Schlagwort-Archive: Englisch

Kandidaten für den Anglizismus 2013: Hashtag

Von Kristin Kopf

Auch der oder das Hash­tag ist ein Wiedergänger von 2012, ich kann also zunächst ein­mal auf Susannes let­ztjähri­gen Artikel ver­weisen. ((Außer­dem wird das Wort hier noch knapp gestreift.)) Über die Funk­tion von Hash­tags schrieb sie damals:

Mit #Hash­tags wer­den typ­is­cher­weise Tweets, Posts oder Bilder in sozialen Net­zw­erken ver­schlag­wortet, um sie einem bes­timmten The­ma zuzuord­nen. […] Auf ein­er zweit­en Ebene wer­den mit Hash­tags aber auch Emo­tio­nen, Zustände, Wun­schdenken, Kom­mentare, Zuge­hörigkeit, Empathie und Ironie markiert (#kaf­fee, #WirSindL­la­ma oder #fail) oder Meme ges­tartet (#würstchen­filme). Diese wer­den als Meta-Schlag­worte gesetzt.

Heute will ich den Über­legun­gen von let­ztem Jahr zwei Aspek­te hinzufü­gen: Zum einen eine kleine Kor­pus­recherche in Zeitun­gen, um die Häu­figkeit­szu­nahme des Wortes zu über­prüfen, und zum anderen eine bish­er noch nicht besproch­ene Verwendungsweise.

#Frequenz

In den Zeitungsko­r­po­ra des IdS kommt das Wort zwar sel­ten vor, nimmt aber tat­säch­lich im Gebrauch zu.

2014-01-Hashtag

Treffer/Mio Wörter im DeReKo, W‑Archiv ohne WDD und WPD (n=113)

Schaut man sich an, wie es ver­wen­det wird, so erken­nt man schnell ein üblich­es Muster für neue Wörter: Weit­er­lesen

Weil ist faszinierend, weil Sprachwandel

Von Anatol Stefanowitsch

Wie die Oxford Eng­lish Dic­tio­nar­ies wählt auch die Amer­i­can Dialect Soci­ety jedes Jahr ein englis­ches Wort des Jahres. Während erstere in diesem Jahr das eher offen­sichtliche Self­ie zum Sieger kürten, fiel die Wahl der Amer­i­can Dialect Soci­ety auf das zunächst befremdliche because. Geehrt wurde das Wort nicht, weil es 2013 neu ent­standen oder beson­ders häu­fig ver­wen­det wor­den wäre, son­dern, weil es eine inter­es­sante gram­ma­tis­che Entwick­lung durchläuft.

Because + X

Herkömm­licher­weise kann because im Englis­chen nur in zwei gram­ma­tis­chen Struk­turen ver­wen­det wer­den – als soge­nan­nte „sub­or­dinierende Kon­junk­tion“, die einen Neben­satz ein­leit­et (wie in [1]), oder als Teil des prä­po­si­tion­sar­ti­gen Wortkom­plex­es because of (wie in [2]):

  • (1) Joe stayed home because she was sick.
  • (2) Joe stayed home because of her headache.

Im ersten Fall entspricht because der deutschen Kon­junk­tion weil (vgl. Joe blieb zu hause, weil sie krank war.), ((Oder auch den Kon­junk­tio­nen da und denn, wobei im Deutschen inter­es­sant ist, dass auf da ein Neben­satz und auf denn ein Haupt­satz fol­gt (da sie krank war vs. denn sie war krank), während weil sowohl mit Haupt­sätzen (weil sie war krank) als auch mit Neben­sätzen (weil sie krank war) auftreten kann.)) im zweit­en Fall würde man im Deutschen typ­is­cher­weise wegen ver­wen­den (wegen ihrer Kopf­schmerzen).

Dass die Amer­i­can Dialect Soci­ety because zum Wort des Jahres gewählt hat, liegt daran, dass seine gram­ma­tis­chen Möglichkeit­en sich in den let­zen Jahren dahinge­hend verän­dert haben dass es (vor allem in Online-Sprache) inzwis­chen auch mit Sub­stan­tiv­en (vgl. [3]), Adjek­tiv­en (vgl. [4]) und sog­ar Ver­ben (vgl. [5]) und Inter­jek­tio­nen (vgl. [6]) auftritt: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus des Jahres 2013: Whistleblower

Von Anatol Stefanowitsch

Das Wort Whistle­blow­er war schon im ersten Jahr unseres Wet­tbe­werbs nominiert und lan­dete sog­ar auf dem drit­ten Platz (hin­ter dem Sieger leak­en und dem zweit­platzierten ent­frien­den). Seinen Anstieg im Sprachge­brauch ver­dank­te das Wort damals (wie auch das Verb leak­en) der plöt­zlichen Promi­nenz von Wik­ileaks, ein­er Net­z­plat­tform, die geheime Doku­mente veröf­fentlichte, die ihnen eben von soge­nan­nten Whistle­blow­ern zuge­spielt wurden.

Das Wort Whistle­blow­er ist inzwis­chen akzep­tiert­er Bestandteil der deutschen Sprache, es ste­ht im Duden, wo es mit „jemand, der Missstände [an seinem Arbeit­splatz] öffentlich macht“ definiert ist, und es find­et sich seit 2010 durchgängig im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus des Insti­tuts für Deutsche Sprache, ein­er Samm­lung von Tex­ten (haupt­säch­lich Zeitung­s­tex­ten), die wir in der Bew­er­tung unser­er Wortkan­di­dat­en immer als Abbild des all­ge­meinen Sprachge­brauchs verstehen.

Mit der englis­chen Vorgeschichte des Wortes sowie der Entlehnung ins Deutsche habe ich mich sein­erzeit in einem Sprachlog­beitrag aus­führlich befasst und will meine Diskus­sion hier nur kurz wieder­holen. Ich habe damals die Ver­mu­tung geäußert, dass sich das Wort von der Redewen­dung to blow the whis­tle on someone/something ableit­et, die zunächst all­ge­mein die Bedeu­tung „etwas been­den“ hat­te und sich bild­haft auf die Fab­rik­sirene bezieht, die das Ende ein­er Schicht sig­nal­isiert. Diese Deu­tung führt inzwis­chen auch die deutschsprachige Wikipedia neben den von mir damals abgelehn­ten Her­leitun­gen von Polizei- oder Schied­srichterpfeifen auf. Das Wort find­et sich seit Mitte der neun­ziger Jahre im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus, bre­ite Ver­wen­dung fand es, wie gesagt, aber erst ab 2010.

Die entschei­dende Frage ist, ob das Wort seit seinem dama­li­gen Häu­figkeitss­chub im laufend­en Jahr eine so drastis­che weit­ere Ver­bre­itung gefun­den hat, dass seine nochma­lige Nominierung gerecht­fer­tigt ist. Weit­er­lesen

Zum Feste nichts Neues

Von Anatol Stefanowitsch

Wertkon­ser­v­a­tive deutsche Feuil­leton­is­ten – also deutsche Feuil­leton­is­ten – haben es zunehmend schw­er, die imag­inäre Beschnei­dung ihrer Frei­heit­en zu bekämpfen: Man­gels ern­sthafter Bedro­hun­gen müssen sie sich inzwis­chen damit zufrieden geben, gegen die Ent­fer­nung ras­sis­tis­ch­er Verunglimp­fun­gen aus Kinder­büch­ern oder der Ent­fer­nung männlich­er Pronomen aus Uni­ver­sitätssatzun­gen zu Felde zu zetern. Ihre nor­damerikanis­chen Geis­tesgenossen tun das auch gerne und aus­giebig, aber zusät­zlich kön­nen sie sich ein­mal im Jahr Höherem zuwen­den und zum Kampf gegen die Ent­fer­nung des Chris­ten­tums aus dem Wei­h­nachts­fest blasen. Dabei ste­ht eine per­fide rhetorische Massen­ver­nich­tungswaffe im Zen­trum ihrer Aufmerk­samkeit: die Floskel Hap­py Hol­i­days (zu deutsch etwa: „Schöne Feiertage“), die gerne in Zusam­men­hän­gen ver­wen­det wird, in denen Mer­ry Christ­mas Men­schen auss­chließen würde, die keine Chris­ten sind. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 51/2013

Von Susanne Flach

So, kurz vor Wei­h­nacht­en machen wir das infor­ma­tiv und schmer­z­los, ganz ohne Wei­h­nachts­duse­lei und mit Per­son­al­pronomen, Akzen­ten, Poli­tis­chem und einem self­ie:

  • Auf THE LAST WORD ON NOTHING beschreibt Michelle Nijhuis, wie sie auf Wun­sch ihrer Tochter beim Vor­lesen vom „kleinen Hob­bit“ aus Bil­bo Bag­gins ein Mäd­chen gemacht hat. Dazu passend: Ana­tol hat vor eini­gen Jahren schon über seine vor­leserischen Redak­tion­sentschei­dun­gen geschrieben.
  • Und wer dann immer noch glaubt, geschlechterg­erechte Sprache (hier: Per­son­al­pronomen) sein ein Prob­lem des Deutschen, der wende sich dieser Diskus­sion zu: im Vere­inigten Kön­i­gre­ich ver­han­delte man he vs. they let­ztens im Ober­haus, Geof­frey Pul­lum antwortet in LINGUA FRANCA.
  • In den Nieder­lan­den wurde self­ie zum Wort des Jahres gewählt. Damit erk­lären wir es zum heißesten Anwärter zum „Welt­wort des Jahres 2013“.
  • Zur Rede des Jahres wählte das Sem­i­nar für Rhetorik der Uni­ver­sität Tübin­gen Gre­gor Gysis Bun­destagsrede zum NSA-Skan­dal vom 18. Novem­ber. Die überzeugte die Jury nicht nur inhaltlich, son­dern auch in Struk­tur und Vor­tragsweise. Endlich ein­mal eine „X‑des-Jahres“-Wahl, der wir uns ganz uniro­nisch anschließen können.
  • Wo wir ger­ade vom X‑des-Jahres reden: Auch die Anglizis­mus-des-Jahres-Jury war wieder fleißig und hat die näch­sten vier Wortkan­di­dat­en besprochen: Land Grab­bing, Gam­i­fi­ca­tion, per­for­men und insta­gram­men.
  • Eigentlich eher aus dem Bere­ich Sprach­brock­en Absur­dis­tan kommt die Mel­dung, dass das Ver­wal­tungs­gericht Neustadt (ver­mut­lich meint man Neustadt an der Wein­straße) eine Klage abgewiesen hat, die sich gegen die Ver­wen­dung der Beze­ich­nung „Job­cen­ter“ richtete. Da hat — ohne Witz — jemand geklagt, weil die Amtssprache ja „deutsch“ sei und Job­cen­ter nicht dazu gehöre. Also entwed­er haben wir ger­ade genug zu tun oder wir find­en das beson­ders absurd, aber erin­nert sich noch wer hier­an, Punkt 3?
  • Ist es jet­zt eine große Große Koali­tion oder eine kleine große Koali­tion? Mit dieser Frage beschäftigt sich knapp Dr. Bopp.

Kandidaten für den Anglizismus 2013: instagrammen

Von Kristin Kopf

Im Sep­tem­ber 2012 twit­terte @PSchydlowski das vielfach im Inter­net und in Zeitun­gen weit­er­ver­bre­it­ete Foto eines Schildes mit der Aufschrift:

BITTE HIER IM RESTAURANT DAS ESSEN NICHT INSTAGRAMMEN!

(Diesen Zettel bitte auch nicht!)

2013-12-21-instagrambild1

Sym­bol­fo­to

Unser Kan­di­daten­wort beze­ich­net eine kul­turelle Prax­is, die, jede Wette, in mod­erne Ben­imm­rat­ge­ber einge­hen wird: Das Fotografieren mit einem mobilen Endgerät, ver­bun­den mit dem Teilen des Fotos im Web 2.0. Das scheint beson­ders häu­fig Mahlzeit­en zu betr­e­f­fen, aber auch Son­nenun­tergänge und Selb­st­por­traits (also Self­ies) sind gut mit dabei. Dass das Phänomen ein­er starken gesellschaftlichen Bew­er­tung unter­liegt, zeigen Tum­blrs wie Pic­tures of hip­sters tak­ing pic­tures of food oder die Nick­el­back-Par­o­die Look at this Insta­gram (Col­lege Humor).

Das »Insta­gram­men« ist eine Hand­lung, die sowohl off- als auch online stat­tfind­et und von der immer nur ein Teil für die Umge­bung sicht­bar ist: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: Gamification

Von Anatol Stefanowitsch

Heute eine kurze Diskus­sion eines erst­ma­lig (und ver­mut­lich ein­fach ein paar Jahre zu früh) nominierten Wortkan­di­dat­en für den Anglizis­mus des Jahres: Gam­i­fi­ca­tion, einem klas­sis­chen Fall eines Lehn­worts, das von ein­er Sprachge­mein­schaft gemein­sam mit der dazuge­höri­gen neuen Idee über­nom­men wurde. Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: Thigh Gap

Von Anatol Stefanowitsch

Nor­maler­weise entlehnt eine Sprachge­mein­schaft ein Wort, um eine soge­nan­nte lexikalis­che Lücke zu füllen – also eine Leer­stelle im Wortschatz. Solche Leer­stellen entste­hen typ­is­cher­weise, wenn etwas Neues beze­ich­net wer­den muss (z.B. eine neue Tech­nolo­gie, eine neue sportliche Aktiv­ität, eine neue Idee).

Das Wort, das ich heute disku­tiere, füllt eine lexikalis­che Lücke ander­er Art: Eine Lücke, die entste­ht, weil etwas, das schon immer da war, aber nie beachtet und deshalb auch nie benan­nt wurde, plöt­zlich in das Spot­light der gesellschaftlichen Aufmerk­samkeit gerät und eine Beze­ich­nung braucht. Bzw. eigentlich nicht „etwas, das schon immer da war“, son­dern ein Nichts, das schon immer da hätte sein kön­nen – näm­lich eine Lücke zwis­chen (weib­lichen) Ober­schenkeln, die auch dann noch sicht­bar sein muss, wenn die Beine ger­ade und die Füße aneinan­der gestellt sind (so die geläu­fig­ste Def­i­n­i­tion) oder sog­ar dann, wenn die Knie sich berühren (so die stren­gere Def­i­n­i­tion der englis­chen Wikipedia): die Thigh Gap.

[Inhaltswar­nung: Objek­ti­fizierende Beschrei­bun­gen des weib­lichen Kör­pers, Fat Sham­ing, Mager­sucht.] Weit­er­lesen

Die Shortlist zum Anglizismus des Jahres 2013

Von Anatol Stefanowitsch

Fast hun­dert Wörter haben Pub­likum und Jury in diesem Jahr für den Anglizis­mus des Jahres nominiert – mehr als je zuvor. In den let­zten Tagen hat die Jury diese Nominierun­gen auf ihre Tauglichkeit für den Wet­tbe­werb abgek­lopft und eine Short­list von 16 Wortkan­di­dat­en erstellt. Dabei wur­den zwölf Wörter streng nach unseren Kri­te­rien aus­gewählt; zusät­zlich durfte jedes Jurymit­glied ein Herzenswort nach Belieben auf die Short­list set­zen, um auch Außern­seit­er­wörtern eine Chance zu geben, sich zu beweisen.

Die sechzehn Wörter wer­den in den näch­sten Wochen hier und in den Blogs der Jurymit­glieder aus­führlich­er besprochen wer­den, bevor es dann Mitte Jan­u­ar an die Abstim­mung geht. Das Siegerwort wird am 28. Jan­u­ar 2014 offiziell bekan­nt­gegeben (wir hät­ten es früher gemacht, aber wir woll­ten den Kolleg/innen vom „Unwort des Jahres“ nicht dazwischenfunken).

Nun zu den Wörtern. Weit­er­lesen

Sprachbrocken: Der Verein Deutsche Sprache gegen sich selbst

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn es etwas gibt, das der Vere­in Deutsche Sprache noch mehr has­st als die (einge­bildete) Schwemme englis­ch­er Lehn­wörter im Deutschen, dann ist das der ver­meintliche Grund für diese Schwemme: die geopoli­tis­che Vorherrschaft der USA. Von ihrer Amerikafeindlichkeit getrieben haben die Sprach­nör­gler aus Dort­mund den Anti-US-Geheim­di­en­ste-Slo­gan „Yes, we scan“ zur Schlagzeile des Jahres gekürt, und von ihrem Wun­sch nach medi­aler Aufmerk­samkeit hin­geris­sen haben sie ihn der BILD zugeschrieben, die ihn am 10. Juni 2013 als Schlagzeile ver­wen­det hat­te. Weit­er­lesen