Archiv des Autors: Kristin Kopf

Blogspektrogramm 18/2015

Von Kristin Kopf

So, heute kom­men die Links der Woche etwas später als üblich. (Grund: Ein­fach keine Lust gehabt.) Nun kann aber, wer Mon­tag­mor­gen nicht direkt in die Woche starten will, das noch ein wenig mit dem Spek­tro­gramm hinauszögern …

  • Bee­in­flusst der Nor­den den Süden? Warum sprachen früher mehr Leute Dialekt als heute? Beim SPIEGEL find­et sich ein inter­es­santes Inter­view mit Ste­fan Elspaß (aka »ein Sprach­forsch­er«) zu deutschen Dialek­ten und ihrer Verän­derung: »Erstens bemerken wir, dass poli­tis­che Gren­zen immer stärk­er sprachtren­nend wirken. Ein Beispiel dafür: Früher war die Beze­ich­nung Erdapfel (Herdöpfel) außer in der Schweiz und in Öster­re­ich auch in vie­len Gebi­eten Süd­deutsch­lands in der All­t­agssprache sehr üblich. Inzwis­chen zeigt sich, dass der Begriff immer mehr an die Rän­der des deutschen Staats­ge­bi­ets gedrängt wird.«
  • Ana­tol hat mit dem DRADIO gewohnt poiniert über »Hate Speech« gesprochen: »Es find­et so eine Nor­mal­isierung von Men­schen­hass statt, ein­fach durch die Exis­tenz solch­er Aus­sagen in der Öffentlichkeit. […] Voraus­set­zung für Hate Speech ist qua­si jede Art von sprach­lichem Muster, das […] diese Men­schen­gruppe häu­fig erst fik­tion­al kon­stru­iert und dann mit her­ab­würdi­gen­den Eigen­schaften versieht.«
  • Die YALE NEWS bericht­en über ein Forschung­spro­jekt zu gesproch­en­er Syn­tax im US-Englis­chen — und da gibt es span­nende Unter­schiede und Kon­struk­tio­nen: »One of the most inter­est­ing dis­cov­er­ies that the group has encoun­tered are pre­sen­ta­tive sen­tences like “Here’s you a water bot­tle.” “That sen­tence just floored me,” says Wood. “It seemed very alien and dif­fer­ent to me. The over­all pat­tern was very clear: In the South peo­ple found that sen­tence to be com­plete­ly nor­mal, while in the North, no one thought it was normal.«
  • Die WASHINGTON POST (Englisch) hat sieben Info­grafiken zu Sprachen erstellt — vieles weiß man sich­er schon, aber vielle­icht find­et der eine oder die andere auch was Neues dabei: Auf welchem Kon­ti­nent wer­den die meis­ten ver­schiede­nen Sprachen gesprochen? In welchen Regio­nen ballt sich sprach­liche Diver­sität? Welche Sprachen wer­den in vie­len Län­dern gesprochen?
  • READER’S DIGEST (Englisch) hat eine Samm­lung vik­to­ri­an­is­ch­er Slang­wörter aus­ge­graben und illus­tri­ert. Sehr lobenswert: Die Quelle ist am Ende verlinkt.

Blogspektrogramm 15/2015

Von Kristin Kopf

Einen hof­fentlich son­ni­gen Oster­son­ntag aller­seits! Wir haben das Suchen für Sie über­nom­men und jede Menge Links gesam­melt — ein paar mit Feiertags­bezug und ein paar mehr über Block­buch­staben im Inter­net, ein englis­ches Wort, das eine gewisse Unselb­ständigkeit zeigt, foren­sis­che Lin­guis­tik und englis­chen Wortschatz.

  • Alle Jahre wieder empfehlen wir einen Blick ins SPRACHLOG-Archiv, wenn es Sie inter­essiert, woher die Wörter Grün­don­ner­stag, Kar­fre­itag und Ostern stam­men und wie die entsprechen­den Tage in anderen Sprachen heißen.
  • In Block­buch­staben schre­it man — und was noch? Katy Wald­man über­legt auf LEXICON VALLEY, welche Wirkung sie haben und was passiert, wenn man sie verse­hentlich benutzt: »That upper­case let­ters almost always traipse along under a large ethe­re­al plus sign is what makes them dan­ger­ous. They are like a big, exu­ber­ant gold­en retriev­er, liable to escape and slob­ber all over some­body if the leash slips from your hand. «
  • Wie spricht man das -man in police­man aus? Und andere “Män­ner”? Ben Yago­da macht sich im CHE Gedanken über Vari­a­tion und ihre Ursachen: »The strik­ing thing isn’t the region­al vari­a­tion, which (in this small sam­ple) is neg­li­gi­ble, but rather the break­down of the words into two fair­ly dis­tinct cat­e­gories. Robust dis­agree­ment breaks out only about post­man«
  • Diane Rehm spricht in ihrer Radiosendung mit Exper­tIn­nen über foren­sis­che Lin­guis­tik: »In the field known as “foren­sic lin­guis­tics,” things like word choice, spelling and punc­tu­a­tion can all serve as vir­tu­al fin­ger­prints. And today emails, tweets, and texts give lin­guists a trove of lex­i­cal data to exam­ine in crim­i­nal cas­es. But many experts remain skep­ti­cal that this kind of work has the sci­en­tif­ic basis nec­es­sary for use in high-stakes cases.« 
  • Manche der Karten und Dia­gramme, die VOX (Englisch) zusam­mengestellt hat, gabs schon in früheren Spek­tro­gram­men — aber (für mich) neu und ganz inter­es­sant waren Nr. 15 und 16 zu englis­chem Wortschatz und Nr. 17 zu Wortschatz von Rap­perIn­nen: »Design­er Matt Daniels looked at the first 35,000 words of artists’ rap lyrics — and the first 35,000 words of Moby-Dick, along with 35,000 words from Shakespeare’s plays — to com­pare the size of their vocab­u­lar­ies. He found that some have big­ger vocab­u­lar­ies than Shake­speare or Melville.«

Blogspektrogramm 14/2015

Von Kristin Kopf

Im heutige Spek­tro­gramm gehts um Deutsch als Fremd- und Zweit­sprache, das Wort anstelle, noch ein­mal um den Unter­schied zwis­chen expats und immi­grants, darum, ob fließende Sprach­be­herrschung möglich ist und darum, was can’t even so im Englis­chen macht.

  • Für PROGESS hat Vanes­sa Gaigg ein Inter­view mit İnci Dirim, Pro­fes­sorin für Deutsch als Zweit- und Fremd­sprache, geführt, die sich zum Beispiel zum Ver­bot ander­er Sprachen als Deutsch im Schu­lun­ter­richt oder auf dem Pausen­hof äußert: »Ich denke generell, dass die Pause für Erhol­ung und Gespräche zur Ver­fü­gung ste­ht. Dafür dass alle alle pri­vat­en Gespräche ver­ste­hen, beste­ht keine Notwendigkeit. […] Auch Lehrkräfte im Unter­richt müssen nicht alles ver­ste­hen kön­nen, das wäre ohne­hin auch mit dem alleini­gen Gebrauch des Deutschen nicht möglich – man schreibt sich z.B. Zettel und flüstert sich zu. Zudem gibt es viele gute Möglichkeit­en, die Mehrsprachigkeit für die Bil­dung von Schü­lerin­nen und Schülern einzuset­zen. […] Ein Ver­bot ist keine päd­a­gogis­che Maß­nahme.« (via @JollySea)
  • Mit stiefmüt­ter­lich behan­del­ten Wor­tarten befasst sich Michael Mann im LEXIKOGRAPHIEBLOG: Warum hält der Duden anstelle für eine Prä­po­si­tion und für ein Adverb gle­ichzeit­ig? Und wie logisch ist das?
  • Kür­zlich haben wir hier im Spek­tro­gramm einen kurzen Text zu expats und immi­grants emp­fohlen — Nic Sub­tire­lu hat sich das Ganze auf LINGUISTIC PULSE ein­mal kor­puslin­guis­tisch angeschaut: »If it is accept­able for those we label expats to main­tain their dif­fer­ence from their host coun­tries, then it seems hyp­o­crit­i­cal to sug­gest that those we label immi­grants should cast off their lan­guages, cul­tures, and con­nec­tions to their coun­tries of ori­gin.« (via @replicatedtypo)
  • Fließend Englisch oder Deutsch sprechen — für Mut­ter­sprach­lerIn­nen doch kein Prob­lem? Wohl, find­et Noah Harley auf BABBEL, und mehr noch, das ganze Konzept ist daneben: »No one will ever be com­plete­ly flu­ent in a lan­guage like Eng­lish, which is spo­ken in so many dif­fer­ent ways by so many dif­fer­ent peo­ple, and is used to describe so many dif­fer­ent spheres of activ­i­ty. You may be a native Eng­lish speak­er, but that does not mean you will under­stand an 80-year old bus dri­ver from Scot­land describ­ing the ter­ri­ble weath­er they had 50 sum­mers ago, or a pro­fes­sor in alge­bra­ic topology.«
  • Wie kommt es, dass die umgangssprach­liche englis­che Äußerung I can’t even kein par­al­le­les I can even hat? Gretchen McCul­loch beleuchtet das auf MENTAL FLOSS: »What’s up with these sen­tences? Even, and its friends ever and any, are a type of word known as a Neg­a­tive Polar­i­ty Item (NPI). They work with a sen­tence that’s already got a neg­a­tive in it and make it even more neg­a­tive, but they just don’t sound right in the pos­i­tive ones. You can think of them like the glass-half-emp­ties of grammar.«

Sonnenfinsternis anno 1654

Von Kristin Kopf
2015-03-20-Sonnenfinsternis

Eclip­siographia oder Beschrei­bung der vnge­wohn­lichen grossen Sonnen=Finsternus/ welche sich im nech­stkünffti­gen 1654 Jahr/ den 12. 2. Augstmonats/ kurtz vor Mit­tag erzeigen/ vnd mit Ver­wun­derung anzuschawen seyn wird.

Nicht erst seit Neustem gibt es Son­nen­fin­stern­israt­ge­ber … bei mein­er Kor­pusar­beit bin ich über dieses Trak­tat des Math­e­matik­ers Eber­hard Welpern gestolpert, dessen Beschrei­bung ich so char­mant fand, dass ich sie nie­man­dem voren­thal­ten möchte: Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 12/2015

Von Kristin Kopf

Haben Sie eine knappe Stunde Zeit? Dann kochen Sie sich mal einen Tee und hören Sie sich einen Kiezdeutschvor­trag an! Der endet mit der Betra­ch­tung von Ras­sis­mus, und damit geht’s dann auch gle­ich im näch­sten Text aus dem Guardian weit­er. Wer lieber mehr hören will, kann sich Wörter für Zahlen in ver­schiede­nen Sprachen erk­lären lassen, oder gle­ich die kom­plette Geschichte des Englis­chen — und zwis­chen­drin ver­steckt sich noch ein Leselink zum deutschen Satzbau. Einen schö­nen Son­ntag allerseits!

  • Im DRa­dio Wis­sen gib(t)s einen lan­gen und schö­nen Vor­trag von Heike Wiese zu Kiezdeutsch — über sprach­liche Beson­der­heit­en und ihre soziale Bew­er­tung. Beson­ders span­nend wird’s in der zweit­en Hälfte: »Wir sprechen von Deutschtürken, Deutschtürkin­nen und nich von Turkdeutschen. Wir sprechen aber von Rus­s­land­deutschen. Wir sprechen von Deutschamerikan­ern, das sind die, die aus­ge­wan­dert sind, nach Ameri­ka, das sind dann Amerikan­er, ne? Wenn Ihre Großel­tern aus der Türkei gekom­men sind, Eltern und Sie selb­st hier geborn und aufgewach­sen, sind Sie nach dieser Ter­mi­nolo­gie immer noch Türken. Das bleiben Sie anscheinend fünf Gen­er­a­tio­nen lang. Sie wer­den nicht deutsch! […] Wenn Sie auch nur Türkisch ver­stehn, sind Sie schon kein Berlin­er mehr …« (Ab Minute 36 geht es um die Reak­tio­nen aus der Öffentlichkeit — Zuschriften, Leser­briefe und Onlinekom­mentare — und ihre Analyse.)
  • Was sind Men­schen, die in ein anderes Land ziehen, um dort zu arbeit­en? Kommt ganz drauf an … Im GUARDIAN sieht sich Mawu­na Remar­que Kou­tonin die Begriffe expat und migrant an: »In the lex­i­con of human migra­tion there are still hier­ar­chi­cal words, cre­at­ed with the pur­pose of putting white peo­ple above every­one else. One of those rem­nants is the word “expat”.« (via @kuebra)
  • Wie sortieren wir eigentlich Satzglieder? Auf FRAGEN SIE DR. BOPP hat sich Stephan Bopp die Wort­stel­lung im soge­nan­nten »Mit­telfeld« ange­se­hen (grob gesagt das, was nach dem Verb kommt): »die Regeln der deutschen Wort­stel­lung sind bis auf wenige Aus­nah­men keine fes­ten Regeln, son­dern mehr oder weniger starke Ten­den­zen. Kom­plizierend kommt hinzu, dass diese Ten­den­zen zum Teil wider­sprüch­lich sind.«
  • Sind Zahlen uni­versell? Tom Scott spricht auf NUMBERPHILE (Englisch) darüber, wie ver­schiedene Sprachen ver­schiedene Zahlen beze­ich­nen und nach welch­er Logik. Achtung: Er steigt in medias res ein, wer noch nie davon gehört hat, was ein Viges­i­mal­sys­tem ist, wird vielle­icht etwas über­fall­en, aber spätestens ab Minute 2 gibts sehr schöne Beispiele, zum Beispiel otteoghalvtreds ‘acht und halb­drei’ — das dänis­che Wort für … 58. (via @inkbotkowalski)
  • Eine Hörempfehlung zur Geschichte des Englis­chen gibt Lau­ren Gawne auf SUPERLINGUO: »I’m only about four episodes into the (cur­rent­ly) 56 episodes avail­able, but already it’s prov­ing to be wide rang­ing and well craft­ed. […] The pod­cast also intro­duces you to big ideas and con­cepts about lan­guage with almost no resort to tech­ni­cal lan­guage beyond what is need­ed. You can lis­ten with no for­mal lin­guis­tics training; […]«

Die Völkerwanderung war kein Vatertagsausflug: Über 60 Wörter auf ‑in

Von Kristin Kopf

Dies ist ein Beitrag, den ich unge­fähr ein Jahr lang bewusst nicht geschrieben habe, obwohl es mich manch­mal in den Fin­gern gejuckt hat. Es geht um das Kleine Ety­mo­log­icum und wie ich darin mit Men­schen umge­he. Es geht um Lan­go­b­ardinnen, die auch männlich sein kön­nen. Es geht um … (Achtung, Reiz­wort!) … geschlechterg­erechte Sprache.

Viele Leute ken­nen die Fußnote auf Seite 11, selb­st wenn ihnen das Buch offen­sichtlich unbekan­nt ist (Achtung, Link geht zur Jun­gen Frei­heit!) — ich rufe kurz in Erinnerung:

Bei gener­isch­er Ver­wen­dung von Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen (wenn keine konkreten Indi­viduen gemeint sind) wird in diesem Buch die weib­liche oder die männliche Form gebraucht. Die Zuweisung erfol­gt per Zufall, über eine ran­domisierte Liste. Gemeint sind aber immer alle Men­schen, egal welchem Geschlecht sie sich zuge­hörig fühlen (oder ob sie das über­haupt tun). Auch die Fälle, in denen unklar war, ob bei­de Geschlechter gemeint sind, wur­den großzügig den gener­ischen Beze­ich­nun­gen zugeschla­gen. Sie wer­den im Fol­gen­den also auf Vor­fahrin­nen, Griechin­nen, Lexiko­grafinnen … stoßen, die alle Nicht-Frauen mit­meinen – und auf Ahnen, Goten und Sprach­wis­senschaftler, die die Nicht-Män­ner einschließen.

Für die Reflex­em­pörten aus dem Link schreibe ich nicht — ich schreibe für diejeni­gen Leserin­nen und Leser, die mir in den ver­gan­genen Monat­en E‑Mails und Briefe (und erstaunlich oft an E‑Mails ange­hängte Briefe) geschickt haben. Sehr höfliche Nachricht­en waren das, durchge­hend, mit vie­len inter­es­san­ten Anmerkun­gen, viel Lob, gele­gentlich mal mit Hin­weisen auf Tippfehler (in der vielfach verbesserten 2. Auflage fast alle aus­ge­merzt, her­zlichen Dank!) und am Ende dann gele­gentlich mit der Frage, Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 10/2015

Von Kristin Kopf

Son­ntag, Spek­tro­gramm­tag! Wir haben heute Links zu Manspread­ing, zu einem ganz exzel­len­ten Buch, Kriegsmeta­phern, Kor­puslin­guis­tik für Nachrich­t­en­di­en­ste, zu vie­len Spie­len und ein­er ungewöhn­lichen Öster­re­ichkarte — und los geht’s:

  • Manslam­ming, Mansplain­ing, Manspread­ing — Auf LAUT & LUISE wid­met sich Luise Pusch amerikanis­chen Neu­bil­dun­gen, die ein bes­timmtes Ver­hal­ten von Män­nern (gegenüber Frauen) the­ma­tisieren: »Das Eigen­willige und Regel­widrige bei diesen Neol­o­gis­men ist, dass — anders als etwa bei dem bekan­nten manslaugh­ter „Totschlag“- „man“ hier jew­eils Sub­jekt- und nicht Objek­t­funk­tion hat und überdies “Mann” und nicht “Men­sch” bedeuten soll.« 
  • Flo­ri­an Freis­tet­ter hat Das kleine Ety­mo­log­icum gele­sen und auf ASTRODICTICUM SIMPLEX mit eini­gen Beispie­len, die einen schö­nen Ein­blick geben, rezen­siert: »An so ein­er Episode – und von denen gibt es im Buch viele! – erken­nt man nicht nur, wie enorm vari­abel eine Sprache ist, son­dern auch, dass es eine unverän­der­liche Sprache gar nicht gibt. Und es wenig Sinn macht, eine Sprache “schützen” zu wollen. Denn in welchen Zus­tand sollte sie denn geschützt wer­den? Das “reine” Deutsch, dass manche heute vor dem bösen Ein­fluss der englis­chen Sprache bewahren wollen, ist ja nur deswe­gen “rein”, weil wir daran gewöh­nt sind.« (2. Buch im Blogpost)
  • Die Dig­i­tal­isierung und der totale Krieg? Alexan­der Lasch hat sich im SPRACHPUNKT Meta­phern des Deutschen Lehrerver­ban­des ange­se­hen: »Kraus nutzt entsprechende Begriffs­bil­dun­gen zur Stig­ma­tisierung bemerkenswert gern und häu­fig; man kön­nte sagen, er hat sich darauf eingeschossen«
  • Auf SURVEILLANCE AND SECURITY wird am Beispiel der »Linken Szene« dargestellt, wie Nachrich­t­en­di­en­ste Inter­net­por­tale  mit­tels soge­nan­nter »Top­ic Mod­els« auswerten (kön­nen): »Top­ic Mod­els sind ein ele­gan­ter Weg, um sich mit rel­a­tiv ein­fachen Mit­teln einen Überblick über die inhaltlichen Prä­gun­gen von Kor­po­ra zu ver­schaf­fen. Maß­nah­men gegen Top­ic Mod­els laufen ins Leere, außer man ist bere­it, auf inhaltlich kohärente Diskus­sio­nen zu verzicht­en.«
  • Sprache und Spiele? An der Uni Sin­ga­pur hat das Labor für Brain, Lan­guage and Inter­sen­so­ry Pro­cess­ing sich kleine Online­spiele aus­gedacht, deren Ergeb­nisse zu Forschungszweck­en genutzt wer­den: »Think you know a lot about lan­guages? How many lan­guages can you rec­og­nize from their writ­ten let­ters? Do you think you can you guess let­ter-sounds even if you don’t know the lan­guage? You can help lan­guage sci­en­tists fig­ure out the way the mind links sound to sight.« (Via Super­lin­guo)
  • Und zum Schluss noch was zu guck­en: DER STANDARD hat visu­al­isiert, was die meist­ge­sproch­ene nicht-deutsche Umgangssprache von Schü­lerin­nen und Schülern in Öster­re­ich ist. (Via @Vilinthril)

Wie man gefühlte Paprika stellen kann: Minimalpaare

Von Kristin Kopf

Kür­zlich hat eine kore­anis­che Aus­tauschstu­dentin nach der Sprech­stunde bei mir Noti­zen aus einem Deutschkurs vergessen. Als ich das Blatt bei­seit­elegte, sah ich eine sehr schöne Notiz:

die gefüllte Paprika

gefühlte

Grade eben hab ich die Suchan­fra­gen durchge­blät­tert, die zum Sprachlog führen ((Warum zum Teufel ist das läng­ste deutsche Wort so inter­es­sant??)) und dabei etwas ganz Ähn­lich­es gefunden:

wort­paare stellen stehlen

An diesen bei­den Wort­paaren erk­läre ich heute kurz einen Grund­be­griff aus der Phonolo­gie — also grob gesagt der Laut­lehre ein­er Sprache:

Wenn man gefüllt/gefühlt und stellen/stehlen spricht, merkt man, dass die Buch­staben die Aussprache nicht genau reflek­tieren: Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 8/2015

Von Kristin Kopf

Heute als Konkur­renz zum Abend­pro­gramm: Fünf Links zu Unwörtern, ver­meintlichen Fehlern, poli­tis­ch­er Kor­rek­theit und Fast­nacht. Viel Spaß beim Lesen!

  • Unter anderem um die Beze­ich­nung Dön­er­morde geht es in einem Artikel von Torsten Lands­berg in der NZZ: »Exem­plar­isch für die Leis­tung viel­er Medi­en zu jen­er Zeit ste­ht heute ein Begriff: «Dön­er­morde». Sein Ursprung zeigt auf, wie die eige­nen Kon­troll­re­flexe aus­bleiben kön­nen, wenn der Redak­tion­ss­chluss drängt und die Dachzeile über der Mel­dung noch zu lang ist.« 
  • Let­zte Woche haben wir ja auf die englis­che Berichter­stat­tung zu den Wikipedia-Edits von com­prised of ver­wiesen — wer will, kann die Geschichte jet­zt auch auf Deutsch in der WELT nach­le­sen, wo Matthias Heine sie aufgeschrieben hat: »Sein Feldzug gegen die For­mulierung com­prise of [sic!] hat Hen­der­son zu ein­er kleinen Inter­net-Berühmtheit gemacht. Seit­dem die Seite Medi­um vor eini­gen Tagen über ihn berichtete, ist seine Obses­sion auch von deutschen Medi­en beschrieben wor­den. Er gehört rein sta­tis­tisch zu den aktivsten Bear­beit­ern der englis­chsprachi­gen Wikipedia-Seite. Aber während andere auf vie­len Feldern aktiv sind, hat sich Hen­der­son unter seinem Wiki-Edi­toren­na­men “Giraffe­da­ta” mono­man­isch dem Aus­merzen eines einzi­gen Fehlers ver­schrieben.« (via @MartinWinkler8)
  • Udo Stiehl macht sich Gedanken zu verän­dert­er Aussprache in Radio und Fernse­hen: »Der Wan­del hat sich langsam vol­l­zo­gen, die Berufs­bilder haben sich entsprechend verän­dert. Im Extrem­fall ist inzwis­chen der Redak­teur am Mikro­fon zugle­ich sein eigen­er Sende­tech­niker im Selb­st­fahrerstu­dio und hat auch noch den Sprech­er erset­zt. Und so gerät zum Beispiel in ein­er Mod­er­a­tion die Frage nach den Gold­e­nen Bären auf der Berli­nale akustisch zur Ver­lei­hung der Gold­e­nen Beeren in der Haupt­stadt. Mein erster Reflex: Wer hat den denn ans Mikro­fon gelassen?«
  • Poli­tis­che Kor­rek­theit ist zu einem Kampf­be­griff gewor­den — sowohl im Deutschen wie auch im Englis­chen. Aman­da Taub zeigt auf VOX auf, wie er instru­men­tal­isiert wird: »First things first: there’s no such thing as “polit­i­cal cor­rect­ness.” The term’s in wide use, cer­tain­ly, but has no actu­al fixed or spe­cif­ic mean­ing. What defines it is not what it describes but how it’s used: as a way to dis­miss a con­cern or demand as a friv­o­lous griev­ance rather than a real issue.«
  • Und zulet­zt — man kann es hier nicht ignori­eren — ein wenig Fasse­nacht. Auf NAMENFORSCHUNG.NET gibt es karneval­is­tisch inspiri­erte Fam­i­li­en­na­men: »Einen Krapfen aus Hefeteig, der in Öl oder Fett schwim­mend geback­en wird, nen­nt man u.a. in Hes­sen, Rhein­hessen und in der Pfalz Krep­pel. Und dort, genauer gesagt im Raum Wies­baden — Bad Cam­berg, ballt sich auch der entsprechende Fam­i­li­en­name mit deutsch­landweit rund 481 TrägerIn­nen. Die Beze­ich­nung spielt übri­gens auf die ursprünglich gebo­gene Form des Gebäcks an, denn mit­tel­hochdeutsch krapfe bedeutete ‘Kralle, Haken’.«

Blogspektrogramm 6/2015

Von Kristin Kopf

Warum sind Emo­ji so nüt­zlich? Wie kom­men Lehn­wörter ins Deutsche? Warum klin­gen Sprachen rhyth­misch so unter­schiedlich? Wie war das noch mit dem gener­ischen Maskulinum? Und was ist der Unter­schied zwis­chen sex­ueller und sex­u­al­isiert­er Gewalt? Fünf Fra­gen, fünf Antworten im heuti­gen Spektrogramm:

  • Das Emo­ji hat­te zwar keine Chan­cen beim Anglizis­mus des Jahres — zum Trost schreibt Julia Grass in der BERLINER ZEITUNG darüber, wie es der Kom­mu­nika­tion dient — und sie hat dazu auch Ana­tol befragt: »Nun gab es die rein schriftliche Kom­mu­nika­tion auch schon vor dem Inter­net. Goethe und Schiller sind schließlich auch ohne Herzen und Smi­leys aus­gekom­men, und wer würde ihren Liebes­briefen oder der Lyrik von Hölder­lin und Novalis die Emo­tion absprechen! Warum also fehlen uns heute plöt­zlich Gestik und Mimik in der Schriftkom­mu­nika­tion?« (Bei DRADIO WISSEN geht es mit Emo­jis weit­er, man muss sich aber mein­er Mei­n­ung nach aus der Sendung die inter­es­san­ten Punk­te recht mühevoll rauspicken.)
  • Bet­ti­na Stein­er find­et den Anglizis­mus des Jahres 2014 nicht gut (wir sind natür­lich ander­er Mei­n­ung!) — neben ihrer Erk­lärung, warum, schreibt sie auf DIE PRESSE auch generell darüber, wie Lehn­wörter ins Deutsche gelan­gen: »Meis­tens beze­ich­net der Anglizis­mus aber ohne­hin entwed­er etwas grundle­gend Neues […]. Oder es fügt eine Facette hinzu. Das kann dazu führen, dass die deutsche Sprache dort dif­feren­ziert, wo es die englis­che gar nicht kann. Ein Mail ist bei uns ganz klar elek­tro­n­is­che Post, der Brief bleibt ein Brief. Auf dieselbe Weise wurde das Wort Game einge­mein­det: Es bleibt dem dig­i­tal­en Raum vor­be­hal­ten, der Welt der Kon­solen und Com­put­er. Das gute alte Spiel aber darf weit­er­hin Spiel bleiben.« (via @Vilinthril)
  • Im Lin­guis­tik-Pod­cast ANGESPROCHEN geht es diesen Monat um Rhyth­mus. Ste­fan Schmid erk­lärt, was Morsec­ode und Maschi­nengewehr mit Deutsch und Ital­ienisch zu tun haben.
  • Auf FISCH UND FLEISCH kom­men­tiert Antje Schrupp das „Mit­ge­meint-Sein“ durch das gener­ische Maskulinum kurz: »In gewiss­er Weise kann ich den Unwillen gegenüber dem weib­lichen Extra-Genan­ntwer­den ver­ste­hen. Ich finde das auch lästig. Ich würde auch lieber in ein­er Welt leben, die dieses Prob­lem nicht hat. Denn natür­lich stimmt es, dass […] die Aufmerk­samkeit auf die Geschlech­ter­dif­ferenz gelenkt wird, wo es doch eigentlich um das „Men­sch­sein“ gehen sollte. Lei­der gibt es dieses neu­trale „Men­sch­sein“ aber nicht.« (Die Kom­mentare sollte man, wie immer bei diesem The­ma, nur mit starken Ner­ven lesen.)
  • Luise Pusch macht sich auf FEMBIO Gedanken über sex­uelle Gewalt vs. sex­u­al­isierte Gewalt: »Ich weiß schon gar nicht mehr, wann mir andere Fem­i­nistin­nen beibracht­en, den Aus­druck „sex­uelle Gewalt“ nicht mehr zu benutzen. Er sei irreführend, denn die sog. sex­uelle Gewalt hätte in der Regel mit Sex­u­al­ität wenig bis gar nichts zu tun. Es han­dle sich vielmehr um Gewalt, die sich der Sex­u­al­ität nur als Mit­tel bediene.«