Gerechte Sprache und Sprachpurismus

Von Anatol Stefanowitsch

Ich werde immer wieder dafür kri­tisiert, dass ich mich um poli­tisch kor­rek­te Sprache bemühe (siehe z.B. hier, hier und hier), obwohl dies doch im direk­ten Gegen­satz zu mein­er Grundüberzeu­gung stünde, dass ein nor­ma­tives Herange­hen an Sprache sinn­los und falsch sei. Sehr klar hat diese Kri­tik Sprachlogleser Gre­gor in einem Kom­men­tar zu meinem Beitrag über das Wort Rehkid formuliert:

Ich finde diesen Blog dur­chaus inter­es­sant und rel­e­vant, und obwohl ich per­sön­lich dur­chaus für eine behut­same Sprach­pflege bin, kann ich vieles, was hier gesagt wird, nachvollziehen.

Ich finde nur, dass A.S. zwei Rollen ein­nimmt, die er aus mein­er Sicht etwas sauber­er tren­nen sollte.

Ein­er­seits tritt er uns als der entspan­nte Sprachex­perte ent­ge­gen, der übereifrigen Sprach­puris­ten die Sinnlosigkeit ihres Treibens auf wis­senschaftlich fundierte Weise vorhält.

Ander­er­seits ist er selb­st engagiert­er Sprach­poli­tik­er, der bes­timmte Posi­tio­nen zum The­ma Sprache von seinen Nor­men her polemisch kri­tisiert und andere pos­i­tiv darstellt.

Bei­des ist legit­im. Allerd­ings fände ich es fair­er, wenn er offen sagen würde „ich lehne von mein­er gesellschaft­spoli­tis­chen Posi­tion her das Bemühen ab, die deutsche Sprache von Anglizis­men zu reini­gen, weil dieses Bestreben his­torisch oft mit nation­al­is­tis­chem Gedankengut gepaart war und bin für eine poli­tisch kor­rek­te Sprache, weil diese Diskri­m­inierung ent­ge­gen­wirken kann“ (oder so ähn­lich). Anstatt dessen wech­selt er je nach Bedarf zwis­chen der Rolle des neu­tralen Experten, der das Tun ander­er analysiert, und des Sprach­poli­tik­ers, der uns seine eigene Mei­n­ung unter­jubeln will.

Wenn ich mich nicht irre, habe ich auf diese Kri­tik noch nie eine aus­führliche Antwort gegeben. Höch­ste Zeit also.

Um zu ver­ste­hen, warum der Wider­spruch in meinem Ver­hal­ten, der sich in dieser Kri­tik äußert, nur ein schein­bar­er ist, muss man zunächst zwei Fra­gen auseinanderhalten.

  1. Kann man den Sprachge­brauch ein­er Sprachge­mein­schaft gezielt bee­in­flussen, und wenn ja, wie?
  2. Sollte man es über­haupt ver­suchen, und wenn ja, in welchen Fällen?

Fan­gen wir mit der zweit­en Frage an. Diese wäre selb­st dann inter­es­sant, wenn die Antwort auf die erste Frage „Nein“ wäre, denn man sollte auch dort das Richtige tun, wo man keine Aus­sicht auf Erfolg hat.

Meine Antwort mag zunächst über­raschen und tat­säch­lich im Wider­spruch zu ein­er wis­senschaftlichen Herange­hensweise zu ste­hen scheinen: Ja, es kann dur­chaus Sit­u­a­tio­nen geben, in denen man ver­suchen sollte, den Sprachge­brauch ein­er Sprachge­mein­schaft gezielt zu beeinflussen.

Allerd­ings sollte man sich im Klaren darüber sein, warum man das tun will. Es beste­ht näm­lich ein grundle­gen­der Unter­schied zwis­chen dem Bemühen um eine Sprache, die frei von Lehn­wörtern ist, und dem Bemühen um eine Sprache, die frei von ras­sis­tis­chen, sex­is­tis­chen oder son­st wie ‑istis­chen Wörtern und Kon­struk­tio­nen ist.

Bei der Ver­mei­dung von Lehn­wörtern soll an der Sprache um ihrer selb­st willen etwas verän­dert wer­den: Die Sprache ist es, die ange­blich unter der Last des Lehnguts ächzt, die ihre Aus­druck­skraft und Vital­ität ver­liert, um deren Über­leben wir uns sor­gen müssen.

Hier hake ich als Sprach­wis­senschaftler ein und sage (und damit befinde ich mich im Kon­sens mit der über­wälti­gen­den Mehrheit mein­er Fachkolleg/innen): Nichts davon wird passieren. Sprache ist in einem steti­gen Verän­derung­sprozess, unter anderem deshalb, weil die Sprachge­mein­schaft sie ständig ihren kom­mu­nika­tiv­en Anforderun­gen anpasst. Dabei spielt, ob es einem nun gefällt oder nicht, die Entlehnung von Wörtern eine zen­trale Rolle und zwar nicht erst heute und nicht nur im Deutschen, son­dern schon immer und über­all. Und noch nie ist eine Sprache deswe­gen aus­gestor­ben oder hat auch nur das kle­in­ste biss­chen an Aus­druck­skraft einge­büßt. Die Sprach­wis­senschaft kann helfen, das zu erkennen.

Bei der Ver­mei­dung von sex­is­tis­ch­er oder ras­sis­tis­ch­er Sprache geht es um etwas völ­lig anderes als bei der Ver­mei­dung von Anglizis­men. Hier soll die Sprache dage­gen nicht um ihrer selb­st willen verän­dert wer­den. Nie­mand will etwa das N‑Wort aus der deutschen Sprache tilgen, weil es deren Aus­druck­skraft gefährdet. Nie­mand sagt, dass wir eine gemis­chte Gruppe von (weib­lichen) Stu­dentin­nen und (männlichen) Stu­den­ten deshalb nicht mit dem Maskulinum Stu­den­ten beze­ich­nen soll­ten, weil die deutsche Sprache dadurch in ihrem Fortbe­stand gefährdet wäre. Stattdessen wollen die Vertreter ein­er poli­tisch kor­rek­ten Sprache solche Wörter und Kon­struk­tio­nen ver­mei­den, weil diese dazu beitra­gen, Men­schen zu demüti­gen, auszu­gren­zen und sprach­lich unsicht­bar zu machen.

Als ich mein­er Tochter vor eini­gen Jahren Pip­pi Langstrumpf vorge­le­sen habe, habe ich das N‑Wort nicht aus sprach­wis­senschaftlichen Über­legun­gen her­aus durch das Wort Insel­be­wohn­er erset­zt, son­dern, um die ras­sis­tis­chen Kon­no­ta­tio­nen des Wortes zu ver­mei­den, die Lind­gren ja nicht im Sinn hat­te, als sie das Wort vor mehr als einem hal­ben Jahrhun­dert ver­wen­det hat. Auch wenn ich ver­suche, geschlecht­sneu­trale Wörter wie Studierende oder Schrägstrich­for­men wie Student/innen zu ver­wen­den, tue ich das nicht als vor­rangig als Lin­guist, son­dern als Men­sch, der Frauen nicht als eine Art unsicht­bare Unterkat­e­gorie von Män­nern darstellen möchte.

Die Sprach­wis­senschaft ist, wie alle Wis­senschaften, auf die Beschrei­bung der Wirk­lichkeit aus­gerichtet, und so lässt sich aus ihr eben­so wenig eine Begrün­dung für die Ver­wen­dung nicht-sex­is­tis­ch­er und nicht-ras­sis­tis­ch­er Sprache ableit­en, wie sich aus der Virolo­gie eine Begrün­dung für das Heilen von Krankheit­en ableit­en lässt. Die Sprach­wis­senschaft kann dabei helfen, sprach­liche Diskri­m­inierung zu erken­nen und zu erk­lären, und sie kann auf vorhan­dene Alter­na­tiv­en hin­weisen, aber die Entschei­dung, auf sprach­liche Diskri­m­inierung zu verzicht­en oder eben nicht, muss jed­er für sich aus ethis­chen Über­legun­gen her­aus tre­f­fen. Ich möchte auf sprach­liche Diskri­m­inierung verzicht­en, wo immer ich kann, und nehme den unver­mei­dlichen Spott gerne in Kauf.

An dieser Stelle ist ein klein­er Exkurs notwendig: Was, wenn jemand aus rein ästhetis­chen Grün­den auf Lehngut oder poli­tisch kor­rek­te Sprache verzicht­en möchte? Es gibt ja unter den Angliz­imen­has­sern nicht nur diejeni­gen, die sich (tat­säch­lich oder vorge­blich) Sor­gen um die Zukun­ft der deutschen Sprache machen, son­dern auch diejeni­gen, die bes­timmte Lehn­wörter schlicht hässlich find­en. Und auch unter den Geg­n­ern poli­tisch kor­rek­ter Sprache gibt es viele, die sich (tat­säch­lich oder vorge­blich) aus stilis­tis­chen Grün­den nicht mit Alter­na­tiv­en zum tra­di­tionellen Sprachge­brauch anfre­un­den können.

Den anglizis­men­scheuen Ästheten kann ich nur rat­en, auf die ver­has­sten Lehn­wörter zu verzicht­en. Es spricht nichts dage­gen, auszupro­bieren, wie weit man damit kommt (ich habe das selb­st auch schon getan). Es gibt sprach­liche Vari­etäten — etwa die „gehobene“ Schrift­sprache — in der stilis­tis­che Über­legun­gen ihren selb­stver­ständlichen Platz haben. Ich wäge beim Schreiben ständig lexikalis­che und gram­ma­tis­che Alter­na­tive gegeneinan­der ab, im Bemühen, nicht nur inhaltlich angemessene, son­dern auch schöne, und gut les­bare Texte zu schreiben. Warum sollte ich bei dieser Abwä­gung die Entschei­dung zwis­chen neueren und älteren Lehn­wörtern oder zwis­chen Lehn­wörtern und ger­man­isch-stäm­mi­gen Wörtern  außen vor lassen? Auch hier wäge ich natür­lich ab, mit welchem Wort ich am besten aus­drück­en kann, worum es mir ger­ade geht. Wenn das ein Lehn­wort ist, nehme ich es, wenn ein „deutsches“ Wort tre­f­fend­er ist oder mir eine aus­drucksstark­er selb­st­geschöpfter Begriff ein­fällt, ver­wende ich den.  Aber das ist etwas völ­lig anderes, als sich in Vere­inen zu organ­isieren, um anderen die Ver­wen­dung von Lehn­wörtern zu verbieten.

Den ästhetis­chen Geg­n­ern poli­tisch kor­rek­ter Sprache kann ich dage­gen nur fre­undlich rat­en, noch ein­mal in sich zu gehen und zu über­legen, ob ihr ästhetis­ches Empfind­en schw­er­er wiegt als ihr Bedürf­nis, auch Men­schen, die nicht weiß, männlich, het­ero­sex­uell und im mit­tleren Alter sind, sprach­lich gerecht zu behan­deln. Wie gesagt, ich rate es ihnen. Ich gründe keinen Vere­in, der sie dazu zwin­gen will und ich breche den Kon­takt mit jeman­dem nicht ab, weil er/sie ein „gener­isches“ Maskulinum verwendet.

Um kein Missver­ständ­nis aufkom­men zu lassen: Was ungerechte Sprache ist und was nicht, darüber kann und muss man stre­it­en (und man muss es wis­senschaftlich erforschen). Mit­men­schen, die hier meinen, eine absolute Wahrheit zu ken­nen, sind mit Arg­wohn zu betra­cht­en, und für eine Durch­set­zung von gerechter Sprache mit­tels Sprachver­boten bin ich schon deshalb nicht zu haben, weil ich das Recht auf freie Mei­n­ungsäußerung in Deutsch­land eher noch gestärkt als geschwächt sehen möchte, und weil mir die Sprache meines Gegenübers wertvolle Hin­weise auf dessen Gesin­nung liefert, auf die ich nicht verzicht­en möchte.

Nach diesem Exkurs kön­nen wir zur ersten Frage zurück­kom­men: Kann man den Sprachge­brauch ein­er Sprachge­mein­schaft gezielt bee­in­flussen, und wenn ja, wie?

Die Antwort ist auch hier natür­lich „Ja“, und wen es über­rascht, das von mir zu hören, der hat mir nie richtig zuge­hört. Ich habe das nicht nur im Bre­mer Sprach­blog und hier im Sprachlog immer wieder ein­mal klargestellt, son­dern vor einiger Zeit sog­ar ein­mal im Ham­burg­er Abend­blatt. Zunächst ist klar, dass die Mit­glieder ein­er Sprachge­mein­schaft den Sprachge­brauch jedes Mal bee­in­flussen, wenn sie den Mund auf­machen. Sprache entwick­elt sich jeden Tag in unzäh­li­gen Kom­mu­nika­tion­sereignis­sen weit­er und alle kön­nen dabei mit­machen. Statt anderen vorzuschreiben, wie sie sprechen und schreiben sollen, kann jedes Mit­glied der Gemein­schaft mit gutem Beispiel vorangehen.

Nun kann man ein­wen­den, dass so keine gezielte Bee­in­flus­sung möglich ist. Die deutsche Sprache hat hun­dert Mil­lio­nen Muttersprachler/innen, und die meis­ten von ihnen wer­den sich nie begeg­nen. Wenn ich also jeman­den davon überzeu­gen will, statt Lap­top „Klap­prech­n­er“ oder statt Stu­den­ten „Studierende“ zu sagen, so liegt der Gedanke nahe, dass ich dies am Besten tun kann, indem ich den Leuten expliz­it sage, dass sie es tun sollen. Und wenn ich darüber nach­denke, wie ich sie dazu bekomme, das zu tun, was ich sage, liegt der Gedanke nahe, ihnen einzure­den, dass sie sich son­st als bil­dungs­ferne Witz­fig­uren out­en (das ist Bas­t­ian Sicks Strate­gie), oder als amerikahörige Duck­mäuser (das ist die Strate­gie des Vere­in Deutsche Sprache); oder sie gar geset­zlich dazu zu zwin­gen (auch das ist eine Wun­schstrate­gie des VDS, die er kurioser­weise mit manchen Ver­fechtern poli­tisch kor­rek­ter Sprache teilt).

Das Prob­lem an all diesen Strate­gien ist, dass sie wirkungs­los sind. Sprache lässt sich von außen nicht reg­ulieren, das lehrt und die Geschichte des Sprach­puris­mus in all seinen Spielarten. Wer die Sprache verän­dern will, muss es von innen tun. Wem es nicht aus­re­icht, ein gutes sprach­lich­es Vor­bild für sein direk­tes Umfeld zu sein (wie auch immer er/sie sprach­liche Güte definiert), der muss seine kom­mu­nika­tive Reich­weite ver­größern. Schriftsteller/innen, Journalist/innen, Übersetzer/innen und natür­lich auch Blogger/innen erre­ichen mit ihren sprach­lichen Pro­duk­ten ungle­ich mehr Mit­glieder der Sprachge­mein­schaft als durch­schnit­tliche Sprecher/innen und kön­nen so eine gewichtigere Rolle im Entwick­lung­sprozess der Sprache spie­len. Wie gewichtig, das hängt davon ab, wie inter­es­sant, überzeu­gend und rel­e­vant das ist, was sie von sich geben, und wie gut es ihnen gelingt, die vorhan­de­nen sprach­lichen Mit­tel auszuschöpfen und zu erweitern.

Den Sprach­nör­glern gelingt das meinem Empfind­en nach sel­ten beson­ders gut. Aber wer ständig auf der Auss­chau nach den sprach­lichen Sün­den ander­er ist, der hat wohl nicht die Zeit, sich um den eige­nen Sprachge­brauch zu kümmern.

[Hin­weis: Einige Kom­mentare zitieren Beispiele ras­sis­tis­ch­er und sex­is­tis­ch­er Sprache.]

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

62 Gedanken zu „Gerechte Sprache und Sprachpurismus

  1. Jan Dönges

    Moti­va­tion
    “Bei der Ver­mei­dung von Lehn­wörtern soll an der Sprache um ihrer selb­st willen etwas verän­dert wer­den” — das ist in den meis­ten Fällen richtig, würde ich sagen. Allerd­ings scheint es mir auch die andere Moti­va­tion zu geben, derzu­folge die Ver­wen­dung ein­er “puren Sprache” eine Art Dienst an der All­ge­mein­heit sein soll, was durch das “amerikahörige Duck­mäuser­tum” angedeutet wird. Kurz: Wer auf Anglizis­men etc. verzichtet, sorgt für eine Stärkung der nationalen Iden­tität oder ver­hin­dert eine Ver­dum­mung der Gesellschaft (da ja Sprache das Denken for­men soll usw.). Diese Ein­stel­lung ist von der, die hin­ter der poli­tisch kor­rek­ten steckt, nicht so sehr ver­schieden. Da kön­nten Missver­ständ­nisse entstehen.

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  2. Andreas S.

    @Klausi
    Her­zlichen Glück­wun­sch zum heuti­gen “Am-Text-vorbeiargumentieren”-Award. Nie­mand hat behauptet Ein­deutschun­gen und Wort­prä­gun­gen kön­nten nicht passieren, das tun sie, häu­fig sog­ar. Aber das kön­nen sie nicht per *Anord­nung* — son­dern sie set­zen sich durch, weil viele Leute sie bess­er find­en und daher ver­wen­den. Übri­gens ist diese List ein biss­chen gemis­cht — teil­weise syn­onym, teil­weise nicht. Und teil­weise ist das Fremd­wort auch viel gebräuch­lich­er, aber das nur so am Rande erwähnt.

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  3. Christoph Päper

    Selek­tives gener­isches Maskulinum
    Warum bekom­men aus­gerech­net die Geg­n­er und die Sprach­nör­gler kein „/innen“?

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  4. Michael Kuhlmann

    Gesin­nung von SchreiberInnen
    Ich habe eher das Gefühl, dass diejeni­gen, die kon­se­quent die fem­i­nine Form mit-ver­wen­den, eher eine poli­tis­che Grun­de­in­stel­lung zum Aus­druck brin­gen als eine sex­is­tis­che oder anti-sex­is­tis­che “Gesin­nung”.
    Zumin­d­est was den Bin­nen­ma­juskel bet­rifft: Da würde ich jeman­den, der oder die z.B. “AutorIn­nen” schreibt, als poli­tisch recht links einord­nen, eben­so wie jemand, der oder die kon­se­quent klein schreibt.
    Ich habe nichts dage­gen, dass man das gener­ische Maskulinum ver­mei­det und eine Sprachän­derung in der Hin­sicht wün­scht, ver­wehre mich jedoch dage­gen, in eine bes­timmte Ecke gestellt zu wer­den, wenn ich dies sel­ber nicht tue. Zumal es fast alle Frauen, die ich kenne, eben­sowenig machen, und denen würde ich ihre Emanzi­pa­tion gewiss nicht absprechen.
    Was die männlichen Sprach­nör­gler und Geg­n­er bet­rifft: Da kann man sich ein Beispiel an Alice Schwarz­er nehmen, bei der Opfer grund­sät­zlich weib­lich benan­nt, neu­trale Per­so­n­en mit einem ‑Innen verse­hen und pöse Men­schen grund­sät­zlich nur in der männlichen Form benan­nt wer­den, egal ob das Geschlecht dabei eine Rolle spielt.

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  5. Gregor

    Vie­len Dank…
    …für diese inter­es­san­ten und aus­ge­wo­ge­nen Erläuterungen.
    Daß sich Sprache aktiv verän­dern läßt, halte ich für zutr­e­f­fend, aber ich frage mich, ob sie tat­säch­lich auch das Denken verän­dert. Oder wer­den neue For­men nicht vor allem von denen über­nom­men, die ohne­hin schon eine entsprechende Geis­te­shal­tung haben?
    Geht ein Rückg­gang im Gebrauch des Wortes “Neger” auch tat­säch­lich mit ein­er Änderung im Ver­hal­ten der Men­schen ein­her? Also: Haben Men­schen mit schwarz­er Haut­farbe dadurch bessere Chan­cen auf dem Arbeits- und Woh­nungs­markt, wer­den sie sel­tener dumm angere­det? Lässt sih das über­haupt aus­sagekräftig nachvollziehen?
    Die Kri­tik am selek­tiv­en Gebrauch der Geschlechter­for­men (“Sprachnörgler”/“StudentInnen”) kann ich nachvollziehen.

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  6. Michael Kuhlmann

    @Gregor:
    Ob der Rück­gang des “Negers” zu ein­er Verbesserung im Umgang mit Men­schen mit far­biger Haut­farbe geführt hat, wage ich zu bezweifeln; auf jeden Fall wäre es inter­es­sant, das zu erforschen, vielle­icht aber auch unmöglich, schließlich sind die Ursachen für mehr oder weniger gute Behand­lung kaum zu erfassen.
    In diesem Fall ist es aber so, dass das Wort mit­tler­weile einen ein­deutig belei­di­gen­den Charak­ter hat. Man macht also auf jeden Fall etwas falsch, wenn es bewusst heute noch ver­wen­det. Ich denke, darüber brauchen wir nicht lange zu diskutieren.
    Inter­es­sant wäre allerd­ings auch, ob eine Art vorau­seilen­der Gehor­sam im Sprachge­brauch nicht den neg­a­tiv­en Charak­ter eines Wortes über­haupt erst fördert. Vielle­icht hätte “Neger” nie diese neg­a­tive Kon­no­ta­tion erfahren, wenn nicht pro­gres­sive Sprech­er irgend­wann ange­fan­gen hät­ten, darauf zu acht­en, es nicht mehr zu verwenden.
    In dieser Phase sehe ich momen­tan das Wort “Eski­mo”. Ich war ganz über­rascht, als ich erfuhr, dass es eine Belei­di­gung sei, weil es eigentlich “Fis­chfress­er” hieße, und man solle doch lieber “Inu­it” sagen. Das wiederum stellt mich vor Prob­leme, denn nicht alle Eski­mos sind Inu­it, und wenn man Wikipedia glauben kann, dann ver­wahren sich die Nicht-Inu­it-Eski­mos dage­gen, als Inu­it beze­ich­net zu wer­den; sie sind eben Eskimos.
    Wenn jet­zt aber alle Sprech­er anfan­gen, auf das Wort Eski­mo zu verzicht­en, weil es belei­di­gend sei, dann *ist* es irgend­wann auch beleidigend.

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  7. Andreas S.

    Gesin­nung”
    Stimmt, das Wort finde ich auch irgend­wie kri­tisch. Als Schlag­wort für eine weit­ere Diskus­sion scheint mir “Ein­stel­lung” unver­fänglich­er. Also:
    Ich glaube der Zusam­men­hang zwis­chen der Ver­wen­dung des Wortes “Studierende” bzw “Stu­den­ten” und der jew­eili­gen Ein­stel­lung ist kein direk­ter son­dern eher ein Teil des Gesamteindrucks.
    Ähn­lich sieht es generell mit dem gener­ischen Maskulinum aus. Wenn man es nicht ver­wen­det ist man nci­ht automa­tisch rechts, aber wenn man es ver­wen­det dann ten­den­ziell um P.C. bemüht.
    Der Maßstab ob etwas belei­di­gend ist oder nicht ist übri­gens nicht irgend­je­man­des Bauchge­fühl son­dern hängt von der Wahrnehmung der Betrof­fe­nen ab. Die Sit­u­a­tion der schwarzen hat sich schon deshalb für sie verbessert weil sie nun nicht mehr mit einem Schumpf­wort beze­ich­net wer­den. Ähn­lich­es gilt auch für Inu­it. Wenn die mir sagen das Eski­mo belei­di­gend ist und sie als gerne Inu­it beze­ich­net wer­den wollen dann mach ich das, und schreibe denen nicht vor wie sie meine Worte zu ver­ste­hen haben.

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  8. domingos

    schön­er Artikel
    Als Kom­men­tar zu den Kom­mentaren über mir: Neger ist deshalb prob­lema­tisch, weil es eine Gruppe von Men­schen mit besten­falls ähn­lich­er Haut­farbe zu ein­er anony­men, mit gle­ichen neg­a­tiv­en Eigen­schaften geseg­neter Masse her­ab­würdigt. Die Indi­an­er, die Afrikan­er, die Aus­län­der, die Eski­mos, die Zige­uner, hier wer­den zumeist aus reinen Äußer­lichkeit­en und besten­falls gerin­gen Gemein­samkeit­en neg­a­tive Stereo­type kon­stru­iert. Und das kann man eben nur durch kom­plexere Sprachregelun­gen lösen.
    Im Grunde steckt darin auch eine man­gel­nde Präzi­sion in der Sprache: In der Regel meint man ja ein bes­timmtes afrikanis­ches Volk, ein bes­timmte Gruppe unter den Aus­län­dern (oder sog­ar eine Einzelper­son); es ist also let­zten Endes Denk­faul­heit oder man­gel­nde Ehrlichkeit, die einen zu solchen Pauschalsierun­gen führt.

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  9. Sven Türpe

    Wo läge der Nutzen?
    Mir soll’s recht sein, wenn jemand seinen Sprachge­brauch nach seinen Überzeu­gun­gen aus­richtet. Gle­ich­wohl stellt sich die Frage, ob das mehr ist als eine Attitüde, ein State­ment, ein intellek­tuelles Klei­dungsstück. Und ob es über­haupt mehr sein soll. Deshalb:
    Welchen realen Nutzen hätte die geschlechterg­erecht gewan­delte Sprache? Oder anhand eines Beispiels gefragt, was wäre gewon­nen, sprächen wir etwa kon­se­quent von Päp­stin­nen und Päpsten?

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  10. Jürgen Bolt

    @Domingo
    ‘Kom­mentare über mir’ ist deshalb prob­lema­tisch, weil es eine Gruppe von Kom­mentare mit besten­falls ähn­lich­er Aus­sage zu ein­er anony­men, mit gle­ichen neg­a­tiv­en Eigen­schaften geseg­neter Masse herabwürdigt.
    Im Ernst: kön­nen Sie ein Beispiel anführen, wie man sprechen oder denken kann, ohne Einzel­heit­en mit ähn­lichen Eigen­schaften zu Grup­pen zusammenzufassen?

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  11. Kristin

    @Michael Kuhlmann

    Zumal es fast alle Frauen, die ich kenne, eben­sowenig machen, und denen würde ich ihre Emanzi­pa­tion gewiss nicht absprechen.

    Diese Bemerkung darf in solchen Diskus­sio­nen irgend­wie nie fehlen — ein Argu­ment ist sie mein­er Mei­n­ung nach deshalb trotz­dem noch lange nicht.
    Frauen kön­nen genau­so wie Män­ner diskri­m­inieren, auch die Gruppe, der sie selb­st ange­hören. (Das wird in den meis­ten Fällen unbe­wusst ablaufen, ich behaupte also nicht, dass diese Frauen bewusst das eben-nicht-wirk­lich-gener­ische Maskulinum benutzen um sich unsicht­bar zu machen o.ä.)

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  12. Andreas S.

    @Jürgen Bolt, Domingos
    Es bedarf keines anderen “objek­tiv­en” Grun­des ein Wort für eine Men­schen­gruppe nicht mehr zu ver­wen­den als dass diese Gruppe sich durch diesen Begriff diskri­m­iniert fühlt. Das Prob­lem liegt nicht in der Ety­molo­gie des Wortes oder sonst­wo außer­halb sein­er prak­tis­chen Ver­wen­dung. Das selbe gilt auch für “Eski­mo” — das Prob­lem liegt nicht daran was das Wort objek­tiv bedeutet son­dern wie die so Beze­ich­neten es wahrnehmen. Wenn sie um eine andere Beze­ich­nung bit­ten, dann gibt es keine Grund warum wir dem nicht entsprechen sollten.

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  13. TMP

    Belege?
    Ken­nen Sie eigentlich tat­säch­liche Belege, die die Behaup­tun­gen der fem­i­nis­tis­chen Lin­guis­tik stützen? Das einzig halb­wegs ser­iöse was ich in diese Rich­tung gefun­den hab, war lei­der nicht son­der­lich ergiebig.
    Aber das Argu­ment das Frauen “mit­ge­meint” sind ist mein­er Mei­n­ung noch so alt wie falsch — dazu ver­weise ich etwas auf meinen let­zten Kom­men­tar, wonach Per­so­n­en, die das gener­ische Maskulinum ver­wen­den und befür­worten, den Frauenan­teil damit tat­säch­lich HÖHER ein­schätzen als Geg­n­er. Für Befür­worter sind Frauen nicht mit­ge­meint son­dern gemeint. Genau­so wie Män­ner, Kinder und Trans­gen­der oder wie man das auch immer auf Deutsch nen­nt. Beacht­en Sie auch, wie “Per­son” ein gener­isches Fem­i­ninum ist, wäre es Ihnen sofort aufge­fall­en? Ich habe das nicht bewusst so ver­wen­det, musste aber, als ich mir den Absatz angeschaut habe dur­chaus nochmal schmunzeln.
    Mein­er Erfahrung nach laufen viele (genaugenom­men alle die ich gefun­den habe außer ein­er, inter­es­san­ter­weise von ein­er fem­i­nis­tis­chen Wis­senschaft­lerin) Unter­suchun­gen dieser “diskri­m­inieren­den” Sprache darauf hin­aus, das ein höher­er geschätzter Män­ner­an­teil bei der Inter­pre­ta­tion von For­mulierun­gen nicht mit dem tat­säch­lichen Män­ner­an­teil abgeglichen wird. Ähn­lich wie bei Ihrem Beitrag zum “McJob” passt sich das Ver­ständ­nis der Sprache eventuell der Real­ität an.
    Der wichtig­ste Grund warum ich fem­i­nis­tis­che Lin­guis­tik ablehne, ist der­selbe warum ich Sprach­nör­gler ablehne: Bei­de Strö­mungen machen Sprache kom­pliziert­er und lang­wieriger ohne Notwendigkeit. Es wird immer schw­er­er, fast unmöglich, Grup­pen von Men­schen gener­isch zu beze­ich­nen, ohne Lang­for­men zu ver­wen­den. Ich muss also deut­lich mehr Wörter ver­wen­den, um genau das­selbe zu sagen wie jemand der eine “nor­male” oder “unangepasste” Sprache verwendet.
    Ich will jet­zt nicht alle “Standard”-Einwände gegen fem­i­nis­tis­che Lin­guis­tik im all­ge­meinen hier wieder auf­führen, Inter­essierten dürften die eh bekan­nt sein und mit ein­er kleinen Suche im Inter­net (z.B. Wikipedia) kann man sie auch selb­st finden.

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  14. Sven Türpe

    @Andreas S.
    Was soll­ten wir mit Ver­brech­ern tun, die sich durch die Beze­ich­nung Ver­brech­er diskri­m­iniert fühlen? All­ge­mein­er gefragt, funk­tion­iert dieses Nicht­diskri­m­inierung­sprinzip auch dann noch, wenn man mehr daraus macht als eine per­sön­liche Vorstel­lung von Höflichkeit?

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  15. Michael Kuhlmann

    Grund­sät­zlich ist es natür­lich so: Wenn sich eine Gruppe von dem für die ver­wen­de­ten Begriff belei­digt fühlt, dann ver­wen­det man ihn ein­fach nicht mehr. Punkt.
    Lei­der ist es nicht immer so ein­fach, wie beim Beispiel Eski­mo: Nicht alle Eski­mos sind Inu­it, daher gibt es keinen passenden Alternativausdruck.
    Es ist natür­lich die Frage, ob man für Eski­mos über­haupt einen zusam­men­fassenden Begriff geben muss, wenn es denn kein zusam­menge­fasstes Volk ist. Es gibt ja auch keinen Begriff für, sagen wir, Slawen und Ger­ma­nen, eben weil sie sich nicht aus­re­ichend von anderen abgrenzen.
    Genau­so gibt es ursprünglich keinen Begriff für Men­schen mit dun­kler Haut­farbe, weil Afrikan­er, Jamaikan­er und Abo­rig­ines nun mal keine Gemein­samkeit­en ahben, jeden­falls nicht mehr als Men­schen mit braunen Augen. Sie haben halt dun­kle Haut, mehr nicht.
    Das hil­ft einem nur lei­der nicht, wenn man die Men­schen mit dun­kler Haut in Brook­lyn oder Namib­ia irgend­wie beze­ich­nen und als Gruppe gegenüber den Weißen benen­nen will. Da kommt man anscheinend immer in Kon­flik­te. Eine Welt, in der man diese Grup­pen­bil­dung auch in der Sprache nicht bräuchte, wäre sich­er schön­er, aber auch eine Utopie.
    Zum gener­ischen Maskulinum:
    Wenn Frauen mit dem gener­ischen Maskulinum diskrim­iert wer­den, dann will ich ihn nicht mehr ver­wen­den. Ich ver­suche diesen Zeit­punkt aber so weit wie möglich hin­auszuzögern, weil alle Alter­na­tiv­en die Sprache deut­lich verkom­plizieren oder ver­flachen (z.B. bei Studieren­den: Man kann Studieren­deR sein, ohne Stu­dent zu sein, während lägst nicht alle Stun­den­ten auch Studierende sind. Und führt man das weit­er, haben wir bald nur noch Lehrende, Arbei­t­ende und Politisierende.)
    Es wäre schön, wenn alle Frauen grund­sät­zlich gle­ich­berechtigt und “mit­ge­meint” sind, sodass wir die explizite fem­i­nie Form nicht bräucht­en. Lei­der ist auch hier die Real­ität anders. Daher habe ich großes Ver­ständ­nis für Leute, die alles mit ‑innen beze­ich­nen, ver­suche aber trotz­dem, ohne solch­es auszukom­men. Ich will mir ja nicht dauernd die Zunge brechen.
    Übri­gens haben es die Leute im Englis­chen leichter: Da wird oft bei anony­men Per­so­n­en ein­fach von “she” gesprochen, vor allem bei Anleitun­gen für irgendwelche Benutzer. Ein sehr sym­pa­this­ch­er Zug, wie ich finde. Allerd­ings nci­ht sehr kon­se­quent: Solange es um den ein­fachen “User” geht, wird “she” bevorzugt, kommt dage­gen der eben­so anonyme “Boss” ins Spiel, dann ist der “he”.

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  16. suz

    @Michael Kuhlmann

    […] weil alle Alter­na­tiv­en die Sprache deut­lich verkom­plizieren oder ver­flachen (z.B. bei Studieren­den: Man kann Studieren­deR sein, ohne Stu­dent zu sein, während lägst nicht alle Stun­den­ten auch Studierende sind. Und führt man das weit­er, haben wir bald nur noch Lehrende, Arbei­t­ende und Politisierende.)

    Naja, ich will ja nicht Korinthen kack­en, aber man kann auch Stu­dent sein, ohne Stu­dent zu sein. Also man kann Stu­dent [Sta­tus ggü. der Krankenkasse] sein, ohne Stu­dent [Teil­nehmend am Lehrbe­trieb] sein und umgekehrt. So gese­hen läuft Ihre Argu­men­ta­tion sog­ar darauf hin­aus, dass Studierende vs. Stu­dent eine Pol­y­semie dif­feren­zieren würde und somit nicht als “Ver­flachung” inter­pretiert wer­den müsste. (Und ich sehe da auch keine Verkom­plizierung, aber nu gut.) Aber aus diesem Grund ist man m.E. nicht zu Studierende® übergegangen.

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  17. Sven Türpe

    @Michael Khan
    Meine Güte, gibt es wirk­lich Erwach­sene, die sich noch vor den Lehrer_innen und Kindergärtner_innen(*) ihrer Kinder fürcht­en? Da hat wohl jemand ganze Arbeit geleis­tet. Welch­er tat­säch­liche Nutzen recht­fer­tigt denn die Mühe, stets sorgsam darauf zu acht­en, was die Leute wohl denken mögen? Und sich dabei nicht an den weni­gen prak­tis­chen Erfordernissen des Zusam­men­lebens auszuricht­en, son­dern an den ins Groteske über­dreht­en Ver­hal­tensregeln ein­er kleinen Szene? Beim Vor­lesen von Kinder­büch­ern Anerken­nung als Weltverbesser­er zu suchen, das ist an Orig­i­nal­ität schw­er zu überbieten.
    (*) Um mal aufs ursprüngliche The­ma zurück­zukom­men, Hand aufs Herz: wer hat an dieser Stelle Erzieher mitgedacht? Und was ver­rät uns die Antwort über den Nutzen des Schönredens?

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  18. TMP

    Erzieher mitgedacht?
    Ich muss sagen, ich bin mir nicht sich­er das ich die Frage richtig verstehe.
    Implizieren sie, das die Beze­ich­nung “Kindergärtner_innen” keine Beze­ich­nung für Erzieher ist?

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  19. Michael Khan

    @Sven Türpe

    Meine Güte, gibt es wirk­lich Erwach­sene, die sich noch vor den Lehrer_innen und Kindergärtner_innen(*) ihrer Kinder fürchten?

    Keine Ahnung, und es inter­essiert mich auch nicht, denn es hat wenig mit mein­er Aus­sage zu tun.
    Bitte lang­weilen Sie uns jet­zt nicht mit dem Ver­such, so zu tun, als hät­ten Sie nicht ganz genau ver­standen, worauf ich Bezug nahm.

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  20. Sven Türpe

    @Michael Khan
    Ich habe ver­standen, man müsse mit alten Tex­ten Vor­sicht wal­ten lassen, da sie durch den gewan­del­ten Kon­text nicht etwa ein­er eventuellen ras­sis­tis­chen Grundierung entk­lei­det seien, son­dern im Gegen­teil heute schlimemr als zur Zeit ihrer Entste­hung. War das falsch? Ich meine, nie­mand wird heute hier ein spez­i­fis­ches Stereo­typ mit Schm­ulchen Schievel­bein­er verbinden. Die zitierte Stro­phe dürfte wei­thin vor allem für rat­los­es Achselzuck­en sor­gen, weil alle Ref­eren­zen in der All­t­agser­fahrung ins Leere zeigen. Aber anscheinend gibt es Kreise, die das anders sehen, und vor denen muss man sich fürcht­en. Ehrlich, ich möchte ein­fach die Gedankengänge dahin­ter ver­ste­hen. Dass sich Eltern sor­gen machen mussten, von ihren Sprösslin­gen in Bil­dung­sein­rich­tun­gen verp­fif­f­en zu wer­den, kenne ich bis­lang nur aus Geschichtsbüchern.

    Antworten
  21. Sven Türpe

    @TMP
    Nein, son­dern ich frage mich, ob die in gewis­sen Kreisen als kor­rekt und gerecht gel­tende Beze­ich­nung Kindergärtner_innen irgend jeman­den an etwas anderes denken lässt als Kindergärt­ner­in­nen. Ob also die ganze Quälerei tat­säch­lich andere Vorstel­lun­gen her­vor­ruft als jene, die durch vielfache Real­ität­ser­fahrung geprägt sind.

    Antworten
  22. Markus A. Dahlem

    Insel­be­wohn­er
    Ich habe Michael Khan so ver­standen, dass es für ihn schlicht einen Unter­schied macht, ob man mit seinem Sprössling in der U‑Bahn sitzt und der Sohn plöt­zlich sagt, “Papa schau mal, ein Neger” oder “Papa guck, ein Insel­be­wohn­er”. Wobei der liebe Sohn let­zteres wohl gar nicht sagen würde — Was für A.S. intel­li­gente Über­set­zung spricht!

    Antworten
  23. Menschenfreund

    Eine kurze Frage an Her­rn Stefanowitsch
    Gen­der­stu­di­en sind die Diszi­plin, welche mein­er Ein­schätzung nach schlech­ter­d­ings am weitesten von den von Ihnen benan­nten Kri­te­rien der Wis­senschaftlichkeit ent­fer­nt sind. Nehmen Sie diese Fachrich­tung den­noch ernst?
    Nur aus Interesse.
    Ihr
    Menschenfreund
    Disclaimer:
    Ich stimme dem Beitrag, dessen Kom­men­tarsek­tion für andere Diskus­sio­nen okkupiert wird, zu, sehe kein Prob­lem darin, “Insel­be­wohn­er” ein­set­zen noch habe ich son­stige mas­sive Ein­wände gegen den Gebrauch gere­inigter Sprache.
    Nein, nein, ich bin kein Reak­tionär, ich bin nur neugierig.

    Antworten
  24. Michael Khan

    @Sven Türpe

    Ich habe ver­standen, man müsse mit alten Tex­ten Vor­sicht wal­ten lassen,

    Bitte set­zen Sie der Ein­fach­heit hal­ber ein­fach voraus, dass ich das, was ich schrieb, auch genau so meine, wie ich es schrieb. Ich habe keine Lust, mich über kreative Inter­pre­ta­tio­nen mein­er Aus­sagen zu unter­hal­ten. Gegen die alt­bekan­nte “Du hast doch gesagt, dass …”-Tak­tik bin ich schon seit meinen Usenet-Zeit­en weit­ge­hend immun.

    Antworten
  25. Gareth

    Sven Türpe,

    Die zitierte Stro­phe dürfte wei­thin vor allem für rat­los­es Achselzuck­en sor­gen, weil alle Ref­eren­zen in der All­t­agser­fahrung ins Leere zeigen.

    Weil es heutzu­tage keinen Anti­semitismus mehr gibt? Da sind Sie aber ganz schlecht informiert.

    Antworten
  26. Michael Khan

    @Markus Dahlem

    […] dass es für ihn schlicht einen Unter­schied macht, ob man mit seinem Sprössling in der U‑Bahn sitzt und der Sohn plöt­zlich sagt, “Papa schau mal, ein Neger” oder “Papa guck, ein Inselbewohner”.

    So ist es. Wobei es, wenn ich beispiel­sweise Mark Twains “Huck­le­ber­ry Finn” kom­plett vorge­le­sen hätte, sehr wohl sein kön­nte, dass der Sprössling loskräht: “Guck mal, ein Nig­ger!”. Dieses Wort kommt in dem Buch unzäh­lige Male vor.
    Das läge dann noch nicht ein­mal daran, dass Mark Twain selb­st an dieser abfäl­li­gen Beze­ich­nung Gefall­en fand (dies ist bei Wil­helm Buschs anti­semi­tis­chen Äusserung anders) oder dass er unkri­tisch den ganz nor­malen Ras­sis­mus in der Gesellschaft verin­ner­licht hat.
    Twain lässt seine Fig­uren so reden, wie man damals eben redete. Alles andere wäre forciert und unrealistisch.
    Lei­der ist heutzu­tage ein Klas­sik­er wie “Huck­le­ber­ry Finn” nicht mehr all­ge­mein bekan­nt. Der Geschichte, die im Buch erzählt wird, kann man sich, je nach Alter, auf ver­schiede­nen Ebe­nen nähern.
    Als Kind nimmt man zuerst die Aben­teuer­sto­ry wahr. Als Jugendlich­er fällen einem der Humor auf, der in ver­schiede­nen iro­nis­chen Ref­eren­zen auf andere Jugend­buchk­las­sik­er und den Aber­glauben und die Leicht­gläbigkeit der Kle­in­stadt­bevökerung steckt.
    Als Erwach­sen­er sieht man die tragis­che Seite: die Kon­flik­te des Pro­tag­o­nis­ten, eines Aussen­seit­ers in ein­er Kle­in­stadt­ge­sellschaft, der von seinem Alko­ho­lik­er-Vater mis­shan­delt wird (bis hin zum Mord­ver­such) und nach sein­er geglück­ten Flucht ein­er­seits einem ent­flo­henen Sklaven hil­ft, ander­er­seits aber in schwere Gewis­sensnot gerät, weil er glaubt, sich dadurch an schw­erem Dieb­stahl mitschildig zu machen — schliesslich gehört der Sklave ja jemandem.
    Ich habe dieses Buch selb­st in meinem Leben mehrmals gele­sen und finde es gut, wenn Kinder das tun. Trotz­dem möchte ich aber nicht, dass meine Kinder, solange sie noch zu klein sind, um sich darüber Gedanken zu machen, “Nig­ger” sagen. Ist ein­fach so. Um zu ver­hin­dern, dass sie das tun, lese ich halt selek­tiv vor.
    Wenn es jeman­dem nicht passt, wie ich meine Kinder erziehe, ist mir das vol­lkom­men egal, also ist auch eine entsprechende Belehrung über­flüs­sig. Ich schreieb ja auch anderen nicht vor, wie die ihre Kinder zu erziehen haben.

    Antworten
  27. Sven Türpe

    @Gareth
    Nein, weil er sich heute anders äußert und weil man ihn ger­ade nicht bekämpft, indem man demon­stra­tiv an alten Tex­ten schraubt (und auf dem Heimweg noch ein wenig “Israelkri­tik” übt).

    Antworten
  28. Ute

    @Michael Khan
    Ich zäh­le mich dur­chaus auch zu den Eltern, die nach­denken, bevor sie ihren Kindern etwas vor­lesen. Den­noch “säu­bere” ich die Lek­türe mein­er Kinder (haupts. mein­er Tochter, 5 Jahre) keineswegs. (Ich lese auch Märchen in alter Sprache vor, so wie auch ich sie ken­nen­gel­ernt habe, und suche nicht krampfhaft nach ein­er mod­ernisierten Version.)
    Meine Vorge­hensweise ist die, daß ich ihr an Ort und Stelle erk­läre, was die Wörter bedeuten und warum man manche von ihnen nicht mehr ver­wen­den sollte. Ich erk­läre dazu, daß z.B. Pip­pi Langstrumpf schon ein recht altes Buch ist und deshalb dort Wörter drin­ste­hen, die man heute aber nicht mehr gut find­et, weil sie andere Leute beleidigen.
    Ja, meine Tochter ver­ste­ht das dur­chaus. Darüber hin­aus lernt sie auch gle­ich, daß Sprache sich mit der Zeit verän­dert. Daß das Denken sich verän­dert. Und sie weiß dann, wenn jemand das Wort “Neger” benutzt, was der­jenige damit meint bzw. daß der­jenige Men­schen mit dun­kler Haut nicht son­der­lich mag. Das wiederum wird ihr — wenn nicht jet­zt, dann später — helfen, andere Men­schen bess­er einzuschätzen.
    Wichtig ist nicht, welche Wörter Kinder ken­nen­ler­nen und ggf. mal irgend­wo aus­pro­bieren. Wichtig ist, was man selb­st als Eltern vor­lebt. Wichtig ist, was man den Kindern zu diesen Wörtern erk­lärt. Wichtig ist auch ein gewiss­es Maß an Ver­trauen ins Kind und in die eigene Erziehung.
    Meine Tochter kann Texte in Großbuch­staben bere­its prob­lem­los lesen. In ein paar Wochen wer­den es alle Texte sein. Spätestens dann wird’s schwierig mit der Zen­sur. Meine Eltern (blind) kon­nten meine Lek­türe von Anfang an nicht zen­sieren. Ich kon­nte eben­falls selb­st lesen, bevor ich in die Schule kam. Und aus mir ist auch kein Ras­sist geworden.
    Ich kann die Gedanken von Her­rn Türpe zumin­d­est im Grund­satz nachvol­lziehen. Ras­sis­mus entste­ht nicht durch Wörter. Die Wörter wer­den geprägt, um eine bes­timmte Denkweise auszu­drück­en — der Ras­sis­mus ist also zuerst da. Und die dazuge­hörige Ter­mi­nolo­gie zu unter­drück­en, führt m. E. auch nicht zum Umdenken der Gesellschaft. Es führt nur dazu, daß Ras­sis­mus sich gewählter aus­drückt. (Mit­tels Tablet­ten den Schmerz zu unter­drück­en führt ja auch nicht zur Besei­t­i­gung der Grunderkrankung.)
    Bei “Aus­rutsch­ern” in Kinder­garten oder Schule — was bish­er noch nicht vorgekom­men ist — ver­traue ich mal darauf, daß die Erzieher das schon einord­nen kön­nen. Immer­hin bin ich in diesen Insti­tu­tio­nen ja keine völ­lig unbekan­nte Größe. Und wenn nicht, wird das Ver­hal­ten mein­er Kinder auf die Dauer eh für sich sprechen.

    Antworten
  29. Michael Khan

    Ich wüsste trotz­dem gerne, was wirk­lich gemeint war.

    Im Zweifels­fall gehen Sie der Ein­fach­heit hal­ber am besten davon aus, dass ich genau das meinte, was ich schrieb.
    Wenn da nichts von Din­gen wie dem “Schrauben an alten Tex­ten” oder Angst vor Lehrer_innen ste­ht, dann ver­sichere ich Ihnen hier­mit, dass Sie get­rost davon aus­ge­hen kön­nen, dass das auch nicht gemeint war.
    Sollte es so sein, dass Sie eigentlich über ganz andere Sachen reden wollen, ich aber Ihnen aber nicht den Gefall­en getan habe, Ihnen einen geeigneten Aufhänger zu liefern, dann bitte ich Sie, das Ein­brin­gen Ihres Lieblings­the­mas nicht als Inter­pre­ta­tion meines Kom­men­tars zu tarnen.

    Antworten
  30. Ute

    P.S.
    Zitat: “Nein, weil er sich heute anders äußert und weil man ihn ger­ade nicht bekämpft, indem man demon­stra­tiv an alten Tex­ten schraubt (…)”
    Genau das denke ich eben­falls. Man sagt nicht mehr “Neger” oder “Aus­län­der”, son­dern “Far­bige”, “Mit­bürg­er mit Migra­tionsh­in­ter­grund” oder was immer ger­ade “in” ist. Man drückt sich aus, wie es erwartet wird, wenn man keine Schwierigkeit­en bekom­men möchte. Aber den türkischen Nach­barn zum Geburt­stag einladen…? ^^
    Da liegt doch der Hase im Pfeffer.

    Antworten
  31. Michael Khan

    @Ute
    Ich stimme Ihnen weitest­ge­hend zu. Aber Sie sprechen eigentlich von einem The­ma, um das es mir noch nicht ein­mal geht.
    Ich habe gar nicht an eine Bekäup­fung des Ras­sis­mus in der Gesellschaft gedacht. Ich kann nicht jede Minute mein­er Zeit mit Kämpfen für gesellschaftliche Fra­gen ein­set­zen. Ich lebe ein nor­males Leben und wenn es um Kinder­erziehung geht, dann hat das für mich erst ein­mal mit konkreteren Din­gen zu tun.
    Ich will eigentlich nichts weit­er als zum Aus­druck brin­gen, als dass dies erst ein­mal etwas ganz Nor­males ist, was zum Eltern­da­sein gehört und nicht etwas so Absur­des und Abstruses, dass es im Hohlspiegel gut aufge­hoben wäre.
    Ich will in der Tat nicht, dass mein Kind mit ras­sis­tisch belegten Schimpf­worten wie “Nig­ger” um sich wirft, auch dann nicht, wenn dies unre­flek­tiert geschieht, weil das Kind noch viel zu klein ist, um so etwas richtig einzuord­nen und sich ein­fach gar nichts dabei denkt oder gemerkt hat, dass das Anstoß erregt. Dies gilt aber auch für Kraftaus­drücke aus dem Fákal- und Sexualbereich.
    Dass es so etwas ohne­hin ein­mal auf­schnap­pen wird, ist sich­er richtig, aber ich muss den Prozess nicht noch selb­st beschleunigen.
    Es geht mir bes­timmt nicht darum, Teile der Wirk­lichkeit auszublenden. Es kommt aber schon darauf an, wie und wann ein Sachver­halt ver­mit­telt wird. Alles zu sein­er Zeit.
    Im Übri­gen respek­tiere ich es, wenn andere Eltern, die die Sache im Grunde genau so sehen wie ich, in der Erziehung ihrer Kinder zu ein­er anderen Hand­habung kom­men als ich.

    Antworten
  32. Gregor

    Diskri­m­inierung
    @ A.S. „Ob es das Ver­hal­ten ändert, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ändert es den kom­mu­nika­tiv­en Umgang, das ist doch schon etwas.“
    Das ist genau der Punkt. Ist das wirk­lich „schon etwas“? Und wen ja, was? Geht es hier nur darum, dass die Ver­fechter dieser Sprache sich gegenüber denen posi­tion­ieren, die diese Akro­batik ablehnen? Ich habe noch nie erlebt, dass Kri­tik­er von Anglizis­men in der per­sön­lichen Inter­ak­tion jeman­den anblaf­fen, der beispiel­sweise „cool“ sagt. Die Anglizis­men­jagd ist eher eine Sache von Sprachkolum­nen. Die Ver­fechter der PC-Sprache greifen hinge­gen regelmäßig die Ver­weiger­er per­sön­lich an. Hier scheint mir der eigentliche Sinn der Übung zu liegen: Eine Möglichkeit, über andere herz­u­fall­en. Davon haben die Betrof­fe­nen her­zlich wenig.
    @ Andreas S. „Es bedarf keines anderen ‚objek­tiv­en’ Grun­des ein Wort für eine Men­schen­gruppe nicht mehr zu ver­wen­den als dass diese Gruppe sich durch diesen Begriff diskri­m­iniert fühlt.“
    Hier sehe ich das Prob­lem, dass sich Grup­pen als Opfer gerieren, um bes­timmte Priv­i­legien leichter ein­fordern zu kön­nen oder ein­fach um ihr Image aufzupolieren.
    Zwei Beispiele:
    1.) Die von mir schon erwäh­n­ten Friseusen, die „Friseurin­nen“ sein wollen. Mir ist nicht aufge­fall­en, dass Friseusen diskri­m­iniert wür­den, dass dieser Beruf bes­timmte vielle­icht nicht sehr schme­ichel­hafte Assozi­a­tio­nen her­vor­ruft, ist noch kein Grund für eine Umbe­nen­nung. Viele Berufe haben Imageprob­leme, das heißt jedoch nicht, dass man die alle umbe­nen­nen müsste.
    2) Ukrainis­che Nation­al­is­ten kri­tisieren, dass der Name ihres Lan­des so etwas wie „Randge­bi­et“ bedeute (kön­nte aber auch als „Gren­z­land“ gedeutet wer­den). Dies sei eine rus­sozen­trische Sicht. Da sich nun aber der Name des Lan­des nicht so ein­fach ändern lässt, ver­lan­gen sie von den Russen, dass diese nicht mehr, wie bish­er „na Ukraine“ („auf“ der Ukraine, „auf dem Rand“) son­dern „w Ukraine“ („in“ der Ukraine, „im Rand“) sagen. „Auf“ der Ukraine sei ange­blich diskri­m­inierend. Diese Diskus­sion spielt sich vor dem Hin­ter­grund ab, dass die ukrainis­chen Nation­al­is­ten ihr Land generell als Opfer Rus­s­lands posi­tion­ieren und damit u. a. auch die Kol­lab­o­ra­tion bes­timmter poli­tis­ch­er Grup­pen mit der Wehrma­cht rechtfertigen.
    Ukrainis­che Poli­tik­er ver­suchen darüber hin­aus seit län­gerem, den soge­nan­nten „Holodomor“, die Hunger­snot in den Jahren 1932/33 inter­na­tion­al als von Rus­s­land her­beige­führten Genozid am ukrainis­chen Volk anerken­nen zu lassen. Kri­tik­er dieser Posi­tion bestre­it­en nicht, dass diese Hunger­snot bewusst vom Sow­je­tregime her­beige­führt wor­den ist, allerd­ings um wohlhabende, antikom­mu­nis­tis­che Bauern zu ver­nicht­en („Liq­ui­dierung der Kulak­en“). Zudem waren Bauern im ganzen Gebi­et der Sow­je­tu­nion betrof­fen. Es sei also kein Genozid.
    Mit diesem Exkurs möchte ich dar­legen, dass nicht jed­er, der ruft „Hil­fe, ich werde diskri­m­iniert, ich will jet­zt sound­so heißen“ ein automa­tis­ches Anrecht hat, diese Forderung durchzubringen.

    Antworten
  33. Gareth

    Sven Türpe,

    Nein, weil er sich heute anders äußert und weil man ihn ger­ade nicht bekämpft, indem man demon­stra­tiv an alten Tex­ten schraubt (und auf dem Heimweg noch ein wenig “Israelkri­tik” übt).

    Ich bin mir der Prob­lematik des Antizion­is­mus bewusst. Das heißt aber noch lange nicht, dass alte Stereo­typen nicht immer noch prob­lema­tisch sein kön­nen. Sie unter­stellen hier ja sym­bol­poli­tis­che Hand­lun­gen, die ich aber nicht erken­nen kann. Weil sich Anti­semitismus heute in ange­blich­er Israelkri­tik äußert, kann man “alten” Anti­semitismus unkom­men­tiert repro­duzieren? Die Logik erschließt sich mir nicht.

    Antworten
  34. Sven Türpe

    @Gareth

    Ich bin mir der Prob­lematik des Antizion­is­mus bewusst. Das heißt aber noch lange nicht, dass alte Stereo­typen nicht immer noch prob­lema­tisch sein können. 

    Sie sind es aber nicht automa­tisch, schon gar nicht, wenn wir allein auf die Syn­tax als Ober­fläche star­ren. Unter dieser Ober­fläche lauern Seman­tik und Prag­matik und entziehen dem Ver­such plaka­tiv­en Wohlver­hal­tens schnell die Grund­lage. Dür­fen wir Luther­an­er noch — oder wieder — Luther­an­er nen­nen? Oder Hei­den als Hei­den bezeichnen?
    Anders herum wird es einem Ras­sis­ten spie­lend gelin­gen, seinen sehr verehrten Mit­bürg­erin­nen und Mit­bürg­ern mit Migra­tionsh­in­ter­grund mit über­schwänglich­er Kor­rek­theit und Fre­undlichkeit — eine gute Reise nach Hause zu wün­schen. Eben weil er ver­standen hat, dass es auf for­male Syn­taxregeln über­haupt nicht ankommt, son­dern darauf, dass der Empfänger ver­ste­ht, was gemeint ist.

    Antworten
  35. Klausi

    an A.S.
    “Das Prob­lem an all diesen Strate­gien ist, dass sie wirkungs­los sind. Sprache lässt sich von außen nicht reg­ulieren, das lehrt und die Geschichte des Sprach­puris­mus in all seinen Spielarten. Wer die Sprache verän­dern will, muss es von innen tun. Wem es nicht aus­re­icht, ein gutes sprach­lich­es Vor­bild für sein direk­tes Umfeld zu sein (wie auch immer er/sie sprach­liche Güte definiert), der muss seine kom­mu­nika­tive Reich­weite ver­größern. Schriftsteller/innen, Journalist/innen, Übersetzer/innen und natür­lich auch Blogger/innen erre­ichen mit ihren sprach­lichen Pro­duk­ten ungle­ich mehr Mit­glieder der Sprachge­mein­schaft als durch­schnit­tliche Sprecher/innen und kön­nen so eine gewichtigere Rolle im Entwick­lung­sprozess der Sprache spie­len. Wie gewichtig, das hängt davon ab, wie inter­es­sant, überzeu­gend und rel­e­vant das ist, was sie von sich geben, und wie gut es ihnen gelingt, die vorhan­de­nen sprach­lichen Mit­tel auszuschöpfen und zu erweitern.”
    Ich finde diese Aus­sage von Ihnen widersprüchlich.
    Den Frauen­recht­lerIn­nen und poli­tisch Kor­rek­ten ist doch genau das gelun­gen, was sie anson­sten abstre­it­en, dass es je gelänge, jedoch dem VDS als Mit­tel zum Zweck absprechen wollen, näm­lich durch poli­tis­chen Druck, also von außen, Ein­fluss auf den Sprachge­brauch in Deutsch­land zu nehmen.
    Dem Grunde nach hat man erfol­gre­ich moralisch argu­men­tiert, so dass sich heute nie­mand mehr traut, öffentlich z.B. auss­chließlich die männliche Form oder Unworte wie “Neger” oder “Zige­uner” in den Mund zu nehmen.
    Das Anliegen und die Vorge­hensweise des VDS sind jedoch dur­chaus ver­gle­ich­bar, er macht poli­tis­chen Druck und argu­men­tiert moralisch und wer­tend (“Anglizis­men sind unschön und ver­schan­deln unsere Sprache. Pfui dem, der sie in den Mund nimmt! Wir brauchen sie nicht, unsere Sprache ist so reich”… usw.)
    Schaffte der VDS das, müssten wir unsere poli­tis­che Kor­rekheit in Zukun­ft nur noch um die Ver­mei­dung von Anglizis­men erweit­ern. Wir würdigten dann sprach­lich weit­er­hin keine soziale Rand­grup­pen herab und set­zten uns sprach­lich weit­er für die Gle­ich­berech­ti­gung der Geschlechter ein, verzichteten zusät­zlich jedoch auf den unsere Mut­ter­sprache her­ab­würdi­gen­den Gebrauch von Anglizismen.

    Antworten
  36. Joachim

    @Klausi:
    “Dem Grunde nach hat man erfol­gre­ich moralisch argu­men­tiert, so dass sich heute nie­mand mehr traut, öffentlich z.B. auss­chließlich die männliche Form oder Unworte wie “Neger” oder “Zige­uner” in den Mund zu nehmen.
    Das Anliegen und die Vorge­hensweise des VDS sind jedoch dur­chaus ver­gle­ich­bar, er macht poli­tis­chen Druck und argu­men­tiert moralisch und wertend ”
    Dass sich nie­mand mehr trauen würde, auss­chließlich die männliche Form zu benutzen, bemerke ich so nicht. Aber abgesh­en davon: Natür­lich kann und darf der VDS auch moralisch wer­tend argu­men­tieren und — soweit er kann — poli­tis­chen Druck ausüben. Aber er tut es halt mit wenig Erfolg, ein­fach weil das moralis­che Anliegen die Sprache zu schützen nicht beson­ders überzeu­gend ist.
    Es ist mir zum Beispiel völ­lig unklar, wieso es die Würde ein­er Sprache ver­let­zen sollte, wenn sie um neue Worte bere­ichert oder sagen wir lieber neu­tral erweit­ert wird. Einen “her­ab­würdi­gen­den Gebrauch von Anglizis­men” kann es ver­mut­lich gar nicht geben.

    Antworten
  37. Klausi

    An Joachim
    “Einen ‘her­ab­würdi­gen­den Gebrauch von Anglizis­men’ kann es ver­mut­lich gar nicht geben.”
    Das ist natür­lich richtig, Sprache kann man nicht belei­di­gen, das ist Men­schen vor­be­hal­ten. Dass ich micht vielle­icht belei­digt füh­le, ändert an der Tat­sache nichts.

    Antworten
  38. Gregor

    @Klausi
    Ich ver­ste­he die Logik von A.S. und sein­er Mit­stre­it­er so:
    Für PC-Sprache zu stre­it­en ist gerecht­fer­tigt, weil es ein­er guten Sache dient. Wer die Ver­fechter dieser Sprach-Vari­ante kri­tisiert, ist let­ztlich für Diskriminierung.
    Gegen Anglizis­men zu stre­it­en ist sinn­los und dient nur frag­würdi­gen Zweck­en: Selb­st­bestä­ti­gung, Lust an der Kri­tik, elitär­er Ästhetizismus.
    Aus mein­er Sicht lässt sich diese Kri­tik auch auf die PC-Sprache anwen­den: Daß sie den Betrof­fe­nen hil­ft, kann nicht belegt wer­den. Dafür dient sie tre­f­flich dazu, sich selb­st als moralisch höher­w­er­tig und andere als böswillig zu positionieren.

    Antworten
  39. Klausi

    An Joachim
    “Fühlen Sie sich denn belei­digt, wenn andere Anglizis­men benutzen? Und wenn ja, was ist daran beleidigend?”
    Sagen wir es ein­mal so: Ich bin auf meine Sprache in gewiss­er Weise stolz, nicht etwa, weil ich sie für bess­er als andere Sprachen halte, son­dern zunächst ein­mal nur weil es meine ist. Da bin ich eigen.
    Hinzu kommt, dass viele andere der englis­chen Sprache ein Mehr an Aus­druck­skraft und ‑fähigkeit zus­prechen. Das ist natür­lich Unsinn, was z.B. A.S jed­erzeit bestäti­gen wird.
    Über diese Über­be­w­er­tung und Falschein­schätzung des Englis­chen und vor allem über die bei uns im Zuge dessen weit ver­bre­it­ete Abw­er­tung der eige­nen Sprache bin ich stinke­sauer. (Belei­digt ist dem­nach auch nicht ganz unpassend)
    Meine Abnei­gung gegen Anglizis­men rührt also von der Mis­sach­tung der eige­nen Sprache her. Das muss sich nie­mand zu eigen machen, aber ich sehe das so. Rein gefühlsmäßig und wenig Ver­standes geprägt. Das Stich­wort Wet­tber­werb­snachteile, die ich in vie­len Bere­ichen sehe, lasse ich mal weg, das führte hier zu weit, zumal ich meinen Haupt­be­weg­grund ja bere­its genan­nt habe.
    Der­art gläu­big, kann man mir mit anderen Reli­gio­nen, schon gar nicht mit Wis­senschaftlichkeit, nicht kommen.

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  40. Lars Fischer

    @Klausi

    Sagen wir es ein­mal so: Ich bin auf meine Sprache in gewiss­er Weise stolz, nicht etwa, weil ich sie für bess­er als andere Sprachen halte, son­dern zunächst ein­mal nur weil es meine ist. Da bin ich eigen.

    Nun, es ist Ihre Sprache. Aber eben nicht exk­lu­siv Ihre, son­dern eben auch meine. Meine Sprache ist aber eine lebendi­ge, die sich mit der Zeit ändert, und zwar auch, weil ich das so will (ich finde zum Beispiel, dass ich eigentlich auf “äh” in meinen Sätzen verzicht­en sollte, um mal ein ganz unver­fänglich­es Beispiel zu nen­nen). Was machen wir nun?

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  41. Sven Türpe

    @Lars Fis­ch­er

    Was machen wir nun?

    Nun denken wir alle zusam­men ein­mal darüber nach, dass uns diese Sprache voraus­sichtlich über­dauern und sich ohne unsere Mitwirkung weit­er­en­twick­eln wird. All die Neger, Eski­mos und Indi­an­er sowie die jew­eili­gen ‑innen dazu wer­den eines Tages nur noch Rand­no­ti­zen der Geschichte sein, für die sich außer eini­gen Wis­senschaftlern nie­mand inter­essiert. Ganz gle­ich, wie wir heute mit diesen Worten umge­hen: rück­blick­end wird man uns dann für ganz schön blöd halten.

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  42. Gareth

    Über diese Über­be­w­er­tung und Falschein­schätzung des Englis­chen und vor allem über die bei uns im Zuge dessen weit ver­bre­it­ete Abw­er­tung der eige­nen Sprache bin ich stinkesauer.

    Ich werte meine eigene Sprache nicht ab, wenn ich Ihnen jet­zt zum Beispiel rate, cool zu bleiben, weil ich Anglizis­men gar nicht erst als Fremd­kör­p­er betra­chte. Das was Sie beschreiben, klingt fast wie die Beschrei­bung ein­er Allergie, die ja auch kein gesun­der Zus­tand ist.

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  43. Dierk

    @Sven Türpe
    Oder die ‘innen bleiben erhal­ten. Oder wir bekom­men eine weit­ge­hend geschlecht­sneu­trale Sprache [his­torisches Beispiel: Englisch].
    Wir sprechen und schreiben nicht wie Bis­mar­ck, Goethe, Grim­melshausen, Luther, Charle­magnes Chro­nis­ten und Aus­fer­tiger. Englän­der haben min­destens eben­so viel Schwierigkeit­en, Beowulf zu lesen wie Deutsche, möglicher­weise mehr. Was aber sagt uns das? Ziem­lich wenig, außer, dass Sprache sich wan­delt, ob irgend­je­mand möchte oder nicht. Oder: Sprache küm­mert sich einen feucht­en um die Befind­lichkeit­en einzelner.
    Wer ern­sthaft glaubt, eine Äch­tung des Wortes ‘Neger’ wäre gle­ichzuset­zen mit einem grundge­set­zlichen Gebot, ‘Rech­n­er’ zu sagen, auch wenn Com­put­er gemeint ist, hat ein Prob­lem mit seinem moralis­chen Kom­pass. Und ein zweites mit seinen ana­lytis­chen Fähigkeiten.

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  44. Klausi

    An Lars Fischer
    “Nun, es ist Ihre Sprache. Aber eben nicht exk­lu­siv Ihre, son­dern eben auch meine. Meine Sprache ist aber eine lebendi­ge, die sich mit der Zeit ändert, und zwar auch, weil ich das so will (ich finde zum Beispiel, dass ich eigentlich auf “äh” in meinen Sätzen verzicht­en sollte, um mal ein ganz unver­fänglich­es Beispiel zu nen­nen). Was machen wir nun?”
    Dass Sprache sich ändert, ändern muss, um lebendig zu bleiben, damit kann ich gut leben. Es fragt sich nur, in welchem Tem­po und ob jede Änderung wün­schenswert ist. Das muss zunächst jed­er mit sich selb­st aus­machen, aber darüber nach­denken sollte man schon. Ich zum Beispiel füh­le mich nicht nur nicht mehr in der Sprache so richtig zuhause, son­dern mir graut sog­ar schon davor, das Radio anzuschal­ten. Was mir da ent­ge­gen­schallt, wirkt auf mich eher befremdlich als anheimel­nd. Wir sind anscheinend schon gar nicht mehr wil­lens und kaum noch in der Lage, unsere Belange und Befind­lichkeit­en kün­st­lerisch und gesan­glich in der eige­nen Sprache auszu­drück­en. Das ist nicht nur bedauer­lich, son­dern eigentlich ein Armut­szeug­nis für den kul­turellen Zus­tand unseres Landes.

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  45. Lars Fischer

    @Klausi:
    Nun ja, Es scheint genug Leute zu geben, die noch ohne Grausen das Radio anschal­ten (was mir aus anderen als sprach­lichen Grün­den auch nicht mehr möglich ist). Und ich würde argu­men­tieren, dass die Sprache, in der ich meine tief­sten Empfind­un­gen aus­drück­en kann, per Def­i­n­i­tion meine eigene ist.
    Wenn Sie nun Unbe­ha­gen angesichts der Sprache aller anderen plagt. Tja. Eine wie auch immer geart­ete kul­turelle Ver­ar­mung aller anderen kön­nen Sie jeden­falls nicht ein­fach anhand Ihres Bauchge­fühls postulieren.
    Sie ken­nen vielle­icht den ural­ten Witz mit dem Geis­ter­fahrer

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  46. Klausi

    An Lars Fischer
    “Wenn Sie nun Unbe­ha­gen angesichts der Sprache aller anderen plagt. Tja. Eine wie auch immer geart­ete kul­turelle Ver­ar­mung aller anderen kön­nen Sie jeden­falls nicht ein­fach anhand Ihres Bauchge­fühls postulieren.”
    Mich plagt nur mein eigenes Unbe­ha­gen, bei anderen plagt mich lediglich die Frage, weshalb die nicht auch Unbe­ha­gen verspüren.

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  47. Gregor

    Bauchge­fühl
    Dieses Wort — Bauchge­fühl — scheint ein Schlüs­sel­wort der­er zu sein, die jegliche Kri­tik an Anglizis­men als ille­git­im oder albern abtun.
    Aber was ist Sprachge­fühl anderes als Bauchge­fühl? Wenn eine bes­timmte Sprache von einem als schön, von anderen als hässlich emp­fun­den wird. Aus vie­len Bauchge­fühlen wird eine Übereinkun­ft. Als das Bauchge­fühl von immer mehr Leuten die zahllosen franzö­sis­chen Lehn­wörter als affig emp­fun­den hat, sind sie entwed­er ver­schwun­den oder wur­den bis zur Unken­ntlichkeit eingedeutscht.

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  48. Helmut Wicht

    @ Lars / der Witz mit dem Geisterfahrer
    Lars,
    ist nicht mitunter ger­ade der sprach­liche GEISTERFAHRER, also der, der gegen alle Kon­ven­tio­nen anfährt, der eigentliche lit­er­arische Held? Denk’ doch mal an die Dadaisten…
    Ich grüße mit Hugo Ball und einem her­zlichen “Ba-Umpf”
    Karawane
    jolifan­to bam­bla ô fal­li bambla
    grossi­ga m’pfa habla horem
    égi­ga goramen
    higo bloiko rus­su­la huju
    hol­la­ka hollala
    anl­o­go bung
    bla­go bung
    bla­go bung
    bosso fataka
    ü üü ü
    scham­pa wul­la wus­sa ólobo
    hej tat­ta gôrem
    eschige zunbada
    wulubu ssub­udu uluw ssubudu
    tum­ba ba- umf
    kusagauma
    ba — umf

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  49. gs

    @Klausi
    “Ich zum Beispiel füh­le mich nicht nur nicht mehr in der Sprache so richtig zuhause, son­dern mir graut sog­ar schon davor, das Radio anzuschal­ten. Was mir da ent­ge­gen­schallt, wirkt auf mich eher befremdlich als anheimelnd.”
    Ja, so geht’s mir auch jeden Tag seit ich vor 4 Jahren aus Öster­re­ich nach (Mittel)Deutschland gezo­gen bin;-) Immer diese Leut’ die da ‘Stuhl’ sagen wenn’s einen Ses­sel meinen, oder dieses unsägliche ‘Quark’ (lässt mich an Enten denken aber nicht an Topfen), Und erst wie die ‘Kaf­fee’ immer falsch beto­nen. Ich kön­nt’ die Liste der sprach­lichen Grausamkeit­en beliebig fortsetzen.
    Allerd­ings, so mein Ein­druck, kom­men die meis­ten Leut hier ganz gut mit ihrer Ver­sion des Deutschen klar; jeden­falls haben lin­guis­tis­chen Bekehrungsver­suche in mein­er näheren Umge­bung bish­er wenig Wider­hall gefunden.
    Vielle­icht sollt’­ma ein­fach ein bis­serl entspan­nter wer­den. Leben und leben lassen. Sel­ber müass’­ma ja nicht jeden Schas mitmachen.

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  50. Lars Fischer

    @Helmut

    ist nicht mitunter ger­ade der sprach­liche GEISTERFAHRER, also der, der gegen alle Kon­ven­tio­nen anfährt, der eigentliche lit­er­arische Held?

    Zweifel­los. Aber der lit­er­arische Geis­ter­fahrer erschafft ja auch, statt sich nur über ander­er Leute Sprache zu mok­ieren. Der eine lebt sein Sprachge­fühl aus, der andere lässt es aus, und zwar an anderen. Das ist der Unterschied.

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  51. Gregor

    Schwul
    Ein Beispiel für eine erfol­gre­iche Sprach­poli­tik im Kampf gegen Diskri­m­inierung liefert die Schwulenbewegung.
    Hier hat man auf Wor­takro­batik verzichtet („Men­schen mit alter­na­tiv­er Sex­u­al­präferenz“ oder so) son­dern ein­fach das dur­chaus auch abw­er­tend ver­wen­dete Wort „schwul“ als Eigen­beze­ich­nung gewählt. „Ich bin schwul und das ist gut so“ ist für mich stärk­er als es irgen­dein PC-Begriff sein kön­nte und zeugt von mehr Selb­st­be­wusst­sein. So lassen sich sicher­lich mehr Men­schen überzeu­gen als durch ein Sprachverbot.

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  52. Gareth

    Gre­gor,

    Als das Bauchge­fühl von immer mehr Leuten die zahllosen franzö­sis­chen Lehn­wörter als affig emp­fun­den hat, sind sie entwed­er ver­schwun­den oder wur­den bis zur Unken­ntlichkeit eingedeutscht.

    Wie zu sehen an den Beispie­len Restau­rant, Trikot, Plä­doy­er, Foy­er, Soirée, Resümee, Porte­mon­naie, Balkon, Garage, Jour­nal­ist, Bon­bon, Ter­rain, Büro, Café, Chance, Dossier, Regis­seur, Chauf­feur, Friseur, Hotel, Par­füm, Parterre, Ter­rasse, Taille etc.? Und das sind nur die, die mir jet­zt in 2 Minuten spon­tan einge­fall­en sind. Bis zur Unken­ntlichkeit eingedeutscht? Das halte ich eher für die Aus­nahme als die Regel.

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  53. j. kühne

    innen
    die feministen/innen beanspruchen …innen eigentlich immer nur für gesellschafts­fähige per­so­n­en­grup­pen, zu denen frauen sich sel­ber gern zählen… ich habe in reden, nachricht­en oder beiträ­gen noch nie gehört oder gele­sen von mördern und mörderin­nen, dro­gen­deal­ern und dro­gen­deal­erin­nen, bergar­beit­ern und bergar­bei­t­erin­nen, verge­waltigern und vergewaltigerinnen…
    statt dessen lese ich absur­der­weise am ein­gang berlin­er museen: …das muse­um hat für besuch­er und besucherin­nen von 8 bis 18 uhr geöffnet…

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  54. Jean Baptiste

    Stilkri­tik
    Oft wird poli­tisch kor­rek­te Sprache von ihren Geg­n­ern so dargestellt, als erkaufe man sich die gewün­scht­en gesellschaftlichen Aspek­te mit Maß­nah­men, die Sprache kom­pliziert­er oder irgend­wie “schlechter” machen.
    Man kön­nte darin aber auch ein­fach einen Gewinn an Präzi­sion sehen. Ein m. E. ein­schlägiges Beispiel ste­ht in der heuti­gen NZZ (S. 36):

    Die Unter­richtsstile von männlichen und weib­lichen Lehrper­so­n­en unter­schei­den sich nicht grund­sät­zlich, und Lehrerin­nen benoten Schüler nicht strenger als Lehrer.

    Dieser Satz ist offen­sichtlich unter den Bedin­gun­gen ein­er poli­tisch kor­rek­ten Sprachregelung ent­standen, und das, wie ich finde, wed­er zum Nachteil der Kürze noch des “Stils”. So ist etwa in ein­er Umge­bung, wo das gener­ische Maskulinum unüblich ist (wie inzwis­chen eben in der NZZ und, wie mir scheint, in der Schweiz über­haupt), ohne zusät­zliche Ausze­ich­nung klar, dass das Wort “Schüler” männliche Per­so­n­en beze­ich­net – eine Dis­tink­tion, auf die es im Kon­text des Artikels ankommt.

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  55. Klausi

    Gerechte Sprache und Sprachpurismus
    “Das Prob­lem an all diesen Strate­gien ist, dass sie wirkungs­los sind. Sprache lässt sich von außen nicht reg­ulieren, das lehrt und die Geschichte des Sprach­puris­mus in all seinen Spielarten. Wer die Sprache verän­dern will, muss es von innen tun.”
    Hier eine Auswahl von
    Gelun­genen Ein­deutschun­gen und Wortprägungen
    [Eine Auswahl aus 3500 Vorschlägen
    des J.H.Campe (1746–1818)]
    Adresse (Empfehlungss­chreiben), Affek­ta­tion (Anstellerei), Akademie, Uni­ver­sität (Hochschule), antik (altertüm­lich), appro­vi­sion­ieren (bevor­rat­en), Arkanum (Geheim­mit­tel), Attrib­ut (Beiga­be), Bar­rikade (Straßensper­rung), bel­letris­tisch (schöngeistig), Bill (Geset­zen­twurf), Botanik (Pflanzenkunde), Brigg (Ein­mas­ter), calquiren (durchze­ich­nen+), Crème (Rahm­speise), Delikatesse (Feinge­fühl, Zart­ge­fühl), delikat (fein­füh­lig), desabusiren (ent­täuschen), Despo­tismus (Gewaltherrschaft), Detail­han­del (Klein­han­del), Diakon (Hil­f­spredi­ger), Diplom (Ernen­nung­surkunde), Dormeuse (Schlafwa­gen), Entrée­bil­let (Ein­laßkarte), Insekt (Kerbti­er), insol­vent (zahlung­sun­fähig), invalid (dien­stun­fähig), Inven­tar (Sachverze­ich­nis), kausal (ursäch­lich+), Kom­pi­la­tion (Sam­mel­w­erk), Kom­plott (Gehe­im­bund), Kon­sti­tu­tion (Kör­per­bau), kon­trär (gegen­teilig), kon­ven­tionell (herkömm­lich), Kur­sus (Lehrgang), Lokalität (Örtlichkeit), lyrisches Gedicht (Sin­ngedicht+), Markise (Son­nen­dach), materiell (stof­flich+), min­er­alis­che Quelle (Heilquelle+), Mot­to (Sinnspruch+), Mundum (Rein­schrift), Ochlokratie (Pöbel­herrschaft), Orig­i­nal (Urschrift+), Ostrazis­mus (Scher­ben­gericht), Parterre (Erdgeschoß), Pho­tome­ter (Lichtmess­er).
    Hier zu find­en: http://www.deutsch-nix-wichtig.de/Leseproben.html
    Den Autor kenne ich nicht, mein Fund war ein Zufalls­fund im Netz.

    Antworten
  56. Jürgen Bolt

    weil mir die Sprache meines Gegenübers wertvolle Hin­weise auf dessen Gesin­nung liefert.

    Gibt es Evi­denz, daß Deutsche, die ‘Stu­dentIn­nen’ sagen, eine andere Gesin­nung haben als die, die ‘Stu­den­ten’ bevorzu­gen? Oder ist das eine Art lin­guis­tis­che Phrenolo­gie, mit der man zirkulär die eige­nen Vorurteile bestätigt?

    Übri­gens läßt mein per­sön­lich­er polit­i­cal-cor­rect­ness-Detek­tor ‘Gesin­nung’ nicht ohne weit­eres passieren. Da sind bei mir anscheinend andere Kri­te­rien geladen als bei Ihnen. Ich ignoriere seine Hin­weise aber bish­er und hoffe, Sie liefern mir keine Evi­denz, die mich ver­an­lassen würde, das zu ändern.

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  57. Anatol Stefanowitsch

    @Klausi: Ich kön­nte mir kein besseres Beispiel für meine hier geäußerten The­sen vorstellen als Joachim Hein­rich Campe. Als Schrift­steller und Ver­leger hat er seine Ein­deutschun­gen genau auf die Art in die Sprachge­mein­schaft einge­bracht, die ich hier als einzig erfol­gver­sprechende dargestellt habe: er hat sie wei­thin sicht­bar selb­st ver­wen­det. (Und trotz­dem haben es laut Wikipedia von 11 500 Vorschlä­gen nur 300 geschafft, sich zu etablieren.)

    @Jan Dönges: Ein guter Ein­wand. Ich nehme an, wenn es jeman­dem bei der Ver­mei­dung von englis­chen Lehn­wörtern nicht um eine reine Sprache son­dern um eine Ablehnung der amerikanis­chen Kul­tur geht, und wenn dieser jemand ern­sthaft glaubt, dass Lehn­wörter ein Zeichen von kul­turellem Duck­mäuser­tum sind, dann sind seine Moti­va­tio­nen mit denen der Befür­worter gerechter Sprache ver­gle­ich­bar. Allerd­ings sind Lehn­wörter kein Zeichen von kul­turellem Duckmäusertum.

    @Christoph Päper: Keine Absicht. Bei den Sprach­nör­glern passt es aber irgend­wie, da es sich in der Mehrheit um miss­lau­nige alte Män­ner handelt…

    @Jürgen Bolt, Andreas S:

    Ge|sin|nung [f. 10] innere Ein­stel­lung, Hal­tung, Denkweise; anständi­ge, ehrliche, gute, niedrige G.; poli­tis­che G.; lib­erale, fortschrit­tliche G.; seine G. wech­seln [Ber­tels­mann Wörterbuch] 

    @Michael Kuhlmann: Die Gesin­nung fällt bei der Ver­wen­dung neuer und markiert­er For­men wie der Bin­nen­ma­juskel vielle­icht stärk­er ins Auge, sie ist aber an der Ver­wen­dung tra­di­tioneller For­men in gle­ich­er Weise ables­bar. Ich werfe übri­gens keines­falls allen Verwender/innen des „gener­ischen“ Maskulinums eine sex­is­tis­che Gesin­nung vor. So ein­fach ist das lei­der auch wieder nicht.

    @Gregor: Ob es das Ver­hal­ten ändert, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ändert es den kom­mu­nika­tiv­en Umgang, das ist doch schon etwas.

    @Michael Kuhlmann, die zweite:

    Inter­es­sant wäre allerd­ings auch, ob eine Art vorau­seilen­der Gehor­sam im Sprachge­brauch nicht den neg­a­tiv­en Charak­ter eines Wortes über­haupt erst fördert. Vielle­icht hätte “Neger” nie diese neg­a­tive Kon­no­ta­tion erfahren, wenn nicht pro­gres­sive Sprech­er irgend­wann ange­fan­gen hät­ten, darauf zu acht­en, es nicht mehr zu verwenden. 

    Das ist abso­lut richtig, ich ver­weise hier noch ein­mal auf meinen alten Bre­mer-Sprach­blog-Beitrag zur „kon­no­ta­tiv­en Leit­er“.

    Antworten
  58. Michael Khan

    Jed­er, der Kindern aus Kinder­buch-Klas­sik­ern vor­li­est, ken­nt das Prob­lem, dass Aus­drücke und Begriffe, die zur Entste­hungszeit der Werke nie­man­dem auffie­len, genau deswe­gen so unauf­fäl­lig waren, weil sie den ganz nor­malen Ras­sis­mus der dama­li­gen Zeit wieder­spiegeln. Beispiele gibt es zuhauf, nicht nur in den frühen Com­ic-Geschicht­en aus der Tim-und-Strup­pi-Rei­he des bel­gis­chen Zeich­n­ers “Hergé”, (die sich in späteren Bän­den nicht mehr find­et), oder auch fol­gende Beschrei­bung eines Juden aus der Wil­helm-Busch-Geschichte “Plisch und Plum”:

    Krumm die Nase und der Stock,
    Augen schwarz und Seele grau,
    Hut nach hin­ten, Miene schlau -
    So ist Schm­ulchen Schievelbeiner.
    Schön­er ist doch unsereiner.”

    Kinder in einem gewis­sen Alter plap­pern nun ein­mal auch unschöne Sen­ten­zen dieses Kalibers — und die gibt es wirk­lich zuhauf, nicht nur bei Busch — unre­flek­tiert nach. Oft machen sie absichtlich Äußerun­gen, bei denen sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie damit Anstoß erregen.
    Erwach­sene kön­nen das in den richti­gen Kon­text einord­nen, sie akzep­tieren es, oder auch nicht.
    Kinder, ger­ade sehr junge, kön­nen das aber nicht unbe­d­ingt, auch nicht nach ein­er Erk­lärung. Wenn man aber nicht will, dass die in der Schule oder im Kinder­garten Spot­treime diese Art wieder­holen, und, wenn sie zur Rede gestellt wer­den, antworten “Das hat mir aber der Papa so vorge­le­sen”, dann über­springt oder “bere­inigt” man die anstößi­gen Stellen.
    Wer einem Vier­jähri­gen eine Bildergeschichte über zwei freche Hunde vor­li­est, will nicht unbe­d­ingt, dass daraus eine Auseinan­der­set­zung mit dem Anti­semitismus in Deutsch­land wird, der der Vier­jährige ohne­hin nicht wird fol­gen können. 

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  59. Pingback: Kinderbücher und Gerechtigkeit « gnaddrig ad libitum

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