Blogspektrogramm 12/2016

Von Sprachlog

In den sprach­lichen Lek­türetipps der Woche geht es heute um Sprache als Käfig, die eigentlich ganz ein­fache Fächer­wahl zwis­chen Latein und ein­er lebendi­gen Sprache und Sprach­pflege durch Merkbefreitheit.

Das PHILOSOPHIE MAGAZIN hat ein Inter­view mit dem let­zten Monat ver­stor­be­nen Philosophen und Semi­otik­er Umber­to Eco aus dem Jahr 2013 wiederveröf­fentlicht, in dem es auch viel um Sprache geht: „Die Sprache ist kein Käfig, son­dern eine per­ma­nente Revolution“.

Für viele Schüler/innen ste­ht dieser Tage die Wahl der zweit­en Fremd­sprache an. Das ruft, wie jedes Jahr, die Latein-Lob­by auf den Plan, die mit den immer gle­ichen Argu­menten ver­sucht, eine Lanze für die Sprache des Römis­chen Reich­es zu brechen. Die RHEINISCHE POST hat zwis­chen diesen immer gle­ichen Argu­menten als Gegen­stimme Ana­tol zu Wort kom­men lassen. Der hat übri­gens schon 2007 im (Bre­mer) Sprach(b)log die Argu­mente der Late­in­fans auseinan­dergenom­men.

Die sprach­lichen Kle­ingärt­ner von der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben ihre „Sprach­wahrer“ des Jahres bekan­nt­gegeben und dabei wieder ein­mal keinen Zweifel daran gelassen, worum es ihnen unter dem Vor­wand der Sprach­pflege wirk­lich geht: Gewon­nen hat ein Stu­dent, der seine Hausar­beit­en nicht in gen­der­sen­si­bler Sprache abfassen wollte, auf Platz 2 lan­dete ein Nige­ri­an­er, der ganz „ unverkrampft“ ein Restau­rant mit dem Namen „Zum Mohrenkopf“ betreibt, den drit­ten Platz belegt Sarah Con­nor. Die deutsche Sprache wahrt man offen­bar am besten mit Sex­is­mus, Ras­sis­mus und nichtssagen­der Musik.

Wer wis­sen möchte, woher das Wort Ostern kommt, und warum es keinen Sin­gu­lar Oster hat, kann das und mehr in diesem älteren Sprachlog-Beitrag von Kristin erfahren.

9 Gedanken zu „Blogspektrogramm 12/2016

  1. Ospero

    Ich habe kurz in den Artikel bei der “Deutschen Sprach­welt” rein­ge­le­sen — und das ganz schnell wieder bleiben­lassen, nach­dem dort zus­tim­mend Bir­git Kelle zitiert wurde und ich außer­dem weit­er unten noch das alte Märchen vom “Boykott” deutschsprachiger Musik im Radio lesen durfte — gibt es eigentlich Gegen­den in Deutsch­land, in denen kein Äquiv­a­lent zu SWR 4 existiert? Früher oder später ent­larvt man sich eben, wenn man nur lange genug redet.

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  2. Wentus

    Ich ver­bringe meinen Osterurlaub auf Mal­ta und habe dort das Wort “lejte” für Ostern gelernt.
    Mal­te­sisch ist prak­tisch ein maghre­binis­ch­er Dialekt des Ara­bis­chen mit vie­len ital­ienis­chen Worten und ich hätte deshalb ein ähn­lich­es Wort wie “fisih” erwartet.

    Wer kann mir dazu die Ety­molo­gie erklären?

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  3. Drago Starcevic

    Bisweilen denke ich, der Sprach­blog würde mir noch bess­er gefall­en, wenn er ein biss­chen weniger aggro daherkäme.

    Das Restau­rant zum Mohrenkopf ohne weit­ere Dar­legung “Ras­sis­mus” zu nen­nen, geht mir zu weit — Der Betreiber als (doch wohl) Betrof­fen­er hat grössere Frei­heit­en als wir, mit Tabus und kon­t­a­minierten Wörtern zum The­ma “Ras­sis­mus gegen Afrikan­er und ihre Nachkom­men” Scherze zu treiben. So wie Alte über Alte, Deutsche über Deutsche, Behin­derte über Behin­derte anders sprechen kön­nen. Finde ich.

    Ich weiss nichts über Sarah Con­nor, vielle­icht ist ihre Musik auch wirk­lich nichtssagend, aber was tut das zum Argu­ment? Auss­er, dass es sich irgend­wie cool liest, en pas­sant Nasen­stüber gegen Zivilis­ten zu verteilen?

    Und ist “auseinan­dergenom­men” als sprach­pflegerische Ver­sion von “analysiert” zu ver­ste­hen, oder nicht doch eher als Ver­brech­er­sprache für “demoliert”?

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  4. Mycroft

    Ich habe im Latei­n­un­ter­richt mehr über Sprachen und Gram­matik gel­ernt als im Deutsch- und Englis­chunter­richt zusam­men, was jet­zt natür­lich kein Argu­ment pro Latein ist, son­dern eines con­tra schlecht­en Englisch- und Deutschunterricht.

    Bei mir im Radio kom­men ständig dt. Texte (rd. 1/3), wieso aus­gerech­net Sarah “brüh im Lichte” Con­nor ein Schul­terk­lopfen ver­di­ent haben soll, ist mir ein­fach nur schleierhaft.
    Bei den Hausar­beit­en im Verkehr­swe­sen frage ich mich allerd­ings auch, wieso man da wohl über­haupt über Men­schen spricht, dass das The­ma Gen­der aufkommt. Rad­fahrerin­nen und Rad­fahrer kann man mir “R” abkürzen, Fußgän­gerin­nen und Fußgänger mit “F”. Fertig.

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    1. Achim

      Das sehe ich auch so: Im Latei­n­un­ter­richt ab der 7. Klasse habe ich ver­standen, was die ver­schiede­nen far­bigen Unter­stre­ichun­gen bedeuten soll­ten, die wir in den bei­den Schul­jahren vorher im Deutschunter­richt ange­fer­tigt haben. Allerd­ings sind 13-Jährige vielle­icht auch zugänglich­er für Kat­e­gorien der Nom­i­nal­mor­pholo­gie als 11-Jährige. Und beim Ler­nen ein­er Fremd­sprache geht man da anders ran als bei der Mut­ter­sprache, wo Gram­matik manch­mal als abge­hobene Beschäf­ti­gung betra­chtet wird, denn man kann die Sprache ja eigentlich schon…

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  5. Achim

    Ich bin ja eigentlich auch ein Sprach­nör­glernör­gler, aber lasst mal den Gedanken zu, dass die Sprach­nör­gler nicht immer Unrecht haben.

    Wenn Sarah Con­nor in Zukun­ft auf Deutsch singt, ist das wahrschein­lich zu begrüßen. Ich kenne ihre Musik nicht, aber vieles Englisch gesun­gene aus den Mün­dern deutsch­er Kün­st­lerin­nen und Kün­stler lässt mir die weni­gen verbliebe­nen Haare zu Berge ste­hen — wenn’s selb­st gereimt ist, ist es oft schon lexikalisch oder gram­ma­tisch gren­zw­er­tig, und wenn man nicht akzent­frei in ein­er Fremd­sprache sin­gen kann, soll man es lassen. Ob sie damit nun die deutsche Sprache ret­tet — geschenkt.

    Nur weil das Lob aus der falschen Ecke kommt, wird es nicht falsch…

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  6. Arfst Nickelsen

    Ostern: Ist das ‑n wirk­lich ein Plural‑n? Im ver­link­ten Beitrag von 2009 ste­ht dazu nicht viel. Einen Satz wie ‘Dieses Jahr waren Ostern schon im März.’ habe ich noch nicht gehört oder gele­sen, immer nur ‘… war Ostern …’ und Ähn­lich­es. Ein n am Ende kann doch auch andere Gründe haben wie in ‘Wochen­tag’ (Tag der Woche, nicht Tag der Wochen) oder in ’schmeckt wie bei Mut­tern’ (nur eine Mut­ter, nicht Müt­ter). Wei­h­nacht­en und Pfin­g­sten enden auch auf ‑n; vielle­icht aus einem ähn­lichen Grund. Ist das eine Art Kasus-Endung? Exper­tIn­nen­hil­fe gewünscht!!

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  7. Drago Starcevic

    Mut­tern” ist, würd ich sagen, ein nor­males aus der Mode gekommenes Dativ‑n (“Ich küsse Charlotten”)

    Wochen­tag” ist wohl ein Scharnier‑n und hat eine analoge (Aussprache-) Funk­tion wie “y a‑t-il” im Französischen.

    Wei­h­nacht­en und Pfin­g­sten weiss ich nicht. Luther über­set­zt allerd­ings noch “Ich will bei dir die Ostern hal­ten mit meinen Jüngern”. Was nichts heis­sen muss, aber kann.

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  8. Drago Starcevic

    Nach­trag: In früheren Zeit­en hat die Kirche die hohen Feste noch über mehrere Tage began­gen, meines Wis­sens als Dekaden. Pfin­gst- und Oster­mon­tag und der zweite Wei­h­nacht­stag sind Rudi­mente davon. Von daher wäre Plur­al nicht unplausibel.

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