Schlagwort-Archive: Alemannisch

Auf Feldforschung im Ur… ähm, Schwarzwald

Von Kristin Kopf

Das Sch­plock lei­det ger­ade unter meinem ver­stärk­ten Ein­satz für die Mag­is­ter­ar­beit – ich bin für ein paar Tage im Schwarzwald und mache Dialek­tauf­nah­men. Da ich nicht wirk­lich Zeit habe, an andere Dinge zu denken, erzäh­le ich ein­fach mal ein bißchen darüber.

LaptopUndAufnahmegerät

Das Ziel

Ich unter­suche ja die Plu­ral­bil­dung im Ale­man­nis­chen (bzw. in einem ale­man­nis­chen Dialekt). Dazu will ich für alle hochdeutschen Möglichkeit­en min­destens zwei Beispiele haben – also zwei Fem­i­ni­na auf Umlaut+e (z.B. Städteund Nächte), zwei Fem­i­ni­na auf -s (z.B. Kam­eras und Unis), zwei Neu­tra auf -er (z.B. Häuser und Kinder) und so weiter …

Außer­dem will ich auch noch min­destens zwei Beispiele für alle althochdeutschen Möglichkeit­en haben, und dann noch eine Menge Wörter, bei denen ich den leisen Ver­dacht habe, dass sie im Ale­man­nis­chen ganz anders gehen als im Hochdeutschen oder Althochdeutschen.

Ins­ge­samt hat das zu ein­er Auswahl von ca. 250 Wörtern geführt, die ich aus meinen Infor­man­tInnen her­aus­lock­en will. Diese Wörter brauche ich a) in der Ein­zahl, b) in der Mehrzahl und c) mit ihrem Genus (männlich, weib­lich oder sächlich).

Die Ein­zahl brauche ich, um bes­tim­men zu kön­nen, was genau die Mehrzahlen­dung ist. So habe ich z.B. das Wort t’Zeg­ger ‘die Zeck­en’ bekom­men. Ohne die Ein­zahl kön­nte ich denken, dass das Wort aus Zegg+er beste­ht, also in eine Klasse mit Geis­chd+er, Kind+er, … gehört. Wenn ich aber weiß, dass es in der Ein­zahl auch Zeg­ger heißt, kann ich es kor­rekt in eine Klasse mit Schäfer, Fis­ch­er, … einord­nen, die auch in der Ein­zahl schon auf -er enden, also einen soge­nan­nten Nullplur­al haben (d.h. das Wort verän­dert sich in der Mehrzahl nicht).

Die Methode

Ich arbeite haupt­säch­lich mit Bildern. Am Anfang habe ich sie noch aus­ge­druckt, aber das war sehr papier­in­ten­siv und die Fotos waren sehr klein. Jet­zt samm­le ich sie alle in ein­er Bild­schirm­präsen­ta­tion und zeige sie meinen Infor­man­tInnen am Laptop:

2009-09-11-Präsentation

Der Rei­he nach die Bilder für: Wiesen, Bäche, Brück­en, Gebirge, Land­schaft, Gänse, Schafe, Ziegen, Käl­ber, Hasen, Uhus, Schlangen, Bären, Läm­mer, Zeck­en, Zecke, Wespen, Bienen, Hor­nissen, Hähne, Raben, Spatzen, Rinder, Felle, Tiroler

Ich ver­suche für jedes Wort zwei Bilder zu find­en: eines mit mehreren der gesucht­en Dinge und eines mit nur einem. Die bei­den fol­gen i.d.R. nicht direkt aufeinan­der, son­dern sind weit voneinan­der ent­fer­nt, meis­tens sog­ar in ein­er anderen Sitzung.

Damit ich auch wirk­lich eine Plu­ral­form als Antwort bekomme, stelle ich bei den Bildern mit mehreren Objek­ten die Frage Was sin des? ‘Was sind das?’. Es klappt nicht immer, aber doch ganz schön oft.

Wörter, die sich nicht abbilden lassen, ver­suche ich mit Fra­gen zu erheben, z.B.:

  • Masern und Wind­pock­en sind …? (Krankheit­en)
  • Was waren Deutsch­land und Frankre­ich im Krieg? (Feinde)
  • Wenn man zur Beichte geht, was wird einem dann vergeben? (Sün­den)

An manchen Wörtern scheit­ere ich aber auch. Z.B. Bre­it­en oder Tiefen habe ich bish­er noch aus nie­man­dem her­aus­lock­en kön­nen – zu abstrakt, zu sel­ten in der Mehrzahl gebraucht.

Die Technik

2009-09-11-ZoomIch nehme die kom­plet­ten Gespräche mit einem Auf­nah­megerät auf. Das habe ich mir vom Mainz­er Ger­man­is­tikin­sti­tut aus­geliehen und es ist wirk­lich enorm prak­tisch. Alle Auf­nah­men wer­den als mp3s gespe­ichert und ich kann sie anschließend von ein­er SD-Karte auf meinen Rech­n­er kopieren.

Die Analyse

Wenn ich die Auf­nah­men habe, höre ich sie mir noch ein­mal ganz genau an. Dabei erfasse ich jedes Sub­stan­tiv auf ein­er elek­tro­n­is­chen Karteikarte – u.a. mit dialek­taler Plu­ral­en­dung, Genus, genauer Posi­tion auf den Auf­nah­men und neu- und althochdeutschen Klassen. Das dauert ewig. Drei Stun­den Auf­nah­men kön­nen gut und gerne in zwei Wochen Analy­sear­beit mün­den. Und wenn ich das alles beisam­men habe, muss ich natür­lich noch ein­mal analysieren: Dann muss ich schauen, welche Wörter sich im Dialekt anders ver­hal­ten als im Hochdeutschen, ob sie etwas gemein­sam haben, wie der Unter­schied ent­standen sein kön­nte, … und zuguter­let­zt muss ich das auch noch alles auf­schreiben. Was ein Stress! Und was ein Spaß!

Welli? Selli! Rätsellösen mit der Mittelhochdeutschen Grammatik

Von Kristin Kopf

Nico, der Gewin­ner der Sch­plock-Jubiläumsver­losung 2009, hat sich nicht damit beg­nügt, ein Buch von mir geschickt zu bekom­men – nein, er hat mir auch post­wen­dend ein Buch zurück­geschickt. Jip­pie! Und zwar die Mit­tel­hochdeutsche Gram­matik von Paul/Mitzka in der 18. Auflage, die (und deren Nach­fol­gerin­nen) ich tat­säch­lich noch nicht besaß. Ich habe mich enorm gefreut und gle­ich ange­fan­gen, zu lesen. Bere­its auf Seite 27 habe ich dann etwas her­aus­ge­fun­den, was ich Euch auf keinen Fall voren­thal­ten will …

Im Ale­man­nis­chen gibt es die Wörter sell­er, sel­li, sell. Sie entsprechen unge­fähr dem hochdeutschen ‘jen­er, jene, jenes’/‘dieser, diese, dieses’/‘der, die, das’. Das sind Demon­stra­tivpronomen, aber zu dem The­ma schreibe ich mal geson­dert was. Jet­zt geht es nur darum, dass ich jahre­lang gerät­selt habe, woher die For­men kommen.

Hier ein Beispiel aus meinen Auf­nah­men für die Mag­is­ter­ar­beit – ich hat­te danach gefragt, welche Spiele es früher gab:

Un die Karde­schbi­ile, des häm­mer au gho. Des het mo gwän­lich vun de Vewonde irgend­wie mol gschengt griegt, waisch, un … ja. Sell häm­mer au gho. Un mer hänau fil gschbielt … 

[Und diese Karten­spiele, das haben wir auch gehabt. Das hat man gewöhn­lich von den Ver­wandten irgend­wie mal geschenkt gekriegt, weißt du, und … ja. Das haben wir auch gehabt. Und wir haben auch viel gespielt …]1

For­mal hat sell wed­er mit dies noch mit jenes etwas gemein, und son­st ist mir auch kein neuhochdeutsches Wort einge­fall­en, dem es entsprechen kön­nte. Ich habe immer mal wieder von Leuten den Vorschlag gehört, es kön­nte mit dem franzö­sis­chen cela ‘das’ oder celle, celui ‘die, der’ zu tun haben. Da ist aber nichts dran. Es gibt ein hochdeutsches Wort. Die Mit­tel­hochdeutsche Gram­matik hat mir auf die Sprünge geholfen:

Die neuhochdeutsche Entsprechung ist solch­er (solche, solch­es). Im Althochdeutschen lautete es noch soli­hêr oder sol­her2. Es gab aber die Ten­denz dazu, ein h in unbe­ton­ter Silbe nur noch ganz schwach und schließlich gar nicht mehr auszus­prechen. Das führte zur südale­man­nis­chen Form solêr.

Gle­ichzeit­ig machte auch das Wort welch­er in sein­er althochdeutschen Form uueli­hêr, uuel­her3 diese Entwick­lung mit und wurde zu wel­er. (Auch das gibt es noch heute als weller, welli, wells.)

Und schließlich nahm sich sol­er das wel­er zum Vor­bild und beseit­igte das o zugun­sten des e-Lautes. Das nen­nt man Analo­gie, das eine Wort benutzt das andere als Muster, um mehr Regelmäßigkeit in die For­men zu bringen.

Sell­er über­nahm schließlich im Ale­man­nis­chen die Funk­tions des Demon­stra­tivpronomens, in Auf­gaben­teilung mit den Artikeln. Die alten Demon­stra­tivpronomen dieser und jen­er find­en sich im Dialekt über­haupt nicht mehr. Und wenn man die ursprüngliche Bedeu­tung ‘solch­er’ aus­drück­en will, sagt man ein­fach so ein­er.

Heute Nacht werde ich ruhig schlafen können.

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[Lesetipp] Silbensprachen versus Wortsprachen

Von Kristin Kopf

Dass das Schweiz­erdeutsche für uns Deutsche oft­mals frem­dar­tiger als andere deutsche Dialek­te klingt, kann man unter anderem mit einem typol­o­gis­chen Unter­schied erklären.

Typolo­gie” in der Sprach­wis­senschaft bedeutet, dass man sich einen bes­timmten Aspekt ein­er Sprache her­aus­greift, z.B. die Satzstel­lung, und sich haufen­weise Sprachen anschaut. Dabei fällt einem dann auf, dass es ganz ver­schiedene Arten von Satzstel­lung gibt. Es gibt Sprachen wie das Englis­che, bei denen das Verb zwis­chen Sub­jekt und Objekt ste­ht (I had a beer), aber auch Sprachen wie das Japanis­che, bei denen das Verb ganz am Ende ste­ht (biiru wo non­da ‘(ich) trank ein Bier’). (Man kürzt die Beze­ich­nun­gen ab, ersteres nen­nt man “SVO” und let­zteres “SOV”.)

Das Span­nende an der Typolo­gie ist, dass sich oft Sprachen gle­ich ver­hal­ten, die sowas von gar nicht miteinan­der ver­wandt sind – und gle­ichzeit­ig tun sich bei Sprachen, die eigentlich von ein­er gemein­samen Ursprache abstam­men, enorme Unter­schiede auf. Mit welchem Wort­ma­te­r­i­al, mit welchen Vok­a­beln ein bes­timmter Typ real­isiert wird, ist bei der Typolo­gie näm­lich unwichtig, wichtig ist nur, dass das selbe Prinzip ver­wen­det wird.

So, jet­zt aber zum Schweiz­erdeutschen. Beim Schweiz­erdeutschen geht es nicht um so etwas wie Wort­stel­lung, son­dern um Phonolo­gie. Das Schweiz­erdeutsche ist näm­lich eine “Sil­ben­sprache”, das Stan­dard­deutsche eine “Wort­sprache”. Die Unter­schiede kann man also nicht sehen, wenn man sich Texte anschaut – aber man hört sie ganz gewaltig. Wie das funk­tion­iert, hat Rena­ta Szczepa­ni­ak – meine Ex-Chefin – in einem Artikel für Natur & Geist erk­lärt. Ihr find­et ihn hier (pdf), ab Seite 49:

Auf typol­o­gis­che Unter­schiede stoßen wir schon in unserem täglichen Umgang mit dem Deutschen. So beacht­en wir in der Stan­dar­d­aussprache von Wörtern wie Vere­in oder über­all die mor­phol­o­gis­che Struk­tur (Ver+ein, über+all). Hier fall­en die Sil­ben- mit den Mor­phem­gren­zen zusam­men: Ver.ein und ü.ber.all. Punk­te markieren dabei die Sil­ben­gren­zen. Doch viele von uns ken­nen auch die regionalen, süd­deutschen Vari­anten Ve.rein und ü.be.rall. Hier­bei wer­den die Wörter ungeachtet der Mor­phem­gren­zen in Sil­ben zerteilt. (weit­er)

Und weil sie ein paar Fachter­mi­ni benutzt, die Nichtlin­guis­ten wohl nicht geläu­fig sind, habe ich Euch ein Miniglos­sar gebastelt – in der Rei­hen­folge ihres Auftretens:

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Über flauschige Bibbili

Von Kristin Kopf

Ich bin ger­ade dabei, die Dialek­tauf­nah­men, die ich für meine Mag­is­ter­ar­beit gemacht habe, zu analysieren. Dabei suche ich zu jedem Wort die althochdeutsche Form – auch zu Wörtern, von denen ich gar nicht weiß, ob es sie im Althochdeutschen schon gab.

Momen­tan halte ich mich ger­ade ein bißchen beim Wort Bib­bili auf, dem badis­chen Wort für ‘Küken’.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Weil die Beze­ich­nung so offen­sichtlich anders ist als die hochdeutsche Form, ver­suchen die Dialek­t­sprecherIn­nen oft eine ety­mol­o­gis­che Erk­lärung dafür zu find­en. Dabei wird meis­tens der Bib­biliskäs ange­führt (laut Duden Bibeleskäs(e)), ein quarkähn­lich­er Rohmilchkäse – er taugt zur Erk­lärung des Wortes allerd­ings nicht, da er nach den Tieren benan­nt ist: Mit ihm wur­den die Küken früher gefüttert.

Friedel Scheer-Nahor von der Uni Freiburg hat sich dem Bib­bili 2001 in einem Artikel für die Badis­che Zeitung gewid­met. Sie führt das Wort auf eine Laut­malerei zurück:

Wer ein­mal gese­hen und gehört hat, wie eine Küken­schar hin­ter der Glucke her­läuft, wird sich denken kön­nen, dass sowohl Bib­bili als auch Zib­bili tre­f­fende laut­ma­lerische Bil­dun­gen sind.

Auf ihrer Seite gibt es auch eine schöne Karte zum The­ma, auf der man die Ver­bre­itung des Wortes in Baden sehen kann:

Leserumfrage Badische Zeitung

Leserum­frage Badis­che Zeitung (mit fre­undlich­er Genehmi­gung von Friedel Scheer-Nahor)

Neben Bib­bili gibt es also noch zahlre­iche weit­ere Wörter für Küken im Badis­chen. Was auf­fällt ist, dass sie alle auf -li oder -le enden. Das ist die badis­che Endung, die dem hochdeutschen -lein entspricht, eine Verkleinerungs­form (“Diminu­tiv”). Die Endung -chen gibt es übri­gend im ale­man­nis­chen Sprachge­bi­et nicht – selb­st das Mäd­chen heißt Maid­li. Ich nehme an, dass -l(i|e) auch bei Bib­bili die Verkleinerungsendung darstellt, also nur bib­bi (bzw. zib­bi) laut­ma­lerisch ist. (Im Hochdeutschen haben wir ja auch piep­piep als Vogel­geräusch.)1

Bib­bili ist aber bei Weit­em nicht aufs Badis­che beschränkt. Auf ein­er Seite mit Schu­lauf­sätzen von Schweiz­er Kindern find­en sich z.B. eine Menge Treffer:

  • Im näch­sten Raum entwick­el­ten sich die Bibili im Ei.
  • Sie haben sehr viel Bibili und Eier. Wir durften ein Frei­land­bibili und zwei gezüchtete Bibili mit­nehmen.
  • Die Bibili sind gelb. Die Bibili sind gewach­sen. Die Bibili haben schon Schwanzfed­ern. Die Bibili piepsen viel.

Und auch son­st scheint es in der Schweiz ein respek­ta­bles Wort zu sein:

  • Banker helfen Bibeli auf die Beine (blick.ch)
  • Brah­ma Hüh­n­er-Bibeli zu verkaufen (tier-inserate.ch)
  • Was macht ihr mit den Bibeli, wenn sie gross sind? Gehen sie zurück auf einen Bauern­hof? (fichten.ch)

Weit­er nördlich und west­lich find­et sich das Wort eben­falls noch:

  • Pfälzisch (Pfälzis­ches Wörter­buch):
    • Bib, Bibi n.: 1. ‘Huhn’, Sprache des Kleinkindes, Bib (bīb), meist in der Wieder­hol­ung Bibib (bibīb) […]
    • Bibilchens-käse m.: ‘weißer Käse’, eigentl. ‘Käse, mit dem man die Bibichen (Hüh­nchen) füttert’ […]
  • Mosel­fränkisch & Ripuar­isch (Rheinis­ches Wörter­buch):
    • Bibb […]: 1. Lock­ruf für Hüh­n­er […], 2. Bibb, meist ‑che (-ī-) Huhn, Kosen., bes. in der Kinderspr[ache …]
  • Elsäs­sisch (Elsäs­sis­ches Wörter­buch):
    • Bibbele­fleisch n. eig. Fl. von einem Hühnchen.
  • Lothringisch (Lothringis­ches Wörter­buch):
    • Bible […] pl. 1. Küch­lein. […] – 2. Huhn in der Kindersprache […]

Für östlichere Gebi­ete habe ich lei­der keinen Onlinezu­griff auf wis­senschaftliche Wörter­büch­er. (Bairisch? Thüringisch? Säch­sisch? Öster­re­ichisch?) Ein Öster­re­ichisch-Online­pro­jekt führt aber Pip­pale auf, auch sehr ähnlich.

Wie alt das Wort ist, kon­nte ich lei­der nicht her­aus­find­en – Grimms Wörter­buch hat keinen Ein­trag dafür, Adelung auch nicht. In den mit­tel­hochdeutschen Wörter­büch­ern find­et sich erst recht nichts, genau­sowenig im althochdeutschen (dort ist ein Küken ein huoniklîn, also ein kleines Huhn). Über mögliche Gründe kann ich nur spekulieren:

Es sieht so aus, als habe es zunächst einen Lock­ruf gegeben, mit dem man Hüh­n­er rief, und zwar Bib(i) – ganz ähn­lich wie Miez für Katzen. Daraufhin wurde der Lock­ruf oder das nachgemachte Piepsen als Beze­ich­nung für das Tier ver­wen­det, und zwar zuerst nur in der Kinder­sprache – also wie Wauwau. Irgend­wann begann man, die jun­gen Hüh­n­er mit ein­er Verkleinerungs­form davon zu beze­ich­nen. Diese Verkleinerung wurde wesentlich bere­itwilliger in die Erwach­se­nen­sprache aufgenom­men als Bib(i) selb­st. So find­et sich im Pfälzis­chen Bib(i) als kinder­sprach­lich, aber man bildet For­men wie Bibilchen­skäse, eine Zusam­menset­zung mit offen­sichtlich exis­ten­tem BibilchenKüken’. Für etwas kleines, flauschig-niedlich­es nahm man ein niedlich­es, kindlich­es Wort wahrschein­lich eher an als für ein aus­gewach­senes Nutztier.

Ob es das Wort schon “immer” gab, oder ob es in ver­schiede­nen Dialek­ten unab­hängig voneinan­der ent­standen ist, lässt sich wohl nicht fest­stellen. Es scheint zwar keine alten Quellen in mein­er momen­ta­nen Reich­weite zu geben, aber wenn das Wort kinder­sprach­lichen Ursprungs ist, ver­wun­dert das auch nicht weit­er. Wahrschein­lich hat es die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Küken’ irgend­wann ver­drängt, die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Huhn’ und ‘Hahn’ blieben aber erhalten.

So, jet­zt aber Ende der Speku­la­tion. Lokale Beze­ich­nun­gen für Küken sind in den Kom­mentaren hochwillkommen!

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[Lesetipp] Dialektwandel im Südwesten

Von Kristin Kopf

Bei sci­ence­gar­den gibt es einen schö­nen Bericht über Dialek­t­forschung an der Uni Freiburg (mit einem lei­der eher unter­durch­schnit­tlich guten Titel). Enorm les­bar geschrieben, ich empfehle ihn wärmstens:

2009-07-15-sciencegarden

[Werkzeug] TIPA vs. X‑SAMPA

Von Kristin Kopf

Für meine Mag­is­ter­ar­beit habe ich Sprachauf­nah­men gemacht, die ich jet­zt irgend­wie in Schrift­form brin­gen muss. Da es sich um badis­chen Dialekt han­delt, kann ich nicht ein­fach das deutsche Schrift­sys­tem nehmen – ger­ade bei den Vokalen gibt es da näm­lich Laute, die man so im Stan­dard­deutschen nicht kennt.

Hier ein willkür­lich aus­gewählter Satz (es geht um die Wörter Mod­er­a­torin­nen oder Ansagerin­nen, die der Sprecherin nicht einfallen):

Badisch: … die, wo ram Fernseh so ebbis erk­läre nodde reb­bis, ebbis …

Hochdeutsch: … die, die im Fernsehn so etwas erk­lären oder etwas, etwas …

Wer den Dialekt nicht spricht, kann ihn so auch nicht richtig vor­lesen. <ie> zum Beispiel ist kein langes i, son­dern wirk­lich ein Diph­thong, i‑e. Es gibt aber natür­lich auch lange i-Laute. Wenn <ie> für den Diph­thong reserviert ist, was macht man mit ihnen? Vielle­icht <ih>? Und schon steckt man mit­ten­drin in lauter Behelf­skon­struk­tio­nen, die das Sys­tem immer weit­er von dem ent­fer­nen, was man eigentlich wollte: ein­er für Sprach­wis­senschaft­lerIn­nen leicht les­baren Umschrift.

Die offen­sichtlich­ste Lösung ist IPA, das phonetis­che Alpha­bet. Dage­gen sprechen allerd­ings mehrere Dinge. Zum Ersten, dass das Pro­gramm, das ich für meine Daten­bank benutze, keine Son­derze­ichen zulässt. IPA-Sym­bole befind­en sich aber bei nor­malen Schrift­sätzen unter den Son­derze­ichen. (Und bei Tricks, durch die nor­male Tas­tatur­tas­ten mit IPA belegt wer­den kön­nen, muss ich dauernd die Tas­tatur umschal­ten, weil ich auch Nicht-IPA-Zeichen brauche. Auch schlecht.) Außer­dem dauert es ewig, die entsprechen­den Zeichen aus der Son­derze­ichentabelle her­auszusuchen und einzufügen.

Zum Zweit­en benutze ich zum Schreiben der Mag­is­ter­ar­beit ein Textsatzpro­gramm, das diese Son­derze­ichen gar nicht lesen kön­nte: LaTeX. Die erste Alter­na­tive, die mir ein­fiel, lautete dementsprechend auch TIPA, das IPA-Paket für LaTeX. Es kann IPA-Zeichen ziem­lich prob­lem­los mit den nor­malen Zeichen der Tas­tatur darstellen. Jedes IPA-Zeichen hat seinen eige­nen Befehl, und wenn man den ein­tippt, ste­ht nach­her im fer­ti­gen Doku­ment das IPA-Symbol.

Der Befehl wird ein­geleit­et mit tex­ti­pa{ – das Back­slash sig­nal­isiert, dass ein Befehl fol­gt, tex­ti­pa teilt mit, dass alle Zeichen jet­zt in IPA “über­set­zt” wer­den sollen, und { und das am Ende des IPA-Textes fol­gende } begren­zen den betrof­fe­nen Bere­ich. Danach kann man wieder ganz nor­mal weiterschreiben.

Inner­halb der tex­ti­pa-Umge­bung wird später jed­er getippte Buch­stabe in ein bes­timmtes IPA-Zeichen umge­wan­delt. Hier ist der Satzfet­zen von oben in TIPA:

[tex­ti­pa{dI@ vo Kam fEKn.se: so Pe.bIs PEK.klE:.K@.nO.d@.Ke.bIs Pe.bIs}]

Und das kommt am Ende raus:

2009-07-02-TIPAklein

Ihr seht auch gle­ich schon den Nachteil: Für viele der Zeichen muss man einen ziem­lich willkür­lichen Buch­staben ler­nen (z.B. K für das umge­drehte R, P für den Glot­tisver­schlus­slaut). Es reicht also nicht aus, IPA zu kön­nen, nein, man muss auch noch die TIPA-Zeichen ler­nen. Oder jedes Mal nach­schla­gen, was es auch nicht bringt. Außer­dem kön­nen so nur Leute, die die TIPA-Zeichen ken­nen, meine Umschrift in der Daten­bank lesen. Uuu­und: Es gibt zwei Meth­o­d­en, IPA-Befehle mit TIPA zu erzeu­gen. Die zweite ist mein­er Erfahrung nach zuver­läs­siger, weil sie sich weniger mit anderen Paketen beißt. Man muss sie nicht mit tex­ti­pa ein­leit­en, son­dern schreibt die Befehle direkt in den nor­malen Text. Und in ihr würde es heißen:

dtextsci­textschwa{} vo textinvscr{}am ftextepsilontextinvscr{}n.setextlengthmark{} so textglotstop{}e.btextsci{}s textglotstoptextepsilontextinvscr{}.kltextepsilontextlengthmark{}.textinvscrtextschwa{}.ntextopeno{}.dtextschwa{}.textinvscr{}e.btextsci{}s textglotstop{}e.btextsci{}s

Ver­rückt, was?

Ich habe mich deshalb für eine andere Tran­skrip­tion entsch­ieden, die zwar nicht alle Prob­leme löst, aber mir liegt sie am besten: X‑SAMPA. Das ist eben­falls ein Nota­tion­ssys­tem, das IPA mit den nor­malen Schriftze­ichen auf der Tas­tatur darstellt – allerd­ings mein­er Mei­n­ung nach etwas natür­lich­er als TIPA. Im Gegen­satz zu TIPA ist es näm­lich dazu gedacht, den Text so zu belassen, er wird nicht mehr in die richti­gen IPA-Zeichen umge­wan­delt. Der obige Text würde in X‑SAMPA lauten:

[dI@ vo Ram fERn.se: so ?e.bIs ?ER.klE:.R@.nO.d@.Re.bIs ?e.bIs]

Sehr viele Zeichen wer­den genau­so wie in TIPA ver­schriftet, z.B. das punk­t­lose i als I, das Schwa als @, … aber ger­ade die Zeichen, die bei TIPA so willkür­lich erscheinen, sind bei X‑SAMPA wesentlich logis­ch­er. Falls mal jemand anders mit der Daten­bank arbeit­en will, kann die Per­son sich so viel schneller ein­denken, falls sie nicht eh schon X‑SAMPA kann.

Wenn ich die Mate­ri­alien aus der Daten­bank in der Mag­is­ter­ar­beit ver­wende, muss ich sie natür­lich in TIPA umwan­deln. Aber dazu hat glück­licher­weise jemand ein Skript geschrieben, das bei mir bish­er auch anstand­s­los funktioniert.

Und jet­zt begebe ich mich zurück zu meinen Tonauf­nah­men – heute Vor­mit­tag habe ich schon 6:33 Minuten geschafft!

In eigener Sache

Von Kristin Kopf

Gestern habe ich meine Mag­is­ter­ar­beit angemeldet: “Flex­ion­sklassen diachron und dialek­tal: Das Sys­tem der Sub­stan­tivk­lassen im Ale­man­nis­chen

Und nicht nur weil der Kom­men­tar der Sach­bear­bei­t­erin im Dekanat lautete “Äh, ja. Schön geschrieben, das kann ich gut abtip­pen”, will ich noch ein bißchen mehr dazu sagen:

1. Flexionsklassen & Substantivklassen

Darum ging es schon ein­mal in Oh Herz Jesu, meine Kasus! Ganz kurz gesagt: Flex­ion­sklassen gibt es für alle flek­tieren­den Wortarten.

Für Ver­ben heißt die Flex­ion auch Kon­ju­ga­tion. Ver­ben besitzen im Deutschen je nach Numerus (Ein- oder Mehrzahl), Per­son (1., 2., 3.), Tem­pus (Präsens, Prä­ter­i­tum, …), Modus (Indika­tiv, Kon­junk­tiv, Imper­a­tiv) ver­schiedene For­men. Alle ver­schiede­nen For­men eines Verbs zusam­mengenom­men nen­nt man Par­a­dig­ma. Alle Ver­ben, die auf die gle­iche Weise kon­jugiert wer­den, gehören zusam­men zu ein­er Klasse. Das ist für das Deutsche nicht so leicht einzuteilen, bei Sprachen wie Spanisch geht es bess­er: Die Infini­tiven­dung Vokal+r beste­ht bei manchen Ver­ben aus i+r, bei anderen aus a+r oder e+r. Je nach Vokal wird anders konjugiert.

Bei Sub­stan­tiv­en spricht man von Dek­li­na­tion. Ein Sub­stan­tiv benötigt im Deutschen die Infor­ma­tio­nen Kasus (Nom­i­na­tiv, Gen­i­tiv, Dativ, Akkusativ), Genus (maskulin, fem­i­nin, neu­trum), Numerus (Sin­gu­lar, Plur­al) und Definitheit (bes­timmt, unbes­timmt). Genus und Definitheit wer­den nur am Artikel markiert, Kasus und Numerus sowohl am Sub­stan­tiv als auch am Artikel.

Die Sub­stan­tivk­lassen wer­den im Deutschen also an Kasus und Numerus fest­gemacht. Im Gen­i­tiv kön­nen Sub­stan­tive z.B. auf -(e)s enden (des Mannes), oder auf -(e)n (des Bären), oder völ­lig endungs­los sein (der Frau_). Im Plur­al gibt es unglaublich viele Möglichkeit­en: die Männer, die Frauen, die Nächte, die Autos, die Nägel, die Wagen, … Die Sub­stan­tivk­lassen teilt man durch die Kom­bi­na­tion von Gen­i­tiv Sin­gu­lar und Nom­i­na­tiv Plur­al ein. Alle Sub­stan­tive, die diese bei­den For­men auf die gle­iche Weise bilden, bilden auch alle anderen For­men iden­tisch. Eine sehr schöne Über­sicht find­et Ihr auf canoo.net.

2. Diachron & dialektal

Diachron (oder diachro­nisch) kommt von griechisch dia ‘(hin)durch’ und chronos ‘Zeit’. Das Adjek­tiv beze­ich­net eine Vorge­hensweise, bei der man Sprache über einen län­geren Zeitraum hin­weg (Jahrhun­derte, nicht Tage) betra­chtet und die Verän­derun­gen unter­sucht. In meinem Fall werde ich schauen, wie die Sub­stan­tive im Althochdeutschen eingeteilt waren und wie und warum sich diese Ein­teilung zum Neuhochdeutschen hin verän­dert hat. Das Gegen­stück zu diachron ist syn­chron, die Betra­ch­tung eines Sprach­sys­tems zu einem bes­timmten Zeitpunkt.

Dialek­tal bezieht sich auf Punkt 3:

3. Alemannisch

Im Ale­man­nis­chen unter­schei­den sich die Klassen sowohl vom althochdeutschen als auch vom neuhochdeutschen Sys­tem. Es gibt zum Beispiel keinen Gen­i­tiv mehr, der Plu­ral­mark­er alleine bes­timmt über die Sub­stan­tivk­lasse. Ich unter­suche zwei Orts­di­alek­te im ale­man­nis­chen Sprachraum und schaue, wie die Klassen da eingeteilt sind.

Ein paar Aspek­te zum The­ma find­et Ihr auch schon auf dem Schplock:

Wir können jetzt auch Hochdeutsch

Von Kristin Kopf

Unter dem Titel “Wir kön­nen jet­zt auch Hochdeutsch” schrieb der Mannheimer Mor­gen am let­zten Mittwoch:
Jetztauchhochdeutsch2
Eine ver­wirrende Antwort? Zugegeben, wenn Herr Rein­hart das wirk­lich gesagt hat, ist er ein besser­wis­serisch­er Haarspal­ter – aber Recht hat er. His­torisch gese­hen kann man das deutsche Sprachge­bi­et in drei Gebi­ete teilen. Das hat­ten wir ja schon mal, im Pfin­gst-Artikel. Zur Erinnerung:

2009-06-01-Heutige_deutsche_Mundarten-Ausschnitt

Niederdeutsch (keine 2. Lautverschiebung)

________________

Mit­teldeutsch (teil­weise 2. Lautverschiebung)

+

Oberdeutsch (kom­plette 2. Lautverschiebung)

=

Hochdeutsch

Die Beze­ich­nung mit Nieder-, Mit­tel-, Ober- und Hoch- kommt aus der Geografie des deutschen Sprachraums: Der Süden liegt um einiges höher als der Nor­den. Es geht also nicht drum, wo auf der Land­karte oben ist, son­dern darum, wo die Berge sind.

Relief2
Die mit­tel- und oberdeutschen Dialek­te, darunter das erwäh­nte Schwäbisch, Kurpfälzisch, Ale­man­nisch und Fränkisch (wobei Schwäbisch sowieso zu Ale­man­nisch gehört), bilden zusam­men die hochdeutschen Dialek­te. Die Beze­ich­nun­gen Hochdeutsch (also ohne den Hin­weis auf Dialek­te) wird allerd­ings heute mit Stan­dard­deutsch gle­ichbe­deu­tend gebraucht, beze­ich­net also die stan­dar­d­isierte Varietät.

Natür­lich ist es nicht so schlau, ein­mal Hochdeutsch als Syn­onym für die Stan­dard­sprache zu gebrauchen (Wir kön­nen alles. Außer Hochdeutsch) und ein­mal für das Dialek­t­ge­bi­et (Also kön­nen wir sog­ar beson­ders gut Hochdeutsch). Baden-Würt­tem­berg ist zwar stolz darauf, die Stan­dard­sprache nicht zu beherrschen − wenn das aber zum Vor­wurf gemacht wird, flüchtet man sich ein­fach in eine andere Def­i­n­i­tion von Hochdeutsch und kann es somit doch. Wom­it man seine eigene Wer­bekam­pagne sabotiert. Ist das Politik?

Geliebtes Deutsch

Von Kristin Kopf

Das Insti­tut für Deutsche Sprache in Mannheim hat let­ztes Jahr eine Studie zu Sprache­in­stel­lun­gen zum Deutschen gemacht. Die Studie (bzw. Teile von ihr) gibt’s zum Mit­machen auch noch online.

Ein paar inter­es­sante Ergebnisse:

47% der Befragten (darunter auch Nicht-Mut­ter­sprach­ler) empfind­en der deutschen Sprache gegenüber Liebe, 56% Stolz.

60% der Befragten gaben an, einen Dialekt zu sprechen. Da habe ich aber so meine Zweifel und frage mich, ob das nicht vielle­icht eher region­al gefärbte Umgangssprachen sind. Die Beze­ich­nung “Dialekt” wird ja im All­ge­meinen recht bre­it aufge­fasst. Beson­ders bei “Am sym­pa­this­chsten wird der nord­deutsche Dialekt emp­fun­den (24%), gefol­gt von Bairisch (20%) und Ale­man­nisch (13%)” frage ich mich, was genau hier unter Nord­deutsch ver­standen wurde – Niederdeutsch, oder Hochdeutsch mit nord­deutschem Ein­schlag wie das S‑tolpern über den beliebten s‑pitzen S‑tein? Und ist das gute Abschnei­den von Bairisch und Ale­man­nisch nicht vor allem darauf zurück­zuführen, dass die meis­ten Dialek­t­sprech­er der Studie aus Süd­deutsch­land kamen?

großes Inter­esse an der Pflege der deutschen Sprache” hat­ten 1997/98 13% der Befragten, heute sind es 35% – das Bas­t­ian-Sick-Phänomen, würde ich mal sagen. Eher froh macht mich allerd­ings fol­gen­des Ergebnis:

Die Mehrheit der Befragten betra­chtet die Entwick­lung der deutschen Sprache mit gemis­cht­en Gefühlen oder sog­ar mit Sorge. Auf die Frage, ob die Verän­derung der deutschen Sprache pos­i­tiv oder neg­a­tiv zu bew­erten sei, antwortet mehr als die Hälfte der Befragten (53%) unentsch­ieden. 30% sind der Ansicht, die Entwick­lung sei „eher besorgnis­er­re­gend“ oder „sehr besorgnis­er­re­gend“. 16% der in Deutsch­land leben­den Bevölkerung find­et die Verän­derun­gen „eher erfreulich“ bzw. „sehr erfreulich“. Ein­wan­der­er bew­erten die Entwick­lung der deutschen Sprache deut­lich pos­i­tiv­er als Mut­ter­sprach­ler.

30% ewige Nör­gler vs. 16% Opti­mis­ten kommt mir gar nicht so krass vor, gefühlt sind es viel mehr Schwarzmaler.

Unter einem Teppich stecken …

Von Kristin Kopf

Kür­zlich habe ich mit meinen Eltern tele­foniert und wollte dabei eine Wort­form im badis­chen Dialekt wis­sen. Es ging mir um das Wort Decke, das ja zwei Bedeu­tun­gen hat: Ein­mal die ‘Zim­merdecke’ und ein­mal die ‘Decke zum Zudeck­en’. Die Zim­merdecke heißt Deg­gi und in der Mehrzahl Deg­gine. Das ist eine spez­i­fisch ale­man­nis­che Plu­ral­form, über die ich bes­timmt dem­nächst mehr schreiben werde.

Woran ich jet­zt zweifelte war, dass das Wort in der Bedeu­tung ‘Decke zum Zudeck­en’ auch den ne-Plur­al bildet. (Meine Hypothese war, dass es in der Ein­zahl Deck und in der Mehrzahl Decke hieße.) Also fragte ich meine Mut­ter ganz direkt. Das ist eine schlechte Meth­ode, weil sie so eine Chance hat­te, nachzu­denken. Da wir aber eh schon über Plu­rale sprachen und sie somit bere­its über For­men­bil­dung nach­dachte, war eh nichts mehr zu ret­ten. Wie erwartet zögerte sie und wusste nicht so richtig, was die Mehrzahl war. Also wurde sie inves­tiga­tiv tätig …

Meine Mut­ter zu meinem Vater: Du, was isch sell wu ma sich noochds mit zuedeckt?
Mein Vater: Ha e Deckbett.
Meine Mut­ter: Un häm­mir nur eins defu?
Mein Vater: Nai, mir hän mäh Deckbedder.
Meine Mut­ter zu mir: Deckbed­der!
Ich: Ja Mama, aber das ist ja die Mehrzahl von Bett, nicht von Decke.
Meine Mut­ter: Aaah, ja, stimmt. Wardemol.
Meine Mut­ter zu meinem Vater: Un im Winder, wenn’s kalt isch, was nimm­sch donn noch dezue?
Mein Vater: E Dep­pich.
(Über­set­zung)

So endete die tele­fonis­che Feld­forschung mit ein­er uner­warteten Fest­stel­lung: Das, was im Hochdeutschen als Decke beze­ich­net wird (Bettdecke, Zudecke, Pick­nick­decke, …), wird im Badis­chen durch andere Wörter abgedeckt. Die Bettdecke durch Deck­bett (gibt’s im Hochdeutschen ja auch) und jede andere Form ein­er tex­tilen Decke als Tep­pich.

Weil ich mir aber soooo sich­er war, dass es auch Decke irgend­wie geben muss, habe ich mich auf der ale­man­nis­chen Wikipedia umge­se­hen, und siehe da: die Tis­chdecke ist kein Tischteppich!

Ing­var Kam­prad het mit sinere Fir­ma am Afang aller­lei ver­schi­deni Ware, dorun­der Chugelschriber, Brief­dasche, Bilder­rämme, Dis­chdeck­ene, Uhre, Zünd­höl­zli, Schmuck un Nylon­strümpf ver­chauft. (Quelle)

[Ing­var Kam­prad hat mit sein­er Fir­ma am Anfang aller­lei ver­schiedene Waren, darunter Kugelschreiber, Brief­taschen, Bilder­rah­men, Tis­chdeck­en, Uhren, Stre­ich­hölz­er, Schmuck und Nylon­strümpfe verkauft.]

Jet­zt mal schauen, wie meine Mut­ter die badis­che Form dazu aus meinem Vater herauslockt …

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