich­er Logik nichts als Google und den üblichen Sprachge­brauch ent­ge­gen­hal­ten und vol­lkom­men ignori­eren, was ich gegen diese Wen­dung ange­führt habe. Von “ungram­ma­tisch” war dabei gar nicht die Rede, mehr von Unlogik und Vernebelung. Und was ich ange­führt habe, hat wiederum nichts mit Geschmack zu tun. Mein Geschmack, wenn Sie so wollen, gibt lediglich vor, dass genau bess­er ist als unge­nau, logisch bess­er als unl­o­gisch, sach­lich bess­er als ide­ol­o­gisch und anschaulich bess­er als wolkig, und ich hat­te ein­fach irriger­weise ver­mutet, dass an der Sprache Inter­essierte sich da einig seien.

    Google find­et übri­gens 32000 Mal die Phrase “Qual­ität hat seinen Preis” (sic) und mehr als zwei Mil­lio­nen Mal ein Wort mit fünf Buch­staben, das eine Lady Bitch Ray gerne im Fernse­hen benutzt; ein paar mehr als Ihre 800 “ver­gle­ichen­den Ver­fahren”. Was sagt uns das?

    Zum Glück sind nicht alle dem “üblichen Sprachge­brauch”, ver­standen als Durch­schnitt und unter Nicht­beach­tung der vielfälti­gen ver­schiede­nen Kon­texte, in denen etwas “üblich” ist, so ergeben, son­st gäbe es bald nichts Lesenswertes mehr zu lesen.

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  10. Matthias Sch.

    danke, klasse geschrieben­er Fün­fteil­er. Für so etwas macht es Sinn 😉 im Inter­net zu stöbern.

    Ach ja: Sick lese ich trotz­dem ganz gerne, weil Haarspal­tereien ja dur­chaus lustig sind. Und mach­mal hat er schließlich sog­ar recht.…

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  11. Patrick G

    Es ist dur­chaus üblich zu sagen, dass ein Ver­fahren etwas ver­gle­icht, allerd­ings fehlt dem Ver­gle­ich dieses Ver­fahrens die Inter­pre­ta­tion, die Sie erst noch hinzuge­fügt haben.

    Um aus der Tabelle einen Sinn zu extrahieren, war es erst ein­mal notwendig, die Begriffe zu grup­pieren, von daher würde ich eher sagen, dass Sie den Ver­gle­ich vorgenom­men haben, mit Hil­fe der Tabelle als Daten­ba­sis (die wiederum ihre Grund­lage im “deutschen Web” und ihrem Algo­rith­mus findet).

    Wenn aus dem Algo­rith­mus direkt (ohne Inter­pre­ta­tion) her­aus­gekom­men wäre, dass “Sinn haben” mit zielführen­den Begrif­f­en, “Sinn ergeben” mit Sprachen und “Sinn machen” mit Entschei­dung­sprozessen zu tun hat (was wiederum inter­pretiert wer­den kön­nte), wäre “das Ver­fahren hat ver­glichen” ein­deutig die passende Wahl — hier schmälern Sie bloß Ihren Anteil an der Inter­pre­ta­tion, aber warum auch nicht? 😉

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  12. Mohan

    Zwei Dinge hät­ten mein­er Mei­n­ung nach noch eine kurze Betra­ch­tung oder Erwäh­nung ver­di­ent: Inwieweit “Sinn machen” im Ver­drän­gungswet­tbe­werb und auf­grund der Sprachökonomie, auf­grund sein­er Aus­drucksmächtigkeit im Vor­marsch befind­lich ist und wie sehr bei den ange­führten Bele­gen bew­ertet wurde, dass die Schriftlichkeit nun­mehr nicht mehr aus­nahm­s­los gehobeneren Schicht­en der Sprache vor­be­hal­ten ist, son­dern mit Google und in Kor­po­ra, die auch landläu­fig gesproch­ene Sprache bein­hal­ten, häu­fig sog­ar rel­a­tiv unbe­dachte For­mulierun­gen gefun­den wer­den. Im Rück­blick liest es sich schon so ein biss­chen, als ob die Maxime doch war, Sick und seine Anhänger in allen Grund­festen zu erschüt­tern, die allerd­ings auch das erwäh­nte mut­ter­sprach­liche Gefühl haben wie jed­er andere und zumin­d­est in diesem Punkt gle­ich viel Gewicht mit auf die Waage legen.

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  13. Daniel

    eine wirk­lich erhel­lende Abhand­lung, die Spass gemacht hat zu lesen. 

    Was ist eigentlich mit dem üblichen Spruch an die Kinder ‘Mach keinen Unsinn’?

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  14. Eckart

    Als neu­traler Leser scheint mir diese fün­fteilige Rei­he vor allem von dem Willen getrieben, Her­rn Sick zu wider­legen. Da hier offen­bar eine Art Feind­schaft zu “Her­rn Sick und seinen Anhängern” beste­ht, ist eigentlich von Anfang an klar, was bei den Unter­suchun­gen her­auskom­men muss. Natür­lich das Gegen­teil dessen, was Herr Sick behauptet. Und zwar nicht nur die Tat­sache, dass der Aus­druck “Sinn machen” dur­chaus ver­wen­det wer­den darf, son­dern dass es sog­ar unver­mei­dlich ist, ihn zu ver­wen­den, weil er näm­lich eine andere Bedeu­tung hat als alle in Frage kom­menden Alternativ-Ausdrücke.

    Ich kenne einige der Beiträge von Her­rn Sick bei Spiegel Online und kann hierüber nichts Neg­a­tives bericht­en. Im Gegen­teil war das meist ganz amüsant zu lesen, und ler­nen kon­nte man oft auch noch etwas. Seine Aus­führun­gen zum The­ma “Sinn machen” kenne ich nur, insoweit sie hier zitiert wurden.

    Im einzel­nen:

    In Folge I wird Herr Sick zitiert mit: “Seit einiger Zeit hat sich im deutschen Sprachraum eine Phrase bre­it gemacht, …”. Dies wird ver­meintlich wider­legt, indem einige Jahrzehnte alte Textbeispiele aufge­führt wer­den, in denen der in Frage ste­hende Aus­druck bere­its ver­wen­det wurde. Ein Kom­men­tar hierzu set­zt noch einen drauf und zeigt, dass schon Less­ing diesen Aus­druck ver­wen­dete (Kom­men­tar 4 vom User “cri”).

    Dabei hat Herr Sick doch gar nicht behauptet, dass der Aus­druck nicht schon viel früher vere­inzelt aufge­treten ist. Er hat gesagt, er habe sich “bre­it gemacht”. Das heißt für mich, er tritt seit einiger Zeit gehäuft auf. Und das ist mein­er Mei­n­ung nach über­haupt nicht zu wider­legen. Vielmehr zeigt Kom­men­tar 21 zu Folge II vom User “Nör­gler”, dass die Ver­wen­dung tat­säch­lich in den let­zten Jahren zugenom­men hat.

    In Folge II geht es um die Aus­sage von Her­rn Sick, “Sinn” und “machen” passen nicht zusam­men, weil “machen” ursprünglich “kneten” bedeutet und sich etwas Abstrak­tes wie “Sinn” eben nicht kneten ließe. Ehrlich gesagt, ist das völ­liger Blödsinn! Ich weiß nicht, wie man so etwas ern­sthaft behaupten kann. Da hät­ten doch schon ein paar Gegen­beispiele (wie “Freude machen” etc.) genügt. Auch diese müsste Herr Sick dann kon­se­quenter­weise ablehnen, wohl wis­send, dass diese im deutschen Sprachge­brauch üblich sind. Eine aus­führliche Unter­suchung wäre hier gar nicht nötig gewe­sen (obwohl let­ztlich das Nen­nen von Gegen­beispie­len eine vere­in­fachte, intu­itive Nutzung der genan­nten Meth­ode darstellt).

    Auch mit Folge III bin ich vol­lkom­men ein­ver­standen. Allerd­ings muss ich ein­schränken, dass es bei philosophis­ch­er Betra­ch­tungsweise dur­chaus gegen­sät­zliche Ansicht­en geben kann, die dann zu akzep­tieren sind. So wird als Beispiel ein­er “gedanken­losen Über­nahme” per Link ein Beitrag zum “Wort zum Son­ntag” aus dem Fernse­hen ange­führt. In der christlichen Reli­gion ist es meines Eracht­ens dur­chaus so, dass alles bere­its seinen Sinn hat, der von uns (Men­schen) aber unter Umstän­den erst noch erkan­nt wer­den muss. Dies ist dann eben nicht gedanken­los, hat aber mit Lin­guis­tik nichts zu tun.

    Folge IV halte ich dage­gen für irrel­e­vant. Wie der Aus­druck in die deutsche Sprache gelangte, lässt sich zweifels­frei nicht klären. Ob er falsch, richtig oder über­haupt nicht durch Über­set­zung aus dem Englis­chen ent­stand, spielt mein­er Mei­n­ung nach auch keine Rolle. Die Schlussfol­gerung halte ich allerd­ings für sehr gewagt. Nur weil sich die verneinte und die nicht verneinte Form bei den durchge­führten Unter­suchun­gen in ähn­lichem Ver­hält­nis wie im Englis­chen wiederfind­en, muss es sich noch lange nicht um eine kor­rek­te Über­set­zung han­deln. Hängt das nicht auch davon ab, worüber denn da geschrieben wurde?

    In Folge V wird dargestellt, dass “Sinn machen” nicht nur kor­rekt, son­dern sog­ar unver­mei­dlich ist. Hier wird nun deut­lich über das Ziel hin­aus­geschossen. Mag sein, dass Herr Ste­fanow­itsch bei den genan­nten Aus­drück­en die jew­eili­gen Intu­itio­nen hat. Teil­weise kann ich die auch nachvol­lziehen, aber eben nur teil­weise. Allerd­ings bezwei­fle ich — selb­st wenn die Bedeu­tungszuord­nun­gen so kor­rekt wären — dass die Mehrzahl der Schreiber, deren Texte in die genan­nten Kor­po­ra Ein­gang fan­den, diese Über­legun­gen zugrun­degelegt hat­ten. Es mag dur­chaus sein, dass die Mehrzahl der Sprech­er (bzw. Schreiber) sich sel­ten sinn­los irra­tional oder bewusst schlampig ver­hal­ten. Ich bin aber davon überzeugt, dass sie sich regelmäßig gedanken­los ver­hal­ten. Und dann müsste schon die Frage nach dem Wert eines solchen Kor­pus ges­tat­tet sein.

    Im Text heißt es dann noch: “der Aus­druck wird sich unge­hin­dert weit­er durch­set­zen”. Das bedeutet, wir wer­den ihn dem­nächst noch häu­figer hören und lesen. Das glaube ich auch. Allerd­ings in erster Lin­ie wegen der erwäh­n­ten Gedanken­losigkeit und nicht weil die Ver­wen­dung auf­grund des Kon­textes angezeigt wäre.

    Die wichtig­ste Frage für mich ist in diesem Zusam­men­hang, ob ich diesen Aus­druck nun ver­wen­den soll oder nicht. Dabei hil­ft es mir aber nicht zu wis­sen, wann er zum ersten Mal ver­wen­det wurde oder ob er aus dem Englis­chen kommt oder nicht. Eben­so wenig helfen bei dieser Frage aber die Ansicht­en von Her­rn Sick weiter.

    Was bleibt, ist die hier oft zitierte mut­ter­sprach­liche Intu­ition. Und die sagt mir: Der Aus­druck klingt platt, und vor allem wirkt er hil­f­los. Mit “machen” kann man ein­fach alles beschreiben — wenn einem nichts anderes ein­fällt. Das ist ein Zeichen sprach­lich­er Unzulänglichkeit. Das Schöne an ein­er Sprache ist doch deren Vielfalt. Will man die denn aufgeben, wenn immer mehr nur noch “gemacht” wird?

    Antworten
  15. David Marjanović

    Es mag dur­chaus sein, dass die Mehrzahl der Sprech­er (bzw. Schreiber) sich sel­ten sinn­los irra­tional oder bewusst schlampig ver­hal­ten. Ich bin aber davon überzeugt, dass sie sich regelmäßig gedanken­los verhalten.

    Ja, wie denn sonst.

    Wer eine Sprache gut spricht, denkt nicht darüber nach. Nach­denken ist nur notwendig, wenn einem die Sprache noch fremd ist.

    Was bleibt, ist die hier oft zitierte mut­ter­sprach­liche Intu­ition. Und die sagt mir: Der Aus­druck klingt platt, und vor allem wirkt er hilflos.

    Es haben doch nicht alle Mut­ter­sprach­ler des Deutschen dieselbe mut­ter­sprach­liche Intu­ition!!! Was, glauben Sie, geht in meinem Kopf vor, wenn ich “ich habe gesessen/gelegen” lese?

    Mit “machen” kann man ein­fach alles beschreiben — wenn einem nichts anderes ein­fällt. Das ist ein Zeichen sprach­lich­er Unzulänglichkeit.

    Wirk­lich?

    Das Schöne an ein­er Sprache ist doch deren Vielfalt. Will man die denn aufgeben, wenn immer mehr nur noch “gemacht” wird?

    Nie­mand zwingt Sie, Sinn zu machen statt z. B. zu ergeben.

    Antworten
  16. Eckart

    David, es ist gar nicht wichtig, ob ich den Aus­druck benutze oder nicht.

    Aber Herr Ste­fanow­itsch erk­lärt uns hier seine mut­ter­sprach­liche Intu­ition bzgl. der ver­schiede­nen Aus­drücke, wobei er teil­weise sehr sub­tile Unter­schiede erken­nt. Dies akzep­tiere ich natür­lich, und wenn er dies dann in der erk­lärten Weise auch anwen­det, ist es vol­lkom­men OK.

    Wenn er aber ver­sucht, dies all­ge­me­ingültig zu beweisen und dafür gewisse Kor­po­ra her­anzieht, die auf den schriftlichen Äußerun­gen von Men­schen beruhen, die sich diese Gedanken ganz sich­er nicht gemacht haben, dann sind Zweifel angebracht.

    Außer­dem: Wenn — wie Sie schreiben — jed­er Men­sch andere sprach­liche Intu­itio­nen hat, kön­nen wir doch nie auf einen Nen­ner kom­men, wie Herr Ste­fanow­itsch uns hier erklärt.

    Ich denke eher, hier ist ein Aus­druck aufgekom­men (wie auch immer), und die meis­ten, die ihn benutzen, plap­pern ihn ein­fach gedanken­los nach, egal ob er für die jew­eilige Sit­u­a­tion passt oder nicht.

    Wie gesagt: Die Aus­führun­gen von Her­rn Ste­fanow­itsch finde ich sehr inter­es­sant, auch die Kom­mentare. Sie helfen mir aber nicht bei der Beant­wor­tung der Frage, ob ich den Aus­druck “Sinn machen” nun ver­wen­den soll oder nicht.

    Viele Grüße

    Antworten
  17. ohno

    Wer sich fragt, ob er “einen Aus­druck ver­wen­den soll”, sollte den Aus­druck nicht ver­wen­den. Ist doch ganz ein­fach, ins­beson­dere, wo’s doch Alter­na­tiv­en gibt, die den Sinn genau­so machen.

    Antworten
  18. Eckart

    ohno, so einen Kom­men­tar finde ich, ehrlich gesagt, ziem­lich trau­rig. Ich habe doch eine Menge mehr geschrieben, zu dem Sie hät­ten Stel­lung nehmen können.

    Antworten
  19. Korinthenkacker

    Ich habe sel­ten solch einen Quatsch gelesen …

    Ich geh bei Aldi” scheint mir eine andere Bedeu­tung zu haben als “ich gehe zum Aldi” oder “ich gehe in den Aldi”. Trotz­dem ergibt “ich geh bei Aldi” keinen Sinn.

    Antworten
  20. Jens

    Ist nicht eine Ellipse denkbar? Zumin­d­est kön­nte man es ja so reanalysieren, auch wenn die ursprüngliche Bil­dung eine andere Herkun­ft hat.

    Ich geh bei Aldi (einkaufen).“ (Klar, was auch sonst?)

    Antworten
  21. David Marjanović

    Frage, ob ich den Aus­druck “Sinn machen” nun ver­wen­den soll oder nicht.

    Gefällt er Ihnen? Kommt er Ihnen natür­lich vor? Dann ver­wen­den Sie ihn. Son­st nicht (bei mir z. B. wird Sinn eher ergeben oder gehabt). Es gibt kein externes “sollen”, weil alle Ver­sio­nen in der deutschen Schrift­sprache vorkom­men — und das zu zeigen war die Absicht hin­ter diesem Blogeintrag.

    Wenn er aber ver­sucht, dies all­ge­me­ingültig zu beweisen und dafür gewisse Kor­po­ra her­anzieht, die auf den schriftlichen Äußerun­gen von Men­schen beruhen, die sich diese Gedanken ganz sich­er nicht gemacht haben, dann sind Zweifel angebracht.

    Wieso? Leute, die diese sub­tilen Unter­schiede machen, haben das als Teil ihrer Mut­ter­sprache. Wenn sie nicht Teil Ihrer Mut­ter­sprache sind, dann ignori­eren Sie sie halt; es wer­den schon keine Missver­ständ­nisse herauskommen.

    Außer­dem: Wenn — wie Sie schreiben — jed­er Men­sch andere sprach­liche Intu­itio­nen hat, kön­nen wir doch nie auf einen Nen­ner kom­men, wie Herr Ste­fanow­itsch uns hier erklärt.

    Diese Intu­itio­nen sind sich alle sehr ähn­lich, also kom­men wir auf einen Nen­ner. Dieser Nen­ner bein­hal­tet etwas Vari­a­tion, aber mich zumin­d­est stört das über­haupt nicht…

    Antworten
  22. Jan

    Da die Redewen­dung, etwas “mache Sinn” oder eben auch nicht, umgangssprach­lich gebräuch­lich ist, sehe ich keine Sinnhaftigkeit in ein­er Diskus­sion um die ver­meintliche “Kor­rek­theit” dieser. Sofern es jeman­dem beliebe, sich so auszu­drück­en, macht es doch Sinn und scheint auch wie aus­ge­drückt dur­chaus sinnbe­haftet ver­standen zu wer­den. Bere­ite es jeman­dem Schmerzen, Sinn zu “machen” oder Sinn “machen­des” so zu benen­nen, solle er doch Alter­na­tiv­en wählen. Dies tut auch bes­timmt keinem anderen Weh.

    Und: Es gibt wohl weiß­gott sin­nvollere und wichtigere The­men, die der ern­sthaften Betra­ch­tung ver­di­enen. Aber inter­es­sant war dieser Diskurs zumin­d­est. Für mich als Sprach-Laie, der sich wohl einzig intu­itiv durch das Wirrwar sein­er Mut­ter­sprache und ihrer sämtlichen Verir­run­gen schla­gen muss. Verir­run­gen? Wirrwar? Der Mut­ter­sprache? Oder doch manch­mal eher in den Köpfen der sie denk­enden? Zum Glück aber darf jed­er frei­heitlich anders denken oder tick­en. Mut­ter­sprach­ler oder nicht.

    Das macht Sinn.

    Antworten
  23. Eckart

    Nun denn, wenn alles so ein­fach ist, stellen sich mir doch einige Fragen:

    - Warum beschäftigt man sich über­haupt mit diesem Thema?

    - Warum schreibt jemand seit­en­weise Blog-Beiträge?

    - Warum schreiben zahlre­iche Leute Kom­mentare hierzu?

    - Warum forscht man über­haupt auf diesem Gebiet?

    Zusam­men­fassend scheinen mir Herr Sick und Herr Ste­fanow­itsch doch ähn­lich­er zu sein als angenom­men. Bei­de ver­di­enen mit Sprache ihr Geld. Der eine ein bißchen mehr, der andere ein bißchen weniger. Der eine ein bißchen wis­senschaftlich­er, der andere ein bißchen weniger wis­senschaftlich. Aber jed­er hat so seine Anhänger.

    Ist aber auch alles egal. Denn ich darf ja reden, wie ich will. Die Haupt­sache, es gefällt.

    Ich wün­sche schon mal fro­he Ostern. Bis zum näch­sten Mal auf diesen Seiten…

    Antworten
  24. amfenster

    Da ist er wieder, der gute alte “alles egal”-Einschnapp, der mir auch schon oft genug ent­ge­gengeschallt ist, wenn ich sprach­wis­senschaftlich gegen Sprach­nörgel und Unter­gang­shys­terie zu argu­men­tieren ver­sucht habe. Bis­lang bin ich dem immer hil­f­los gegenüberge­s­tanden und wusste nicht mehr, wie ich da noch wei­t­er­de­bat­tieren soll.

    Hat vielle­icht ein­er der Mitle­senden oder der Blog-Gast­ge­ber selb­st einen Vorschlag, wie man diesem Pseu­do-Ein­wand argu­men­ta­tiv beikom­men kann? Ich wäre sehr dankbar dafür…

    Antworten
  25. Andreas G.

    Wer sagt, “Es macht Sinn”, sagt mein­er Mei­n­ung nach mehr über sich selb­st aus als über die Sache, um die es geht. Ich würde damit aus­drück­en, dass sich mir der Sinn — der ja unab­hängig von mein­er Per­son existiert oder nicht — im Ver­lauf der Kom­mu­nika­tion erschlossen hat. Um diesen Aspekt zu unter­stre­ichen, kön­nte man noch ein “für mich” anfü­gen: “Es macht Sinn für mich”, im Sinne von “Es hat sich ger­ade meinem Sinn erschlossen”, nur etwas umgangssprach­lich­er aus­ge­drückt. Wer sagt, etwas “sei sin­nvoll” oder “hat Sinn”, äußert vielle­icht gar nicht seine eigene Mei­n­ung zur Sache, son­dern z.B. eine gängige Lehrmei­n­ung oder eine poli­tisch kor­rek­te Mei­n­ung — und hat vielle­icht selb­st Vor­be­halte. Ander­er­seits kann etwas, das für mich im Moment “Sinn macht” in Wirk­lichkeit unsin­nig sein, und ich komme erst später drauf.

    Viele stören sich auch an dem Wort “es”, denn dieses “es” kann ja keinen Sinn machen im Sinne von erzeu­gen. Dies sehe ich ana­log zu in bes­timmten Regio­nen ver­wen­de­ten Redewen­dun­gen wie z.B. “Es hat heute Regen.” Da fragt sich auch nie­mand — außer im Scherz — wer denn nun dieses “es” ist, das den Regen besitzt. Umgangssprach­lich bietet sich auch ein unvoll­ständi­ger Satz — ohne Sub­jekt — als Erwiderung eines Gedankens an: Hmmm … macht Sinn!

    Die Aufgeregth­eit, mit der ger­ade dieses The­ma disku­tiert wird, hat meines Eracht­ens einen — vielle­icht unbe­wussten — philosophis­chen, wenn nicht gar religiösen Grund. Wer sagt, Sinn könne nicht gemacht wer­den — wed­er von Men­schen und schon gar nicht von den Din­gen selb­st — geht vielle­icht davon aus, dass eine höhere Instanz, z.B. der Schöpfer, allem einen Sinn zugedacht hat und damit allein befugt ist, Sinn zu machen. Mein Deu­tungsver­such bietet hier vielle­icht eine ver­sön­liche Alter­na­tive, die es einem wieder erlaubt “Sinn machen” zu sagen, ohne dass Anderen die Ohren schmerzen.

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  26. Pavel U.

    Ein schön­er Beitrag und eine inter­es­sante Diskussion.

    Ich zäh­le mich auch zu den Kri­tik­ern des Aus­drucks “Sinn machen”. Dabei geht es jedoch nicht um die Frage, ob der Aus­druck “richtig” oder “falsch”, “schön” oder “unschön” ist. Ich verorte das Haupt­prob­lem an ein­er anderen Stelle, näm­lich bei der Degradierung der Sprache. Durch die immer häu­figere Ver­wen­dung des “Sinn machens” rück­en andere Aus­drücke mit dem Wort “Sinn” stark in den Hin­ter­grund. Viele Men­schen ken­nen gar keine oder nur wenige andere Vari­anten und benutzen das “Sinn machen” in jed­er Sit­u­a­tion gle­ichbe­deu­tend mit Sinn ergeben, ~ haben oder ~ sehen. Wie in dem Beitrag aber schön zu sehen ist, gibt es unter­schiedliche Ver­wen­dungsmöglichkeit­en und es ist oft sin­nvoller, wenn etwas Sinn ergibt oder hat und nicht macht.

    Antworten
  27. Sönke Barth

    Ich finde den Artikel abso­lut großar­tig. Nur eine Frage bleibt für mich: Im vor­let­zten Absatz find­et sich der Satz “Das sollte uns auch nicht weit­er wun­dern: anders, als die Sprach­puris­ten annehmen, …”, in dem ein Dop­pelpunkt als Tren­nung ver­wen­det wird. Ist es nun ein Druck­fehler, oder wird an dieser Stelle die Inter­punk­tion­sregel, dass nach einem Semi­kolon, welch­es an dieser Stelle eben­so ver­wen­det wer­den kön­nte, kleine Buch­staben fol­gen und nach einem Dop­pelpunkt, welch­er eigentlich einen abgeschlosse­nen Satz been­det, ein Großbuch­stabe fol­gen muss, aus­ge­he­belt? Ich bitte darum, die ggf. exis­ten­ten Kom­matafehler bzw. diese Satzver­schachtelung zu entschuldigen… Ich bin unheim­lich müde. Ich sehe aber immer wieder Kon­stel­la­tio­nen wie diese und frage mich sehr häu­fig, was nun richtig ist und möchte einen Kom­men­tar nicht auf die “lange Bank schieben”…

    Vie­len Dank für die wirk­lich tolle Darlegung.

    mfG

    Sönke

    Antworten
  28. David Marjanović

    Ist es nun ein Druck­fehler, oder wird an dieser Stelle die Inter­punk­tion­sregel, dass nach einem Semi­kolon, welch­es an dieser Stelle eben­so ver­wen­det wer­den kön­nte, kleine Buch­staben fol­gen und nach einem Dop­pelpunkt, welch­er eigentlich einen abgeschlosse­nen Satz been­det, ein Großbuch­stabe fol­gen muss, ausgehebelt?

    Ich verdächtige englis­chen Ein­fluss: Im Englis­chen wird nach Dop­pelpunk­ten klein weit­ergeschrieben — was mir meis­tens auch intu­itiv ein­leuch­t­en­der erscheint.

    Ich stimme nicht zu, dass ein Strich­punkt hier genau­so gut gepasst hätte: Was nach einem Dop­pelpunkt kommt, erk­lärt das, was davor ist.

    Antworten
  29. Makri

    Ich möchte hier noch auf eine Aus­sage hin­weisen, die mir etwas prob­lema­tisch erscheint, näm­lich die, dass (2a) kein möglich­er Satz des Deutschen ist. Es ist ein­deutig, dass der Satz irgend­wie nicht in Ord­nung ist, aber es ist meines Eracht­ens wichtig, zu beto­nen, dass das, was ihm fehlt, nicht syn­tak­tis­che Wohlge­formtheit ist.

    Vielmehr bein­hal­tet einen Kat­e­gorien­fehler: Sätze sind nicht die richti­gen Art von Din­gen, um Sinn zu haben. Und bis zu welchem Grad so etwas im Sprach­sys­tem ver­ankert ist, ist ja nicht recht klar. (Obwohl es mir ger­ade in diesem Fall nicht so unplau­si­bel erscheint, dass es das wäre; dass ein Prädikat nur auf Ereignisse mit einem Agens zutr­e­f­fen kann, kann ich mir schon dort fest­gelegt vorstellen.)

    Ich bin aber der Mei­n­ung, dass es ander­er­seits genug Kat­e­gorien­fehler gibt, die nicht im Sprach­sys­tem ver­ankert sind, und dass damit nicht insignifikante Teile philosophis­ch­er und religiös­er Diskurse zu erk­lären sind.

    Antworten
  30. Subdi

    Ganz unter­halt­sam, aber auch ver­wirrend, diese akademis­che Monsterdiskussion.

    In meinem Sprachge­brauch war bish­er der Unter­schied zwis­chen Sinn haben und — machen rel­a­tiv klar:

    Etwas macht Sinn” heisßt, es macht den Sinn erschließbar. es ist plau­si­bel, logisch und nachvollziehbar.

    Etwas hat einen Sinn” heisst nur es gibt den Sinn, auch wenn wir ihn z.B. nicht verstehen.

    Beispiel

    Deine Argumeta­tion macht Sinn.”

    Deine Argu­men­ta­tion hat den Sinn, die wahren Zusam­men­hänge zu verschleiern.”

    Antworten
  31. Carsten

    Ich bin kein Sprach­wis­senschaftler, urteile meist nach meinem Empfind­en und falle dem­nach in die Kat­e­gorie „Sprach­nör­gler“. Laut der Aus­sage (nicht in diesem Forum geäußert!) Unwis­sende seien nicht befugt sich eine Mei­n­ung zu bilden, wäre mein Beitrag also ein Ver­stoß. Wie unschw­er zwis­chen den Zeilen zu lesen ist, halte ich es für sehr über­he­blich die Mei­n­ung Drit­ter von deren Rep­u­ta­tion abhängig zu machen. Da ich auch kein „Foren­profi“ bin, bitte ich weit­ere Ver­stöße gegen eventuell beste­hende Regeln zu verzeihen.

    In Sin­nes­freuden III schreiben Sie, dass man nicht nur Sinn erschaf­fen kann, son­dern dass man ihn gar erschaf­fen muss! Der Logik, dass es sich hier­bei um eine Leis­tung des Gehirnes han­delt, kann ich fol­gen, nicht aber der Schlussfol­gerung, „es macht Sinn“ sei dem­nach eine kor­rek­te Redewen­dung. In „es macht Sinn, die S‑Bahn zu nehmen“ stellt sich mir näm­lich die Frage, wer mit „es“ gemeint ist. Ist „es“ mein Gehirn, mein Gedankenkon­strukt, oder sug­geriert „es“ nicht, das der ver­meintliche Sin­n­mach­er die Tätigkeit ist, die in Frage gestellt wird. Sollte dem so sein, muss die Frage erlaubt sein, ob ein Ding, eine Tätigkeit, ein Zus­tand in der Lage ist, einen Sinn herzustellen, zu for­men, zu kon­stru­ieren. Dass Sinn in keinem Fall gemacht wer­den kann, wie Sick erk­lärt, halte ich, nicht zulet­zt durch Ihren Artikel (Sin­nes­freuden) auch für nicht halt­bar. Also wäre es für mich dur­chaus kor­rekt fol­gende Aus­sage zu tre­f­fen: „Ich mache (mir) keinen Sinn daraus, mit der S‑Bahn zu fahren“. Ich mache (mir) auch keinen Sinn daraus, die Worte „Sinn“ und „machen“ nie zusam­men zu benutzen. 

    Kleine Anmerkung: „Machen“ ist ähn­lich wie das Wort „Tun“ recht häu­fig die schlecht­este Wahl, ger­ade weil bei­de recht uni­ver­sal ein­set­zbar sind und die Viel­seit­igkeit der deutschen Sprache reduzieren. Sie kön­nen den Aus­druck­sre­ich­tum erweit­ern, tun dies aber lei­der nur sel­ten. Die Vere­in­fachung oder bess­er noch Ver­ar­mung der Sprache durch über­mäßi­gen Gebrauch solch­er Ver­ben hat für mich ein deut­lich­es Übergewicht. Allein deshalb wider­strebt es mir „machen“ zu benutzen, wo andere, aus mein­er Sicht, aus­drucksstärkere Worte als Alter­na­tive passen würden.

    Ich mache mir ein Mit­tagessen, koche, brate, bere­ite zu?

    Ich mache einen Marathon, laufe, schwimme, fahre?

    Ich mache mein Zim­mer gemütlich, gestalte, stre­iche, entwerfe?

    Die Mach­er ein­er Zeitung, Her­aus­ge­ber, Autoren, Schrift­steller, Redakteure?

    Der Mach­er der Mannschaft, Spielführer, Regis­seur, Vor­re­it­er, Trainer?

    Machen Sie (sich) einen Sinn daraus, …???

    Antworten
  32. David Marjanović

    In „es macht Sinn, die S‑Bahn zu nehmen“ stellt sich mir näm­lich die Frage, wer mit „es“ gemeint ist. Ist „es“ mein Gehirn, mein Gedankenkon­strukt, oder sug­geriert „es“ nicht, das der ver­meintliche Sin­n­mach­er die Tätigkeit ist, die in Frage gestellt wird.

    Nein, es han­delt sich um einen Lückenfüller.

    {Das Verb}1 {muss}2 näm­lich in deutschen Haupt­sätzen, die keine Fra­gen sind, an zweit­er Stelle ste­hen. {Wenn man daher “die S‑Bahn zu nehmen macht Sinn” umdrehen will,}1 {darf}2 nicht “{Macht}1 {Sinn}2, die S‑Bahn zu nehmen” her­auskom­men, denn {da}1 {stünde}2 ja das Verb an erster Stelle. {Also}1 {setzt}2 man ein von der Bedeu­tung her völ­lig über­flüs­siges es hinein, und {die Grammatik}1 {passt}2 wieder.

    Also, {es}1 {bedeutet}2 “die S‑Bahn zu nehmen”.

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  33. Max

    Klasse Text, vor allem der vierte Teil, der zeigt, daß “Sinn machen” eine eigene Bedeu­tung hat, die sich nicht zwangsläu­fig erset­zen lässt. Mir sträuben sich immer die Nack­en­haare, wenn ich irgend­wo lese “Es ergibt keinen Sinn, mit der Bahn zu fahren” — dieser Satz ergibt keinen Sinn, denn eine Hand­lung kann mE keinen Sinn ergeben, son­dern höch­stens Sinn machen. Ganz im Gegen­satz zu Sätzen, deren Inhalt einen Sinn ergeben, aber keinen Sinn machen kann. Für mich ist das schon immer ganz nor­maler Sprachge­brauch — aber seit Sick werde ich per­ma­nent kri­tisiert und korregiert. 🙁

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  34. Alex

    Dies ist offen­sichtlich eine dieser Diskus­sio­nen, bei denen alle Argu­mente allen Seit­en im Prinzip bekan­nt sind und zig­fach genan­nt wurden. 

    Die noch verbleibende intellek­tuelle Übung beste­ht einzig darin, zu ver­ste­hen, warum die jew­eilige Gegen­seite die ver­meintlich klare Sach­lage nicht in ihren ver­bohrten Schädel bekommt.

    Hier ein Ver­such dazu:

    Fol­gt man der Argu­men­ta­tion des Beitrags, dahinge­hend, dass ergeben mit Sinn_7 ste­ht und machen mit Sinn_8 und haben mit Sinn_x, dann ergibt sich ein kleines Dilem­ma. Entwed­er näm­lich Sinn_7, Sinn_8 und Sinn_x haben an sich dieselbe Bedeu­tung und der Bedeu­tung­sun­ter­schied ergibt sich nur aus dem beige­fügten zweit­en Wort, dann scheit­ert die ganze Argu­men­ta­tion schon an der Unter­schiedung von Sinn_7 und Sinn_8 im Wörter­buch, oder aber Sinn_7 und Sinn_8 sind tat­säch­lich ver­schiedene Bedeu­tun­gen, dann fol­gt aus der Argu­men­ta­tion ana­log, dass Sinn_x keine dieser dagewe­se­nen Bedeu­tun­gen sein kann, son­dern sein­er­seits eine neue Bedeu­tung (Sinn_9) ist.

    Meine Ver­mu­tung ist, dass die Sick-Frak­tion sich im tief­sten Innern gar nicht so sehr an “Sinn machen” stört son­dern viel mehr daran, dass Sinn_9 in ihrer Wahrnehmung gar keine mögliche Bedeu­tung des Wortes “Sinn” ist. 

    Und tat­säch­lich wer­den sich alle Beteiligten wahrschein­lich darüber eini­gen kön­nen, dass die Seman­tik von engl. sense, mean­ing etc. (vgl. “Der Sinn des Lebens”) sich von der deutschen Seman­tik von “Sinn” stark unter­schei­det. Was das Anglizis­mus­ge­fühl erk­lären würde.

    Natür­lich ist (war) es, geset­zt meine Hypothese, idi­o­tisch von Sick sich syn­tak­tisch an einem Phänomen abzuar­beit­en, dass ihm seman­tisch anstößig erscheint. Natür­lich sind seine Lösungsvorschläge unbe­friedi­gend, weil sie sich an der Vok­a­bel “Sinn” fes­tk­lam­mern, statt alter­na­tiv diejenige Vok­a­bel zu ver­wen­den, die für ihn die Bedeu­tung zu Sinn_9 beschreibt. Meinetwe­gen “durch­dacht wirken” oder soetwas.

    Das erbauliche an ein­er Fort­se­tung der Diskus­sion auf seman­tis­ch­er Ebene wäre jeden­falls, dass sich Beiträge der Art “Vok­a­bel x (hier: Sinn) ist mir in Bedeu­tung y (hier: Sinn_9) nicht geläu­fig” viel weniger angreif­bar machen, als Beiträge über die Zuläs­sigkeit von Kon­struk­tio­nen, die an sich (bis auf das wider­legte Argu­ment der Sub­kat­e­gorisierung) offen­sichtlich gram­ma­tisch sind.

    Die Sick’sche Hypothese auf dieser Grund­lage wäre dann nicht mehr [“Sinn machen” ist ein Anglizis­mus] (im Kern scheint das ja doch sein Haup­tan­liegen zu sein), son­dern eher sowas wie [Sinn_9 ist eine ver­gle­ich­sweise neue Bedeu­tung von “Sinn”]. Nie­mand kön­nte Sick einen Vor­wurf daraus machen, darüber zu hypo­thetisieren und die Hypothese ggf. zu prüfen. Ins­beson­dere wäre natür­lich zu prüfen, welche Bedeu­tung Sinn in den Textbele­gen hat, die zeigen soll­ten, dass “Sinn machen” alt ist (was in Bezug auf die neue Frage nichts heißen müsste).

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