Ich wollte heute für meine Töchter Legomännchen kaufen, und musste die erschreckende Feststellung machen, dass diese mit überwältigender Mehrheit genau das sind: Männchen. Es gab überhaupt nur drei weibliche Legofiguren: eine junge Dame in einem spießigen geblümten Oberteil, die auf einer Bank sitzt und Musik aus einem Ghettoblaster hört (Erde an Lego: Bitte einmal „iPod“ googeln), eine Tochter aus gutem Hause, die auf einem Pferd neben einem landroverartigen Auto mit Pferdeanhänger sitzt, und eine Milchmagd mit einer Kuh auf einem Bauernhof. Letztere ist im Lego-Universum — oder dem Teil, der gerade beim nächsten Karstadt herumsteht — die einzige Frau, die einer Beschäftigung nachgeht. Alle anderen Berufstätigen sind Männer: von Sachbearbeitern mit Aktenkoffer über Piloten, Ingenieure, Polizisten, Feuerwehrmänner, Bauarbeiter und Müllmänner bis zu Piraten und futuristischen „Power Miners.“
[Hinweis: Der folgende Text enthält Beschreibungen rassistischer Stereotype und (durch Sternchen entschärfte) Beispiele rassistischer Sprache. Einige Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache.]
Ich bin ein großer Lego-Fan, aber als Vater von zwei Mädchen, die im Leben alles erreichen können sollen, was sie sich vornehmen, hat mich das schockiert. Es hat mich an die unzähligen Kinderbücher erinnert, deren Sexismus ich beim Vorlesen stillschweigend herauseditiert habe: die Geschichte vom mutigen kleinen Fuchsjungen, der interessiert die Welt erkundet, während seine Schwestern lieber bei der Mutter bleiben (er wurde bei mir ein mutiges kleines Fuchsmädchen), die Geschichte von den Kindern aus der Krachmacherstraße, die mit der Bahn in den Urlaub fahren, weil „Mama natürlich nicht autofahren kann“ (sie wurde bei mir zur umweltbewussten BahnCard-Besitzerin), all die Geschichten von wilden, mit detektivischem Gespür und Abenteuerlust ausgestatteten Jungen, in deren Welt Mädchen höchstens als blöde ältere Schwestern vorkommen (diese Bücher sind bei mir gleich aus dem Bücherregal geflogen, oder ich habe beim Vorlesen wenigstens die blöden älteren Schwestern weggelassen).
Damit blieben im Prinzip nur Bücher von Mädchen übrig, die Pferde vor dem Abdecker retten, oder die von geheimnisvollen Fremden erfahren, dass sie in Wirklichkeit Hexen sind, oder die überhaupt von vorneherein als Meerjungfrauen durch Bücher mit glitzernen rosa Einbänden schwimmen. Auch Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf war keine echte Alternative zu diesen farblosen, stereotyoen Geschöpfen: erstens ist sie zu offensichtlich eine Fantasiegestalt und zweitens wird das weibliche Selbstbewusstsein, das sie vielleicht trotzdem vermittelt, durch die unsägliche, ständig um ihr sauberes Kleidchen besorgte Annika zunichte gemacht. Deren ständige Ängstlichkeit war außerdem, anders als die „N**erkinder“ auf der Südseeinsel Taka-Tuka-Land nicht so ohne weiteres sprachlich auszuradieren (die „N**erkinder“ wurden bei mir zu „Inselkindern“ und die Beschreibungen ihrer tiefschwarzen Gesichter, dicken Lippen und großen weißen Zähne habe ich sang- und klanglos übersprungen, was später, als meine große Tochter das Buch selbst gelesen hat, zu extremer Verwirrung und interessanten Gesprächen über sprachlichen und gesellschaftlichen Wandel und über ethnische Gruppen in der Südsee geführt hat).
Das Legoproblem lässt sich immerhin lösen: Legofrauchenköpfe kaufen und auf die Polizisten- und Power-Miners-Körper setzen — schon herrscht in der Legowelt Gleichberechtigung. Bei den Büchern ist das schwerer, aber es müsste doch möglich sein, Kinder- und Jugendbücher per Book-on-Demand so anzubieten, dass man vor dem Kauf auswählen kann, ob die Hauptfigur ein Junge oder ein Mädchen sein soll und ob ein blöder großer Bruder oder eine blöde große Schwester gewünscht wird.
