Schlagwort-Archive: Fremdwörter

Von Tausend zur Million: Augmentativa

Von Kristin Kopf

Was haben Kar­ton, Bal­lon, Bat­tail­lon, Salon, Medail­lon und Mil­lion gemein­sam? Ganz zu schweigen von Mine­strone, Can­nel­loni und Tortel­loni?

Mehrere Dinge … zunächst ein­mal sind es ganz klar Fremd­wörter. Weit­er­lesen

Mit Umweg vom Vogel zur Frucht: Die Kiwi

Von Kristin Kopf

Eben habe ich das Wort Kiwi im ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch nachgeschla­gen, um her­auszufind­en, wann es ins Deutsche entlehnt wurde. Das Resul­tat ist unspek­takulär – 20. Jahrhun­dert. Die Geschichte des Wortes ist dafür aber umso interessanter:

Kiwi kommt aus dem Maori, ein­er poly­ne­sis­chen Sprache, die von den Ure­in­wohn­ern Neusee­lands gesprochen wurde und wird.

Am Anfang war kiwi einzig und allein ein flu­gun­fähiger Vogel, der in Neusee­land behei­matet ist. Wahrschein­lich ahmt das Wort den Ruf des Tieres nach und ist somit lautmalerisch.

Der Kiwi wurde in Neusee­land ab der Mitte des 19. Jahrhun­derts zunehmend als Sym­bol für alles Mögliche ver­wen­det, Weit­er­lesen

[Surftipp] Etymologie entdecken

Von Kristin Kopf

Ich habe einen tollen Onlinekurs in Ety­molo­gie ent­deckt – wer sich für die Herkun­ft von Wörtern inter­essiert, sollte ganz schnell hingehen:

2009-09-26-etym2

Alle Infor­ma­tio­nen sind in kleine, leicht ver­ständliche Ein­heit­en gegliedert. Es geht nicht nur um Einzel­wort­geschichte, son­dern um über­greifende Konzepte wie Bedeu­tungswan­del und auch um den Ein­fluss von Laut­wan­del. Wenn man Lust hat, kann man das Gel­ernte am Ende in einem kleinen Quiz testen. Super gemacht und präsentiert!

Bibliothek, Könyvtár, पुस्तकालय

Von Kristin Kopf

Im Ein­gangs­bere­ich der Bere­ichs­bib­lio­thek Philo­soph­icum in Mainz hat man ver­sucht, the­ma­tis­che Gestal­tungse­le­mente einzubrin­gen. Das Ergeb­nis strahlt nicht ger­ade vor Orig­i­nal­ität, aber es sieht ganz gut aus und gibt Sch­plock­stoff her:

Bereichsbibliothek

2009-08-BB

Jedes Mal, wenn ich vor­beikomme, frage ich mich, wie viele ver­schiedene Sprachen da wirk­lich drauf sind. Ganz offen­sichtlich wieder­holen sich die Wörter ja nach ein­er Weile. Jet­zt hab ich’s endlich mal fotografiert und zuhause in Ruhe nachgezählt: Ich sehe 37. Viele sind natür­lich lang­weilig, weil sie ein­fach nur Vari­a­tio­nen des griechis­chen Wortes sind, aber dazwis­chen steckt immer noch genug Inter­es­santes. Ger­ade die Sprachen mit den “frem­den” Schrift­sys­te­men wer­den übri­gens zu einem großen Teil nicht im Philo­soph­icum gelehrt, son­dern ander­swo auf dem Cam­pus (wenn über­haupt). Ich schätze mal, man hat sie haupt­säch­lich aus optis­chen Grün­den ausgewählt.

Im Fol­gen­den eine Liste aller ver­schiede­nen Wörter, die ich gefun­den habe. Vielle­icht habt Ihr ja Lust, beim Iden­ti­fizieren mitzuhelfen?

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wirzind urlaup

Von Kristin Kopf

pho­tokej hat ein schönes Hin­weiss­child bei einem türkischen Lebens­mit­tel­händler gefun­den, das auch aus Sch­plock-Per­spek­tive span­nend ist:

Foto von Stef­fen Michel (C‑C-Lizenz by-nc-nd)

Der deutsche Text Libe Kun­den wirzind urlaup Danke ver­rät näm­lich einiges über das türkische Schrift­sys­tem und das Türkische generell.

Türkisch wird erst seit 1928 in lateinis­chen Buch­staben geschrieben, davor benutzte man ara­bis­che Schriftze­ichen. Die waren allerd­ings ziem­lich inadäquat, weil man damit nicht alle Laute des Türkischen notieren kon­nte. Seit 1928 benutzt man nun also lateinis­che Buch­staben: <a b c ç d e f g ğ h ı i j k l m n o ö p r s ş t u ü v y z>

wir zind ≠ wir tsind

Wie die Buch­staben im Einzel­nen aus­ge­sprochen wer­den, kön­nt Ihr ganz leicht selb­st her­aus­find­en, nur auf das <z> will ich einge­hen. Wie in sehr vie­len anderen Sprachen auch1, ste­ht das <z> im Türkischen nicht für [ts], son­dern für ein stimmhaftes s.

Im Deutschen gibt es <ß> und <ss> auss­chließlich für das stimm­lose s. Der Buch­stabe <s> kann aber sowohl für die stimm­lose als auch für die stimmhafte Vari­ante ste­hen: in <Ast> ist er stimm­los, in <Sonne> stimmhaft. Bei deutschen Wörtern ist das <s> am Wor­tan­fang immer dann stimmhaft, wenn ein Vokal direkt darauf fol­gt. (See, Sau, sieben, … aber Slalom, Skript, Sniper2)

Die Schrei­bung <zind> für <sind> kommt also daher, dass im Türkischen <z> der Buch­stabe für das stimmhafte s ist.

(Darauf fol­gt natür­lich auch umgekehrt die Erken­nt­nis, dass Namen wie Özdemir nicht Ötzdemir gesprochen wer­den.)

urlaup

Urlaub wird im Deutschen ja tat­säch­lich mit einem p-Laut am Ende gesprochen. Schuld ist die “Aus­lautver­här­tung”, ein Phänomen des Deutschen, das bes­timmte Kon­so­nan­ten am Sil­be­nende stimm­los macht.

Betrof­fen sind

  • die Plo­sive [b], [d], [g]
    • Urlaub wird Urlaup gesprochen (aber: Urlaube)
    • Rad wird Rat gesprochen (aber: der)
    • Splog wird Sch­p­lock gesprochen (aber: Sch­plögge … ähm, okay, lieber Weg wird Week gesprochen, aber: Wege)
  • die Frika­tive [v] (der w-Laut) und [z] (das stimmhafte s)
    • brav wird braf gesprochen (wobei da auch viele Leute immer f sagen, auch bei brave)
    • Los /lo:z/ wird Los gesprochen (aber: Lose [lo:zə])

Die Aus­lautver­här­tung ist ein sehr altes Phänomen, schon im Mit­tel­hochdeutschen gab es sie (<c> = [k]):

… ich sach, deist sicher­lîchen wâr,
eins gebûren sun, der truoc
[trug] ein har,
daz was rei­de unde val;
ob der ahsel hin ze tal
mit lenge ez vol­le­clîchen gienc [ging]. […]

wie Troye wart besezzen,
dô Pârîs der vermezzen
dem künege ûz Kriechen nam sin p,
[Weib]
diu im was liep
[lieb] alsam sîn p [Leib], … (Meier Helm­brecht)

Zwis­chen­zeitlich hat man aber wieder aufge­hört, sie auch zu schreiben. Der Grund nen­nt sich “Mor­phemkon­stanz” was eigentlich nichts anderes heißt, als dass man am Schrift­bild klar erken­nen kön­nen soll, dass <Urlaub> und <Urlaube> For­men ein und des­sel­ben Lex­ems sind.

Aber zurück zur türkischen Trans­ferenz: Die Per­son hat nicht nur urlaup geschrieben, weil sie nach Gehör geschrieben hat. Im Türkischen gibt es näm­lich ein Phänomen, das auch mit stimmhaften und stimm­losen Kon­so­nan­ten zu tun hat:

p, t, k oder ç am Wor­tende wer­den bei vie­len Wörtern stimmhaft, wenn eine Endung ange­fügt wird. Man kön­nte es auch als “Inlauter­we­ichung” bezeichnen:

  • [p], [t], <ç> [tʃ]  wer­den zu [b], [d], <c> [dʒ], also stimmhaft
  • [k] wird zu <ğ> [ɣ], einem stimmhaften Reibelaut (wobei der Buch­stabe auch oft nur dazu dient, eine Vokallän­gung anzuzeigen)

Im Gegen­satz zum Deutschen schreibt man das im Türkischen aber auch verschieden:

  • <kitap> ‘Buch’
  • <kitap>+<ım> → <kitabım> ‘mein Buch’

Der Ver­schrif­tung der deutschen Aus­lautver­här­tung wird also durch die türkische Rechtschrei­bung nachge­holfen – wenn man den Wech­sel von <b> und <p> schon ken­nt, kommt’s einem auch im Deutschen nicht unbe­d­ingt komisch vor.

wirzind urlaup – wo?

Mein let­zter Punkt hat mir Rechtschrei­bung nichts mehr zu tun – es geht um die fehlende Prä­po­si­tion im.

Im Türkischen gibt es keine Prä­po­si­tio­nen. Ihre Funk­tion wird in den meis­ten Fällen von Kasusendun­gen erfüllt, die ans Sub­stan­tiv ange­hängt werden:

  • im Haus braucht im Türkischen einen Loka­tiv, einen Kasus, der den Ort angibt, an dem sich etwas befind­et: evde ‘Haus+LOK’ (auch: ‘zuhause’)
  • aus dem Haus (her­aus) braucht einen Abla­tiv, der anzeigt, dass etwas vom Sub­stan­tiv ent­fer­nt wird: evden ‘Haus+ABL

Ich nehme an, dass auch bei im Urlaub im Türkischen ein Loka­tiv ste­hen müsste (?).

Die bei­den Sys­teme sind also nicht wirk­lich kom­pat­i­bel. Dazu kom­men die Gen­era des Deutschen: Um im Urlaub kor­rekt sagen zu kön­nen, muss man nicht nur die entsprechende Prä­po­si­tion ken­nen, son­dern auch noch wis­sen, dass Urlaub maskulin ist und daher im braucht, nicht in der. (Ganz abge­se­hen von der Kasusflexion …)

Die Prä­po­si­tion wegzu­lassen, ist da wahrschein­lich das ein­fach­ste. Vor allem, wenn man endlich entspan­nt Ferien machen will.

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Googlehupf gegoogelt

Von Kristin Kopf

Patrick hat im Mai bemerkt, dass ich <gegooglet> schreibe statt <gegoogelt>:

Mir ist auch aufge­fall­en, dass Du „gegooglet“ schreib­st, obwohl Präskrip­tivis­ten „googel-“ als Stamm vorschreiben (vgl. hier). Wäre mal inter­es­sant rauszufind­en wie oft dieser „Fehler“ so im Schnitt passiert.

2009-07-28-gegooglet

Ich habe natür­lich einen Grund für meine Schrei­bung, und zwar die Tat­sache, dass Google drin­steckt. Da das Verb eine Ableitung des Eigen­na­mens ist, erscheint es mir höchst gewagt, diesen Eigen­na­men schriftlich zu entstellen, in googel. Genau das tun aber Wörter­büch­er wie der Duden. Und haben dafür zugegeben­er­maßen auch einen guten Grund: Es gibt eine ganze Menge deutsch­er Ver­ben auf -eln, in die sich googeln aus­geze­ich­net einfügt:

  • han­deln, ich han­dle – gehandelt
  • lächeln, ich läch­le gelächelt
  • googeln, ich google gegoogelt

Die 1. Per­son Sin­gu­lar spielt hier eine wichtige Rolle: Statt ich han­dele, lächele kann es auch ich han­dle, läch­le heißen. Den Aus­fall des e im Wortin­neren beze­ich­net man als “Synkope”. Dadurch entste­ht eine Form auf -le, die dem Ende von Goog-le gle­icht. Das bietet eine Art Anknüp­fungspunkt für das neue Verb: In der 1. Per­son Sin­gu­lar kann es unverän­dert bleiben, in den anderen fügt es sich in die Rei­he der anderen l-Ver­ben ein. (Diesen Vor­gang nen­nt man “Analo­gie”.)

Dass die 1. Per­son Sin­gu­lar in den deutschen Ver­ben aus der Rei­he tanzt (ich handle, du handelst, er handelt; wir/sie handeln, ihr handelt) ist zwei ver­schiede­nen Tilgung­sprozessen geschuldet. Das e in han­dle ist näm­lich nicht das­selbe wie in handeln: Bei han­deln gehört es zum Wort­stamm, bei han­dle ist es die Flexionsendung.

Vor langer, langer Zeit (im Mit­tel­hochdeutschen, 1050–1350) hat­ten ein­mal sowohl Stamm als auch Endung immer ein e:

Stamm Endung
Infini­tiv handel en
ich handel e
du handel est
er/sie/es handel et
wir handel en
ir handel et
sie handel en

Dann wurde das Endungs-e synkopiert, und zwar

  • bei allen Ver­ben in der 2./3. Sg. und der 2. Pl. (du mach­est > du machst)
  • bei Ver­ben, deren Stamm auf -er oder -el endet im Infini­tiv und der 1./3. Pl. (sie han­de­len > sie han­deln).

Es bleibt also nur die 1. Per­son Sin­gu­lar be-e-t:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich handel e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Nun gibt es aber noch eine zweite e-Tilgung. Dies­mal ist sie frei­willig und bet­rifft das e im Stamm. Bei Ver­ben, die auf -el enden, kann es in der 1. Per­son Sin­gu­lar getil­gt wer­den, also ich han­dele oder ich han­dle. Ersteres sieht man aber m.E. wirk­lich nur noch in schriftlich­er Form:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich hand(e)l e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Daraus resul­tierend ist das vorher dreisil­bige Wort in allen Präsens­for­men zweisil­big gewor­den: han-deln, han-dle, … Dadurch wird das Wort ohne Infor­ma­tionsver­lust kürz­er und bekommt das trochäis­che Beto­nungsmuster (betonte Silbe – unbe­tonte Silbe), das generell im Deutschen sehr beliebt ist.

Die gesproch­ene Sprache ist vielerorts noch viel weit­er und hat mit­tler­weile alle e-Laute eli­m­iniert: ich han­dl, du han­dlst, er han­dlt, wir/sie han­dln, ihr han­dlt. Deshalb ist die Debat­te darüber, ob man <googlen> oder <googeln> schreibt für das gesproch­ene Deutsch auch ziem­lich irrel­e­vant – gesprochen heißt es ein­fach gugln.

Ich habe mal gegooglet (“Seit­en auf Deutsch”), und zwar den Infini­tiv (goog[el/le]n) und das Par­tizip (gegoog[el/le]t):

  • -le: 726 000 (gesamt) – Infini­tiv: 644.000, Par­tizip: 82.000
  • -el: 964 000 (gesamt) – Infini­tiv: 543.000, Par­tizip: 421.000

Ins­ge­samt hat also die Duden­lö­sung die Nase vorn, allerd­ings gibt es große Unter­schiede zwis­chen Infini­tiv (googlen dominiert leicht) und Par­tizip (gegoogelt dominiert extrem). Google selb­st scheint das Wort übri­gens nicht zu gebrauchen.

Willkommen in Raiputsihi!

Von Kristin Kopf

Kür­zlich kam hier jemand her auf der Suche nach einer

deutschlandkarte auf japanisch

Ja, wie kann man so etwas find­en? Wahrschein­lich wird ja nicht “Deutsch­land­karte” dabeis­te­hen, wenn’s auf Japanisch ist. Ich hat­te mehrere semi­b­ril­lante Ideen, die schiefge­gan­gen sind: In der japanis­chen Wikipedia hat der Ein­trag für Deutsch­land nur eine deutsche Karte, bei GoogleMaps-Japan sind die Orte in Orig­i­nal­sprache beze­ich­net. Dann also doch das Offen­sichtlich­ste: Bilder­suche bei Google mit dem Such­wort ドイツ (doit­su ‘Deutsch(land)’). Gle­ich auf der ersten Seite gibt es drei Karten: eine zweis­prachige, und zwei rein japanis­che. Ver­fein­ert man die Suche noch mit den Schriftze­ichen für Land­karte, 地図, find­et man u.a. noch eine etwas detail­liert­ere zweis­prachige Karte.

All diese Karten sind in Katakana beschriftet, also der Schrift für Fremd­wörter. Dabei ver­sucht man, den deutschen Klang so gut wie möglich mit den japanis­chen Laut­en und vor allem der japanis­chen Phono­tak­tik wiederzugeben.

Phono­tak­tik beze­ich­net die in ein­er Sprache möglichen Lautkom­bi­na­tio­nen. Beson­ders was die Kon­so­nan­ten anbe­t­rifft, gibt es da zwis­chen ver­schiede­nen Sprachen große Unter­schiede. Im Deutschen kön­nen Sil­ben mit mehreren aufeinan­der­fol­gen­den Kon­so­nan­ten begin­nen oder enden, wie ʃt-, ʃpr-, ʃl-, kr-, … (stehen, sprechen, schlafen, kriechen) oder -nf, -rm, -ln, -rbst … (Hanf, Arm, stre­icheln, Herbst). Solche Kom­bi­na­tio­nen heißen auch “Kon­so­nan­ten­clus­ter”. Im Japanis­chen gibt es das qua­si nicht. Am Anfang ein­er Silbe kön­nen max­i­mal zwei Kon­so­nan­ten ste­hen, aber auch nur ganz bes­timmte, und am Ende nur einer.

  • Sil­be­nan­fang: max­i­mal ein Kon­so­nant+j (geschrieben als <y>) wie in hap-pya‑ku ‘800’, gya‑ku ‘Gegen­teil’
  • Sil­be­nende: nur ein Kon­so­nant wie in jin ‘Men­sch’, hap-pya-ku ‘800’ – und wenn der Kon­so­nant nicht n ist, dann geht es auch nur als Teil eines Dop­pelkon­so­nan­ten, d.h. die näch­ste Silbe muss mit dem­sel­ben Kon­so­nan­ten anfangen.

Wenn man mit solchen Sil­ben nun deutsche Wörter erfassen will, wird’s schwierig. Was ist mit ein­er Stadt wie Stuttgart? Die Lösung ist ein­fach: Man schiebt ein paar Vokale zwis­chen die stör­rischen Kononan­ten­clus­ter: shu-tut-to-ga-ru-to (シュトゥットガルト). Schwup­ps, entspricht das Wort den phono­tak­tis­chen Regeln des Japanis­chen. Die Vokale zwis­chen stimm­losen Kon­so­nan­ten wer­den übri­gens fast gar nicht aus­ge­sprochen (bzw. sie wer­den stimm­los, aber dazu ein ander­mal), so dass der Wor­tan­fang für deutsche Ohren wie scht- klingt. Den Effekt kann man bei diesem Wort, shukudai ‘Hausauf­gaben’, hören – es klingt wie shku­dai.

Und für alle, die gerne rätseln …

  • ライプツィヒ raiput­si­hi
  • ガルミッシュ=パルテンキルヒェン garumisshu-parutenkiruhen
  • ボットロプ bot­toropu
  • ハノーファー hanoofaa
  • フリードリヒスハーフェン furi­idori­hisuhaafen
  • ベルリン berurin
  • シュヴェリーン shuveriin

Die Lösun­gen:

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Japanische Schrift 1: Warum Hiragana keine Silben darstellen

Von Kristin Kopf

(Teil 1 | Teil 2)

Ich habe mal wieder die Suchan­fra­gen durchge­blät­tert, die zum Sch­plock führten. Eine davon lautete:

katakana guten tag (24.4.2009)

Auf Japanisch heißt ‘Guten Tag’ kon­nichi­wa. (Zum Anhören dort auf den kleinen Pfeif drück­en.) Das wird nor­maler­weise so geschrieben: 今日は. Die ersten bei­den Zeichen sind soge­nan­nte Kan­ji, das let­zte Zeichen ist ein Hira­gana. In Katakana würde man es so schreiben: コンニチハ. Das tut man aber eigentlich nicht, weil Katakana Schriftze­ichen sind, mit denen man Fremd­wörter notiert, keine alteinge­sesse­nen japanis­chen Wörter (oder vor Ewigkeit­en aus dem Chi­ne­sis­chen entlehnten).

Vielle­icht wollte die Per­son aber auch wis­sen, wie die deutschen Wörter Guten Tag ausse­hen wür­den, wenn man sie auf Japanisch auf­schreiben wollte? Da wäre mein Vorschlag: グテン ターク (gu-te‑n ta-a-ku).

Ein schön­er Anlass, um das mit den Kan­ji, Hira­gana und Katakana mal ein bißchen aufzudröseln:

Drei Schriftsysteme für eine Sprache?

Im Japanis­chen gibt es drei ver­schiedene Schrift­sys­teme. Zwei davon, die Katakana und die Hira­gana, sind sich sehr ähn­lich, das dritte, die Kan­ji, ist ganz anders und wird erst über­mor­gen behan­delt 😉 Welch­es Schrift­sys­tem wann ver­wen­det wird, ist klar definiert.

Die Kan­ji wer­den ver­wen­det für:

  • Sub­stan­tive
  • Wort­stämme von Adjek­tiv­en und Verben

Die Hira­gana für:

  • gram­matikalis­che Endun­gen (Kon­ju­ga­tion), Par­tikeln, Hil­fsver­ben (Okuri­g­ana)
  • Wörter, für die kein Kan­ji mehr existiert
  • als Lese­hil­fe über/neben schwieri­gen Kan­ji (Furi­g­ana)

Und die Katakana für:

  • Fremd­wörter, die nicht aus dem Chi­ne­sis­chen kom­men (auch aus­ländis­che Eigennamen)
  • laut­ma­lerische Wörter (Ono­matopo­et­i­ka)
  • zur Her­vorhe­bung (wie Kur­sivschrift bei uns)
  • in der Wer­bung häu­fig für japanis­che Eigennamen

Die drei Schrift­sys­teme repräsen­tieren zwei sehr unter­schiedliche Ansätze des Schreibens. Die sich wiederum sehr deut­lich von unser­er Art unterscheiden:

ABC und Alphabet

Alpha­betschriften fol­gen mehr oder weniger dem Prinzip, dass jed­er Laut (bzw. genauer jedes Phonem) durch einen Buch­staben (bzw. genauer ein Graphem) repräsen­tiert wird. Es beste­ht also eine Phonem-Graphem-Beziehung. Wed­er das gesproch­ene noch das geschriebene Wort haben irgen­deinen Bezug zur Wortbe­deu­tung, sie sind dem Beze­ich­neten gegenüber völ­lig willkür­lich. (Das ist nur bei laut­ma­lerischen Wörtern anders, da ähnelt der Klang dem Bezeichneten.)

2009-07-07-Alphabet

Man sieht hier also, dass zwar die Laut­struk­tur und die Schrei­bung von Geld miteinan­der verknüpft sind, der Bezug der bei­den zum realen Objekt aber extra gel­ernt wer­den muss.

Die meis­ten Sprachen der Welt wer­den in ein­er Alpha­betschrift notiert. Dazu gehört das lateinis­che Alpha­bet (a, b, c, …), das sich wie das kyril­lis­che (а, б, в, …) aus dem griechis­chen Alpha­bet entwick­elt hat (α, β, γ, …).

In Japan benutzt man keine Alpha­betschrift, sondern:

Sil-ben-schrif-ten und die ominöse Mo-o-re

Es gibt auch Schrift­sys­teme, die nicht einen Laut, son­dern eine ganze Silbe in ein Zeichen stecken.

2009-07-07-SilbeMoreHier sieht man, dass das japanis­che Wort für Geld in Hira­gana aus zwei Sil­ben beste­ht, ka und ne, und jede dieser Sil­ben hat ein Zeichen1. Wobei das etwas gel­o­gen ist – es passt zwar zufäl­lig für dieses Wort, aber eigentlich schreibt man bei Hira­gana keine Sil­ben, son­dern Moren. Moren sind Ein­heit­en, die etwas klein­er sind als Sil­ben. Wenn näm­lich eine Silbe einen lan­gen Vokal bein­hal­tet, dann wird der extra geschrieben.

Mut­ter heißt auf Japanisch okaasan (お母さん2). Das Wort beste­ht aus drei Silben:

2009-07-07-okaasan

Es beste­ht aber gle­ichzeit­ig aus fünf Moren. Um Moren zu bes­tim­men, muss man die Silbe noch ein­mal in kleinere Teile zer­legen. Wer sich nicht für Sil­ben­struk­tur inter­essiert, kann den näch­sten Abschnitt ein­fach über­sprin­gen, aber ich ver­suche es leicht ver­ständlich zu erklären.

Eine Silbe beste­ht aus mehreren Bestandteilen. Wichtig für uns ist jet­zt mal nur das, was nach dem Kon­so­nan­ten kommt (falls ein Kon­so­nant am Anfang ste­ht). Wenn es ein kurz­er Vokal ist und die Silbe dann zuende ist, haben wir gar kein Prob­lem, Silbe und More sind iden­tisch. Das ist z.B. beim o von okaasan so. Deshalb bekommt das o auch nur ein einziges Hira­gana, näm­lich お.

Wenn aber ein langer Vokal fol­gt wie bei kaa, oder sog­ar ein Kon­so­nant wie bei san, ver­hält sich die Sache anders. Bei Lang­vokalen zählt nur der halbe Vokal zur ersten More, die andere Hälfte bildet die zweite More: ka|a. Dadurch bekom­men bei­de Teile ein eigenes Zeichen: か ka und あ a.

Bei Kon­so­nan­ten am Sil­be­nende zählt der Kon­so­nant eben­falls als Extramore: sa|n mit den Zeichen さ sa und ん n.

In Hira­gana hat das Wort also fünf Zeichen: okaasan. (Yeah, ich wollte schon immer mal ne retro-bon­bon­bunte Seite!)

Eine Sprache mit echter Sil­ben­schrift ist zum Beispiel das Chero­kee.

Über­mor­gen geht’s dann weit­er mit den Kanji …

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Fronleichnam frönt den Leichen

Von Kristin Kopf

Fron­le­ich­nam als (katholis­chen) Feiertag gibt es seit 1246 immer am zweit­en Don­ner­stag nach Pfin­g­sten. Das Fest ist auf keinen konkreten bib­lis­chen Anlass zurück­zuführen – gefeiert wird die kör­per­liche Gegen­wart Jesu in Hostie und Mess­wein bei der Wand­lung. (Stich­wort Transsub­stan­ti­a­tion)

Es han­delt sich mal wieder um einen Feiertag, dessen Ety­molo­gie im Reli­gion­sun­ter­richt alljährlich durchgekaut wurde – aber den fern vom katholis­chen Glauben Aufgewach­se­nen unter Euch kann ich vielle­icht noch was Neues erzählen. Dazu werde ich das Wort Fron­le­ich­nam ein­mal auseinandernehmen …

2009-06-11-fronleichnam2

Das ware noch Zeit­en, als zu Fron­le­ich­nam die Sonne schien …

Fronleichnam und Frondienst

Das Erst­glied Fron gibt es als eigen­ständi­ges Wort kaum noch. Wie das gle­ichbe­deu­tende Fron­di­enstzwangsweise Dien­stleis­tun­gen in Form von kör­per­lichen Arbeit­en für unter­schiedliche Herrschaft­strägerste­ht es zwar im Wörter­buch, wird aber viel sel­tener benutzt als let­zteres. Bei Google habe ich für Fron qua­si keine mod­er­nen Ver­wen­dun­gen gefun­den. Für Fron­di­enst schon:

Der Sam­stag sollte im Bedarfs­fall wieder Werk­tag ohne Zuschläge sein. Die Leute gehen doch eigentlich gern zur Arbeit, das ist doch kein Fron­di­enst”, sagte von Pier­er der “Bild”-Zeitung. (Man­ag­er Mag­a­zin)

Pri­vate Altersvor­sorge im Fron­di­enst für die öffentliche Hand (Yahoo Nachricht­en)

In der Schweiz wird Fron­di­enst ganz neu­tral benutzt, für ‘frei­williger Arbeitseinsatz’:

Jed­er geleis­tete Fron­di­enst-Halb­tag wird auf unserem Fron­di­enst-Ausweis ver­merkt. Für zehn Fron­di­enst-Halb­tage gibt es eine Gratis-Über­nach­tung in ein­er unser­er Club­hüt­ten für zwei Per­so­n­en. (Schweiz­erisch­er Alpin­club Sek­tion Blüm­lisalp)

Fron­di­enst durch Vere­ins­mit­glieder und weit­ere Inter­essierte ist ein­er der Stützpfeil­er des Typo­ra­mas. (Typo­ra­ma)

Was war aber die ursprüngliche, wörtliche Bedeutung?

Die Basis bildet das althochdeutsche frō ‘Herr’1, beziehungsweise dessen Gen­i­tiv Plur­al, frōno ‘der Herren/der Göt­ter’. Diese Gen­i­tiv­form kon­nte auch als Adjek­tiv gebraucht wer­den und hieß dann ‘rechtlich, gerichtlich, öffentlich’ (bezo­gen auf den weltlichen Her­ren und seinen Macht­bere­ich) oder ‘göt­tlich’.

Die weltliche Bedeu­tung führte zu Wörtern wie Fron­bote ‘Gerichts­bote’ und Fron­di­enst ‘Her­ren­di­enst’ (daraus verkürzt dann Fron). Auch das deutsche Wort frö­nen ist mit Fron eng ver­wandt (es hieß ursprünglich ‘dienen, unter­wor­fen sein’).

Die religiöse Bedeu­tung bescherte uns Fron­le­ich­nam.

2009-06-11-fronleichnam

Herzlichen Fronleichnam!

Also heißt Fron­le­ich­nam ‘göt­tlich­er Leichnam/Leichnam des Her­ren’? Nein, das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Das Zweit­glied hat­te früher ein­mal eine andere Bedeu­tung: Im Alt- und Mit­tel­hochdeutschen gab es das Wort līch ‘Kör­p­er, Fleisch, Leiche’, und von ihm abgeleit­et die Form līch-hinamo ‘Kör­p­er’. Das hinamo kommt vom west­ger­man­is­chen hamōn ‘Hülle, Klei­dung, Leib’. Die Verbindung der bei­den Wörter war wahrschein­lich ursprünglich poet­isch und hieß so etwas wie ‘Hülle des Fleis­ches’ oder ‘Gefäß des Lebens’ und somit let­ztlich ‘Kör­p­er’.

Das Wort Kör­p­er gibt es erst seit dem Mit­tel­hochdeutschen (denn es hat ja ein p!). Es war eine Entlehnung des lateinis­chen cor­pus und ver­drängte das bis dahin übliche līch. Erhal­ten hat es sich dann nur in der früheren Nebenbe­deu­tung ‘tot­er Kör­p­er, Leiche’.

Fron­le­ich­nam heißt somit ‘Körper/Leib des Her­ren’ und ist eine Teilüber­set­zung der lateinis­chen Fes­t­beze­ich­nung cor­pus christi ‘Körper/Leib Christi’. Der Bezug zum Gefeierten wird sofort klar: Es geht ja um die kör­per­liche Präsenz in der Eucharistie.

Ende gut, alles gut? Ja, aber eines muss ich doch noch schnell loswer­den: Das alte Wort līch ‘Kör­p­er, Fleisch, Leiche’ hat noch eine andere Entwick­lung mit­gemacht. Es kon­nte an ein anderes Wort (x) ange­hängt wer­den, das dann die Bedeu­tung ‘ein­er, dessen Körper/Gestalt x ist’ bekam. Nach und nach wurde -līch dann zu ein­er reinen Adjek­tiven­dung, ‘etwas, das in der Art von x ist’: fröh-lich, fre­und-lich, herz-lich, … Dabei ver­lor es auch sein langes ī und ist heute nur noch ein kurzes -lich. Durch das i in der Endung gab es, wo möglich, Umlaut: gründ-lich, höf-lich, schwärz-lich.

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[Lesetipp] Rudi Keller über Sprachwandel

Von Kristin Kopf

Rudi Keller, seines Zeichens Entlehn­er der The­o­rie der unsicht­baren Hand in die Lin­guis­tik, hat der Süd­deutschen vor fast einem Jahr ein Inter­view gegeben. (Gefun­den hier.) Es geht, natür­lich, um Sprach­wan­del. Ich finde es eher so lala, vieles wird nur angeris­sen und bleibt dann kon­text­los ste­hen, aber die Grund­hal­tung ist mir sym­pa­thisch. Nur dass er davon spricht, dass die Sick-Leser i.d.R. nicht dazu in der Lage sind, das, was sie lesen, “umzuset­zen”, jagt mir einen kalten Schauer den Rück­en hin­unter. Herr bewahre uns!

Schade übri­gens, dass bei vie­len Leuten nur wenig angekom­men zu sein scheint, viele Kom­mentare klin­gen so, als seien nur die Zwis­chenüber­schriften gele­sen worden …

2009-05-04

Der ange­sproch­ene Auf­satz Kellers (von 2004) find­et sich übri­gens hier, darin wer­den fast alle im Inter­view ange­sproch­enen Punk­te aus­führlich­er behan­delt, dies­mal ohne die Ele­mente, die mir am Inter­view mißbe­ha­gen. Wis­senschaftlich gese­hen ist es Fast Food (leicht ver­daulich & nichts Neues), aber als all­ge­mein­ver­ständliche Darstel­lung ist es abso­lut zu empfehlen.