Schlagwort-Archive: Rheinfränkisch

[Schplock trifft Lehre] Keiner mag Sächsisch

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert ihr euch noch an den Beitrag zur ersten Sitzung im Rhe­in­fränkischsem­i­nar. Zum Ein­stieg habe ich die Studieren­den da einen kurzen Frage­bo­gen aus­füllen lassen, in dem ich unter anderem danach gefragt habe, welch­er deutsche Dialekt ihnen am besten und welch­er am wenig­sten gefalle. Solche Umfra­gen gibt es ja immer wieder, zulet­zt 2009 vom IdS in Mannheim im Rah­men ein­er größeren Studie zu Sprache­in­stel­lun­gen. Eine schnelle Über­sicht über die Ergeb­nisse zur Beliebtheit der Dialek­te ist z.B. hier zu find­en (gefragt war danach, welchen deutschen Dialekt man am sym­pa­this­chsten finde).

Ich habe nun die Ergeb­nisse aus meinen bei­den Kursen (zusam­men ca. 70 Leute) aus­gew­ertet und denen des IdS gegenübergestellt. Es gibt ein paar Abwe­ichun­gen, aber auch eine ganze Menge Par­al­le­len1:

Blau (Kurs) bzw. türkis (IdS) ste­ht für eine pos­i­tive, rot (Kurs) bzw. orange (IdS) hinge­gen für eine neg­a­tive Bew­er­tung des jew­eili­gen Dialek­ts (Angaben in %).

Mhm, meine Studierenden mögen Sächsisch nicht.

So gar nicht. Damit sind sie aber nicht alleine: Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Der Seminarplan

Von Kristin Kopf

Wie bere­its angekündigt, durften meine Studieren­den den Sem­i­nar­plan im Rhe­in­fränkisch-Sem­i­nar selb­st mitbes­tim­men. Ich habe let­ztlich immer mehrere passende Phänomene zusam­menge­fasst, um den sehr unter­schiedlichen Wün­schen der bei­den Kurse gerecht zu wer­den – vier The­men haben es dann nicht geschafft, beson­ders die flex­ion­s­mor­phol­o­gis­chen. Ist aber nicht so schlimm, auch mit den gewählten Erschei­n­un­gen kann man außeror­dentlich ern­sthafte Lin­guis­tik betreiben.

Da aus ver­schiede­nen Rich­tun­gen der Wun­sch nach dem Sem­i­nar­plan kam, poste ich ihn euch hier­mit. Weit­er­lesen

Von Lauten und Buchstaben

Von Kristin Kopf

Bei mir hat ein­mal ein/e Student/in Buch­stabe statt Phonem gesagt. Einmal.

Hm, ja. Bei mir im Sem­i­nar ist das erst let­zte Woche wieder passiert, und ich war ein wenig hil­f­los – im sech­sten Semes­ter und nach zahlre­ichen Pflichtver­anstal­tun­gen in der Lin­guis­tik müsste man es eigentlich bess­er wissen.

Aber worum geht es?

Wir sind enorm schrift­fix­iert, was bei sprach­wis­senschaftlichen Laien oft dazu führt, dass sie nicht unter­schei­den, was Schrei­bung ist und was nicht.

So habe ich zum Beispiel schon von Studieren­den gehört, dass man früher <Tax­en> geschrieben habe, jet­zt aber zunehmend <Taxis> schreibe. Das hat aber mit der Schrei­bung nichts zu tun – sie bildet nur einen Wan­del ab, der sich auf ein­er anderen Ebene vol­l­zo­gen hat: Aus ein­er Art der Plu­ral­bil­dung (auf -en am Wort­stamm) wurde eine andere (auf -s an der Grund­form). Auch ganz leicht zu merken daran, dass dieser Unter­schied auch beste­hen bleibt, wenn man sich nicht die Schrei­bung anschaut, son­dern das Wort gesprochen hört.

Dage­gen ist so etwas wie <Delfin> statt <Del­phin> ein reines Schreibphänomen, an der Gram­matik ändert sich da nichts. Den­noch waren in den heißen Zeit­en der Rechtschreibre­form viele der Mei­n­ung, die Sprache an für sich werde verän­dert, also das Missver­ständ­nis-Gegen­stück zu eben. Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Dialekte: Wo und wie cool sind sie?

Von Kristin Kopf

In der Kat­e­gorie [Sch­plock trifft Lehre] halte ich Inhalte und Ergeb­nisse aus dem Sem­i­nar Rhe­in­fränkisch fest, das ich im Som­merse­mes­ter 2012 an der Uni Mainz gebe. (Zum Ein­stiegs­beitrag.)

Diese Woche hat das Semes­ter ange­fan­gen, und damit auch mein Ver­such der Sem­i­nar­doku­men­ta­tion hier im Sch­plock. Ein paar grobe Dat­en für die Inter­essierten: Das Rhe­in­fränkisch-Sem­i­nar beste­ht aus zwei Par­al­lelkursen (Don­ner­stag und Fre­itag). Bei­de sind so voll, wie die Räume es zulassen (je ca. 35 Teil­nehmerIn­nen), die Studieren­den sind in der Regel im 6. Semes­ter und studieren im Bach­e­lor of Edu­ca­tion, wollen also ein­mal DeutschlehrerIn­nen wer­den. Daher wer­den wir im Sem­i­nar, und das ist ein weit­eres Exper­i­ment, auch darauf einge­hen, ob und wie sich die The­men für Schü­lerin­nen und Schüler auf­bere­it­en lassen. Ich poste hier im Sch­plock nicht die kom­plet­ten Inhalte des Sem­i­nars, son­dern jew­eils das, was mir davon auch für eine bre­it­ere Öffentlichkeit inter­es­sant erscheint.

Zum Ein­stieg, und weil ich neugierig war, welche Vorken­nt­nisse meine Studieren­den besitzen, habe ich einen kleinen wahrnehmungs­di­alek­tol­o­gis­chen Test gemacht, der sich ganz grob am Kiel­er DFG-Pro­jekt Der deutsche Sprachraum aus der Sicht lin­guis­tis­ch­er Laien ori­en­tiert (das auch ein Blog besitzt!), allerd­ings wesentlich kürz­er. Wer mag, kann ihn hier eben­falls machen. Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Rheinfränkisch

Von Kristin Kopf

Ich jam­mere ja nun schon seit einiger Zeit darüber, dass ich kaum mehr Zeit fürs Sch­plock habe. Das liegt vor allem daran, dass ich so viel unter­richte. Schon let­ztes Semes­ter habe ich aber immer wieder über­legt, ob einzelne Sem­i­narthe­men nicht auch sch­plock­fähig wären, und dieses Som­merse­mes­ter will ich die Verblog­gung von Unter­richtsin­hal­ten nun ern­sthaft angehen.

Ver­such­sob­jekt wird mein Sem­i­nar zum Rhe­in­fränkischen. Das geht näch­ste Woche los, und dann will ich jede Woche einen kurzen Artikel über das Phänomen schreiben, das wir besprochen haben. Schlau wie ich bin, kündi­ge ich euch das jet­zt an, damit ich keinen Rückzieher mehr machen kann. Los geht es dann übernäch­ste Woche, denn das, was ich näch­ste Woche machen will, erledi­ge ich größ­ten­teils in diesem Post schon.

Das Sem­i­nar gebe ich nicht, weil ich unglaublich viel über den rhe­in­fränkischen Dialek­traum weiß, son­dern weil ich gerne unglaublich viel darüber wis­sen würde. Wird also auch für mich span­nend. Ich denke, ich habe jet­zt einen ganz guten Überblick für den Anfang. Was ich auch habe, ist eine viel zu lange Liste mit möglichen The­men, deshalb werde ich die Studieren­den darüber abstim­men lassen, was sie beson­ders inter­essiert. Heute will ich euch diese Liste ganz kurz vorstellen. Weit­ere Ideen sind natür­lich her­zlich willkommen!

Rhe­in­fränkisch; CC-BY-SA 3.0 Hans Erren (Wikipedia)

Zunächst ein­mal aber: Wo befind­en wir uns eigentlich? Das Rhe­in­fränkische ist ein Dialek­t­ge­bi­et des West­mit­teldeutschen, Mainz liegt drin, allerd­ings ist man sich son­st nicht ganz einig, was alles dazuge­hört. Die klas­sis­che Ein­teilung (Beispiele bei der Wikipedia, im dtv-Atlas Deutsche Sprache) set­zt einen bre­it­en Streifen von Saar­brück­en bis Kas­sel an, die Unterteilung von Wiesinger nimmt hinge­gen das Hes­sis­che (d.h. das dunkellila Gebi­et auf der Karte rechts) weit­ge­hend aus. Was wir uns im Sem­i­nar dann let­ztlich anschauen wer­den, hängt von den einzel­nen Phänome­nen ab.

Die Ein­teilung der west­mit­teldeutschen Dialek­te erfol­gt meis­tens anhand des Durch­führungs­grads der 2. Lautver­schiebung. Unter der Über­schrift Rheinis­ch­er Fäch­er find­et ihr hier etwas dazu. Im Rhe­in­fränkischen sagt man also, abwe­ichend von der hochdeutschen (und süd­deutschen) Lau­tung, Abl ‘Apfel’ und Pund ‘Pfund’, aber übere­in­stim­mend damit das, Dorf und machen (statt der nördlicheren Vari­anten dat, Dorp, mak­en). Das ist ein The­ma, das defin­i­tiv im Sem­i­nar drankom­men wird. Eben­falls schon sich­er ist die Koronal­isierung (ch wird zu sch), ein generell mit­teldeutsches Phänomen, das ich im Sch­plock mal am Beispiel von Kirsche ‘Kirche’ besprochen habe und sei­ther innig liebe. Hier gibt es auch ein paar Beispielka­rten aus dem Atlas der deutschen Alltagssprache.

Die weit­eren möglichen The­men liste ich euch jet­zt auf, immer mit einem Beispiel­satz, ein­er kurzen Erk­lärung und eventuell Links. Die Beispiel­sätze stam­men, sofern nicht anders angegeben, aus “Kud­del­mud­del ums Kup­perdibbe”, dem Mainz­erischen Aster­ixband: Weit­er­lesen

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

Häppscher und andere Kleinigkeiten

Von Kristin Kopf

Vor einiger Zeit habe ich über Kuriositäten wie Kinderlein und Häusercher spekuliert. Das sind For­men, bei denen trotz Verkleinerung ein Plur­al gebildet wird. In Mainz ist man bei solchen Späßen voll dabei:

Meenzer Häppscher

Süpp­sch­er als Meen­z­er Häppscher

Wo es im Stan­dard­deutschen das Häppchendie Häppchen heißt, die Endung -chen bei der Mehrzahlbil­dung also unverän­dert bleibt, sagt man auf Rhein­hes­sisch ’s Häppsche(n) die Häppscher.

Ob und wie der Plur­al bei Verkleinerungs­for­men (“Diminu­tiv­for­men”) markiert wer­den kann, hängt vom Dialekt ab. Dazu habe ich euch mal eine bunte Karte gebastelt, die für die hochdeutschen Mundarten die For­men für Apfel­bäum­chen im Plur­al zeigt: Weit­er­lesen

Es grünt der Storch

Von Kristin Kopf

Bei mein­er ebbis-Recherche bin ich im pfälzis­chen Wörter­buch auf das Wort Eppich gestoßen. Erster Gedanke?
2009-09-22-Eppich

Die Mainz­er Eppich­mauer­gasse kam mir immer ein bißchen komisch vor. Als würde ein T- fehlen … Jet­zt also die Lösung: Es ist eine Pflanze. Welche, das ver­mag das Wörter­buch nicht ganz zu klären:

Eppich1 m.: = Petersilie […]
Eppich2 m.:
1. = Efeu […]
2. = Immergrün […]

Peter­silie? Efeu? Immer­grün? Ver­wirrend! Weit­er­lesen

Will sell ebber?

Von Kristin Kopf

Num­mer 2 in der Rei­he “Badis­che Wörter selt­samen Ursprungs”: ebber ‘jemand’.

[Nach­trag: Eben habe ich ein Ver­wen­dungs­beispiel in meinen Auf­nah­men gefun­den – es geht um erhal­tene Bur­gen im Mittelrheintal:

ja, äh, wuh­nd doo na no ebber drin? (ja, äh, wohnt da denn noch jemand drin?)

]

Mal wieder kein erkennbar­er Bezug zum hochdeutschen Wort – aber dafür ähnelt es einem anderen Dialek­t­wort auf­fäl­lig: ebbis ‘etwas’, unbe­tont auch oft ebbs. Bei­de Wörter sind soge­nan­nte “Indefinit­pronomen”, also Pronomen, die nicht näher Bes­timmtes bezeichnen.

2009-09-14-ebbis

Das dialek­tale ebbis ist his­torisch mit dem hochdeutschen etwas verwandt.

Das Grimm­sche Wörter­buch gibt althochdeutsch ëddeshuaʒ und mit­tel­hochdeutsch ët(e)swaʒ an, das schließlich zu unserem heuti­gen etwas wurde. Es ken­nt aber auch die For­men eppas, eppes, die es als von der “Volkssprache” assim­i­liert bezeichnet.

Das deutet darauf hin, dass das Wort nicht nur im Badis­chen auf­taucht – und siehe da: In zahlre­ichen Dialek­twörter­büch­ern find­et es sich, z.B. im Pfälzis­chen (ębəs, ębis, abəs), Rheinis­chen (ębəs, mit der weit­eren Bedeu­tung ‘sehr’), Elsäs­sis­chen (eppis) und Lothringis­chen (èpəs, èbs, èbəs). Im Lothringis­chen Wörter­buch ste­ht als Anmerkung dabei: Kommt in fast allen ober- und mit­teldeutschen Maa. [=Mundarten] vor”. Ost­mit­teldeutsche Wörter­büch­er gibt’s lei­der nicht online, Hin­weise dazu wer­den dankbarst aufgenommen!

2009-09-14-ebber

Jet­zt aber zu ebber! Das Wort ähnelt ebbis nicht umson­st, es geht näm­lich auf eine ähn­liche Grund­lage zurück:

  1. mhd. ëtes-was
  2. mhd. ëtes-wër

Im Mit­tel­hochdeutschen (und auch schon früher) wur­den die Indefinit­pronomen also regelmäßig gebildet, und zwar aus etes und dem entsprechen­den Frage­pronomen (was für Dinge, wer für Men­schen).

Außer­dem kon­nte etes auch vor -lîch (etlich), -(‘irgend­wo’), -war (‘irgend­wohin’), -wenne (‘manch­mal’) und -wie (‘irgend­wie’) ste­hen, immer mit der unbes­timmten Bedeu­tung. Lei­der bin ich grade fern von meinem ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch, aber wenn wir wieder glück­lich vere­int sind, werde ich mal nach­schauen, ob für etes zu ein­er früheren Zeit eine konkretere Bedeu­tung belegt ist.

ebber ist also eine Vari­ante von etwer, das es im Neuhochdeutschen nicht mehr gibt. Statt dessen ver­wen­den wir jemand oder irgendw­er.

Wie ebbis ist auch ebber weit­er ver­bre­it­et: Im Pfälzis­chen (ębər, ębɒr), Elsäs­sis­chen (epper) und Lothringis­chen (èbər). Das Elsäs­sis­che ken­nt darüber hin­aus auch noch eppe ‘etwa’ und eppen(e) ‘irgend­wann, von Zeit zu Zeit’ (wahrschein­lich aus mhd. eteswenne).

Von tw zu bb

Wie kon­nte aber et-w… zu eb… wer­den? Die Grimms sprechen von ein­er Assim­i­la­tion, aber hier wird ja nicht t zu w oder w zu t, son­dern es verän­dern sich gle­ich bei­de Laute. Das ist eine soge­nan­nte “reziproke Assim­i­la­tion”, bei der sich die bei­den Laute gegen­seit­ig bee­in­flussen. Das neue [b] bein­hal­tet also Merk­male der bei­den vorheri­gen Laute (grün = Stimmhaftigkeit, blau = Artiku­la­tion­sort, orange = Artiku­la­tion­sart):

  • <t> ist ein stimm­los­er alve­o­lar­er Plo­siv [t]
  • <w>
    • war früher mal ein labi­al­isiert­er stimmhafter velar­er Approx­i­mant (=Hal­b­vokal) [w] – wie heute noch im Englischen –
    • und ist jet­zt ein stimmhafter labio­den­taler Frika­tiv [v]
  • <b> ist ein stimmhafter bil­abi­aler Plo­siv

Nun ist es etwas schwierig zu sagen, was genau wann passiert ist. Ist ebber ent­standen, als wir noch ein [w] hat­ten, oder erst, als es schon ein [v] war? Ich tippe auf ersteres. Dann hätte das [t] seinen Artiku­la­tion­sort ver­lagert, um dem [w] ent­ge­gen­zukom­men. Das [w] ist velar, das heißt der Zun­gen­rück­en ist bei der Bil­dung hin­ten am Gau­men, aber wichtiger ist hier, dass es labi­al­isiert ist. Das bedeutet, dass man bei der Bil­dung bei­de Lip­pen benutzt. Wenn man zur Bil­dung eines Plo­sivs, was das [t] ja ist, die Lip­pen ein­set­zt, dann wird er bil­abi­al und somit ein [b] oder [p]. Wir hät­ten also den Zwis­chen­schritt *ebwas.

In einem zweit­en Schritt hätte dann das [b] auf das [w] eingewirkt und es in sein­er Artiku­la­tion­sart verän­dert: Vom Hal­b­vokal zum Plo­siv. Et voilà, ebbas.1 Übri­gens: Heute schreibt man zwar noch <bb>, aber in Wirk­lichkeit ist es längst auf einen b-Laut zusam­mengeschrumpft. (Den Vor­gang nen­nt man “Degem­i­na­tion”.)

Das [a] wurde später oft abgeschwächt, sodass man dialek­tal meist ebbes hat. Woher das ale­man­nis­che [i] stammt, kann ich lei­der nicht schlüs­sig erk­lären. Das Ale­man­nis­che ist aber sehr i-phil, vielle­icht wurde die abgeschwächte Endung ein­fach als ehe­ma­liges [i] analysiert und dann wieder ver­stärkt. Das ist jet­zt aber reine Spekulation!

Einen ganz ähn­lichen Vor­gang kann man übri­gens zum Lateinis­chen hin beobacht­en: aus indoger­man­is­chem *dw wurde im Lateinis­chen b (z.B. *dwis ‘zweimal’ > bis). Im Deutschen hinge­gen haben wir das ursprüngliche *dw beibehal­ten, es wurde lediglich durch andere Laut­wan­del­prozesse verän­dert (indogerm. *dw > germ. tw (1. Lautver­schiebung) > ahd. zw (2. Lautverschiebung)).

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