Wieder mal Jugendsprache

Von Anatol Stefanowitsch

Die Badis­che Zeitung beschäftigt sich mit dem „Neuen Wörter­buch der Szene­sprachen“ des Duden­ver­lags, das ger­ade in sein­er zweit­en Auflage erschienen ist. Unter der Über­schrift „Neuer Duden für Jugend­sprache“ fol­gt zunächst ein für solche Artikel ja oblig­a­torische Absatz in ange­blich­er Jugendsprache:

Sind Sie ein Frup­pie? Vielle­icht, weil Sie so gepsy­cht sind, dass Sie es nicht ein­mal mehr ins Münz­mal­lor­ca schaf­fen? Oder weil sie, sagen wir mal, höch­stens drölf Mal Casu­al Sex hat­ten, gerne ein Bobo wären, aber doch stets ein Know­bie blieben? Machen Sie sich nichts draus, son­dern lieber einen Druf­fi aus sich. Ein paar andere MoFs wer­den dann schon auf Sie abflashen.

Wer das nicht ver­ste­ht, so der Artikel weit­er, der hat zu sel­ten mit jun­gen Men­schen zu tun:

Vor allem aber ziehen Sie offen­bar nicht mit Jugendlichen um die Häuser. Die reden näm­lich heute so, meint zumin­d­est der Duden-Ver­lag. Und hat jet­zt ein „Neues Wörter­buch der Szene­sprachen“ herausgebracht.

Die Badis­che Zeitung tut dann das, was man sich in Artikeln über Wörter­büch­er der Jugend­sprache meist verge­blich wün­scht. Sie lässt einen Experten zu Worte kom­men — den Han­nover­an­er Sprach­wis­senschaftler und Jugend­sprache­ex­perten Peter Schlobin­s­ki. Und der hat erhe­bliche Zweifel an der Authen­tiz­ität der Wörter:

Ob indes wirk­lich irgend­je­mand so spricht, ist zu bezweifeln. „Frup­pie oder Drölf sind Wortkreuzun­gen“, erk­lärt Peter Schlobin­s­ki, Ger­man­is­tikpro­fes­sor an der Uni­ver­sität Han­nover. „Aber solche Wörter sind in der Jugend­sprache abso­lut bedeu­tungs­los. Da wird eine Fik­tion von Jugend­sprache aufge­baut, die mit der Real­ität nichts zu tun hat.“ … Dass Jugendliche einan­der beispiel­sweise zuriefen, sie gin­gen nun ins Münz­mal­lor­ca, hält Schlobin­s­ki eben­falls für Quatsch. „Bei solchen Wörter­büch­ern ist der Anteil der Begriffe, die Jugendliche nicht ein­mal ken­nen, geschweige denn aktiv gebrauchen, sehr hoch ist.“ Das gelte auch für die Lexi­ka ander­er Verlage.

Wir haben hier im Sprach­blog ja ähn­liche Zweifel bezüglich des Konkrur­ren­zpro­duk­ts „Hä? Jugendssprache Unplugged“ aus dem Hause Lan­gen­schei­dt disku­tiert, ich stimme Schlobin­s­ki deshalb natür­lich grund­sät­zlich zu. Allerd­ings unter­schei­det das Duden-Pro­jekt sich in eini­gen entschei­den­den Punk­ten von den unsäglichen Jugend­sprachewörter­büch­ern, mit denen uns andere Ver­lage belästi­gen. Ich habe ein Rezen­sion­sex­em­plar bestellt und werde das Wörter­buch dem­nächst noch ein­mal aus­führlich­er besprechen, aber zwei Punk­te möchte ich hier schon ein­mal erwähnen.

Der wichtig­ste Punkt ist der, dass das Duden-Wörter­buch sich eben nicht vor­rangig als Wörter­buch der „Jugend­sprache“ präsen­tiert, son­dern, wie der Titel deut­lich macht, als Wörter­buch der „Szene­sprachen“. In der Presseerk­lärung des Ver­lags wird das Wort zwar ver­wen­det, aber eher abgrenzend:

Der neue „Szene­sprachen-Duden” enthält nicht nur Jugend­sprache, son­dern stellt in sechs alpha­betisch geord­neten Kapiteln Wortschöp­fun­gen aus ver­schiede­nen Szenen, Com­mu­ni­tys und Lebenswel­ten dar. Dazu zählen Wörter und Begriffe aus den Bere­ichen Com­put­ertech­nolo­gie und Net­zw­erkkul­tur (z. B. pwnen, ver­bug­gt, adden), Lifestyle (z. B. Bion­ade­bour­geoisie, Mod­eopfer), Par­tykul­tur (z. B. abflaschen, auf­bitchen, dönieren), Schule, Uni und Job (z. B. Crack­ber­ry, ego­googeln, Fut­ternarkose) sowie Medi­en und Pop­kul­tur (z. B. epic, LOL­cat, Twitteratur).

Natür­lich han­delt es sich bei diesen Begrif­f­en, eben­so wie bei den in der Badis­chen Zeitung zitierten, nicht um „Jugend­sprache“, aber es ist ein angenehm hoher Anteil an Wörtern dabei, die einem tat­säch­lich in freier Wild­bahn begegnen.

Das dürfte etwas mit dem zweit­en Unter­schied des Duden-Pro­jek­ts zu den Konkur­ren­zpro­duk­ten zu tun haben: Die Begriffe wer­den über ein rel­a­tiv gut gepflegtes Wiki gesam­melt, in dem die Nutzer dazu angeregt wer­den, Belege für die vorgeschla­ge­nen Wörter zu brin­gen. Die sind zwar häu­fig etwas kün­stlich kon­stru­iert, aber viele Ein­träge enthal­ten auch Weblinks oder Google-Suchen, die zu authen­tis­chen Ver­wen­dungs­beispie­len führen.

Ich bin sich­er, dass es am „Wörter­buch der Szene­sprachen“ einiges auszuset­zen geben wird, aber zumin­d­est diese bei­den Punk­te stim­men mich vor­sichtig hoffnungsvoll.

Frühere Sprach­blog­beiträge zum The­ma „Jugend­sprache“

Jugend ohne Syntax

Sprach­liche Erziehungsprobleme

Ent­fes­selte Sprachpfleger

Türk­endeutsch Reloaded

Sprachver­wirrun­gen

Würde­lose Jugend

Jugend­wort

Jugend spricht

Jugend­wort 2008

 

8 Gedanken zu „Wieder mal Jugendsprache

  1. ramses101

    Man kann die Wörter, die man exem­plar­isch nutzt, ja auch wenig­stens mal nach­schla­gen. “Oder weil sie (…) doch stets ein Know­bie blieben?” Ein “Know­bie” — man hätte auch drauf kom­men kön­nen — ist schließlich kein “New­bie”.

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  2. TMP

    know­bie” find­et bei google immer­hin 16200 Tre­f­fer. Zum Ver­gle­ich: Das Wort “noob” bringt’s auf 14.500.000, und selb­st der “n00b” bringt’s noch auf 4.580.000. Wird man richtig selt­sam, und sucht nach dem “b00n” — “n00b” rück­wärts­ge­le­sen und nicht mit einem Englis­chen Wort für Segen zu ver­wech­seln — so find­et man immer noch 41100 Tre­f­fer, mehr als dop­pelt so viel wie der “know­bie”.

    Nach­den­klich stimmt mich auch, wer beim “know­bie” ziem­lich weit oben ist: Ein Bericht über das “Wörter­buch der Szene­sprachen” auf Platz 3.

    Nun­ja, ich sehe die Gefahr, dass Leser den Ein­druck erhal­ten manche Begriffe wer­den tat­säch­lich öfter ver­wen­det als dem der Fall ist.

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  3. TMP

    Noch ein klein­er Nach­trag, das ganze scheint eher ein Buzz­word aus Unternehmen­skreisen zu sein, zumin­d­est im Deutschen.

    know­bie ‑duden ‑szene­sprache” (um Bezüge auf dieses Wörter­buch wieder her­auszu­fil­tern) bringt in Deutsch­land ger­ade ein­mal 167 Tre­f­fer (ver­gle­iche “b00n”: 12200), davon dur­chaus ein wesentlich­er Teil aus dem unternehmerischen Bere­ich: Ein Unternehmens­ber­ater, eine Börsen­seite, die Finan­cial Times Deutschland…

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  4. ramses101

    @TMP: Mir war das Wort auch neu. Da “new­bie” allerd­ings eben­so geläu­fig ist wie das Wis­sen um den implizierten Erfahrung­sun­ter­schied zwis­chen “New” und “Know” hätte die Baadis­che eben auch drüber stolpern können.

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  5. Torsten Gaitzsch

    FAZ Online hat das “Wörter­buch der Szene­sprachen” vor kurzem auch vorgestellt. Dazu gab es eine Foto­strecke mit lei­der sehr schlecht gewählten Beispie­len, näm­lich typ­is­chen “Wörter­buch-Wörtern” ein­er­seits (“Münz­mal­lor­ca”) und ander­er­seits Ele­menten, die lediglich in der US-amerikanis­chen Umgangssprache völ­lig geläu­fig sind (“chick mag­net”, “page turner”).

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  6. flux

    Die Foto­strecke aus der FAZ habe ich mir eben angeschaut.

    Lei­der kenne ich als jemand, der viel mit Jugendlichen zu tun hat ( Instru­men­talpäd­a­gogin und Mut­ter von 3 Kindern ) keines der präsen­tierten Wörter…bis auf des Wort “Rent­ner-Bra­vo” (Apotheken­rund­schau).

    Das ver­wen­det mein Vater (83) gelegentlich.

    Entwed­er gehört das Wort “Rent­ner-Bra­vo” also zum Jar­gon der Rent­ner­szene oder mein Vater hat es in ein­er Kolumne uber Jugend­sprache aufgeschnappt.

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  7. Marco

    Keines der Wörter? Also ich zäh­le mich mit 26 nicht mehr unbe­d­ingt zur Jugend, aber wie schon erwäh­nt han­delt es sich nich um ein Jugend­wörter­buch, son­dern um ein Szenewörterbuch.

    Aus der FAZ-Foto­strecke kenne ich zumin­d­est Kon­ter­bier, Chick-Mag­net, Druffies und drölf. Im Ver­gle­ich mit den son­sti­gen Wörter­büch­ern halte ich das für eine dur­chaus nen­nenswerte Quote 😀

    Übri­gens: “Bion­ade­bour­geoisie” finde ich ehrlich gesagt ziem­lich lustig und dur­chaus tre­f­fend. Zumin­d­est kon­nte ich mir direkt was drunter vorstellen ;>

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  8. flux

    @marco

    ja, tat­säch­lich keines der Wörter..obwohl meine Schüler sehr frei von der Leber weg mit mir sprechen und ich öfter als mir lieb ist*, ihre Wörter unbe­wusst in meinen Sprachge­brauch übernehme…*nicht weil ich was gegen die Wörter hätte, son­dern weil es mir manch­mal pein­lich erscheint, in meinem Alter Jugend­szene­sprache zu verwenden.

    Bion­ade­bour­geoisie” finde ich auch köstlich und ich habe auch ange­fan­gen, das Wort zu kolportieren.

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