Warum man Fake News nicht verbieten kann: Eine Fallstudie

Von Anatol Stefanowitsch

Zufäl­lig war ich heute auf der Suche nach Wei­h­nachts­geschenken in den Schön­hauser-Allee-Arkaden (einem Einkauf­szen­trum im Pren­zlauer Berg), als der Ein­gang und die Straße und der U‑Bahnhof vor dem Einkauf­szen­trum von der Polizei abges­per­rt wur­den. Ein fre­undlich­er Beamter erk­lärte auf Nach­frage, dass man einen verdächti­gen Gegen­stand gefun­den habe, der nun unter­sucht würde.

Das wurde auch schnell von eini­gen lokalen Medi­en auf Twit­ter bekan­nt­gegeben, z.B. hier (um 14:33):

Der Gegen­stand wurde am Ende ergeb­nis­los gesprengt (es war, je nach Mel­dung, eine Tüte, ein Kof­fer oder ein leer­er Schuhkar­ton) und mein Wei­h­nachts­geschenk habe ich auch nicht gefun­den, aber dafür eine schöne Fall­studie darüber, wie man Fake News ver­fasst, ohne dabei zu lügen. Weit­er­lesen

Meist märchenhaft? Mehr Etymologien (und eine Siegerehrung)

Von Kristin Kopf

Was zum Beispiel Advent und Akro­bat oder Gräte und Gren­ze miteinan­der zu tun haben, habe ich vor ein­er Weile schon gek­lärt. Sei­ther war bei mir irgend­wie zu viel los um die Auflö­sung des let­zten Ety­molo­gierät­sels zu Ende zu brin­gen. Auch hin­ter den noch unbe­sproch­enen Wörtern ver­ber­gen sich aber inter­es­sante Zusam­men­hänge (und ein Fehler), die für Nicht-RaterIn­nen eben­so span­nend sind. Nach­dem ich sie erhellt habe, kom­men wir dann endlich zur Siegerehrung.

Märchen und meist. Das Märchen ist eine Diminu­tiv­bil­dung zu ahd. māri ‘Nachricht, Erzäh­lung; Gerücht’. Die heutige Form des Sub­stan­tivs ist, kaum mehr gebräuch­lich, Mär — vielle­icht haben Sie den Anfang des Nibelun­gen­lieds noch im Kopf, wie “in alten maeren” viel Wun­der­bares berichtet wird,((Hier find­et sich eine Über­set­zung der ersten Stro­phe.)) oder es wei­h­nachtet bei Vom Him­mel hoch, wo “gute neue Mär” gebracht wird. Diese “kleine Erzäh­lung” bezog sich schon früh auf Aus­gedacht­es, im Gegen­satz zur Mär, die lange Zeit Fakt und Fik­tion beze­ich­nen konnte.

Aber um zu meist zu gelan­gen, müssen wir in die andere Rich­tung gehen: Weit­er­lesen

Wort des Jahres 2016: Postfaktisch

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn die Gesellschaft für Deutsche Sprache uns ihre Wörter schickt, schickt sie nicht ihre besten Wörter. Sie schick­en uns Wörter, die viele Prob­lem haben und sie brin­gen diese Prob­leme zu uns. Sie brin­gen wohlfeilen Unfug. Sie brin­gen erfun­dene Wörter. Es sind Wörter, die nie­mand ken­nt. Und einige, ver­mute ich, sind gute Wörter.

Das Wort des Jahres wurde von und für die Chi­ne­sen erfun­den, um die deutsche Sprach­pro­duk­tion wet­tbe­werb­sun­fähig zu machen. Die krim­inelle Gesellschaft für deutsche Sprache hat die Puris­ten­miliz Vere­in Deutsche Sprache gegrün­det. Aber da kann man nichts machen, Obwohl — die Leute der Amtlichen Rechtschrei­bung, vielle­icht gibt es doch etwas. Ich weiß es nicht.

Ich werde ein eigenes Wort des Jahres wählen – und nie­mand wählt Wörter bess­er als ich, glauben Sie mir – und ich wäh­le sie sehr kostengün­stig. Ich werde ein großes, großes Wort des Jahres an unser­er Sprach­gren­ze wählen und ich werde die Lexiko­graphen für dieses Wort bezahlen lassen.

Alle lieben meine Wörter. Ich kön­nte mich auf die Kon­rad-Duden-Straße stellen und jeman­den zutex­ten, und die Leute wür­den mein Wort des Jahres trotz­dem wählen. Wenn es nicht mein Wort des Jahres wäre, würde ich es wahrschein­lich daten.

Blogspektrogramm 46/2016

Von Kristin Kopf

Das heutige Spek­tro­gramm bringt eher anstren­gen­dere The­men — nichts­destotrotz sind unsere Links über die US-Wahl, typografis­che Ein­bürgerung­shin­dernisse, Kom­mu­nika­tion­sprob­leme beim Brex­it und lux­em­bur­gis­chen Nation­al­is­mus lesens- und hörenswert.

  • Der Lexiko­graph Ben Zim­mer hat mit WNYC über Wörter gesprochen, die den US-amerikanis­chen Präsi­dentschaftswahlkampf geprägt haben (Audio, Englisch): white­lash, rigged, big league, deplorables, nasty woman etc.
  • Wenn man einen Namen falsch schreibt, reagieren die Namen­trägerIn­nen oft emo­tion­al — als “Kristin mit K und ohne e” weiß ich das bestens. Mit einem wesentlich prob­lema­tis­cheren Fall hat es Robert Matešić zu tun, über den DAS MAGAZIN berichtet — ein ganz­er Staat ist typografisch gegen ihn: »Mit dem Lin­eal zieht er einen Strich durch seinen Namen und schreibt ihn in Druck­buch­staben auf die gepunk­tete Linie:M a t e š i ć. Aus­ge­sprochen: Ma-te-schitsch. Gefehlt hat das auf­steigende Strich­lein, der Akut, über dem c. Bitte kon­trol­lieren Sie die Dat­en genau, hiess es im Schreiben des Zivil­stand­samts der Stadt Zürich. Mit Ihrer Unter­schrift bestäti­gen Sie die Richtigkeit Ihrer Angaben. […] Es geht um […] seine Ein­bürgerung. Zum Glück, denkt er, hat er den Fehler noch rechtzeit­ig ent­deckt.«
  • Nein, nein und noch mal nein! Für BBC Radio 4 geht Damien McGuin­ness auf höflichkeits­be­d­ingte Kom­mu­nika­tion­sprob­leme ein (Audio, Englisch).
  • Vor ein paar Jahren war “Deutsch ins Grundge­setz” in Deutsch­land ein The­ma, aktuell stre­it­et man in Lux­em­burg darüber, ob Lux­em­bur­gisch erste Amtssprache wer­den soll. Dabei ist die Sprache nur Stel­lvertreterin für Nation­al­is­mus, sagt Danielle Igni­ti zu RADIO 100,7: »Si wëllen d’Land spléck­en a Lëtze­buerg­er, déi Lëtze­buergesch schwätzen, an an Aus­län­ner, déi mussen aus­ge­gren­zt ginn. D’Lëtzebuerger Sprooch gëtt e Mët­tel zum Zweck fir ultra-nation­al­is­tesch Aktivis­ten, déi de Lëtze­buerg­er hir irra­tional Ängscht­en aus­notzen an zur eth­nesch­er Säu­berung opruf­fen. De Feind ass den Aus­län­ner — ob en elo Lëtze­buergesch kann oder net, ass am Fong net méi wichteg.« (Ein kurz­er Text auf Deutsch mit den groben Rah­menin­fos find­en sich hier.)

Jugend schützt vor Wortheit nicht

Von Anatol Stefanowitsch

Das Jugend­wörter­buch-des-Jahres-Wer­be­wort 2016 wurde eben bekan­nt gegeben. Wie auch in den let­zten Jahren (2013, 2014, 2015) sind dem Sprachlog die Aufze­ich­nun­gen der Beratun­gen aus den Redak­tion­sräu­men des Wörter­buchver­lags Schlangenei­dt zuge­spielt wor­den, die wir im Fol­gen­den ungekürzt veröffentlichen.

Im Büro von DR. WORTWISPERER, Ober­lexiko­graf des Wörter­buchver­lags Schlangenei­dt in München.

Anwe­send sind OBERLEXIKOGRAF DR. WILLHELM WORTWISPERER und ASSISTENZOBERLEXIKOGRAF SIEGFRIED SILBENSÄUSLER.

SILBENSÄUSLER. Wortwisper­er, Wortwisperer!

(STILLE)

SILBENSÄUSLER. Aufgewacht, Wortwisperer!

WORTWISPERER. Potz­tausend, Sil­ben­säusler! Wie oft habe ich Ihnen gesagt, Sie sollen mich nicht beim Sin­nieren unterbrechen!

SILBENSÄUSLER. Par­don, Wortwisper­er, aber es eilt! Der Herr Direk­tor Schlangenei­dt ver­langt das Jungspund­wort des Jahres!

WORTWISPERER: Schon wieder, Silbensäusler?

SILBENSÄUSLER: Ja, der Lauf der Jahreszeit­en, Wortwisper­er. Es ist schon wieder so weit.

WORTWISPERER: Aber sind diese Jungspunde nun­mehr nicht langsam alle im Man­nesalter angekom­men, Silbensäusler?

SILBENSÄUSLER: Da wach­sen ständig neue Jungspunde nach, Wortwisper­er. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 42/2016

Von Kristin Kopf

Son­ntag, Spek­tro­gramm­tag (manch­mal)! Heute gibt’s soziale Medi­en, Liebes­briefe, Gen­der­sterne, Wort­geschicht­en und Defini­tar­tikel. Viel Spaß allerseits!

  • Ana­tol hat für das Wis­senschafts­magazin FUNDIERT der FU aufgeschrieben, wie soziale Medi­en Sprache verän­dern — Spoil­er: nicht allzu sehr, aber im Wortschatz schla­gen sie sich schon nieder:  »Manch­mal gibt es sog­ar mehrere Wörter, die feine Bedeu­tung­sun­ter­schei­dun­gen tre­f­fen. So beze­ich­net twit­tern die all­ge­meine Tätigkeit des Schreibens von Beiträ­gen auf Twit­ter, während tweet­en sich auf eine konkrete Nachricht bezieht: Ich twit­tere gerne, aber Ich habe lange kein Foto mein­er Katze mehr getweetet.«
  • In diesem Zusam­men­hang span­nend, was die AUGSBURGER ALLGEMEINE von Eva Wyss über Liebens­briefe erfahren hat: »E‑Mails und What­sApps haben Liebes­botschaften nicht den Todesstoß ver­set­zt, son­dern laut der Hüterin des Koblenz­er Liebes­brie­farchivs zu ein­er neuen Lust am Schreiben geführt. «In den sechziger Jahren hat das bequeme Tele­fon der Briefko­r­re­spon­denz große Konkur­renz gemacht», sagte Eva Wyss […]. «Jet­zt haben viele Part­ner­schaften mit ihren Handys einen per­ma­nen­ten Kom­mu­nika­tion­sstrom», ergänzte die Professorin.«
  • Für WORDPRESS macht sich Cas­par Hübinger Gedanken darüber, wie sich geschlechterg­erechte Sprache in die Benutzer(!)oberfläche brin­gen lässt: »Für 50 Strings (1% des Gesamtvol­u­mens) haben wir bish­er keine neu­tralen Über­set­zun­gen gefun­den. Der Großteil davon befind­et sich in Hil­fe­tex­ten; die promi­nen­testen Vorkom­men sind die Rol­len­beze­ich­nun­gen auf der „Benutzer“-Seite: Admin­is­tra­tor, Redak­teur, Autor, Mitar­beit­er, Abon­nent. Der Begriff „Autor“ kommt außer­dem in diversen Fil­ter-Funk­tio­nen vor.Für diese 50 Strings haben wir vor­erst auf Endun­gen mit Gen­der-Star zurück­ge­grif­f­en. Aus „Autor“ wurde „Autor*in“.«
  • Der GESCHICHTSCHECK hat sich ein­mal die Geschichte des Wortes völkisch ange­se­hen: »Der Begriff „völkisch“ wurde zwis­chen 1875, als der Ger­man­ist Her­mann von Pfis­ter ihn als Ersatz­wort für „nation­al“ vorschlug, und 1935, als der Große Brock­haus ihn als „Verdeutschung des Wortes ‚Nation­al‘, im Sinne eines auf dem Rassegedanken begrün­de­ten und daher entsch­ieden anti­semi­tis­chen Nation­al­is­mus“ definierte, so aufge­laden, dass er sich zum Schlag­wort für eine radikalna­tion­al­is­tis­che, anti­semi­tis­che und ras­sis­tis­che Weltan­schau­ung entwickelte.«
  • Was sagt Don­ald Trump eigentlich, wenn er einen Artikel vor Per­so­n­en­grup­pen set­zt, wie in the African-Amer­i­cans? Lynne Mur­phy hat sich das Phänomen für QUARTZ ein­mal ange­se­hen und erk­lärt, was es so neg­a­tiv klin­gen lässt: »[…] Trump promised, “I’m going to help the African-Amer­i­cans. I’m going to help the Lati­nos, His­pan­ics. I am going to help the inner cities. [Clin­ton has] done a ter­ri­ble job for the African-Amer­i­cans.” Trump’s unusu­al use of “the” hasn’t gone unno­ticed. Nor­mal­ly innocu­ous, this def­i­nite arti­cle is now caus­ing seri­ous offense. The hash­tag #theAfricanAmer­i­cans has been trend­ing since the debate with angry and sar­don­ic com­ments on Trump’s lin­guis­tic choice.«

Von Gräten und Grenzen

Von Kristin Kopf

Let­zte Woche ging’s ja schon los mit der Auflö­sung des Ety­molo­gierät­sels — die näch­sten bei­den Wort­paare ver­rat­en Span­nen­des über Sied­lungs­geschichte und Kriegsführung:

Gräte und Grenze

Die Gräte ist ein alter Plur­al von Grat. So wie BartBärte ging im Mit­tel­hochdeutschen (1050–1350) auch GratGräte. Das Wort hat­te einen recht bre­it­en Bedeu­tung­sum­fang, darunter ‘Rück­grat, Bergrück­en, Spitze, Stachel, Fis­chgräte’. Wenn man über let­ztere sprach, benutzte man das Wort aber wohl meist in der Mehrzahl. Logisch, die Dinger steck­en ja massen­weise in so einem Fisch drin. Irgend­wann wurde diese Form dann als Ein­zahl uminter­pretiert, die Gräte war geboren. (Der Grat bekam später einen neuen Plur­al, Grate, so wie Jahre.)

Die Gren­ze ist dage­gen ein slaw­is­ch­er Import, wahrschein­lich von alt­pol­nisch grani­ca, grań­ca. Nun teilen sich slaw­is­che Sprachen ja einen Vor­fahren mit dem Deutschen, und tat­säch­lich, Weit­er­lesen

Akrobatischer Advent

Von Kristin Kopf

Unser let­ztes Don­ner­stagsrät­sel wartet noch auf Auflö­sung. Gefordert war die paar­weise ety­mol­o­gis­che Verbindung aus dem fol­gen­den Worthaufen:

2016-08-Rätsel_SprachlogIn den Kom­mentaren wurde fleißig und zumeist auch richtig ger­at­en. Für alle, die dazu keine Lust hat­ten, vol­lziehe ich die Win­dun­gen aber heute und in den näch­sten Tagen noch ein­mal kurz nach, bevor ich zur Siegerehrung schre­ite. Los geht’s mit den Wörtern auf A:

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Jas­trow (2007) (CC BY 2.5)

Advent und Akrobat

Der Advent gehört zu lat. advenīre ‘ankom­men’ (ad ‘zu’, venīre ‘kom­men’) weil es die Zeit ist, die vor der “Ankun­ft” Jesu liegt. Im Akro­bat steckt zunächst griech. ákros ‘höchst, äußerst, an der Spitze’ — man ken­nt es von der Akropo­lis, die wörtlich ein­fach die ‘Ober­stadt’ ist. Der zweite Teil des Akro­bat­en geht auf griech. bá͞inein ‘gehen, schre­it­en’ zurück. Die Aus­gangs­be­deu­tung des Wortes war damit ‘auf (Fuß-)Spitzen gehend’.

Schon im alten Griechen­land war akro­batis­che Betä­ti­gung aber nicht auf die Zehen beschränkt: Weit­er­lesen

Das dass, dass ein das ist

Von Kristin Kopf

Ich habe nun auch endlich ange­fan­gen, auf dem Handy mit Wis­chgesten zu “tip­pen”: Man zieht den Fin­ger ein­fach nur über die entsprechen­den Buch­staben, statt jeden einzeln anzu­tip­pen, und die Tas­tat­u­rapp rät, was gemeint ist. Das klappt ins­ge­samt sehr gut, auch wenn ich jet­zt dauernd darüber nach­denke, ob das Wort bekan­nt ist oder nicht — wenn nicht, muss ich es dann doch Buch­stabe für Buch­stabe eingeben. Ein Aspekt macht mich allerd­ings wahnsin­nig: Die Tas­tatur weiß ja nicht, wie häu­fig ein bes­timmter Buch­stabe hin­tere­inan­der benötigt wird. Sie weiß aber son­st jede Menge, z.B. wie häu­fig ich bes­timmte Wörter ver­wende (ein ger­ade erst gel­erntes schlägt sie z.B. in den näch­sten Minuten dauernd vor, selb­st wenn es von der Wis­chgeste her unwahrschein­lich ist) — und sie weiß, dass nach einem Kom­ma oft ein Neben­satz fol­gt. Und damit sind wir beim dass.

Auch hier hat die Tas­tatur zwei Optio­nen für eine Geste, dass und das. Der Satz mit dass ist ein Sub­junk­tion­al­satz (1), der mit das meist ein Rel­a­tivsatz (2), manch­mal auch ein ander­er Satz­typ (3, 4):

(1) Ich sehe, dass wir uns verstehen.

(2) Ich mag das Buch, das du mir geschenkt hast.

(3) Ich hoffe, das find­et sich.

(4) Ich finde das gut, das machen wir so!

2016-09-24-dassdasNun scheint mein­er Tas­tatur die Regel beige­bracht wor­den zu sein, dass nach Kom­ma ein dass-Satz fol­gt. Sehr viele das-Sätze, die ich schreibe — und das sind nicht wenige! — wer­den also fehler­haft und ich muss manuell nachko­r­rigieren. Rechts im Bild sieht man einen entsprechen­den Fall — hier wird mir nicht ein­mal das als Alter­na­tive ange­boten (in der grauen Zeile), dafür aber das Wort dass-das-Fehler, das es von mir gel­ernt hat, und das hier über­haupt nicht passt. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 33/2016

Von Kristin Kopf

Ein Link zu 1 Phänomen (zwei, eigentlich), Nigge­meier über Kopp-Ver­lag und VDS, his­torische Vorstel­lun­gen davon, was Sprache eigentlich ist und Vorstel­lun­gen davon, wie Stim­men in der Poli­tik zu klin­gen haben — der Son­ntag ist gerettet!

  • Nad­ja Schlüter hat sich auf JETZT 1 Frage gestellt, näm­lich die nach der Herkun­ft der 1. Sie ver­mutet, dass der Rap­per Mon­ey Boy sie erfun­den hat — die Erfahrung (und die Nachträge am Ende des Artikels) zeigt, dass so etwas meist nicht völ­lig aus dem Nichts kommt, aber was Mon­ey Boy zum The­ma zu sagen hat, ist auf jeden Fall lesenswert: »Gibt keine Hin­ter­gründe meist auss­er die Sprache immer fresh und neu und dif­fer­ent zu keep­en.« Inter­es­sant an der 1 ist, dass sie nicht nur die Vorkom­men erset­zt, bei der sie mit der Aussprache übere­in­stimmt (Was ist das für 1 Life), son­dern auch die, bei denen dadurch Kasus oder Genus niv­el­liert wer­den (Was ist das für 1 Frage?). Das ist kein reines Schrift­phänomen, son­dern find­et sich eben­so, mit den gle­ichen sprach­spielerischen Kon­no­ta­tio­nen, in der gesproch­enen Sprache (Was ist das für ein Frage?). Insofern gle­icht es 1 wenig dem gle­ich­macherischen nen.
  • Wer will, kann sich dafür auch 1 Chrome-Exten­sion runterladen.
  • Let­zten Son­ntag haben wir einen Beitrag zur Causa VDS in F&L ver­linkt. Über das The­ma hat auch Ste­fan Nigge­meier auf ÜBERMEDIEN geschrieben (der Link befand sich am Ende des ver­link­ten Blog­posts) — was natür­lich Reak­tio­nen nach sich zog. Die gib’s hier: »Der Text von Mäh­ler ist faszinierend, weil er den ganzen Wahn enthält, der diese Szene antreibt. Bloßer Wider­spruch wird zum Ver­such hys­ter­isiert, einen ganzen Vere­in „mund­tot“ zu machen. Wenn der in den Medi­en all­ge­gen­wär­tige Vor­sitzende eines Vere­ins es sich gefall­en lassen muss, dass ein paar Leute ihn kri­tisieren, bedeutet das schon, dass er zum „Staats­feind“ erk­lärt wurde. Mehr braucht es nicht. Man kön­nte lachen über diese Leute, wenn es ihnen nicht so ernst wäre.«
  • Welch­es Image hat Sprache eigentlich so? Hen­ning Lobin hat auf der ENGELBART-GALAXIS ein wenig in die Ver­gan­gen­heit geblickt: »Sprache wird [im Mit­te­lal­ter] nicht im Zusam­men­hang mit andere Kom­mu­nika­tion­s­mit­teln betra­chtet, son­dern isoliert, die Beschrei­bung von Sprache ori­en­tiert sich an Regeln, und sprach­liche Kom­mu­nika­tion wird als ein sich nach logis­chen Geset­zmäßigkeit­en vol­lziehen­des Geschehen ratio­nal­is­tisch über­höht. Wir sehen uns nun an, wie diese Grund­ten­den­zen nach dem Ende des Mit­te­lal­ters in die sich entwick­el­nde Sprach­wis­senschaft einge­floßen sind, es im 19. Jahrhun­dert aber auch ver­schiedene Abkehrver­suche gegeben hat.«
  • Schon etwas älter, aber ich glaube, wir haben es noch nicht ver­linkt: Deb­bie Cameron auf LANGUAGE. A FEMINIST GUIDE darüber, wie die Sprache von Poli­tik­erin­nen wahrgenom­men wird: »High pitch is asso­ci­at­ed not only with female­ness, but also with oth­er char­ac­ter­is­tics which imply a lack of author­i­ty, such as imma­tu­ri­ty (chil­dren have high-pitched voic­es) and emo­tion­al arousal (we ‘squeal’ with joy or fear, ‘shriek’ with excite­ment, ‘screech’ angri­ly). Say­ing that a woman’s voice is ‘shrill’ is also a code for ‘she’s not in control’.«